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Blog Archiv - Jahr 2018
14.05.2018

Junge Amerikaner*innen: Die Erde ist flach!

Was ist nur los mit den jungen Amis?
Gerade einmal 66 Prozent der jungen Amerikaner im Alter von 18 bis 24 Jahren gaben laut „Telepolis“ bei einer YouGov-Umfrage an, daß sie davon ausgehen, daß die Erde rund ist.
Ein Drittel der Befragten dieser Altersgruppe ist im Zweifel, ob die Erde rund sei: 4 Prozent sind davon überzeugt, daß die Erde flach ist, 9 Prozent geben an, sie hätten bislang an eine runde Erde geglaubt, seien darüber jedoch in Zweifel geraten, und ganze 16 Prozent sagten, sie wüßten nicht, ob die Erde rund oder flach ist.
Übrigens bezeichnen sich 52 Prozent der Anhänger der flachen Erde aller Altersgruppen als „sehr religiös“. Ob Galileo oder der Papst und seine Inquisition Recht behalten, scheint also in den USA des 21. Jahrhunderts noch nicht endgültig ausgemacht.

13.05.2018

Smudo, der Meisterkoch, empfiehlt: Spargelkochen in der Spülmaschine!

Es ist schon ein Kreuz (sic! Wertedebatte!) mit den Deutschrappern. Denken wir an Smudo von den Vantastischen Fier, sie wissen schon, diese Band, über die der große Hagen Liebing einmal gesagt hat, man wisse nicht so recht, was bei ihnen zuerst da war, Album, Tour-Verträge oder doch eher ein lukrativer Kampagnen-Sponsor, denn „die Schwaben sind sich für keinen Werbedeal zu schade“.

Smudo jedenfalls hat für uns alle einen Ratschlag, wie man am besten Spargel kocht: In der Spülmaschine nämlich! „Das ist ja auch eine Art Dampfgarer. Da hast du heißes Wasser, was lange um das Gargut herumstreicht“, hat Smudo dem Radiosender „MDR Jump“ verraten. Im Ernst jetzt. Natürlich fragt man sich, wo Smudo nun sein schmutziges Geschirr wäscht – im Spargeltopf vielleicht?

Aber ich hätte auch einen guten Küchen-Ratschlag für Smudo, nämlich, wie man Eier kocht. Ganz einfach in die Waschmaschine geben! Die ist nämlich auch eine Art Eierkocher. Für das Procedere einfach die rohen Eier in Folie einpacken, das Waschprogramm auf Kochwäsche und los. Man kann sich auch vor die Waschmaschine setzen und zuschauen, was da so passiert. Allemal interessanter als die Castingshow „The Voice“, bei der Smudo zu sehen ist.

13.05.2018

Wie die "NZZ" in Berlin bei Castorf einmal in geistige Untersuchungshaft geriet...

Und wenn sich der Bourgeoisie eine wie auch immer geartete „Kommune“ entgegenstellt? Dann passiert, was schon immer passierte: Die Bourgeoisie schlägt um sich.
So das europäische Geschäftsblatt dieser Klasse, die „Neue Zürcher Zeitung“, in einem erbärmlich schlecht recherchierten, aber umso meinungsfreudigeren Bericht vom Berliner Theatertreffen, der Volksbühne und Castorfs Faust-Inszenierung.

Faust wird sage und schreibe fünf Mal gezeigt. Das Publikum darf kurze sieben Stunden und lange 10 000 Goethe-Verse lang Binge-Watching betreiben und sich im Koma-Hören üben. In die Zumutungen des Abends nicht mit eingerechnet sind Exkurse in Fanon, Rimbaud, Müller und ins Werk von Lord Byron.“ So schreibt die „NZZ“ über diese von Publikum wie Presse („Ein Alters- und Meisterwerk Castorfs“, jubelt die „Süddeutsche Zeitung“) begeistert aufgenommene Inszenierung. Die ratzfatz fünfmal ausverkauft war, „sage und schreibe“...
Nun, daß für „NZZ“-Lohnschreiber*innen Fanon, Rimbaud oder Lord Byron „Zumutungen“ darstellen, das darf man doch wohl hoffen und erwarten. Doch dann kommt Daniele Muscionico zum Punkt: „Castorfs «Faust»-Wiederauferstehung ist satte 500 000 Euro teuer.“ Und woher kommt das Geld? „Um das dafür notwendige Sümmchen zusammenzukratzen, hat Kultursenator Klaus Lederer tüchtig gespendet, den Rest liess man sich aus den Lottomitteln bezuschussen.“ Wie das eben so ist in einer Demokratie: Die Kultur wird von den kulturellen Institutionen finanziert, von den Bürgerinnen und Bürgern. Damit hat die „NZZ“ offensichtlich ein Problem. Sie behauptet allerdings, daß die Bürgerinnen und Bürger Berlins damit ein Problem hätten, also diejenigen, für die Kultursenator und Bürgermeister Lederer seit Monaten in allen Umfragen der beliebteste Politiker ist, mit weitem Abstand...

„Das schmeckt nicht jedem, und das ist verständlich. Vor allem ärgern sich die Erniedrigten und Beleidigten“, denn bei denen kennt sich die „NZZ“ aus, war sie doch immer schon eine Kampfschrift des internationalen Proletariats und Prekariats, „dass nicht klar ist, welche Mehrkosten durch die Verlegung in das Festspielhaus generiert werden.
Frank Castorf, der Herr der Fliegen (hä?!? BS), die sich an den Verlierern weiden, hat mit seinem «Faust», naturgemäss, eine Kapitalismuskritik im Auge. Das Kapital ist der Teufel!“
Mal abgesehen von der Frage, wer hier etwas „im Auge“ hat – daß Goethes Faust im zweiten Teil nur schwerlich nicht als Kapitalismuskritik zu lesen ist, hat sich nach Zürich wohl noch nicht herumgesprochen...

„Doch ist die Berliner Ökonomie des Arschloches nicht bemerkenswert kurz gedacht? Wer die kapitalistischen Verhältnisse kritisiert und 500 000 Euro braucht, um seine Kritik glaubhaft zu machen und sich treu zu bleiben, der denkt in einer Kategorie, die das gemeine Volk «inkonsequent» nennt.“
Eine interessante Position – wer Kapitalismuskritik betreibt, soll also gefälligst darauf verzichten, das an einem Theater zu tun, wo alle Beteiligten ordentlich bezahlt werden – ist es das, was Daniele Muscionico meint? Castorf soll gefälligst eine unbezahlte Lesung veranstalten, wenn er Kapitalismuskritik betreiben will? So, wie es wohl im Sinne von Daniele Muscionico und seiner „NZZ“ gewesen wäre, wenn Metternichs totalitärer Staat dem Ludwig van Beethoven verboten hätte, für die Revolution, der Beethoven nun einmal anhing, Sinfonien zu schreiben, wo solche Werke doch zur Aufführung eines Sinfonieorchesters bedürfen. Wer die Herrschenden kritisiert, soll das gefälligst kostenlos tun. Man kann doch auch eine Klaviersonate schreiben, muß es immer gleich eine Sinfonie, muß es eine große, gar siebenstündige Theaterinszenierung sein? Theater und Konzerthaus wurden schließlich von der Bourgeoisie für die Bourgeoisie errichtet – seid gefälligst konsequent und bleibt unseren Kunsttempeln mit eurer Kapitalismuskritik fern!

