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Blog Archiv - Jahr 2016
26.06.2016

WDR verkauft Gemäde bei Sotheby's

Auch dem WDR, dessen Jahresetat bei gerade einmal 1,4 Milliarden Euro liegt, geht’s dreckig. So dreckig, daß er nun Gemälde von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und anderer beim Londoner Auktionshaus Sotheby’s für ein paar Millionen Euro hat versteigern lassen. Gegen den Widerstand der nordrhein-westfälischen Landesregierung wohlgemerkt, vor allem aber ohne Zustimmung der GEZ-Beitragszahler*innen, mit deren Geld der WDR die Gemälde mal angeschafft hat. Der Deutsche Künstlerbund nannte den Verkauf der Gemälde „zutiefst verstörend und schockierend“.

Lassen wir mal die Frage beiseite, ob es die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders ist, mit dem Geld der Gebührenzahler*innen überhaupt teure Gemälde zu erwerben – im Rundfunkstaatsvertrag steht davon jedenfalls eindeutig nichts. Aber wenn es schon geschehen ist, die Aufsichtsgremien seinerzeit wie gehabt im Dauerschlaf waren und diese Gemälde nun einmal da sind, wäre es doch wohl eine Selbstverständlichkeit gewesen, diese Gemälde denen, die für sie bezahlt haben, kostenlos zugänglich zu machen, statt sie bei Sotheby’s zu verdaddeln, um mit dem Erlös unsinnige Daily Soaps oder teure Fußballrechte der kriminellen FIFA und UEFA zu finanzieren.

26.06.2016

Reiche schlafen schlecht

„Reiche schlafen schlecht“, titelt die „FAZ“, und meldet: „Ein großes Vermögen wird oft als Belastung empfunden.“
Sorry, aber mein Restbestand an Mitleid ist gerade aufgebraucht.

26.06.2016

Kann der Kapitalismus weiterleben?

„Kann der Kapitalismus weiterleben? Nein, meines Erachtens nicht.“
Joseph Schumpeter (1942)

26.06.2016

Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland und dem Rest von Europa

In Italien bekommen Frauen heute laut einer Meldung in „Konkret“ durchschnittlich 94 Prozent des Männergehalts, in Frankreich 85, in Großbritannien 82 Prozent.
Und in Deutschland? 78 Prozent. Der bürgerlichen Frauenbewegung sei Dank.
Nur in Estland (72) und Österreich (78) sind es noch weniger.

19.06.2016

Sudoku und Ausmalbücher sind deutsches Kulturgut!

Seit quasi ewigen Zeiten, nämlich seit 1968, als die Mehrwertsteuer hierzulande eingeführt wurde, hat die Politik Produkte der Grundversorgung mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz ausgestattet, um „bestimmte Güter des lebensnotwenigen Bedarfs“ zu verbilligen. Daher unterliegen Lebensmittel oder Fahrkarten des öffentlichen Nahverkehrs, aber eben auch Eintrittskarten für kulturelle Veranstaltungen (von der Oper bis zum Rockkonzert) und Bücher, Schallplatten und CDs dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent (im Gegensatz zum mittlerweile auf 19 Prozent angestiegenen normalen Satz).

Allerdings: Ein Buch gilt nur dann als Kulturgut, als Gut des „lebensnotwendigen Bedarfs“, wenn es in herkömmlicher Weise erscheint, also in gedruckter Form vorliegt. Wenn die Werke Goethes, Shakespeares oder Brechts als E-Book herausgegeben werden, sind sie für den Gesetzgeber kein Kulturgut mehr und werden mit 19 Prozent Mehrwertsteuer bedacht.

Andrerseits ist dem Gesetzgeber alles, aber auch wirklich alles, was in gedruckter Form vorliegt, ein Kulturgut: Sudoku-Bände etwa. Oder die neuerdings so beliebten Ausmalbücher (ein Hobby für Erwachsene, wohlgemerkt). All dies wird im Land der Dichter und Denker mit 7 Prozent Mehrwertsteuer vom Staat als Kulturgut gefördert. Ein staatliches Sedierungs-Förderprogramm sozusagen.

