Die "besten guten Klassik-Alben"
Derweil veröffentlicht der „KulturSPIEGEL“ eine Liste mit dem Titel:
„Die besten guten Klassik-Alben“.
Nicht die schlechtesten guten, nicht die besten schlechten, nein: „die besten guten“…
Derweil veröffentlicht der „KulturSPIEGEL“ eine Liste mit dem Titel:
„Die besten guten Klassik-Alben“.
Nicht die schlechtesten guten, nicht die besten schlechten, nein: „die besten guten“…
Aktuell berichtet Andreas Borcholte auf „Spiegel.de“, wie der „Spiegel“ dieses Jahr versucht hat, „ein Interview mit Taylor Swift zu bekommen“. Natürlich vergebens. Swift „vermittelt mit ihren intimen Tagebuchsongs zwar die Illusion, so nahbar wie eine gute Freundin zu sein. Dabei scheint sie jedoch jedes noch so winzige Detail zu kontrollieren, das über ihre Person in die Öffentlichkeit gelangt: Sie berührt also die Massen, bleibt selbst aber unberührbar.“
Hübsch, wie sich alle Manager:innen und Akteur:innen der Musikindustrie anlässlich des 30jährigen Jubiläums der „Musikwoche“ tief vor dem Branchenblatt verbeugen – in dem die Akteur:innen sicher auch künftig ihre Produkte anpreisen und selbst in allerlei Fotos vorkommen wollen und werden.
Der „Rolling Stone“ präsentiert wieder mal die angeblich „500 besten Alben aller Zeiten“. Ganz schön selbstbewusst. Kein einziges Klassik-Album, kaum Jazz, wenig Hip-Hop, das sollen die „500 besten Alben aller Zeiten“ sein? Lustig.
Und dann Bilderbuch und zwei Mal Tocotronic, aber keine Tortoise, kein Lambchop, to name just two. Und in der Jury der vor über acht Monaten verstorbene Kristof Schreuf – wie geht das? Aus dem Jenseits zugeschaltet?
Nicht weiter ernst zu nehmen das alles, außer für die Jungs mit ihrem Listengetue…
Die meisten deutschen Popjournalisten (hier kann man möglicherweise aufs Gendern verzichten) sind ausgewiesene Streaming-Hasser. Möglicherweise, weil die Demokratisierung von Musik durch die Streamingdienste (bei Spotify sind zum Beispiel über 80 Millionen Songs und Musikstücke einen Fingertipp entfernt und stehen jederzeit zur Verfügung – deutsche Popjournalist:innen nennen so etwas gerne „Monokultur“…) ihnen ihre geliebte Rolle als Gatekeeper zerstört hat.
Musikpresse und Relevanz – der „Economist” beschreibt eine wichtige Facette des Superstar-Geschäfts, und wie Journalist:innen zu Teilen dieses Systems degradiert werden:
„Many superstars enjoy unquestioning critical veneration. This is driven by a number of factors—chief among them journalists’ fear of a social-media backlash. There is also the fact that the biggest stars rarely let their records go to reviewers before release, resulting in articles written on the fly, in which no one wants to be the person out of step.”
(The Economist)
Zusammenhanglos: Regelmäßig frage ich mich, wie die Redakteur:innen und Autor:innen in den Axel Springer-Musikmagazinen „Rolling Stone“ oder „Musikexpress“ eigentlich zu den Äußerungen ihrer „Chefs“ stehen, beziehungsweise wie sie damit zurechtkommen. Also mit dem neoliberalen Quatsch, den Ulf Poschardt so von sich gibt, oder dem reaktionären Mist, den der Axel Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner so äußert. Der, wie gerade herauskam, auffordert, für Donald Trump zu beten.
Alle Jahre wieder: die trostlosen Jahresbestenlisten hierzulande. Kaum artists of colour, praktisch kein US-HipHop (also die interessanteste und wichtigste Musik unserer Zeit souverän ignoriert), keine afrikanischen Acts (Ausnahme Jens Balzer), viel weißer Mittelschichtsrock und, damit einem ein bisschen ein wohliger Schauer über den Rücken laufen und man sich als aufgeschlossen präsentieren kann, auch paar Deutschrap-Acts, von Hafti bis Hayiti.
Kartoffelmusik. Macht doch mal die Fenster auf!
Rettet dem Genitiv!
Die Qualitätsmedien so:
„Die Welt ist wärmer dank seinen Songs.“ (NZZ)
„Mehr als tausend Corona-Tote binnen einem Tag.“ (Der Spiegel)
„Russland gedenkt Sieg über Nazideutschland mit großer Parade“ (Der Spiegel)
Oder Slavoj Žižek: „Trotz seinen gelegentlichen Fehltritten verdient Descartes also, dass man ihn feiert.“ (NZZ)
„Man kann nicht oft genug den Mann preisen, der sich Hölderlin annahm.“ (FAZ, in der „Frankfurter Anthologie“)
Was für ein tolles Popjournalismus-Wochenende Mitte November!
Die „taz“ quatscht ausführlich mit dem einschlägig bekannten Fruchtbonbon (das bekennt, „Singen hat was Sakrales" – ja, warum tut er's dann nicht?).