Doch dann wird Muscionico in der „NZZ“-„Kritik“ zum Schluß noch ganz weinerlich und bekommt es mit der Angst zu tun, nämlich bei der Frage, „wie man ein Arschloch wird“:
Wer dazu zählt und wer nicht, ist ausgemacht. Vor allem aber, man wird, wie vor 1989, über die Zugehörigkeit nicht selber bestimmen können. Eine selbsternannte Autorität übernimmt das, fürsorglicherweise. Wo das hinführt? Fragt man sich das ernsthaft? Die Antwort liegt auf der Hand – in die geistige Untersuchungshaft.“
Vorsicht, liebe „NZZ“! Wenn ihr es mal wieder wagt, Kritiker*innen ins Ausland, gar nach Berlin zu schicken, können die schnell in „Untersuchungshaft“ landen! Wenn auch nur in „geistiger“... Wobei man spekulieren kann, ob die „geistige Untersuchungshaft“ von Daniele Muscionico nicht eher ein Synonym für „geistige Umnachtung“ darstellt.
Merke: Wenn die Bourgeoisie und ihr Mitteilungsblatt unter Druck geraten, schlagen sie um sich. Dumm und dreist, wie gehabt. Und beides in einer nach oben offenen Skala...

01.05.2018

"Rapmusik ist für mich menschenfeindliches Gestammel mit Musikverzicht"

„Von der ganzen Rapmusik, bei der nur jemand zu Schlagzeug und Bass rumlabert, wird nichts übrigbleiben”, plappert Heinz Rudolf Kunze daher. „Da kann kein Titel ein Golden Oldie werden, weil es keine Melodie gibt und niemand mitsingen oder mitsummen kann. (...) Das ist für mich menschenfeindliches Gestammel mit Musikverzicht”.

Der sogenannte „Deutschrocker“ ist eindeutig vom Fach, mit menschenfeindlichem Gestammel unter Musikverzicht kennt er sich bestens aus, solchen Kram hat er nämlich auf mittlerweile 36 Alben gepreßt, ohne daß sich Vinyl oder CD hätten wehren können.

„Ich sympathisiere mit Gott. Ich würde nicht so gerne mit der Überzeugung leben müssen, dass es überhaupt keinen Sinn im Weltall gibt.”

Wenn alternde Männer von etwas reden, von dem sie noch nie etwas verstanden haben... Im Fall des Rechtsauslegers Heinz Rudolf Kunze, dessen „Golden Oldies“ gerne von Pegida in Dresden mitgesummt werden, ist das, wovon er nichts versteht, allem Anschein nach ziemlich viel. Die Musik gehört jedenfalls dazu. Und ansonsten ist bei Hannover gerade ein Sack mit Deutschrock-CDs umgefallen...

01.05.2018

Zeitgenösissche Musik für Eliten

Neues aus dem Kapitel „wir tun alles, damit die zeitgenössische Musik eine Beschäftigung der Elite bleibt“:
Da gab es bis 1995 eine fabelhafte Reihe „Wege zur Neuen Musik“ in der ARD (die dann aus Quotengründen – warum zahlen wir gleich wieder unsere Zwangsbeiträge?!? – eingestellt wurde...). Der Dirigent Gerd Albrecht analysierte zusammen mit den jeweiligen Komponisten aktuelle Werke in „Erklärkonzerten“, zum Beispiel von Penderecki, Ligeti, Isang Yun, Henze, Kagel oder Widmann. Im Anschluß an das Gespräch mit den Künstlern wurde das Werk komplett aufgeführt mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin (heute DSO). Es gab von 2010 bis 2012 noch einmal eine Neuauflage mit dem RSB.

Sechs dieser Gesprächskonzerte wurden jetzt verdienstvollerweise vom Label Arthaus Musik (bei Naxos) in einer zweisprachigen DVD-Edition unter dem Titel „Open Your Ears – Wege zur Neuen Musik“ herausgebracht. Diese sind nicht nur Musterbeispiele für kulturelle Vermittlung und musikalische Bildung, nicht zuletzt wegen Gerd Albrecht, diesem genialen Vermittler, sondern es handelt sich auch wertvolle Zeitdokumente, sind doch fünf der sechs Komponisten mittlerweile verstorben.

Allerdings: warum kostet diese Box mit 6 DVDs um die 100 Euro? Die beteiligten Orchester sind doch von der öffentlichen Hand subventioniert, die Aufnahmen stammen von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, und der Dirigent wie auch die meisten Komponisten sind leider bereits verstorben. Wer also muß Profit mit so einer Box machen? Hier zeigt sich wieder einmal der Irrweg der Klassik-Szene, die bewußt oder unbewußt alles tut, um unter sich zu bleiben. Ein derartiges Musterbeispiel hochkarätiger Musikvermittlung, wie es mit „Open Your Ears“ vorliegt, muß preiswert sein, damit es wirklich die Chance hat, weit verbreitet zu werden und Werbung für aktuelle Musik zu machen. Eigentlich gehören diese Sendungen – wenn die unfähigen Programmchefs der tristen ARD-Sender schon nicht dafür sorgen, daß sie regelmäßig wiederholt werden, was dem gesetzlichen Bildungs- wie dem Kulturauftrag der Öffis entsprechen würde – auf YouTube!

30.04.2018

Das Problem des Journalismus...

Das Problem des Journalismus besteht ja nicht so sehr darin, daß, wer heute eine Zeitung oder ein Magazin in die Hand nimmt, nicht mehr sicher sein kann, daß die Texte darin von Menschen geschrieben wurden – das Problem ist doch eher, daß es so häufig keinen Unterschied machen würde.

30.04.2018

GEMA-Musikautorenpreis: Frauen schrecken vor nichts zurück...

Nochmal zurück zum GEMA-Musikautorenpreis (wir berichteten)

Musikautorenpreis, wie ihn die GEMA sieht:

Und wie ihn einige Musikerinnen sehen:

Die Frauen schrecken heutzutage wirklich vor nichts mehr zurück, um in Männerdomänen einzudringen!

30.04.2018

Kollegah, Echo etc.: Bizeps vs. Kunst

Nope. An dieser Stelle nichts mehr über Kollegah & Echo & all.
Oder, einer geht doch noch... nämlich ein alles sagender, wunderbarer Satz von Dietmar Dath über den Unterschied zwischen Kendrick Lamar und Kollegah:
„Nach diesen Kriterien, die man an Sonetten und Arthouse-Filmen so gut erproben kann wie an Mikrofonzungenartistik, ist Kendrick Lamar ein Künstler von höchstem Rang, die trübe Tasse Kollegah aber ein Poseur vom Gymnasium, der Fragen nach der sozialen Legitimität seiner drohbrünstigen Gettogestik und der künstlerischen Qualität seiner verhauenen Reime mit dem überzüchteten Bizeps wegdrücken muss."