19.06.2016

Deutsche gegen Sinti und Roma

Viel schlimmer als die Tatsache, daß 84,4% aller AfD-Wähler laut der Studie „Die enthemmte Mitte“ der Universität Leipzig der Aussage „Bitte keine Sinti und Roma in meiner Nähe“ zustimmen, finde ich, daß sage und schreibe 57,8% aller bundesweit Befragten dieser Aussage zustimmen.
Ein Land von Rassisten und Reaktionären.

19.06.2016

Alltags-Rassismus in D 1

Alltags-Rassismus in Deutschland, 2016.

Der „Tagesspiegel“ berichtet von der Gerichtsverhandlung gegen den mutmaßlichen Mörder zweier kleiner Jungen, Elias und Mahamed:
„Beobachter erhoffen sich vom Verfahren auch neue Erkenntnisse darüber, ob die Polizei bei der Suche nach den vermißten Jungen mit zweierlei Maß vorgegangen ist. Im Fall Elias wurde schon Stunden nach dessen Verschwinden eine bundesweite Fahndung eingeleitet, am nächsten Tag kamen ein Hubschrauber und Spürhunde zum Einsatz, später wurden große Freiflächen und Wälder abgesucht, Satellitenfotos analysiert, die Bundeswehr wurde um Hilfe gebeten (...) Im Fall Mohamed beantragten die Beamten erst an Tag fünf nach der Entführung, die Bilder der Überwachungskamera am Haupteingang des Lagesos auswerten zu dürfen. Was Kritiker besonders ärgert: In beiden Fällen haben sich die Ermittlungen zwischenzeitlich auch gegen die Mütter der Kinder gerichtet – aber nur bei Mohamed habe dies dazu geführt, daß Nachforschungen in andere Richtungen vernachlässigt worden seien. (...) Mohameds Mutter hatten Ermittler zunächst unterstellt, sie wolle mit dem Verschwindenlassen ihres Sohnes womöglich die eigene Abschiebung nach Bosnien verhindern.“
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, steht in der Verfassung. Manche allerdings sind etwas weniger gleich. Flüchtlingskinder etwa und deren Mütter.

19.06.2016

Lyrics & Lyrik. Songtexte vs. Gedichte. Und Wagner

Der „FAZ“ entnehme ich, daß sich unlängst in Leipzig eine interdisziplinäre Tagung mit dem Thema „Lyrics/Lyrik. Über Songtexte und ihr Verhältnis zu Gedichten“ beschäftigt hat.
Dabei ist etwas sehr Überraschendes herausgekommen, nämlich: Songtexte sind keine Gedichte! Wer hätte das gedacht.
„Es sei eben unvergleichlich, ob man Elvis Costellos Lied ‚Alison’ nur lese oder höre, wie der Sänger mit maximaler Verachtung die Zeile ‚Well I see you’ve got a husband now’ intoniert“, berichtet Jan Wiele von der Tagung: „Beispiele für Popsongs, die als Gesamtkunstwerk großartig, auf den Text reduziert aber fast lächerlich wirken, fallen wohl jedem ein paar ein.“

Mir fallen dazu übrigens nicht nur Texte von Popsongs ein, sondern auch der eine oder andere ein wenig lächerliche Text eines Opern-Librettos, was zeigt, daß das Thema, das hier verhandelt wurde, doch reichlich konstruiert ist: Wer würde sich ernsthaft damit geschäftigen wollen, daß zum Beispiel die Zeilen
„Weia! Waga!
Woge, du Welle,
walle zur Wiege!
Wagala weia!
wallala weiala weia!“

aus Wagners „Rheingold“ als Lyrik kaum der Auseinandersetzung lohnen, mit der sie begleitenden Musik aber eine gewisse Berechtigung haben? Oder das
„Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Helmwide! Hier!
Hierher mit dem Ross!
Hojotoho! Hojotoho!Heiaha!“

aus der „Walküre“?

19.06.2016

Jauch, fiktives Copyright und Menschenrechts-Gerichtshof

Neues aus der Potsdamer Jauchengrube.

