15.06.2015

Medien & Propaganda

„Die Medien bereiten eine Bühne, auf der sie
ihre eigenen Stücke vorführen. Allerdings sagen sie uns das nicht. Vielmehr
behaupten sie, sie würden die Welt und das, was sich in ihr ereignet,
wirklichkeitsgetreu spiegeln. Aber dem ist nicht so.
Die empirischen Untersuchungen über die Wirkungsweisen der Medien haben ganz
klar gezeigt: Die Medien wählen aus der unendlichen Fülle der realen Ereignisse
ganz wenige aus und zwar nach bestimmten, festen Kriterien, z.B. Konflikt,
Prominenz, Personalisierung, Nähe zum Betrachter. Ereignisse, die sich in
diesen Kategorien einordnen lassen, nehmen die Medien auf und inszenieren sie
so, dass sie unterhaltsam für das Publikum sind, also zum Beispiel als Drama,
als persönliche Tragödie, als 'artistisches Schaustück'.
Die Wirklichkeitspartikel, die Medien aus der realen Welt aufnehmen, werden von
ihnen intensiv bearbeitet und was dann dabei herauskommt, ist eine
Neuinszenierung der Welt und hat mit der Realität oft nicht sehr viel zu tun.“
Thomas Meyer im Interview
mit „Telepolis“

15.06.2015

Plattenfirmen betrügen Künstler

Es ist eine unendliche Geschichte: Musiker, die darüber jammern, daß sie
in der digitalen Welt zu wenig verdienen. Woran aber nicht etwa die neuen
Streamingdienste Schuld sind, sondern vor allem die Plattenfirmen, die digitale
Downloads und Streamingeinkünfte wie CDs abrechnen. Der oberste Gerichtshof der
USA hat bekanntlich Anfang 2011 entschieden, daß digitale Downloads einer
Vergabe von Lizenzen an der Master-Aufnahme entsprächen und genau so zu
vergüten seien. Seitdem haben viele Musiker ihre Labels auf korrekte Zahlungen
bzw. Nachzahlungen verklagt, weil sie jahrelang zu geringe Tantiemen erhalten
hatten. Nach Sony Music und Warner Music mußte laut „Musikmarkt“ jetzt auch
Universal Music eine Ausgleichssumme an Musiker bezahlen, die den weltgrößten
Musikkonzern verklagt hatten. Zu den Künstlern, die jetzt von Universal Music
11,5 Millionen Dollar Nachzahlungen erhalten haben, gehören Rick James, Chuck
D, Dave Mason (Traffic) und Ron Tyson (Temptations). Statt der ihnen
zustehenden 50 Prozent an den Erlösen aus dem Downloadgeschäft wurden die
Künstler von Universal Music um einen Großteil der ihnen zustehenden Gelder
betrogen und mit etwa 15 Prozent abgespeist.

Man kann nicht oft genug wiederholen, was der legendäre Radio-DJ John Peel sagte:„Die großen Plattenfirmen haben nie so getan, als seien sie
zu etwas anderem da, als möglichst viel Geld zu verdienen, von dem sie den
Musikern möglichst wenig abgeben. Sie sind Investitionsapparate.“

15.06.2015

G7, Schloß Elmau

Ungefragt und ungewollt erhalte ich eine Werbemail von „Schloß Elmau
Kulturbüro“ (es wird behauptet: „Sie erhalten diesen Newsletter, weil Sie sich
dafür vor Ort oder auf unserer Webseite eingetragen haben“; was eine glatte
Lüge ist, ich war weder jemals vor Ort noch auf der Webseite des „Luxury Spa,
Retreat & Cultural Hideaway Schloß Elmau“, noch werden meine Füße jemals
den Boden von Schloß Elmau betreten... sie werden die Mailadresse irgendwo
illegal erworben haben, soviel steht schon mal fest).In der Werbemail werden mir „Highlights“ des „Kulturprogramm Juni 2015“
vorgestellt: „Big Band-Jazz der Extraklasse“ etwa, oder ein Klavierabend mit
Werken von Mozart, oder, ja, ein Konzert von Jan Josef Liefers & Band.
Merkwürdig: all diese kulturellen Highlights auf Schloß Elmau finden erst in
der zweiten Junihälfte statt.