21.04.2018

Die Dercon-Chronik. Brillanter investigativer Kulturjournalismus von John Goetz und Peter Laudenbach

Ein brillantes Stück Journalismus ist John Goetz und Peter Laudenbach hier gelungen:
„Die Dercon-Chronik“ in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 20.April 2018. Sorgfältig und noch im letzten Detail hervorragend recherchiert, aber eben auch die aufgedeckten Fakten klug bewertend und miteinander in Dialog treten lassend – Recherche ohne Haltung ist eben auch nichts wert. Das ist investigativer (Kultur-)Journalismus at it’s best! So etwas liest man in dieser außerordentlichen Qualität hierzulande viel zu selten.
Vor allem zeigt dieser große Text, daß die Diskussion um die Berliner Volksbühne und um das „beispiellose Versagen der Kulturpolitik“ noch lange nicht zuende ist, wie jetzt von manchen behauptet oder gefordert wird, sondern aufgrund der neuen Fakten eigentlich erst richtig losgehen muß. Denn erst, wenn wir uns mit dem, wofür die Causa Dercon steht (die ja viel eher eine Cause Renner und eine Causa Müller ist, ein beispielloser Tiefpunkt sozialdemokratischer Kulturpolitik in der Bundesrepublik), ausführlich und in aller gebotenen Tiefe auseinandersetzen, wird es uns gelingen, eine derart beispiellose Verballhornung der Interessen der Bürger*innen zugunsten neoliberalen Denkens und Handeln künftig zu verunmöglichen.

Ein paar der Fragen, die durch „Die Dercon-Kritik“ gestellt werden, ein paar Anmerkungen:

Klar wird, wie systematisch wir alle von den Handelnden belogen wurden. Zum Beispiel: René Pollesch lehnt zweimal das Angebot des Kulturstaatssekretärs Tim Renner (SPD), unter Dercon Leiter der Schauspielsparte der Volksbühne zu werden, in aller Eindeutigkeit ab. Auf der Pressekonferenz, bei der Dercon der Öffentlichkeit als neuer Volksbühnen-Intendant vorgestellt wird, behauptet Dercon (ausweislich eines Sprechzettels, den seine Assistentin für ihn vorbereitet hat), „mit René Pollesch sind wir im Gespräch“, obwohl dieser definitiv abgesagt hat. Schlimmer allerdings ist die andere Lüge, die Dercon zusammen mit Müller und Renner auf dieser Pressekonferenz vertritt: daß die Volksbühne ein Ensembletheater bleiben solle. Goetz und Laudenbach weisen detailliert nach, daß das Team Dercon die Regisseure und das „einzigartige Ensemble, den Kern und die Identität des Theaters“, durch eine Projektgesellschaft ersetzen wollten.

Brutal und deprimierend zugleich ist, wie der Sozialdemokrat Tim Renner, das „Kulturstaatssekretärchen, der sich wie das verhält, was er im Herzen ist: ein Werbekaufmännchen“ (Fabian Hinrichs in einem fabelhaften Interview mit der „Märkischen Allgemeinen“), im stillen Kämmerchen den Tod der alten Volksbühne beschließt, eine neoliberale Neuordnung durchsetzt, und dies im signifikanten neuen Jargon der Eigentlichkeit, also einer Sprache der neoliberalen Ideologie, begleitet. Es soll ein „aussagekräftiges Identitätszeichen“ entstehen, „mit dem sich die Stadt Berlin als Standort für Kunst neu positioniert“. Oder: als die Mitarbeiter*innen der Volksbühne mit ihrem Offenen Brief eine Debatte auslösen, in der Dercon immer mehr unter Druck gerät, schreibt Tim Renner an seine Mitarbeiter in der Kulturverwaltung über Dercon: „...der Mann braucht dringend einen ‚Pep-Talk’.“ Das ist der Jargon des Konzern-Managers, der Renner die längste Zeit seiner beruflichen Laufbahn war, die Ausdrucksweise eines „Global Leader for Tomorrow“, als der Renner 2003 vom World Economic Forum ausgezeichnet wurde. Es geht immer um „Kreativenergie“, um „kreative Netzwerke“, um „neue Impulse“, um „ein stimmiges Leitungskonzept“. Und eine Pressekonferenz wie die zur Vorstellung des neuen Intendanten verstehen Leute wie Tim Renner als Krieg, er schreibt an Matthias Lilienthal nach der Pressekonferenz eine SMS: „Sieg, wir haben gewonnen.“ Lilienthal, nicht ganz so doof wie Renner, hat laut „SZ“ am selben Tag zurückgeschrieben: „Vorsicht Tim, die Schlacht hat gerade erst angefangen und Ihr müßt sie unbedingt gewinnen!“ Die Männer führen Krieg, ihre Sprache verrät sie.

Speaking of Matthias Lilienthal: Der leugnet seine Beteiligung an der Intendantenfindung und -kür, in einer Presseerklärung schreibt er damals, „mit Verwunderung habe er Peymanns Vorwürfen entnommen, daß er für die Entscheidung, Dercon zum Nachfolger von Frank Castorf an der Volksbühne zu ernennen, beratend“ tätig gewesen sein soll. Wörtlich schreibt Lilienthal: „Ich möchte hiermit klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass dem nicht so ist.“ Nun, das entspricht, wie Goetz und Laudenbach zweifelsfrei nachweisen, nicht der Wahrheit. Die SMS, die Lilienthal Renner schreibt, wurde oben bereits zitiert. Doch von allem Anfang an ist Lilienthal beteiligt: „Im Dezember 2014 besichtigt Dercon Tempelhof das erste Mal. Mit dabei war Matthias Lilienthal“, schreiben Goetz/Laudenbach. Und zitieren eine Notiz der Dercon-Mitstreiterin Marietta Piekenbrock zur Finanzierung der geplanten Entwicklung Tempelhofs zum zentralen Spielort der „Neuen Volksbühnen“: „Matthias Lilienthal (also der Mann, der leugnet, mit der Inthronisierung Dercons irgendwas zu tun gehabt zu haben, BS) rät, die Finanzierung für Tempelhof während der Verhandlungen zu Intendanz als eine feste Position im Haushaltsplan der Stadt Berlin zu verankern.“

Das Tempelhof-Projekt ist aber auch noch aus anderen Aspekten interessant: Letztlich war es ja just Matthias Lilienthal, der auf diesem Gelände einige Zeit vorher bereits ein Projekt namens „Weltausstellung“ aufgezogen hatte. Dercon laut „SZ“: „Er (Lilienthal, BS) wollte damals schon die Hangars bespielen, aber das ging nicht, weil er die Miete nicht bezahlen konnte.“ Lilienthal hatte in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ 2012 gesagt: „Gebt mir einen Hangar in Tempelhof, baut mir das Ding aus und gebt mir fünf Millionen Euro im Jahr.“ Dercon kalkuliert im Herbst 2015 für die Entwicklung Tempelhofs mit einem Budget von – wollen Sie raten? – fünf Millionen Euro im Jahr. „Voraussetzungen: bauliche Ertüchtigung des Hangars als multidisziplinäre Ausstellungs- und Aufführungshalle inkl. Betriebskosten (Heizung, Strom, Klima).“ In ihrer „Kalkulation“ rechneten Dercon und Piekenbrock „für Tempelhof mit Sponsorengeldern in Höhe von 750.000 Euro. Für die Volksbühne wollten sie weitere 500.000 Euro akquirieren“ („SZ“). Dercon soll „davon gesprochen haben, er könne das Geld möglicherweise von BMW oder Mercedes bekommen.“ Der Mercedes-Stern über der Volksbühne, statt des berühmten Räuberrads davor? Allein hier zeigt sich schon, wie wenig Dercon und Piekenbrock von Berlin und von der Volksbühne verstanden haben – es zeigt sich aber auch, über wie wenig Ahnung sie in Sachen Kulturmanagement verfügen, denn es ist völlig klar, daß sich die genannten Automobilkonzerne für ihre Kultursponsoring- bzw. Whitewashing-Kampagnen natürlich nicht das Theater, sondern eben Opernhäuser oder Kunsttempel aussuchen. Zu denken, solche Konzerne würden 1,25 Millionen Euro fürs Theater springen lassen, ist gelinde gesagt wirklichkeitsfremd, besser: inkompetent.
Tim Renner allerdings findet die Idee natürlich super: „Wir ermutigten ihn, seine Sponsorenkontakte zu nutzen, um das Vorhaben auch jenseits der Haushaltsmittel oder von Lotto-Mitteln abzusichern.“
In 2017 plant Dercons Team übrigens nur noch mit 125.000 Euro an (in keinem Fall verifizierten, also tatsächlich eingeworbenen) Sponsorengeldern...