Der Brandenburger Junker Jauch, mehrfacher Luxusimmobilienbesitzer in Potsdam, hat versucht, ein Gutsherren-Sonderrecht zu erstreiten: Er wollte es zusammen mit seiner Ehefrau den Medien verunmöglichen, mit Fotos über seine Hochzeit zu berichten. Die Zeitschrift „Bunte“ hatte einen Artikel über diese Hochzeit veröffentlicht, die mit mehreren Fotos illustriert war. Daraufhin war das Ehepaar Jauch vor Gericht gezogen und hatte auf Schadenersatz in Höhe von 75.000 Euro für Frau Sihler-Jauch und weiteren Schadenersatz für Herrn Jauch geklagt. Zusätzlich machte Frau Sihler-Jauch ein „fiktives Copyright“ in Höhe von, ähem, 250.000 Euro geltend. Ein fiktives Urheberrecht an sich selbst sozusagen? Für 250.000 Euro?!?
Die bisherigen Gerichtsinstanzen verwehrten Günther Jauch jeglichen Schadenersatz, sprachen seiner Frau jedoch einen solchen in Höhe von 25.000 Euro zu. Die Forderung nach einem fiktiven Urheberrecht wies das Gericht ab. Dieses Urteil wurde im Oktober 2008 vom Hamburger Appellationsgericht einkassiert. Günther Jauch mußte sich von diesem Gericht erklären lassen, er sei ein „bekannter und einflußreicher Fernsehmoderator“, daher sei „das Interesse der Öffentlichkeit an seiner Hochzeit legitim gewesen“ („Tagesspiegel“). Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Beschwerde des Ehepaars Jauch gegen diese Entscheidungen erst gar nicht an.

Was aber tat der Potsdamer Junker? Er brachte den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Jauchs machten vor dem EGMR geltend, „die deutschen Gerichte hätten ihr Recht auf Privatsphäre nicht ausreichend geschützt“ („FAZ“). Doch auch die Straßburger Richter sahen in der Berichterstattung keine Rechtsverletzung, und die Jauchs bezogen eine krachende Niederlage vor Gericht.Enttäuschend für Herrn Jauch: Er ist auch nur ein Mensch wie jeder andere.
Was aber geht in den Köpfen von Menschen vor, in solch einer Angelegenheit den obersten europäischen Menschenrechts-Gerichtshof anzurufen, also jahrelang bundesdeutsche und europäische Gerichtshöfe mit solch einer Lappalie zu belästigen? Wie kommen Leute wie Günther Jauch dazu, zu denken, die Berichterstattung über ihre Hochzeit sei so wichtig wie zum Beispiel das Folterverbot, Diskriminierungen von Arbeitnehmer*innen oder die Abschiebung von sogenannten „Bootsflüchtlingen“, um nur einige der ansonsten in Straßburg verhandelten Verfahren zu nennen?

12.06.2016

Plattenfirmen sind Faxgeräte. Und Chance the Rapper

Plattenfirmen sind wie Faxgeräte. Ein Relikt vergangener Zeiten. Der eine oder die andere verwenden solche altmodischen Geräte noch, in dem einen oder anderen Büro stehen sie im Hinterzimmer noch mehr oder minder unbenutzt herum, aber im Grunde sind sie überflüssig, weil sich die Welt eben weiterentwickelt hat. Die Produktionsbedingungen haben sich drastisch zugunsten der Künstler verändert (viele haben das allerdings noch nicht mitbekommen, oder wollen davon nichts wissen...), die Vertriebsmöglichkeiten unabhängig hergestellter Musik sind vielfältig und effektiv: Streaming, das Netz, Verkauf über Homepage usw. Im Grunde gibt es für Künstler keine Notwendigkeit mehr, auf Faxgeräte, Verzeihung: auf Plattenfirmen zurückzugreifen – es sei denn, diese früheren Plattenfirmen sind modern aufgestellt, wie es zum Beispiel immer mehr Indie-Plattenfirmen sind, aber auch größere Firmen wie Kobalt oder BMG: Diese Firmen bieten einen umfassenden Service für die Künstler zu fairen Bedingungen, ohne die Künstler zu Knebelverträgen zu drängen, ohne endlose Rechte an deren Werken zu erwerben, und ohne ihnen den Großteil der Einkünfte vorzuenthalten. Traditionelle Plattenfirmen, also z.B. sämtliche Großkonzerne der Tonträgerindustrie, behalten immer noch 70 Prozent und mehr von allen Einnahmen für sich und sitzen auf Rechten an den Stücken ihrer Künstler.