Keine Kultur auf Schloß Elmau in der ersten Junihälfte? Da war doch was.
Genau: in der ersten Junihälfte war „ein
Tal im Belagerungszustand“ („NZZ“), und 20.000 Sicherheitsleute haben
sieben Regierungschefs vor den Bürgerinnen und Bürgern geschützt, damit die
„westliche Wertegemeinschaft“ (Angela Merkel) ganz in Ruhe den Status Quo
verteidigen konnte. Zwar wurde ein ehrgeiziges Klimaziel verabschiedet, aber
derartige Luftnummern, die in der Praxis folgenlos blieben, haben wir auch in
der Vergangenheit schon erlebt. Es ging um Bildpolitik, es ging darum, die
Herrschenden der westlichen Industriestaaten auf einer Blumenwiese vor einem
Alpenpanorama zu postieren – das war uns nach Berechnungen des Bundes der
Steuerzahler etwa 360 Millionen Euro wert.

15.06.2015

Flüchtlinge retten, Kriegsschiffe

Deutschland schickt Kriegsschiffe ins Mittelmeer, um Flüchtlinge zu
retten – dabei retten Handelsschiffe zehn Mal so viele Flüchtlinge wie Frontex,
von der deutschen Kriegsmarine ganz zu schweigen. Und am billigsten wäre es,
wenn nicht die Flotte ins Mittelmeer verlegt würde, sondern wenn die
europäischen Industriestaaten den Flüchtlingen seriöse Tickets für die Fahrt
oder den Flug nach Europa kaufen würde – zumal auf diese Art und Weise die Flüchtlinge
auch gleich auf alle europäischen Staaten verteilt werden könnten.Mit der Hälfte der Kohle, die auf Schloß Elmau verpulvert wurde, könnte
man eine deutlich fünfstellige Zahl von Flüchtlingen vor dem Tod durch
Ertrinken retten und ihnen eine lebenswerte Perspektive in Europa anbieten.

28.05.2015

Kauder: Ehe ist eine Verbindung von Mann und Frau

„Für mich ist die
Ehe im Sinne des Grundgesetzes die Verbindung von Mann und Frau.“(Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag)

Das irische Ja zur Homosexuellen-Ehe ist „eine Niederlage der Menschheit.“(Kurienkardinal Pietro Parolin)

„Die Sonne dreht
sich um die Erde.“(Katholische Kirche, Inquisitionsprozeß gegen Galileo Galilei, 1633)

„Die Erde ist eine
Scheibe.“(Katholische Kirche und CDU/CSU; unbestätigt, ob diese Aussage auch heute noch
Gültigkeit hat; Wahrscheinlichkeit: hoch).

20.05.2015

Gabriel und Gorny, diese beiden

Was macht Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD),
wenn er nicht gerade bundesdeutsche Rüstungsgüter an Scharia-Staaten wie
Saudi-Arabien oder an Golf-Diktaturen wie Katar verkauft? Er kümmert sich um
die „Kreativindustrie“.Sigmar „Siggi Pop“ Gabriel hat dieser Tage einen
gewissen Dieter Gorny zum „Beauftragten der Bundesregierung für kreative und
digitale Ökonomie“ ernannt. Ähem. Ich dachte ehrlich gesagt zunächst an einen
Aprilscherz, aber denkt man an Sigmar Gabriel in der Nacht...Der Cheflobbyist der deutschen Musikindustrie, der
Vorstandsvorsitzende des „Bundesverband Musikindustrie“  als neutraler „Beauftragter der
Bundesregierung“?!? Den Bock zum Gärtner machen? Demnächst wird Sigmar Gabriel
(SPD) den Cheflobbyisten der Atomindustrie zum Beauftragten der Bundesregierung
für Solarenergie ernennen, den Cheflobbyisten der Automobilindustrie zum
Beauftragten für Fahrradverkehr, und den Deutschlandchef von Facebook zum
Beauftragten für Datenschutz.