Hier zeigt sich aber vor allem eine Inkompetenz Dercons, die doch sehr wunderlich anmutet angesichts der Tatsache, daß Dercon ja immer als fähiger Kulturmanager bezeichnet wird, selbst von einigen seiner Gegner, die ihm attestieren, im Theater fehl am Platz gewesen zu sein, aber ansonsten über beträchtliche Kompetenz als Kunst- und Kulturmanager zu verfügen. Wie kann es dann aber passieren, daß in Dercons Kalkulation die Mietkosten für Tempelhof komplett fehlen, wie ein Mitarbeiter der Kulturverwaltung in einem Vermerk festgehalten hat? Mietkosten, von denen Kultursenator und Bürgermeister Müller Dercon mitgeteilt hat, daß es dafür keine Kostenzusage geben werde. Und im Landeshaushalt werden auch in den kommenden Jahren keine Mittel dafür eingestellt. Die erfahrene Theater-Managerin Gabriele Gornowicz, bis 2014 Geschäftsführerin der Volksbühne, hält Dercons Kalkulation für „komplett unrealistisch“, eine reine Luftnummer sozusagen. Über Dercons Mitstreiterin Piepenbrock wird Gornowicz in der „SZ“ so zitiert: „Noch erschütternder als ihr Unwissen war ihr völliges Desinteresse daran zu verstehen, wie dieser Apparat Stadttheater arbeitet.“ Dercons Leute haben keine Ahnung, aber sie wollen auch keine Ahnung haben. Stattdessen verkünden sie allgemeine Floskeln und unwahre Behauptungen, etwa, was die Erhaltung des festen Künstler-Ensembles angeht.
In einer Notiz für den Regierenden Bürgermeister schreibt eine Mitarbeiterin der Kulturverwaltung laut „SZ“ im August 2017 zum Wirtschaftsplan 2018/2019 der Volksbühne: „Die Bespielung von Tempelhof wird in 2018 und 2019 nicht abgebildet. Eine Finanzierung durch Drittmittel (...) ist auch nicht ablesbar...“ Bedeutet: Da wird von dem „erfahrenen Kulturmanager“ und seinem Team ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der hinten und vorne nicht stimmt und jedem Provinztheaterintendanten von den Haushaltspolitikern der Provinzstadt um die Ohren gehauen würde...
Tatsache ist: Dercon und sein Team haben die Volksbühne, immerhin das Theater mit den zweithöchsten Subventionen aller Sprechtheater in Berlin, ins finanzielle Chaos gestürzt, und zwar durch eine Mischung aus Inkompetenz und falscher Spielplangestaltung. Die Auslastung der Theatervorstellungen auf der großen Bühne liegt unter Dercon bei weniger als 50 Prozent, häufig verlaufen sich weniger als 200 Zuschauer in dem Haus mit 824 Plätzen. „Das Budget reicht kaum noch für größere Repertoireproduktionen. Prominente Künstler sagen Auftritte ab, renommierte Regisseure beenden die Zusammenarbeit schon vor ihrer ersten Premiere.“ Was Dercon und sein Team hinterlassen haben, ist ein Scherbenhaufen.

Doch es geht hier nicht allein um Dercon. Das Fiasko haben die sozialdemokratischen Kulturpolitiker Michael Müller und Tim Renner zu verantworten, „die Männer also, die Dercon nach Berlin geholt haben“ (SZ). Der Schauspieler Fabian Hinrichs vergleicht „das Nichts in den Kassen, das Nichts im Zuschauerraum, das Nichts im Schauspielensemble“ der Dercon-Bühne mit Gogols „Revisor“: „Ein Hochstapler als Projektionsfläche provinzieller Aufstiegsphantasien. Und das ganze provinzielle Gernegroß-Kabinett von Gogol ohne erkennbare Kompetenzen außer geschicktem Narzissmus-Consulting findet man auch in dieser Affäre.“ Und die Provinzialität Müllers, dieser sonderbaren Anmutung eines Kultursenator-Darstellers, und seines kleinen Isnoguds auf der Position des Kulturstaatssekretärchens verbindet sich mit Marketinggequatsche und neoliberaler Attitüde zu einem unterirdischen Gesamtkunstwerk abschreckendster Güte. Sie wollen etwas ganz Besonderes kreieren, und sie scheitern ganz besonders. Aber es sind eben nicht Akteure in irgendeinem Schmierenstück, und es sind auch nicht Manager einer kleinen Klitsche, die durch ihre Fehlentscheidungen notwendigerweise pleite gegangen sind: Nein, hier geht es um öffentliche Entscheidungen. Hier geht es darum, wie die Kulturpolitik der Hauptstadt gestaltet werden soll. Hier geht es darum, ob Kultur nur Event sein soll mit dafür geschaffenen und vermarkteten Eventbuden, oder ob Kultur ein gesellschaftliches Ereignis, aber auch eine gesellschaftliche Verpflichtung darstellt, etwas, das Perspektiven aufzeigt. Hier geht es um die Zukunft unserer Stadt, um nichts weniger also als um die Zukunft der Gesellschaft.
„Man darf die Verantwortlichen nicht so einfach davonkommen lassen.“ (Fabian Hinrichs)
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) tut übrigens so, als ob ihn das von ihm zu verantwortende Fiasko nichts angehe. Er verweigert sich allen Interviews zu dem Thema, er ist nicht willens, Rechenschaft abzulegen. Wenn es im Parlament eine Opposition gebe, die diesen Namen verdient, sie würde einen Untersuchungsausschuß einrichten...

Vor allem aber geht es darum, was wir aus dem von John Goetz und Peter Laudenbach so fabelhaft aufgeblätterten Lehrstück, also aus der „Dercon-Chronik“ (die eben auch eine Müller/Renner-Chronik ist, oder vielleicht sogar noch mehr ein Spiegel Berlins, so, wie Balzac Paris einen Spiegel vorgehalten hat), lernen wollen.
Denn die Frage, wie es jetzt, nach Dercon, mit der Volksbühne weitergeht, ist ja offen. Klar ist: die Entscheidung darüber darf nicht wieder in den Hinterzimmern getroffen werden. Die Bürger*innen haben ein Recht darauf, daß die Diskussion über Konzepte und Personal öffentlich geführt wird. Ulrich Seidler hat in der „Berliner Zeitung“ die ehemalige Volksbühnen-Schauspielerin, die große Sophie Rois, gefragt, was sie der Volksbühne wünsche. Ihre Antwort: „Dass sich ähnlich kluge und kompetente Leute wie damals 1992 zusammensetzen und ihre Diskussion öffentlich machen, bevor eine Entscheidung getroffen wird.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir haben, gerade nach dem von Goetz und Laudenbach so großartig aufgeschriebenem Lehrstück, ein Recht darauf, daß diese Diskussionen künftig öffentlich geführt werden!