Natürlich sind es vor allem die amerikanischen Hiphop-Künstler*innen, die sich den traditionellen Deals mit Mittelsmännern verweigern; gerade bei den afroamerikanischen Musiker*innen gibt es aus naheliegenden Gründen ein feines Gespür für Ausbeutung, und naturgemäß nutzen sie die Chance, sich diesem Geschäftsmodell zu verweigern (während es die langweiligen weißen Sängerinnen sind, die bei den großen Faxgeräten 116 Millionen für einen Faxgeräte-Vertrag alter Ordnung absahnen...).

Jüngstes Beispiel: Chance the Rapper, einer der wichtigsten Künstler unserer Tage. Der verschenkt sein neues Album (das er „Mixtape“ nennt) „Coloring Book“ wie schon seine bisherigen Alben. „Coloring Book“ ist kostenlos auf Soundcloud und den einschlägigen Streamingdiensten von Spotify bis Apple Music zu hören. „Coloring Book“ ist dabei das erste Album, das es ausschließlich durch seine Abrufe bei Streamingdiensten in die US-Charts geschafft hat, auf Platz 8! So einen erfolgreichen Künstler wollen die Faxgeräte natürlich gerne unter Vertrag nehmen. Doch Chance the Rapper bleibt der Prototyp des modernen Musikers und verweigert sich den Verträgen mit den Faxgeräten. „I don’t make songs for free, I make them for freedom“, erklärt der Rapper und verdient sein Geld weiterhin ausschließlich durch Konzerte und durch den Verkauf von Merchandising-Artikeln. Und wenn die Bosse der Plattenfirmen ihm weiterhin auf den Keks gehen, ihn weiter bedrängen sollten, droht er ihnen (im zweiten Song seines tollen Albums, „No problem“) auch schon mal an, ein paar Freunde vorbeizuschicken. Und mit diesen Freunden sind sicher nicht all diejenigen gemeint, die auf seinem neuen Album mitwirken: Von Kanye West über Lil Wayne, Future, Christina Love, Lil Yachty bis hin zu, ja, Justin Bieber...

Große Kunst. Großer Künstler. Ade, ihr Faxgeräte, you’re a thing of the past!

12.06.2016

Wahlen in Berlin gefährdet

In Berlin ist das Abhalten der Wahl zum
Abgeordnetenhaus im September 2016 gefährdet. Die Wahlsoftware weist laut einem
Brief der Landeswahlleiterin an die Innenstaatssekretäre „gravierende Probleme und Mängel“ auf. Bei einer Probewahl im Mai,
bei der die Software eine Woche lang getestet wurde, sei es „zu Datenverlusten und der Vermischung von
Datensätzen gekommen“, berichtet der „Tagesspiegel“. Nach aktuellem Stand
könnten die Wählerverzeichnisse nicht korrekt und nicht, wie notwendig, zwei
Tage vor der Wahl ausgedruckt werden.Vor allem aber bereitet der „anhaltende Meldestau“ in den
Bürgerämtern große Sorge. „Die
rechtzeitige und ordnungsgemäße Eintragung von Wahlberechtigten in
Wählerverzeichnisse ist gefährdet“. Täglich bemühen sich über 800
Bürger*innen beim „Service-Telefon“ um einen Termin, die meisten vergebens. Und
wer sich nicht ummelden konnte, darf nicht wählen – und dürfte Widerspruch
gegen die Gesetzmäßigkeit der Berliner Wahl einlegen.