Moment mal. Beim Datenschutz ist das gar nicht so weit weg von der
Realität. Bekanntlich sammeln Firmen wie
Facebook und Google riesige Datenmengen. Die neue EU-Datenschutzverordnung, mit
der der Schutz der informellen Selbstbestimmung eigentlich ins
Internet-Zeitalter befördert werden soll, könnte die Konzerne zur Herausgabe
der Informationen zwingen. Doch ausgerechnet die Bundesregierung behindert das
Vorhaben - mit Verweis auf den Datenschutz. Setzt sich die Bundesregierung in
Brüssel mit ihrer Haltung durch, kommt das einer Katastrophe für das
Aufsichtsrecht gleich. Statt die Daten von sogenannten sozialen Netzwerken, von
Kreditauskunfteien oder Material aus Überwachungskameras zu schützen, sollten
durch die EU doch wohl die Recht der Verbraucher verbessert werden, etwa, indem
die Unternehmen verpflichtet werden, die von ihnen gesammelten Daten besser zu
anonymisieren.Und selbst dort, wo die Unternehmen von der EU
gezwungen werden, eine Kopie der von den Auskunft einholenden Verbrauchern
gesammelten Daten zur Verfügung stellen zu müssen, kämpft die deutsche
Bundesregierung nicht etwa für die Bürger, sondern für die Konzerne: Die
Konzerne sollen für die Herausgabe der Datenkopien Geld verlangen dürfen, wenn
es nach der Bundesregierung geht. Die französische Regierung dagegen drängt auf
eine kostenlose Herausgabe.

Vizekanzler Gabriel mimt gern den rauflustigen Möchtegern-Zerschlager
von Google. Aber in Wahrheit schützt seine Regierung die Datensammler von
Facebook, Google und Co. Perfide.

20.05.2015

Peter Esterhazy

Der Schriftsteller Peter Esterházy erklärt im Interview mit dem „Standard“
den Urheberrechtsfans, wie Kunst funktioniert, was es mit dem Originalgenie und
der abendländischen Kultur auf sich hat:
„Esterházy: Wenn ich die Quellen so penibel angebe, zeigt das, wie
hoffnungslos es ist, Quellen anzugeben. Ich könnte jedes Wort mit einer Fußnote
versehen.STANDARD: Weil jedes Wort schon einmal in einem Text stand?Esterházy: Jeder Text erinnert uns an andere Texte. Darin besteht die
Tradition, dass die Bücher aufeinander aufbauen. Wir nennen Europa den Alten
Kontinent. Auch die Ausdrücke und Worte sind alt und haben ihre Geschichte.“

 

20.05.2015

Kanye West & Glastonbury

Eines der großen, legendären Festivals in Europa findet jedes Jahr in
Glastonbury statt. Daß Rock-Fans nicht notwendigerweise weltoffen und kulturell
neugierig sind, zeigte sich dieses Jahr, als die Festivalveranstalter einen der
führenden HipHop-Künstler unserer Tage für das größte englische Festival
verpflichtet hatten: Kanye West. Ein Aufschrei ging durch Großbritannien,
Petitionen wurden geschrieben, es sei „eine Beleidigung für Musikfans in aller
Welt“, daß Kanye West in Glastonbury auftreten dürfe, man solle ihn von der
Liste streichen und durch eine Rockband ersetzen.Rock-Fans können eben auch durchaus Reaktionäre sein, weiße Männer, die
weiße Musik im Viervierteltakt hören wollen, ein Publikum wie Pegida mit
zugehaltenen Ohren. Und so ergab auch eine Abstimmung auf „Spiegel Online“: 93,75%
der Teilnehmer fanden, „West hat dort nichts verloren“, nur 6,25% sagten „Was
soll das, laßt den Mann auf die Bühne“ (bei 15596 Gesamtbeteiligung, Stand
21.3.2015 12:19 Uhr).Ach ja: das nach verkauften Tickets mit Abstand größte Rock-Event
Deutschlands 2015 sind die vier Open-Airs, die die „Böhsen Onkelz“ auf dem
Hockenheimring spielen. Der Veranstalter hat bereits 350.000 Tickets abgesetzt
und rechnet mit 400.000 Zuschauern bei den vier Auftritten im Juni.Haben wir noch irgendwelche Fragen?