John Goetz/Peter Laudenbach, „Die 255 Tage von Chris Dercon: Chronologie eines Desasters“ (Süddeutsche Zeitung, 20.4.2018)

Siehe auch: Berthold Seliger, „Prinzip Mehrzweckhalle“, über die Volksbühne und über sozialdemokratische Kulturpolitik heute (Konkret, Juli 2015)

21.04.2018

Igor Levit und jüdische Witze im DLF: "Das müssen Sie uns erklären!"

Igor Levit ist nicht nur einer der wichtigsten jüngeren Pianisten unserer Zeit, sondern auch ein Künstler mit Haltung, der sich in politische und gesellschaftliche Konflikte einmischt. So hat Levit natürlich seinen Echo zurückgegeben, weil durch die Vergabe des Preises an Kollegah und Farid Bang unter anderem „auf unerträgliche Weise antisemitische Verschwörungstheorien legitimiert“ wurden.

Nun hat in der Deutschlandfunk-Sendung „Kultur heute“ eine Moderatorin Igor Levit allen Ernstes befragt, wie seine Kritik am Antisemitismus, seine Kritik an der Verleihung eines Preises der deutschen Musikindustrie für die Verächtlichmachung von Auschwitz-Häftlingen damit zusammen passe, daß Levit neuerdings jeden Tag einen jüdischen Witz twittere. „Das müssen Sie uns mal erklären, wie das zusammenpaßt“, hat die Moderatorin laut „Perlentaucher“ gefragt. Denn in Deutschland steht immer noch jemand an der Rampe und entscheidet, was ihr Juden tun dürft, und wenn es der staatlich finanzierte Deutschlandfunk ist. Und wehe, ihr Juden macht jüdische Witze! So haben wir nicht gewettet. Das „müßt“ ihr uns gefälligst erklären.

Man ist fassungslos. Es ist alles wie immer, nur noch schlimmer.

20.04.2018

Kleine-Welt-Phänomen: Chris Dercon & Alice Weidel

Das „Kleine-Welt-Phänomen“ ist hinlänglich bekannt: Über eine Kette von etwa sechs Personen ist jeder Mensch mit jedem anderen auf der Erde verbunden.
Bei manchen ist die Kette aber auch deutlich kürzer.
Chris Dercon, der geschasste Volksbühnen-Intendant, und die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag,
Alice Weidel, sind über nur eine Person verbunden:


Chris Dercon und Ai Weiwei, am 16.April 2018.
(Quelle: Instagram-Account von Ai Weiwei)
 

Ai Weiwei und Alice Weidel, am 18.April 2018.
(Quelle: Twitter-Account von Alice Weidel)
 

13.04.2018

Kontrollgesellschaft: Bands machen Fans glücklich, indem sie ihnen während der Konzerte die Smartphones sperren

Der Schlaf der Vernunft gebiert bekanntlich Ungeheuer. Was aber würde Goya zum Thema machen, lebte er heute? Jedenfalls, die Existenz sogenannter Smartphones gebiert neue Geschäftsmodelle, auch im Konzertgeschäft: Nämlich das Wegsperren von Smartphones während Konzerten.

Yours truly hat im April 2012 geschrieben:
„Eigentlich bin ich kein Kulturpessimist, aber ich denke, man kann festhalten, daß die Kulturtechnik ‚mal eine Stunde seine Klappe halten und einem Künstler zuhören, der auf der Bühne ein Konzert gibt’, im Aussterben begriffen ist. Heutzutage sind die Konzerte voll von Menschen, die wohl unter von Smartphones und Facebooks vage übertünchten Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störungen leiden – man besucht leise Singer-Songwriter- oder Indiefolk-Konzerte, kann aber nicht zuhören und auch weder stillstehen noch stillsitzen, alles, was man gerade denkt, muß dahergeplappert und auf Facebook gepostet werden. Rätselhaft, warum Leute 15 Euro Eintritt bezahlen, um doch nur zu quatschen oder zu telefonieren oder zu fotografieren. Wo ist hier der „I don’t like“-Button?!?
(...und übrigens: wenn ihr dann alle mal ausgeplappert und all eure banalen Gedanken auf Facebook gepostet habt, werdet ihr feststellen, daß man soziale Netzwerke nicht essen und Facebook-Freunde nicht in den Arm nehmen kann...)“

Vor zwei Jahren hat Jack White versucht, das unsägliche Fotografiere und Gepos(t)e mit Smartphones während seiner Konzerte einzudämmen, indem er seine Fans aufforderte, die Telefone in die Tasche zu stecken und sich auf das Konzertergebnis zu konzentrieren, statt schlechte Mitschnitte zu posten. Gleichzeitig stellte er auf seiner Homepage kostenlos Konzertfotos sehr guter Qualität zur Verfügung. Bei dem Berlin-Konzert, das ich sah, klappte das eigentlich ganz gut, und fast alle Fans ließen ihre Smartphones Smartphones sein.
Aber offensichtlich funktionierte das Ganze nicht wirklich verläßlich und dauerhaft, die Sogwirkung des Smartphones in der Tasche scheint einfach zu groß. Denn jetzt bedient sich auch Jack White, neben Künstlern wie Alicia Keys, Guns N Roses, The Lumineers oder Dave Chappelle, eines neuen Geschäftsmodells: Den Fans wird nicht mehr erlaubt, ihre Smartphones im Konzertsaal zu nutzen. Und das funktioniert so: beim Eintritt müssen alle Besucher*innen ihre Telefone in einen abschließbaren Beutel packen, der von den Veranstaltern in drei Größen angeboten wird und an eine Laptop-Hülle erinnert. Diese Hülle verunmöglicht die Nutzung des Telefons, man kann weder telefonieren, noch Fotos machen, noch Songs mitschneiden oder sonst etwas. Außerhalb des Konzertsaals gibt es Zonen, in denen die Smartphones freigeschaltet, also wieder genutzt werden können.
Das Geschäftsmodell wurde vom Startup Yondr aus San Francisco entwickelt und wird in den USA bereits von etlichen Musiker*innen und Bands genutzt, ist neuerdings aber auch in Europa auf dem Vormarsch und wird in aller Regel von den Merchandise-Firmen gehändelt, die sowieso mit den Bands auf Tour sind und die sich über ein Zusatzgeschäft freuen können.

Ach ja, und interessant ist, was mir einige der Leute, die den Fans die Smartphone-Pouches verpassen, berichtet haben: Von den meisten Fans wird das alles zunächst etwas widerwillig mitgemacht, aber nach dem Konzert gibt es nicht wenige, die sich bedanken, wenn sie ihr Telefon wieder entsperren lassen: „So habe ich ein Konzert noch gar nicht erlebt, so intensiv und ohne Smartphone! Toll!“, sagen die Leute dem Vernehmen nach.