Berlin also ein Operettenstaat, Hauptstadt
einer Bananenpolitik? So ist das wohl. Was haben sich die Leute und die Medien
vor Jahren über die US-Wahlen in Florida hergemacht, die George W. Bush wohl
einen nicht korrekten Wahlsieg beschert haben. Nun steht fest: Berlin kanns
keinen Deut besser. Berlin kann nicht nur keinen Flughafen, keine Schulen,
keine Bürgerämter, nein, man kann auch nicht Demokratie.

Die Sozialdemokraten zeigen jetzt mit dem
Finger auf die von Frank Henkel (CDU) geführte Innenverwaltung. Sicher, Henkel
und die von ihm geführte Innenverwaltung sind komplett unfähig, das pfeifen die
Spatzen von allen Berliner Dächern. Aber man darf die Damen und Herren
Sozialdemokraten daran erinnern, daß sie seit Jahrzehnten in der Berliner
Regierung sitzen und seit 15 Jahren den Regierenden Bürgermeister stellen. Und
es war der reaktionäre Sozialdemokrat Sarrazin, der als Finanzsenator für die
Personalverknappung in den Bürgerämtern mitverantwortlich war.Der Regierende Bürgermeister Müller (SPD)
versprach bei seinem Amtsantritt 2014, „endlich
mit gezielten Änderungen aus desolaten Behörden funktionsfähige, bürgergerechte
und kundenfreundliche Verwaltungen zu machen, die nicht jeden Amtsbesuch zum
Drama werden lassen“ (Gerd Nowakowski im „Tagesspiegel“). Nichts davon hat
Müller wahrgemacht, er ist eine komplette Luftnummer.

Aber vielleicht liegt das Geheimnis von Müller
und seinen Genoss*innen ganz woanders? Vielleicht wollen sie gar nicht wählen lassen? Müller jedenfalls steht
neuerdings einer Partei vor, die (zumindest moralisch gesehen) illegale Parteispenden
von einem Berliner Bauunternehmer angenommen hat, der mit dem SPD-Bausenator
Geschäfte macht: Das Gesetz schreibt vor, daß alle Parteispenden oberhalb von
10.000 Euro veröffentlicht werden müssen. Der stadtbekannte Bauunternehmer hat
deshalb seine Spende an die SPD in fünf handliche Tranchen von jeweils 9.950
Euro aufgeteilt, die von Tochterunternehmen an SPD-Gliederungen überwiesen
wurden. Ganz offensichtlich, um das Gesetz zu umgehen – mag sein, daß das
formal gesehen legal war, es ist aber auf jeden Fall moralisch und gesetzlich
illegitim. SPD-Bausenator Geisel hat „erst
vor einiger Zeit Bauprojekte von Firmen des Spenders auf seinen Tisch gezogen“,
berichtet die „FAS“, die auch weiß, daß „der
Regierende Bürgermeister angeblich auch sehr vertraut mit seinem Bausenator
ist“. Jedenfalls hat Müller, als er den SPD-Vorsitz übernahm, auch gleich
die Wiederwahl der Landeskassiererin verhindert, die im Frühjahr die Annahme
eines Teils der aufgefächerten Parteispenden des Bauunternehmers verweigert hat,
und sie mit einer Vertrauten ersetzt, die keine Probleme mit diesen
Parteispenden hatte.Die Durchführung einer freien und geheimen
Wahl scheint Müller und seinen Genossen nicht allzu wichtig zu sein.
Wahrscheinlich denken sie: Wo ist denn das Problem? Jemand, der sich an unserer
Politik beteiligen, der auf unsere Politik Einfluß nehmen will, kann doch eine
Parteispende tätigen...

12.06.2016

Fußball-Europameisterschaft

Und die Fußball-Europameisterschaft?Sie wollen jetzt nicht wirklich einen Tip hören, oder? Also: Die beste
Mannschaft mit den besten Spielern hat Spanien, keine Frage. Aber die besten
gewinnen bekanntlich nicht immer. Frankreich ist stark, erst recht zuhause –
andrerseits kann gerade der Heimvorteil Belastung sein. Ein Finalkandidat
jedenfalls. England? Stark, aber gewinnt sowieso nie. Belgien? Überschätzt,
kann aber vielleicht Halbfinale. Italien? Immer stark genug, um Deutschland zu
besiegen. Und es wird die eine oder andere Überraschungsmannschaft geben, die
es ins Viertelfinale schafft und mit viel Glück sogar noch weiter – Rußland,
Österreich oder Polen vielleicht. Und Deutschland? Dank der Spieler mit
ghanaischem, türkischem, polnischem, albanischem, tunesischem, senegalesischem
und spanischem Migrationshintergrund und dank Hummels-Kroos-Müller-Neuer ist
das Team natürlich stark genug fürs Halbfinale, vielleicht sogar fürs Finale.
Gewonnen wird jedoch nicht. So ist das.

