Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß die VG Wort (also praktisch
die GEMA der Autoren, Schriftsteller und Journalisten) seit zig Jahren
rechtswidrig die Hälfte der für die Urheber eingesammelten Urheberrechtsabgaben
an Verlage ausgezahlt hat.
Dieses systematische und illegale Übervorteilen (um es mal freundlich zu
formulieren) der Autoren wurde zwar von den Verwertern und der Politik seit
jeher verteidigt, stößt jedoch bei allen anderen Menschen auf Unverständnis.
Warum die Urheberrechtsabgaben, die in der Vergangenheit nicht nur auf
Leermedien und Kopien, sondern auch auf PCs, Drucker, Multifunktionsgeräte,
USB-Sticks, externe Festplatten und Brenner erhoben wurden, nicht nur an
Musiker, Autoren, Fotografen und Grafiker, sondern auch an Verleger flossen, die
im Populärmusikbereich in vielen Fällen nicht einmal Noten druckten, kann
jedenfalls niemand so recht erklären oder gar begründen. Der Chef des
„Börsenverbandes des Deutschen Buchhandels“ erklärt seine Unlogik mit Kosten
wie „Satz, Druck, Lektorat, Marketing,
Werbung und Vertrieb", also all dem, was ein seriöser Unternehmer in
seine Preisgestaltung mit einbeziehen würde, statt sie sich von den Urhebern zu
klauen. Peter Mühlbauer kommentiert auf „Telepolis“ süffisant: „Diese Dienstleistungen sind im Sinne des
Urheberrechts aber ebenso wenig Teile der eigentlichen Schöpfungen wie die
Imbisse, die ein Autor während der Schreibzeit regelmäßig zu sich nimmt. Wird
eines seiner Werke kopiert, hat ein Verlag deshalb ebenso wenig einen Anspruch
auf eine immer wiederkehrende Vergütung wie ein Imbissbudenbesitzer.“
Die Schriftstellerin Julia Franck redet in der „Zeit“ Klartext: „Ja, Verlage stehen unter wirtschaftlichem
Druck - aber warum soll es ausgerechnet das Geld der Autoren sein, das diesen Druck lindert? Warum
ausgerechnet das Geld der schwächsten Glieder in der Kette, die vom Verkauf eines
einzelnen Buches am wenigsten erhalten: 10
Prozent pro verkauftes Exemplar (Verlag und Handel müssen sich die
restlichen 90 Prozent teilen). Woher stammt die Überzeugung, dass unsere
literarische Landschaft ärmer wird, wenn die Verlage ihr Geschäftsmodell anpassen müssen,
während es offenbar wenig interessiert, dass das Durchschnittseinkommen von
Autoren im vergangenen Jahr etwa 19 000 Euro betrug?"Besonders drollig die Begründung des Buchhandels-Cheflobbyisten, es sei „seit dem frühen 19. Jahrhundert [...] geltendes Recht, die
Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften zwischen Verlagen und Autoren
aufzuteilen" – dumm nur, daß es im „frühen 19. Jahrhundert“ noch gar
keine Verwertungsgesellschaften gab...
Doch die Lobbyisten der Verwertungskonzerne geben natürlich nicht so leicht
auf. Michael Hanfeld hat in der „FAZ“ schon zum Sturm geblasen und gefordert,
die Verlage sollten „in der Politik für
Verständnis werben, daß sie weder Gegner der Autoren noch bloße Verkäufer,
sondern so etwas wie Miturheber sind und einen Anspruch haben“. „So etwas
wie Miturheber“? Wenn ein freier Autor also einen Text bei der „FAZ“ abgibt,
die bekanntlich „Total-Buy-Out“-Deals von ihren freien Autoren fordert (also:
alle Rechte bleiben bei der Zeitung, der Autor erhält bloß eine nicht allzu
üppige Einmalzahlung), der Text ein bißchen redigiert und gekürzt wird, dann
ist die „FAZ“ also gleich ein „Miturheber“?!? Selten so gelacht.
Und nachgerade unverschämt ist die Ansage des „Bundesverbandes Deutscher
Zeitungsverleger“, nun müsse man wohl seine „Akademie Berufliche Bildung“
schließen, die bisher „allein aus den
über die VG Wort erzielten Abgaben finanziert wird“ – was für ein
Geschäftsmodell – wir stehlen Geld, finanzieren davon etwas, wofür uns unsere
Profite zu schade sind, und wenn das gestohlene Geld eingezogen wird,
protestieren wir – ja, mit welchem Recht eigentlich? Einem Gewohnheitsrecht wie
dem ius primae noctis? Weil es quasi schon immer so war? Wie
durcheinander die Zeiten geraten sind, zeigt sich daran, daß ein linker
Verleger in der „FAZ“ allen Ernstes nach weniger Gesetzen, nach rechtsfreien
Räumen ruft – also gewissermaßen nach der Rücknahme all dessen, was seit der
Aufklärung und seit der französischen Revolution an Recht zugunsten der
Untertanen und gegen die Herren installiert wurde. Laßt uns die Werke
Montesquieus auf den Müllhaufen werfen und stattdessen den Neoliberalismus als
Feudalsystem ohne Gesetze akzeptieren! Im Wortlaut: „Wer die Freiheit der Kunst verteidigen will, sollte nicht immer nach
Gesetzen rufen, wenn Vertragsverhandlungen zwischen Autor und Verlag anstehen.
Beide sind natürlich Freunde, keine Feinde.“ World gone wrong.Auch die
Baumwollfarmer im Süden der USA beklagten einmal das Schicksal ihrer
untergehenden Geschäfte, sollte die Sklaverei abgeschafft werden... Als ob Axel
Springer, Bertelsmann, Gruner & Jahr und all die anderen jetzt plötzlich am
Hungertuch nagen würden, weil Autoren endlich das erhalten, was ihnen von
Rechts wegen zusteht und bisher zugunsten der Verlage veruntreut wurde.
Aber natürlich: Die große Koalition in Berlin und allen voran das
sozialdemokratische Traumpaar Plisch und Plum, also Sigmar Gabriel und Heiko
Maas, diese als Genossen verkleideten Lakaien der Bosse, werden schon dafür
sorgen, daß die Verlagskonzerne weiterhin ihre Schäfchen zulasten der Autoren
ins Trockene holen – wollen wir drauf wetten?
(notwendige Nachbemerkung: natürlich haben auch die kleinen Verlage bisher mit
den Einnahmen von der VG Wort kalkuliert. Und die Politik sollte sich rasch
Gedanken darüber machen, wie man die Arbeit kleiner Verlage seriös fördern
kann, ohne daß dies zulasten der Autoren geht.)