Was das alles philosophisch und soziologisch bedeutet, können Sie bei Deleuze und Foucault nachlesen, unter dem Stichwort „Kontrollgesellschaft“: Kontrolle ist der Name, den Burroughs vorschlägt, um das neue Monster zu bezeichnen, in dem Foucault unsere nahe Zukunft erkennt“, schreibt Deleuze und benennt „die ultra-schnellen Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen, die die alten – noch innerhalb der Dauer eines geschlossenen Systems operierenden – Disziplinierungen ersetzen.“

13.04.2018

Echo 2018, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit, Musikindustrie

Der „Echo“, diese Werbeveranstaltung des Lobbyverbands der deutschen Musikindustrie, lohnt keine weitere Diskussion. Eigentlich. Dort werden im Rahmen einer von unabhängigen Medien seit vielen Jahren als unterirdisch grottig beschriebenen Entertainmentshow von den großen Plattenfirmen Universal, Sony und Warner über den Umweg ihres Lobbyverbandes finanzierte Preise an Künstler hauptsächlich eben dieser Plattenfirmen Universal, Sony und Warner vergeben, wobei sie gerne den Anschein erwecken, das alles sei eine Art Wettbewerb. Aber es geht einzig um Verkäufe, denn nur aus den meistverkauften Tonträgern der jeweiligen Genres werden die Künstler nominiert – und die Tatsache, daß beim Echo eben nur Andrea Berg, Helene Fischer, Frei.Wild, Sido, Kollegah, die Kastelruther Spatzen, Andreas Gabalier, Unheilig, DJ Ötzi, Xavier Naidoo, Pur, die Toten Hosen oder David Garrett Preise erhalten, während beim US-amerikanischen Grammy regelmäßig Künstler wie Sir Georg Solti (die meisten Auszeichnungen aller Zeiten! in den USA wird „Klassik“ selbstverständlich bei der gleichen Veranstaltung ausgezeichnet, anders als in der Kulturnation Deutschland...), Alison Krauss (erfolgreichste Musikerin), aber eben auch Kendrick Lamar (5 Trophäen in 2018), Kraftwerk (bestes Dance/Electronic-Album 2018!), LCD Soundsystem, Leonard Cohen, die Foo Fighters, The War On Drugs, The National oder Taj Mahal (sämtlich Grammy-Gewinner 2018) ausgezeichnet werden, hat schlicht damit zu tun, daß die Amis eben bessere Musik hören. Die US-Musikfans hören nun mal massenhaft Kendrick Lamar und nicht Kollegah. It’s that simple.

Aber dieses Jahr ist der „Echo“ erneut ins Gerede gekommen. Man hat plötzlich festgestellt, daß ein Album des Rap-Duos Kollegah und Farid Bang antisemitische Textzeilen enthält. Was für eine Überraschung – gehört doch Antisemitismus oder allgemein ein rechtsextremes Weltbild bei Echo-Preisträgern (wie in der deutschen Gesellschaft allgemein) längst zum „guten“ bösen Ton – es sind eben immer wieder „die alten, bösen Lieder“ (Schumann/Heine), die die Deutschen und ihre Musikindustrie eint.
Im Song „0815“ rappt Farid Bang unter anderem:
„Deutschen Rap höre ich zum Einschlafen, denn er hat mehr Window-Shopper als ein Eiswagen. Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen.“ Das Album heißt „Jung Brutal Gutaussehend“.
Geschmacklos und widerlich, keine Frage. Ebenso keine Frage, daß der deutsche Hip-Hop generell seit vielen Jahren „arabisch-muslimisch geprägt, teils antisemitisch ist und zuweilen den Terrorismus verherrlicht“ („FAZ“). Vom Rapper Haftbefehl ist zu hören: „ich verfluche das Judentum“, von Favorite: „Ich leih dir Geld, doch nie ohne nen jüdischen Zinssatz mit Zündsatz“, von Kollegah gibt’s die Zeile „Du frißt den Pistolenlauf – Hurensohn Holocaust“, und nochmal Haftbefehl: „Verticke Kokain an die Juden von der Börse.“

Massiver Antisemitismus, der den Leuten von der Lobbyorganisation der Deutschen Musikindustrie bisher nicht aufgefallen sein will? Awcmon, erzählt eure Märchen doch eurem Gorny. Tatsache ist: es ist der deutschen Musikindustrie komplett wurscht, solange damit nur ordentlich Geld verdient wird. Das Album von Kollegah und Farid Bang wurde seit Dezember mehrere hunderttausend Mal verkauft und wurde allein in der ersten Woche nach Erscheinen (!) über 30 Millionen Mal (!) und bis heute bereits über 90 Millionen Mal (!) als Album gestreamt. Das erfolgreichste deutsche Album aller Zeiten im Stream. Was sollte der Bundesverband der Deutschen Musikindustrie, der den „Echo“ ausrichtet, dagegen haben? Man reibt sich die Hände anhand des Profits, und da Leute wie Florian Drücke keine Gangsterrapper sind, sondern gute Demokraten, fällt ihre Distanzierung zwar einigermaßen zahnlos, aber unbedingt im Jargon der Uneigentlichkeit aus:

„Meinungs- und Kunstfreiheit sind zentrale gesellschaftliche Errungenschaften. Ihr Schutz ist deshalb von höchster Bedeutung." Was man eben so sagt, wenn man sich seine Geschäfte nicht kaputtmachen lassen will. Und wenn man selbst keinen Ärger haben will, aber gleichzeitig weiß, was man der Öffentlichkeit an folgenlosen Erklärungen schuldig ist, installiert man einen Beirat: „Um solche Fälle in einem kompetenten Gremium zu diskutieren, haben wir seinerzeit für den Echo einen unabhängigen Beirat ins Leben gerufen."
Diesen „Ethik“-Beirat vertritt der CDU-Politiker Wolfgang Börnsen. Der Beirat hat „mehrheitlich“ und „nach sorgfältiger Befassung“ entschieden, daß im Song "0815" der Bonus-EP "§ 185" die „künstlerische Freiheit nicht so wesentlich übertreten wird, daß ein Ausschluss gerechtfertigt wäre - auch, wenn es sich um einen Grenzfall handelt." Der Ethik-Beirat habe es sich nicht einfach gemacht bei seiner Entscheidung. „Bei der Nominierung der Künstler Kollegah & Farid Bang mit dem Album 'Jung Brutal Gutaussehend 3' für den Echo handelt es sich um einen absoluten Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und anderen elementaren Grundrechten," erklärt Börnsen. Was man so sagt, wenn man auf der einen Seite Worthülsen für eine „liberale“ Öffentlichkeit absondern muß, auf der anderen Seite aber dafür zu sorgen hat, daß der Deutschen Musikindustrie kein Schaden entsteht.

Jens Balzer erklärt in einem Interview mit dem DLF:
„Also eines der erfolgreichsten Alben der deutschen Hip-Hop Geschichte, ohne dass sich bisher irgendjemand über antisemitische oder sonstwie zweifelhafte Textzeilen beschwert hätte. (...) Aber um erfolgreich zu sein, brauchen die den Eklat nicht. Und das ist eigentlich viel schlimmer. Weil das heißt: Für die Hörer von Kollegah und Farid Bang ist das alles offenbar so selbstverständlich, diese Art der Rhetorik, die Sie eingangs zitiert haben - dass darüber gar keine Kontroverse entsteht und alle anderen hören einfach nicht hin.“
Und Balzer ist ehrlich genug zuzugeben, daß das auch für ihn selbst als Musikkritiker gilt:
„Ehrlich gesagt, ich auch nicht, das ist zweifellos ein Fehler. Dazu muss man dann auch Selbstkritik üben als Journalist. Und es führt natürlich dazu, dass man da nicht so richtig hinhört, dass dann auch keine Debatten entstehen um solche Textzeilen.“

