Und was hat uns das Medienereignis um die „Panama-Papiere“ gebracht?
Nichts, was wir nicht längst schon gewußt hätten: Es gibt also
Briefkastenfirmen in sogenannten Steuerparadiesen, die mithelfen, daß die
Reichen dieser Erde ihren Reichtum vor den Steuerbehörden verstecken können.
Überraschung! Dieses Treiben ist verbrecherisch, aber doch auch, so werden sie
nicht müde zu betonen, nicht generell verboten. Aha. Und praktisch alle
deutschen Banken, die die Steuerzahler*innen noch vor wenigen Jahren gerettet
haben, betreiben dieses System, was uns jetzt auch nicht wirklich wundert.
Von diesem System profitieren jedoch nicht nur die Reichen, sondern auch
wohlhabende Staaten auf Kosten armer Staaten. Die Summe, die Entwicklungs- oder
Schwellenländern durch Steueroasen jährlich entgeht, liegt zwischen 160
Milliarden (Thomas Pogge auf „Zeit Online“) und 312 Milliarden Dollar (Ulrike
Hermann in der „taz“).
Interessant ist der Propaganda-Effekt der Panama-Papiere. Offensichtlich
können u.a. folgenden amtierenden Staats- und Regierungschefs direkt oder indirekt fragwürdige
Geschäfte mit Briefkastenfirmen nachgewiesen werden: David Cameron, dem
britischen Premier; Sigmundur Gunnlaugson, dem isländischen Premier; Mauricio
Macri, Argentiniens Präsident; König Salman von Saudi-Arabien; Chalifa Bin
Sajid al-Nahajan, Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate und Emir von Abu
Dhabi; Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine. Doch mit welchem Titel machte
die „Süddeutsche Zeitung“ mit großem Aplomb auf? „Die heimlichen Millionengeschäfte des Putin-Zirkels“. Wohlgemerkt,
Putin selber ist in den Panama-Papieren nicht zu finden. Aber für den Titel der
Münchner Qualitätszeitung ist Putin wichtiger als all die westlichen Politiker
oder als der ukrainische Präsident, die tatsächlich
selbst und direkt in den Papieren auftauchen.
„Ein Land, das
Medien hat, braucht keine Zensur.“ (Peter Hacks)
Ebenso interessant ist, mit welchem Pharisäertum deutsche Politiker wie
Finanzminister Schäuble oder Justizminister Maas behaupten, ihre Regierung und
die westliche Welt überhaupt hätten große Fortschritte bei der Bekämpfung von
Steueroasen gemacht. Eine glatte Lüge. Das Steuersystem aller Staaten z.B. in
der EU ist ja gerade darauf angelegt, daß Unternehmen durch Auswahl und
Anordnung von Tochtergesellschaften (die oft nur Briefkastenfirmen sind) in
verschiedenen Ländern ihre Abgaben minimieren können. Das Problem sind nicht
Amazon, Apple oder Google, das Problem sind Luxemburg oder Irland. Und
natürlich die Schweiz, die weltgrößte Steueroase.
Doch wenn wir mit Steinen auf andere Staaten werfen, merken wir
höchstens, daß wir selbst im Glashaus sitzen. Deutschland selbst nämlich fungiert
ebenfalls als Steueroase. Karl-Martin Hentschel von „Attac“ erklärt im Interview mit der
„Jungen Welt“: „Auf deutschen
Banken und Depots liegen etwa drei Billionen Euro von Ausländern. Zum
Vergleich: Den Gesamtwert aller Vermögen in Deutschland schätzt die Deutsche
Bundesbank auf zehn Billionen. Ein beträchtlicher Teil dürfte aus kriminellen
Aktionen, von verbrecherischen Staatschefs und internationalen Syndikaten
stammen. (...) Kein Gesetz verpflichtet Banken zwingend, Behörden anderer
Länder zu informieren. Die deutschen Finanzbehörden erheben hierzu nicht einmal
Daten. Das bedeutet: Wer Gelder an der Steuer vorbeischleusen will, hat kein
Problem.“
Und was tun Schäuble oder Maas konkret dagegen? Wenig.
Hauptsächlich bremsen sie alle Initiativen, die es innerhalb der EU durchaus
gibt – noch einmal Hentschel:
„Die EU schlägt
das Offenlegen mittlerweile vor, aber die Bundesregierung äußert Bedenken. Das
Bundesfinanzministerium setzt sich nun zwar für ein internationales Abkommen
ein; will jedoch auch zukünftig keine Informationen an Staaten liefern, die
selbst keine adäquate Steuerverwaltung haben. Insbesondere Entwicklungs- und
Schwellenländer will man ausschließen. Grund: Deutschland hat Angst, dass diese
sonst deutsche Konzerne mehr besteuern, die heute dort nur wenig zahlen. Damit
dürften die hierzulande geparkten Gelder zum großen Teil weiterhin geheim
bleiben.“
Im November 2015 hat Attac einen aktualisierten „Schattenfinanzindex“ veröffentlicht (bitte
lesen Sie auch das Kleingedruckte, wo z.B. erklärt wird, daß die in dieser
Tabelle dunkel unterlegten Länder und Inseln zum britischen Königreich gehören,
wo also die Queen Staatsoberhaupt ist...). Auf Platz 1 im weltweiten
Schattenfinanzindex natürlich die Schweiz. Man beachte aber auch Platz 6, 8, 10
oder 15. Und natürlich Platz 3. Warum aber kommen die USA, die ja über
beträchtliche Steueroasen innerhalb ihres Landes verfügen, gar nicht in all den
aktuellen Veröffentlichungen vor? Wo wir doch wissen, daß es insbesondere für
Hedgefonds und Private-Equity-Fonds ein wesentlicher Teil ihres
Geschäftsmodells ist, daß sie ihren steuerlich relevanten Sitz in einer
Steueroase haben, und daß die meisten derartigen Fonds eben aus den USA (und
aus London) stammen? Es ist wie beim Skatspielen: „Wer schreibt, der bleibt“...
Die ICIJ, also das „International Consortium of Investigative Journalists“, von
dem der sogenannte Rechercheverbund aus SZ, WDR und NDR seine „investigativen“
Erkenntnisse bezieht, wird unter anderem vom amerikanischen Multimilliardär
George Soros finanziert, der auch der bekannteste Betreiber von Hedgefonds sein
dürfte...