24.12.2025

Spotify, Musiker:innen-Verdienste & die Nudelpresse

Der Musikstreamingdienst Spotify ist der Lieblingsgegner von Musiker:innen, schlecht informierten Presseleuten und auch etlichen Musikfans, die am liebsten jedes Rolling Stones- oder Rosalía-Album persönlich von den Künstler:innen am Merch-Stand kaufen würden, statt die Tracks im Netz zu hören – von wegen „Authentizität“, diesem unverwüstlichen Fake aus dem Jutebeutel der „handmade“ Rockmusik.
 
Da halten Musiker:innen empört ihre angeblichen Spotify-Abrechnungen in die Social Media-Kameras, aus denen hervorgehen soll, welche Cent-Bruchteile sie pro Stream sie von Spotify erhalten. Ausbeutung! Dumm nur, dass Spotify niemals auch nur einer oder einem Musiker eine Abrechnung geschickt hat – die Vertragspartner von Spotify & Co sind die Rechteinhaber, die bekommen die Abrechnungen und Auszahlungen und ziehen entsprechend ihrer Verträge mit den Musiker:innen ihren meist gewaltigen Anteil (auch bei den meisten Indies sinds immer noch 50 Prozent!) ab, bevor sie den Rest an die Musiker:innen auszahlen. 
 
Aber dass die Musiker:innen häufig schlechte Verträge mit den Plattenfirmen haben, sie also quasi übertölpelt wurden, ist eine Narration, die sich nicht so gut macht. Zumal: wes Brot ich esse…
Und ich habe es noch nicht erlebt, dass sich Musiker:innen über schlechte Deals bei YouTube empört hätten – dabei zahlt dieser Streamingdienst mit Abstand am wenigsten an die Rechteinhaber aus (wenn man von Bandcamp absieht, bei denen das Streaming komplett ohne Bezahlung der Musiker:innen abläuft). Aber klar, ein schickes oder zumindest selbstgemachtes Video wollen sie alle auf YouTube haben, da legt man sich nicht mit dem Streamingdienstleister oder gar dessen Mutter Alphabet an und postet lieber Fake-News über Spotify.
 
Und da haben wir noch nicht von den Journalist:innen gesprochen, die in aller Regel schlecht (wenn überhaupt…) recherchierte Artikel gegen Spotify schreiben und sich im Solidaritätsboot mit den Musiker:innen wähnen. Da gibt es allen Ernstes Radiomoderator:innen, die klagen, dass Spotify doch die Indies und junge und unbekannte Musiker:innen und Bands benachteiligen würde – und das plappern sie in Sendern daher, die in ihrem Formatradio die Musik, die ihnen die Majors unterjubeln, rauf und runter dudeln und praktisch nie einen Track von Indie-Firmen oder gar unbekannten Musiker:innen spielen.
Und wenn genug auf angeblichen (und mitunter auch realen) Problemen von Spotify herumgetrampelt wurde, können dann Besinnungsaufsätze geschrieben werden, in denen es heißt „Der Ruf des Streamingportals Spotify ist am Boden“ (FAS 23.11.2025).
 
Es ist ein armselig Ding um die Berichterstattung und die Bewertung von Spotify.
Den Vogel schoss dieser Tage die „taz“ ab. Dort wirft sich ein Thaddeus Herrmann – laut Wikipedia ein „deutscher Electronica-Musiker, Musik- und Technologiejournalist sowie Labelbetreiber“ – unter der populistischen Parole „Fairer streamen“ mit allerlei Falschbehauptungen und Mutmaßungen in die Propagandaschlacht gegen Spotify.
 
So behauptet der „taz“-Autor, dass „die drei verbliebenen Majorlabel Sony, Universal und Warner Mehrheitseigner“ von Spotify seien. Das ist schon nicht mehr Fake News, sondern eine glatte Lüge. Laut Marketscreener vom Erscheinungstag des „taz“-Artikels gehört lediglich einer der drei genannten Majorlabels zu den zehn größten Anteilseignern von Spotify, nämlich die Sony Group Corporation – mit gerade einmal 2,514 Prozent Anteilen. Selbst taz-Autoren sollten über soviel Mathematikkenntnisse verfügen, dass sie herausbekommen, dass 2,5% weit entfernt von einem „Mehrheitsanteil“, also von 50,1% sind. Universal hielt Ende 2024 laut eigenem Finanzbericht noch rund 3,3% Anteile an Spotify, hat also im Lauf des Jahres diese Anteile wohl noch weiter reduziert. Und Warner hat bereits im Mai 2018 seine gesamten Spotify-Anteile für mehr als eine halbe Milliarde US$ verkauft.

Überhaupt waren die Majors (und die Indies) immer weit davon entfernt, „Mehrheitsanteile“ an Spotify zu halten. Zu Gründungszeiten des Streamingdienstes 2008 wurden die damals noch vier Majors mit insgesamt 17 Prozent (für die „taz“: das ist deutlich weniger als 50,1%!) und die Indies über Merlin, ihre kommerzielle Agentur für die Auswertung der digitalen Rechte der Indie-Labels, mit einem Prozent an Spotify beteiligt. Nominalwert: 8.804 Euro.
Zehn Jahre später, beim Börsengang von Spotify, waren diese Anteile sage und schreibe rund 2,6 Milliarden US$ wert – und wurden von den Majors zum Teil (Universal, Sony) beziehungsweise komplett (Warner) bei der erstbesten Gelegenheit, nämlich unmittelbar nach dem Börsengang von Spotify, mit gigantischen Gewinnen zu Geld gemacht.
 
Übrigens auch von Merlin, also den Indies. Merlin hat 2018 seine Anteile an Spotify monetarisiert und die erzielten gut 130 Millionen US$ komplett an seine mehr als 20.000 Mitgliedsfirmen (also Plattenfirmen und Vertriebsorganisationen) verteilt. Es wäre spannend zu erfahren, welche und wie viele der Indies ihre Musiker:innen an diesen leistungslos erzielten Spotify-Gewinnen wenigstens zum Teil beteiligt haben. Von der Beggars-Group, einer der kommerziell erfolgreichsten unabhängigen Plattenfirmen weltweit, wissen wir immerhin, dass sie die Hälfte der von Merlin an sie ausgezahlten Spotify-Gewinne an ihre Musiker:innen ausgezahlt hat; ebenso haben es Sony und Warner gehalten.
 
Die bösen Majors also, die laut „taz“ ja immer noch über die Mehrheitsanteile an Spotify verfügen, die sie nie hatten…
(Frage am Rande: Gibt es bei der taz wirklich keine kompetenten Redakteur:innen, die derartige Lügenmärchen ihrer Autoren auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen?!?)