Allerdings, der erste offen jüdische Gangsterrapper Spongebozz, der auch schon mit Kollegah zusammengearbeitet hat und dessen Alben ebenfalls kommerzielle Erfolge in den Album-Charts sind, erklärt im „FAZ“-Gespräch:
„Ich kenne Kollegah. Er ist kein Antisemit.“ Und: „Beim Gangsterrap muß man unterscheiden, was Slang ist und was real“ („real“ englisch ausgesprochen). „Meine Fans verstehen zum Beispiel, daß ich ein Familienvater bin und nicht wirklich Molotowcocktails in Polizeistationen werfe.“
Klar ist: die meisten Liedtexte sind Pose und haben mit der Realität wenig zu tun. Und leider ist im Gangsterrap diese Pose bevorzugt frauenfeindlich (egal ob in den USA oder hierzulande), und in Deutschland kommt eben das hinzu, was man in der Gesellschaft sowieso bereits massiv vorfindet, also Antisemitismus. Das Problem mit dem Antisemitismus ist ja nicht so sehr, daß er in den Texten von selbsterklärten Gangsterrappern vorkommt, sondern daß er zur Substanz der bundesrepublikanischen Gesellschaft gehört. Bereits in der sozialdemokratischen Idylle der späten 1970er Jahre verfügten 13 oder mehr Prozent der BRD-Bürger über ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“ – so das Ergebnis der legendären Sinus-Studie, die 1980 veröffentlicht wurde (auch im Rowohlt-Verlag unter dem Titel „Fünf Millionen Deutsche: Wir sollten wieder einen Führer haben“, die Älteren unter uns werden sich erinnern).
Alle brauchbaren Studien der einschlägigen Forschungsinstitute in den letzten Jahren haben ergeben, daß diese Zahlen heute deutlich höher sind. Laut der Leipziger „Mitte-Studie“ von 2016 („Die enthemmte Mitte“) stimmen knapp 22% (in Ostdeutschland 25,5%) der Bevölkerung der Forderung zu, daß Deutschland „jetzt eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“, brauche. Ein Drittel der Befragten stimmt ausländerfeindlichen Äußerungen zu, und etwa zehn Prozent der Befragten äußern sich dezidiert antisemitisch.
„Eigentlich ist der menschenverachtende Geist der Nazis nie verflogen“, stellte die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano unlängst in der „Zeit“ fest.

Wie wollen wir damit umgehen? Wollen wir das hinnehmen? Eher nein, oder? Im Gegenteil, wir sollten es uns zur Verpflichtung machen, antisemitischen Tendenzen überall, wo wir sie antreffen, entschieden entgegenzutreten. Ob bei der „Echo“-Verleihung, ob auf der Straße, aber auch dann, wenn sie musikalisch (ich denke an all die mit der BDS-Kampagne sympathisierenden Bands) oder intellektuell (ich denke zum Beispiel an Judith Butler, die letztlich faschistische Organisationen wie die Hisbollah oder Hamas als „soziale, progressive Bewegungen“ versteht) anspruchsvoller vorgetragen werden als auf den Alben deutscher Gangsterrapper.
Aber: Wollen wir eine Zensurbehörde wie die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die darüber entscheidet, was die Menschen hierzulande hören dürfen? Doch wohl auch nicht.

Klar ist: es gibt Kunstfreiheit. Und es gibt bestimmte Gesetze, die beispielsweise antisemitische Äußerungen eindeutig bestrafen. Diese Gesetze lassen sich auf bestimmte Songtexte zweifelsohne anwenden, und das sollte unbedingt getan werden. Und übrigens sollte man die Plattenfirmen, die derartige kriminelle Äußerungen ihrer Künstler zulassen, in Mithaftung nehmen. Und auch der Bundesverband Musikindustrie kommt so einfach nicht davon, wenn er antisemitische (also gesetzbrechende) Äußerungen akzeptiert und sich hinter der angeblichen Kunstfreiheit versteckt. Es gibt Momente, da muß Haltung gezeigt werden. Natürlich, das ist ein Fremdwort für die Konzerne der Musikindustrie oder die Echo-Veranstalter...
Es wäre ein Schritt, immerhin. Doch ob man dem Problem so beikommt, darf bezweifelt werden.

Denn die Texte von Kollegah (und von anderen hiesigen Gangsterrappern) sind ja nicht nur antisemitisch, sondern auch massiv frauenfeindlich und homophob. Es geht dabei nicht darum, daß von Frauen, wie im US-Rap seit Jahrzehnten üblich, bevorzugt als „Bitch“ gesprochen wird; das hat sich, in den USA jedenfalls, längst umgekehrt. Eine Rapperin wie die großartige New Yorkerin Cardi B, die letztes Jahr mit „Bodak Yellow“, ihrer „Rap-Hymne des Sommers“ (New York Times), als erste Solo-Rapperin seit Lauryn Hill die Billboard-Charts anführte (der Song wurde bisher allein bei Spotify über 300 Millionen Mal gestreamt), ist der Beweis. Man möchte fast vermuten, daß „Bitch“ das Lieblingswort von Cardi B ist, aber sie verwendet es, wie Fabian Wolff in einem großartigen Artikel über die Rapperin im „Tagesspiegel“ schreibt, eben „manchmal als positive Selbstbeschreibung, manchmal als neutrales Füllwort, manchmal aber auch als vernichtendes Urteil zum Beispiel gegenüber allen Frauen, die vermeintlich etwas von ihrem Typen wollen“. Man muß diesen Wortgebrauch nicht mögen, aber es steckt eine Selbstermächtigung dahinter ähnlich der, warum schwarze US-Rapper von einander als „Niggas“ sprechen (und es macht einen Unterschied, wenn weiße Männer wie Sie und ich dieses Wort verwenden würden…).
Anders als viele der deutschen Gangsterrapper, die eher Kleinbürger von Herkunft und Gesinnung sind (so rappten Bushido und Sido, musikalisch unterstützt von Peter Maffay, bereits 2011: „Damals wollt ich draufgeh’n, rausgeh’n und mich rumtreib’n / Heut will ich mit Frauchen in nem Haus leben und gesund bleib’n.“), gehörte Cardi B, Tochter von Einwanderern, mit 16 einer berüchtigten Gang in der South Bronx an. Und sie schlägt gleich im Auftakt-Track ihres gerade erschienenen Albums, in „Get up 10“, zurück:
„Went from makin' tuna sandwiches to makin' the news/ I started speakin' my mind and tripled my views/ Real bitch, only thing fake is the boobs."
Und Andreas Borcholte hat auf „SPON“ ganz recht, wenn er Cardi B’s Song „Bartier Cardi“ als „ihr vorläufiges Meisterstück“ feiert:
„Cardi got rich, they upset, yeah/ Cardi put the pussy on Offset/ Cartier, Cardi B brain on Offset"
Wollen wir hier den Einsatz der Bundesprüfstelle, weil bei Cardi B, wie bei Kendrick Lamar und vielen anderen, ständig von „Bitches“ und „Pussys“ usw. die Rede ist? Doch wohl nicht.

Allerdings wollen wir, daß Liedzeilen wie diese nicht zu hören sind, in der Frauenfeindlichkeit mit Gewaltfantasien verknüpft werden:
„Dein Chick ist ’ne Broke-Ass- Bitch, denn ich fick’ sie, bis ihr Steißbein bricht“ rappt Kollegah in dem Lied „Ave Maria“. Farid Bang gibt in „Frontload“ zum Besten: „Ficke deine Mutter heute syrer-mäßig/ Nachdem ich ihr mein Messer durch die Kehle führe/ Steck’ ich ihre Gliedmaßen in ’ne Rewetüte (ey).“
Doch auch dafür sollte es Gesetze geben, die nur angewendet werden müßten.