20.05.2015

Frei.Wild zitieren Goebbels und sind keine Nazis

Auch so eine harmlose und ganz sicher aller rechtsradikaler Sympathien
abholde Band ist Frei.Wild aus, genau, Südtirol. Daß die Band in ihrem Song
„Für immer Anker und Flügel“ eine Parole eines gewissen Joseph Goebbels von
seiner Sportpalastrede zitieren, der Rede, in der Goebbels den „totalen Krieg“
ausrief, ist ganz sicher purer Zufall:

„SPIEGEL ONLINE:
Im Song "Für immer Anker und Flügel" singen Sie "Sturm, brich
los". Wissen Sie, wen Sie damit zitieren?Burger: Nein.SPIEGEL ONLINE: Joseph Goebbels.
"Sturm, brich los" sind die letzten Worte aus seiner Sportpalastrede,
in der er den "Totalen Krieg" ausgerufen hat.
Burger: Die Geschichte ist mir
neu. Was soll ich denn jetzt dazu sagen? "Sturm, brich los" ist ein
allgegenwärtiger Slogan. Man wälzt beim Schreiben von Songs ja nicht jedes Mal
die Geschichtsbücher. Überhaupt finde ich diese Frage wirklich kränkend, vor
allem weil ich selbst Teil der rechten Skinheadszene war...
SPIEGEL ONLINE: ...von der Sie
sich inzwischen distanziert haben...Burger: Sie können sich
sicher vorstellen, dass ich der Letzte wäre, der wissentlich einen solchen
Slogan in die Lieder einbauen würde. Wenn man es unbedingt so ausreizen möchte,
dann könnte man fast jedem deutschen Wort eine Nazi-Nähe unterstellen.“

Ja, sicher, ich finde auch, daß Frei.Wild so ziemlich die letzte Band
sind, die wissentlich einen Goebbels-Slogan in ihre Texte einbauen würden.
Klar. Die allerletzte Band, die so etwas tun würde, wären die Böhsen Onkelz.Alles ganz harmlos. Die wollen doch nur spielen.Und mal Hand zum Gruß erhoben... nein, Hand aufs Herz: „Sturm, brich
los“ ist doch etwas, was Sie und ich tagtäglich sagen. Nicht?

20.05.2015

Lowtzow schreibt eine Oper und tut, was er nicht kann

Der sehr geschätzte Theaterregisseur René Pollesch und Tocotronic-Sänger
Dirk von Lowtzow haben in Berlin gemeinsam eine Oper „gemacht“. Die
„Süddeutsche Zeitung“ hat bei von Lowtzow nachgefragt:

„SZ: Wie war das
für Sie als Popmusiker, plötzlich für großes Orchester und Chor zu komponieren?Lowtzow: Ich kann
keine Noten lesen und schreiben. Ich kann nicht arrangieren, nicht
orchestrieren. Das fand ich total interessant: etwas zu machen, was man
überhaupt nicht kann.“

O.k., von Lowtzow macht also etwas, was er überhaupt nicht kann. Soweit,
so pop. Aber muß er das Ding gleich „Oper“ nennen? Und warum?

Natürlich, reizen tut uns das doch alle, mal etwas zu machen, was wir
überhaupt nicht können. Sagen wir es mit Hermann L. Gremliza (in „Konkret“): „Wenn also einmal des Herrn von Lowtzows
Blinddarm rausmuß, stehe ich zur Appendektomie bereit. Ein Taschenmesser wird
vom Verlag gestellt.“ Und ich assistiere Gremliza bei dieser Operation mit
Vergnügen.

