Und die Fußball-Europameisterschaft?Sie wollen jetzt nicht wirklich einen Tip hören, oder? Also: Die beste
Mannschaft mit den besten Spielern hat Spanien, keine Frage. Aber die besten
gewinnen bekanntlich nicht immer. Frankreich ist stark, erst recht zuhause –
andrerseits kann gerade der Heimvorteil Belastung sein. Ein Finalkandidat
jedenfalls. England? Stark, aber gewinnt sowieso nie. Belgien? Überschätzt,
kann aber vielleicht Halbfinale. Italien? Immer stark genug, um Deutschland zu
besiegen. Und es wird die eine oder andere Überraschungsmannschaft geben, die
es ins Viertelfinale schafft und mit viel Glück sogar noch weiter – Rußland,
Österreich oder Polen vielleicht. Und Deutschland? Dank der Spieler mit
ghanaischem, türkischem, polnischem, albanischem, tunesischem, senegalesischem
und spanischem Migrationshintergrund und dank Hummels-Kroos-Müller-Neuer ist
das Team natürlich stark genug fürs Halbfinale, vielleicht sogar fürs Finale.
Gewonnen wird jedoch nicht. So ist das.
Das eigentliche Problem an all dem Fußball heutzutage ist aber: „Fußball heute ist die Pest, ist
Parafaschismus, ist ein penetrantes, hysterisches, narzisstisches,
größenwahnsinniges System, das aufgeblasenen Ramsch ausspeit, und Spieler und
Journalisten sind gemästete, blind befehlsempfangende Paladine.“ (Jürgen
Roth in „Konkret“). Diese Mischung aus Finanzkapitalismus und embedded
journalism ist im Grunde unerträglich. All die braven Milchbubis mit ihren
Milchschnitten-Frisuren und mit ihrem Medientraining. All diese unerträglichen
Plapperer im Staatsfernsehen, wo noch jedes Training zur News in den
Nachrichtensendungen breitgewälzt wird. All die hohlen Journalist*innen mit
ihren inneren Reichsparteitagen und ihrer permanenten Unterwürfigkeit – 500
Journalist*innen und Mitarbeiter*innen schickt das deutsche Staatsfernsehen
nach Frankreich, zum Preis von gut zehn Millionen Euro. Gesponsert wird das
deutsche Gekicke von Fastfood-Konzernen und dem Rüstungskonzern und
„Generalsponsor“ Mercedes-Benz, der sich mit menschenrechtsverletzenden
Rüstungsexporten hervortut und „die Mannschaft“ und „die Nation“ anläßlich der
Europameisterschaft einschlägig stimuliert, und wie das heute so ist, wird „ein umfassendes Social-Media-Angebot dafür sorgen, daß die Fans
integrale Bestandteile der Kampagne werden“...
Eigentlich kann man nur mit dem legendären Harry Valérien sagen: „Solang das so läuft – ohne mich.“ Auf
jeden Fall sollte man aber bei der Übertragung der Spiele im Staatsfernsehen
erst zum Spielbeginn ein-, dann sofort den Ton abschalten und zu den Spielen
Musik von Morton Feldman, Pierre Boulez oder Chance The Rapper und J Dilla
hören, und zwar laut.
Und ansonsten empfehle ich den Dokumentarfilm „Garrincha: Hero of the
Jungle“ des brasilianischen Filmemachers Joaquim Pedro de Andrade, den man auf YouTube sehen kann. Er
gehört zu den schönsten Filmen über Fußball und ist wie ein Gruß aus
vergangenen Zeiten...Jedenfalls beginnt jetzt wieder das, was Georg Seeßlen mal als
„schlechte Tage“ bezeichnet hat: „An einem schlechten Tag könnte man sich
darüber erregen, dass einem nur noch zwei Arten von Menschen in einer deutschen
Stadt begegnen: Leute, die nichts anderes in ihre Birne lassen als Karriere,
Geld, Status und Bizness, und Leute, die nichts anderes in ihre Birne lassen
als Fußball, Bild-Zeitung,
Fernsehen und Bier.“