Allerdings sind derartige Debatten, die dringend geführt werden müßten, natürlich verlogen, solange sie nicht auch anderen Kunstformen jenseits von Gangsterrap gelten. Beim „Echo“, also im deutschen Musikmainstream, sind ja frauenverachtende Positionen nicht nur bei Gangsterrappern zu finden. Ich denke etwa an Andrea Berg, die man mit Seeßlen durchaus als „radikales antifeministisches Projekt“ bezeichnen kann, verbunden mit stumpfa-stumpfa-stumpfa-Rhythmus. All die sedierende oder durchaus auch verblödende Musik, die die Musikindustrie so herstellt und zum Erfolg macht in einer Gesellschaft, die so etwas offensichtlich auch hören und ertragen will, muß eben auch diskutiert werden, wenn man denn wirklich einen offensiven Diskurs betreiben will. Ironisch-überhebliche Abwiegelung führt nicht weiter. Wer gegen Kollegah und gegen Frei.Wild protestiert, der muß auch gegen Andrea Berg und Die Söhne Mannheims und gegen Voxxclub argumentieren und wie all die anderen volksverblödenden Produkte der deutschen Musikindustrie so heißen.

Sie merken: so einfach kommen wir alle nicht davon...

P.S.
Und man würde sich wünschen, daß fähige Journalist*innen sich nicht länger als Feigenblatt des Lobbyverbandes der deutschen Musikindustrie hergeben, indem sie sich als Juror*innen für den „Echo“ betätigen. Get off the cloud! Stop to be embedded! Kommt ins Offene!

Ergänzung zum „Echo 2018“ am 16.4.2018:

Daß Farid Bang & Kollegah für den Echo nominiert wurden, ließ sich nach den kommerziellen Kriterien, nach denen dieser Preis der Lobbyorganisation der Deutschen Musikindustrie nun mal verliehen wird, notfalls noch nachvollziehen, es war nun einmal eines der fünf am besten verkaufenden Alben.

Daß die Jury just dieses Album mit seinem antisemitischen Inhalt dann aber aus den fünf zur Debatte stehenden Alben als bestes ausgewählt hat, war der erste große Skandal. Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, wer die Personen in dieser Jury sind, und darf mindestens den sofortigen Rücktritt dieser Menschen verlangen.

Daß die Veranstalter des Echo 2018 die beiden Skandalrapper dann aber noch als eine Art „Highlight“ zum Ende ihrer Werbeveranstaltung auftreten ließen, war der zweite große Skandal. Damit wurde der Echo endgültig zum „Symbol der Schande“, wie das Berliner Ensemble „Notos Quartett“, das 2017 den „Echo Klassik“ gewonnen hat, formulierte. Das Notos Quartett gab den 2017er Preis unter Protest mit dieser Begründung zurück: Die Tatsache, dass nun eben dieser Preis offenen Rassismus toleriert, ihm gar eine Plattform bietet und ihn auszeichnet, ist für uns nicht tragbar.“

Einen Tag später gab auch der legendäre 80jährige Musiker und Grafiker Klaus Voormann seinen Echo zurück, der ihm für sein Lebenswerk verliehen worden war. Begründung: Mit der Rückgabe des Echo wolle er „sein Unverständnis ausdrücken gegenüber der Verantwortungs- und Geschmacklosigkeit aller verantwortlichen Beteiligten, die es nicht geschafft haben, rechtzeitig Konsequenzen zu ziehen."

Klaus Voormann und das Notos Quartett haben den Popmusiker*innen, die sich, sieht man vom „Empörungsbäuerchen“ (Karl Fluch im „Standard“) Campinos ab, bei der Echo-Verleihung wieder einmal als Allesmitmacher*innen präsentierten, aber auch der deutschen Musikindustrie und dem embedded popjournalism gezeigt, wie Haltung gegen Antisemitismus und gegen Sexismus geht.

Wer jetzt noch seinen Echo behält, ist ein Lump!

Und @Echo-Macher*innen: Wer jetzt nicht zurücktritt ebenfalls.

13.04.2018

Insidernachricht: Warum überträgt Vox die "Echo"-Verleihung live?

Und warum überträgt Vox die „Echo“-Verleihung dieses Jahr in voller Länge und live?
Haben Sie sich auch schon gefragt?
Die Antwort ist ganz einfach. Klar, der „Echo“ paßt natürlich perfekt ins Programm des Privatsenders, zwischen „Shopping Queen“, „Zwischen Tüll und Tränen“ und „Verklag mich doch“. Aber das ist es nicht. Wie ich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe, hat Vox Probleme, genug Kandidaten für seine Auswanderer-Sendung „Goodbye Deutschland!“ zu finden. Und der subversive Plan der Vox-Macher ist so simpel wie einleuchtend: Wenn sie den „Echo“ in all seiner Tranig-, Popelig- und Erbärmlichkeit in voller Länge zeigen, wird es genug Menschen geben, die dieses Land schleunigst verlassen wollen und sich als Kandidat*innen von „Goodbye Deutschland!“ zur Verfügung stellen...

13.04.2018

LEA-Award: Branchenriesen verteilen Preise an sich selbst

Aber jetzt wollen wir nicht so tun, als ob der Preis, den die Konzertbranche verleiht, irgendwie toller, einfallsreicher und sympathischer sei.
Der „LEA“-Award (LEA steht für Live Entertainment Award) folgt mehr oder minder den Prinzipien des „Echo“. Zum LEA Committee e.V. gehören u.a. die Großkonzerne und Player der Konzertindustrie, wie BB Promotion, die DEAG, FKP Scorpio, Hannover Concerts, Semmel Concerts oder Wizard Promotions.
Und die Preise erhielten 2018 unter anderem, genau: BB Promotion, die DEAG, FKP Scorpio, Hannover Concerts, Semmel Concerts und Wizard Promotions.
Was für ein Zufall.
Und „spektakuläre Live-Acts“ haben die Gäste in der Frankfurter Festhalle sicher blendend unterhalten, zum Beispiel Michael Patrick Kennedy, Mary Roos und Wolfgang Trepper (mit ihrem Programm „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“) und Scooter. How much is the fish? Eines ist sicher: Der Fisch riecht übel…
Hach, da wäre man wirklich gerne dabei gewesen, bei dieser „beeindruckenden Leistungsschau der Veranstaltungsbranche“, „bunt und vielfältig“ wie diese...
(alle Zitate von der Homepage des LEA).

P.S.
Daß bei der LEA-Zeremonie ausgerechnet ein ZDF-Funktionär, der „ZDF-Showexperte“ Manfred Teubner nämlich, laut „Musikwoche“ in seiner Laudatio die bundesdeutschen Konzertveranstalter aufgefordert hat, „weiterhin auch politischen Künstlern ein Forum zu geben gegen die Dumpfheit von Rechts“, beweist schon reichlich Chuzpe. Wie wäre es denn, wenn der ZDF-Showfunktionär zunächst mal die Balken im eigenen Auge beseitigen würde? Gilt doch das ZDF mit all seinen Volksmusik- und Schlager-Shows, mit all den Andrea Bergs, Carmen Nebels und wie sie heißen, als Volksverblödungskanal Nummer Eins. Eine Sendung mit politischen Künstlern zu bester oder wenigstens zu akzeptabler Sendezeit sucht man beim ZDF jedenfalls vergeblich. Es gibt sie einfach nicht.

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