Das eigentliche Problem an all dem Fußball heutzutage ist aber: „Fußball heute ist die Pest, ist
Parafaschismus, ist ein penetrantes, hysterisches, narzisstisches,
größenwahnsinniges System, das aufgeblasenen Ramsch ausspeit, und Spieler und
Journalisten sind gemästete, blind befehlsempfangende Paladine.“ (Jürgen
Roth in „Konkret“). Diese Mischung aus Finanzkapitalismus und embedded
journalism ist im Grunde unerträglich. All die braven Milchbubis mit ihren
Milchschnitten-Frisuren und mit ihrem Medientraining. All diese unerträglichen
Plapperer im Staatsfernsehen, wo noch jedes Training zur News in den
Nachrichtensendungen breitgewälzt wird. All die hohlen Journalist*innen mit
ihren inneren Reichsparteitagen und ihrer permanenten Unterwürfigkeit – 500
Journalist*innen und Mitarbeiter*innen schickt das deutsche Staatsfernsehen
nach Frankreich, zum Preis von gut zehn Millionen Euro. Gesponsert wird das
deutsche Gekicke von Fastfood-Konzernen und dem Rüstungskonzern und
„Generalsponsor“ Mercedes-Benz, der sich mit menschenrechtsverletzenden
Rüstungsexporten hervortut und „die Mannschaft“ und „die Nation“ anläßlich der
Europameisterschaft einschlägig stimuliert, und wie das heute so ist, wird „ein umfassendes Social-Media-Angebot dafür sorgen, daß die Fans
integrale Bestandteile der Kampagne werden“...

Eigentlich kann man nur mit dem legendären Harry Valérien sagen: „Solang das so läuft – ohne mich.“ Auf
jeden Fall sollte man aber bei der Übertragung der Spiele im Staatsfernsehen
erst zum Spielbeginn ein-, dann sofort den Ton abschalten und zu den Spielen
Musik von Morton Feldman, Pierre Boulez oder Chance The Rapper und J Dilla
hören, und zwar laut.

Und ansonsten empfehle ich den Dokumentarfilm „Garrincha: Hero of the
Jungle“ des brasilianischen Filmemachers Joaquim Pedro de Andrade, den man auf YouTube sehen kann. Er
gehört zu den schönsten Filmen über Fußball und ist wie ein Gruß aus
vergangenen Zeiten...Jedenfalls beginnt jetzt wieder das, was Georg Seeßlen mal als
„schlechte Tage“ bezeichnet hat: „An einem schlechten Tag könnte man sich
darüber erregen, dass einem nur noch zwei Arten von Menschen in einer deutschen
Stadt begegnen: Leute, die nichts anderes in ihre Birne lassen als Karriere,
Geld, Status und Bizness, und Leute, die nichts anderes in ihre Birne lassen
als Fußball, Bild-Zeitung,
Fernsehen und Bier.“

12.06.2016

Lärmschutz für Kultur, aber nicht für Fußball

Versuchen Sie mal,
als Konzertveranstalter in einer bundesdeutschen Großstadt eine Genehmigung für
ein Open-Air-Konzert nach 22.00 Uhr zu bekommen – praktisch aussichtslos! Da
können sich die Städte noch so sehr als modern oder gar als „Weltstadt“ (haben
wir so etwas in D?!?) inszenieren, um 22.00 Uhr, wenn es also dämmert und man
bei einem Konzert mit der Lichtshow beginnen könnte, herrscht deutscher
Lärmschutz: 55 Dezibel, mehr nicht! Keine Ausnahmen, praktisch nie. Deutsche
Open Air-Konzerte haben um zehn Uhr abends zuende zu sein.

