Taylor Swift, Adele, Live Nation, Omertà
Aktuell berichtet Andreas Borcholte auf „Spiegel.de“, wie der „Spiegel“ dieses Jahr versucht hat, „ein Interview mit Taylor Swift zu bekommen“. Natürlich vergebens. Swift „vermittelt mit ihren intimen Tagebuchsongs zwar die Illusion, so nahbar wie eine gute Freundin zu sein. Dabei scheint sie jedoch jedes noch so winzige Detail zu kontrollieren, das über ihre Person in die Öffentlichkeit gelangt: Sie berührt also die Massen, bleibt selbst aber unberührbar.“
Nun vertrete auch ich einige Musiker:innen, die denkbar ungern und daher aus den unterschiedlichsten Gründen extrem selten Interviews geben.
I don’t blame them – gerade auch, wenn man die oft unterirdischen Fragen kennt, die in solchen Interviews gerne gestellt werden. Aber natürlich ist es ein Prinzip der Musikindustrie unserer Tage, dass „Entertainment-Größen wie Swift lieber über soziale Medien direkt mit ihren Fans kommunizieren, statt sich kritischen Nachfragen zu stellen.“ (Borcholte)
Dies ist aber nur ein Teil der in der Musikindustrie, vor allem in deren deutschem Teil, herrschenden Omertà. Das bestehende Schweigegebot ist ja beileibe nicht nur ein Phänomen von Superstars, sondern gilt hierzulande zum Beispiel für reale Chartsverkäufe (wie viele Tonträger wurden von welchem Act verkauft?) oder für die Verkaufszahlen von Konzerten ebenso wie für die Absagegründe von schlecht verkaufenden Konzerten („aus technischen Gründen abgesagt“). In den USA werden reale Verkaufszahlen ebenso veröffentlicht wie die realen Verkaufszahlen von Konzerten und Tourneen: Gesamtumsatz, durchschnittlicher Ticketpreis, wie viele Tickets wurden genau verkauft, was war der Durchschnittsumsatz usw. Hier ein Beispiel aus dem „Pollstar“-Jahresrückblick:
(Grafik: Pollstar.com, „Pollstar 2024 Year End Analysis“, 13.12.2024)
Derartige Zahlen gibt es auch für praktisch jedes Konzert in praktisch jedem Venue (nun gut, aus praktischen Gründen erst ab einer gewissen Größenordnung, also ein paar hundert Plätzen…).
Kann jemand erklären, warum selbst deutsche Ableger US-amerikanischer Großkonzerne diese Transparenz bei Konzerten und Tourneen in Deutschland grundsätzlich verweigern?
Unlängst bei der (übrigens ganz großartigen) „Listen To Munich“-Popkonferenz gab es da eine kleine Auseinandersetzung, als der CSU-Stadtrat Leo Angerer auf einem Podium erzählte, die Veranstalter der Münchner Adele-Gigantomanie-Residenz hätten trotz 740.000 Ticketkäufer:innen „sogar 20 Millionen Euro Verlust gemacht“, was beim Publikum nicht nur Gelächter, sondern auch kritische Nachfragen hervorrief.
Nun hat die „Abendzeitung“ bei Marek Lieberberg, CEO von Live Nation Deutschland, nachgefragt. Lieberberg war deutlich:
„Das Gegenteil dieser absurden Behauptung ist richtig! Die Adele-Residenz war in jeder Hinsicht ein überragender Erfolg, der sich auch im finanziellen Ergebnis niedergeschlagen hat. That’s it.“
Konkrete Zahlen aber nannte Lieberberg auch auf Nachfrage der „Abendzeitung“ nicht. Warum eigentlich nicht? Warum herrscht im deutschen Konzertwesen Omertà statt Transparenz? Was hat man eigentlich zu verbergen?
Wie zu hören war, mussten übrigens alle bei der Adele-Residency Beschäftigten, sogar noch der letzte Aufbauhelfer und Roadie, eine Schweigevereinbarung unterschreiben, die es ihnen untersagte, irgendwelche noch so kleinen Details zu verraten. Tschah.