In der sich aus unerfindlichen Gründen als „linksliberal“ gerierenden
„Süddeutschen Zeitung“ wurde diesen Monat eine rassistische und sexistische Titelgrafik abgedruckt, die
sich auf die „Kölner Vorfälle“ bezog. Danach ruderte die Redaktion der Zeitung zurück. Sei alles nicht so
gemeint gewesen. Nicht der untertitelnde Satz „Viele junge Muslime können nicht entspannt dem anderen Geschlecht
begegnen“. Und auch nicht die Illustration, die, wie SZ-Chefredakteur Wolfgang
Krach zugab, stereotype Bilder vom „schwarzen
Mann“ bediene, der einen „weißen
Frauenkörper“ bedränge, und gleichzeitig „Frauen als Körper verdinglicht“ habe. „Beides wollten wir nicht.“ Nur, wie kam so eine Grafik, die
angeblich niemand wollte, auf die Titelseite dieser als seriös geltenden
Tageszeitung? Alles Zufall?
Wohl eher nicht.
Die geltende Narration, die nach den Vorfällen vor dem Kölner
Hauptbahnhof in der Silvesternacht in den deutschsprachigen Medien aufbereitet
wird, bedient sich systematisch der Stereotype, die bei Pegida und AfD gang und
gäbe sind. Die sogenannten Leitmedien sind damit beschäftigt, Einwanderung aus
der „Macho-Kultur“ zu beklagen. Und „Macho-Kultur“, das meint „den Südländer
als solchen“. Bevorzugt den Muslim, der eben nicht so entspannt „dem anderen Geschlecht begegnen“ kann wie
der deutsche Abendländer mit seiner christlichen Wertegesellschaft. Wie das beim
christlichen Abendländer vor sich geht, kann man jederzeit auf Oktoberfest,
Wasen oder beim Karneval beobachten. Doch dies ist natürlich nicht
vergleichbar, klar. Leute, die begeistert den „kulturellen Kollektivsingular“ verwenden und, wie Daniel Ryser in
der „WoZ“ schreibt, „selbst vermutlich
ziemlich froh“ sind, daß man ihnen „im
kulturellen Kollektivsingular nicht die Massenmorde ihrer Eltern- und
Großelterngeneration anlastet, quasi ‚Nazi-Kultur’“, anlastet.
„Köln wird in den
Medien nicht deshalb so gehypt, weil das Ausmaß der Gewalt so beispiellos war,
sondern weil sich die Vorfälle in Zeiten des rechtspopulistischen Mainstreams
wunderbar instrumentalisieren lassen“ (Ryser). Jede „Qualitätszeitung“ hält sich
dieser Tage einen Salonreaktionär, der in Leitartikeln rechtspopulistischen
Emo-Journalismus brabbeln darf. „Tagesspiegel“ und „Zeit“ leisten sich einen
Martenstein, der „Spiegel“ seinen Fleischhauer, die „FAZ“, hinter der sich
mitunter nicht nur kluge, sondern ausgesprochene Hohlköpfe verbergen, einen
Jasper von Altenbockum, der nicht müde wird zu behaupten, daß „die Willkommenskultur in eine Falle
getappt“ sei.
Jaja, so war das auch weiland in meiner oberbayerischen Jugend 1972, als
die CSU im Wahlkampf nicht nur sogenannte „Rotbücher“ verteilte, in denen Willy
Brandt vorgeworfen wurde, ein uneheliches Kind zu sein, der, statt einen
ordentlichen Nazi oder doch mindestens Wehrmachtsoldat zu geben, in der
Emigration gegen „Deutschland“ agiert habe. Und die Aufkleber, über deren
Aussage ich als zugezogener Junge lange rätselte, sagten: „Oamoi neidappt langt.“ Ungefähr so wird es der Herr von
Altenbockum auch mit der Willkommenskultur meinen: O.k. o.k., jetzt habt ihr
einmal den guten Deutschen gespielt, jetzt ists aber auch genug, bitte nicht
nochmal in diese Falle tappen! „Da so
viele kommen (...), werden in der Masse auch – massenhaft? – Reisende
willkommen geheißen, die bei nüchterner Betrachtung kein vernünftiger Mensch in
Deutschland willkommen heißen will. Wie viele das sind, weiß niemand.
(sorry, stimmt nicht, Herr von Altenbockum, der Herr Seehofer von der CSU weiß
es! denn der scheint einen Algorithmus zu kennen, der eine Obergrenze
berechnet... BS) Wie wird man sie aber
wieder los, wenn sich herausstellt, daß sie alles wollen, nur nicht
Integration?“
Gute Frage. Wie wird man den Jasper von Altenbockum, den Jan
Fleischhauer, den Harald Martenstein und all die anderen rechtspopulistischen
Salonreaktionäre wieder los? Ich hab da leider auch gerade keine Antwort drauf,
tut mir leid.
„Daß Köln binnen
weniger Tage zu einer von Asylanten gepeinigten Stadt und zum Synonym sexueller
Gewalt gegen Frauen werden konnte, hat in erheblichem Maße mit der medialen
Resonanz zu tun und führt dazu, daß Leute, die sich bisher sicher fühlten, es
auf einmal mit der Angst zu tun bekommen. Die hehren Werte der Aufklärung, auf
die wir so stolz sind, auch unsere Liberalität und Toleranz haben keine allzu
feste Verankerung im Unterboden unserer Gesellschaft und sind hinüber, wenn
irgendetwas Bedrohliches vor unserer Haustür passiert. Da gehen dann sehr
schnell die Maßstäbe verloren. In Köln sind 200 Frauen sexuell belästigt
worden. Sehr schlimm, gewiß. Aber unversehens erscheint uns das als eine weit
größere humanitäre Katastrophe als das, was in den Herkunftsländern der
Flüchtlinge passiert.“ (Richard David Precht in der „Berliner Zeitung“)