Ausnahmslos.
Moment mal, es gibt doch eine Ausnahme: Für die Zeit der
Fußball-Europameisterschaft hat der Bundesrat den Lärmschutz außer Kraft
gesetzt und laut „Berliner Zeitung“ eine Verordnung beschlossen, die es Städten
und Gemeinden ermöglicht, öffentliche Fußballübertragungen (das sogenannte
„public viewing“, im englischen eigentlich das Wort für eine öffentliche
Leichenschau) auch in den Nachtstunden zu genehmigen, also auch nach 22 Uhr.
Die sonstigen Lärmschutzregelungen sind für König Fußball außer Kraft gesetzt.Konzerte werden Sie allerdings auch weiterhin nach
22 Uhr nicht sehen und hören können. Kultur ist den deutschen Politiker*innen
bekanntlich eben nicht so wichtig...

12.06.2016

Dalai Lama zu Flüchtlingen und George W. Bush

Tenzin Gyatso
macht im Interview mit der „FAZ“ den tibetischen Gauland:„Es sind mittlerweile zu viele Flüchtlinge. Europa,
zum Beispiel Deutschland, kann kein arabisches Land werden. Deutschland ist
Deutschland. (...) Es sind muslimische Individuen und kleine Gruppen, die sich
in ihren eigenen Ländern gegenseitig umbringen. Schiiten, Sunniten.“Frage: „Gibt es
Umstände, unter denen die Anwendung von Gewalt Ihrer Ansicht nach legitim ist?“Tenzin Gyatso: „Wenn die Umstände so sind, daß es keine
andere Wahl gibt, und Mitgefühl die Motivation ist. (...) Wie mein Freund
George W. Bush: Seine Motivation war sehr aufrichtig. Er wollte Demokratie in
den Irak bringen. Eine Person eliminieren. Er benutzte Gewalt. Die Folgen waren
negativ. Gewalt ist unberechenbar. Deshalb besser keine Gewalt.“

12.06.2016

Lollapalooza auf Berliner Soldatenfriedhof

Einer anderen Sorte von Festival befleißigt sich das Lollapalooza in
Berlin – Sie wissen schon, dieses kommerzielle Dingens unter Beteiligung des
amerikanischen Großkonzerns Live Nation (sozusagen der Monsanto des
Konzertgeschäfts) mit dem klebrig-alternativen Anstrich. Nicht unoriginell
finde ich ja, daß die Lollapalooza-Leute allüberall rumlaufen und für ihr
Festival „im zentralen Treptower Park“ werben – für das es aber bis heute allem
Anschein nach keine Genehmigung gibt. „Noch
gibt es keine Genehmigung für das Festival“, schreibt jedenfalls die
„Berliner Zeitung“ am gestrigen Donnerstag, 9.Juni 2016.Und das aus gutem Grund: Soeben wurde der Park, ein ausgewiesenes
Gartendenkmal, für 13,5 Millionen Euro saniert. Soll der Berliner Senat
wirklich den gerade hergerichteten Park fürs Zertrampeln durch die Besucher eines
kommerziellen Großfestivals zur Verfügung stellen?Außerdem befindet sich in dem Park das sowjetische Ehrenmal, das auch
die Begräbnisstätte für 7.500 Sowjetsoldaten ist, die im Kampf gegen den
Nationalsozialismus gefallen sind. Die Botschafter von zehn ehemaligen
Sowjetrepubliken haben bereits gegen die Störung der Totenruhe protestiert.
Eigentlich naheliegend – würde irgendjemand auf die Idee kommen, ein
Rockfestival auf einem Friedhof stattfinden zu lassen?

Aber in Berlin ist eben so einiges möglich. Totenruhe hin, Naturschutz
her.Dabei steht doch der neue Berliner Flughafen als alternatives
Festivalgelände zur Verfügung. Dort könnte man auch einen langfristigen Vertrag
abschließen – daß der Flughafen in absehbarer Zeit fertiggestellt werden
könnte, daran glaubt doch sowieso niemand...

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