20.05.2015

Rachel Kushner und Hegel

Wir haben Popmusiker, die Opern schreiben, die USA haben Schriftsteller,
die erklären: „Hegel ist mir
unentbehrlich.“ So die Schriftstellerin Rachel Kushner, deren neuer Roman
„Flammenwerfer“ unlängst auch in deutscher Sprache erschienen ist.„Ich bin mit
Gegenkultur-Leuten aufgewachsen (...) Sie haben mich für radikale Ideen begeistert
und auf den Kampf gegen Leute wie Reagan und Bush vorbereitet“, sagt Rachel
Kushner in der „FAZ“, und daß sie Schriftsteller bevorzuge, die an der „Mechanik der Welt“ interessiert seien
und an den „politischen Kraftfeldern
unserer Gegenwart“.

20.05.2015

Charts

Die „GfK Entertainment“ hat etwas ganz arg Tolles erfunden: Es gibt
nämlich jetzt nicht mehr die bisher von „media control“ ermittelten Charts,
sondern, halten Sie sich jetzt bitte fest!, die „offiziellen deutschen Charts“.
Ich konnte ehrlich gesagt bisher keinen Unterschied feststellen, gezählt wird
weiter, wieviele Alben, Singles oder Downloads verkauft werden. Aber natürlich
ist alles „neuer, schneller, schöner“, wie es in großen Anzeigen in den
Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie heißt. Und GfK-Geschäftsführer
Mathias Giloth erklärt in einem Interview, daß „das Besondere zunächst einmal ist, daß es die seit Jahrzehnten im
Auftrag des BVMI erhobenen Charts sind. Es ist die Währung, auf die sich der
Markt verläßt.“

Ach ja, die Musikindustrie hat jetzt ne eigene Währung? Interessant. Und
wir lernen: das Besondere ist, daß es etwas bereits seit Jahrzehnten genauso
gibt, während andererseits das, was es bereits seit Jahrzehnten gibt, nun
plötzlich aus Gründen, die der normale Mensch außerhalb des Bundesverbandes der
Deutschen Musikindustrie nicht nachvollziehen kann, eben „neuer, schneller,
schöner“ ist. Aber so ist das wohl, wenn man uralten, zu Essig umgekippten Wein
in neuen Schläuchen verkaufen muß. Klebt man einfach „neu“ drauf.

In die neueren, schnelleren, schöneren Charts gehen jetzt sogar „Daten von
über 2.800 Händlern“ ein – also nicht etwa von allen Händlern, sondern wie
gehabt nur von einem Teil. Wie gehabt also sind die „offiziellen deutschen
Charts“ eine Mogelpackung, und wie gehabt erfährt niemand das, worauf es doch
ankommt, nämlich: wieviele Alben, Singles oder Downloads wurden denn nun
wirklich verkauft? Darüber schweigt man sich hierzulande aus. Kein Wunder, in
Zeiten von drastisch zurückgehenden Tonträger-Verkäufen will man die Wahrheit
nicht als Zeichen an der Wand geschrieben sehen...

20.05.2015

LEA 2015

Zu den rätselhaftesten Angelegenheiten der deutschen Musikindustrie
gehört, warum deren Branchenevents zu den allerlangweiligsten überhaupt
denkbaren Veranstaltungen gehören müssen. Der „Echo“ der deutschen
Musikindustrie? Das pure Grauen – stellen Sie sich allein mal Andreas Frege
alias Campino, Wolfgang Niedecken, Joy Denalane und andere vor, wie sie live
den großen „Redemption Song“ von Bob Marley (der uns auch in der wundervollen
Version von Johnny Cash und Joe Strummer bestens in Erinnerung ist)
vergewaltigen.Die Liveindustrie vergibt seit einigen Jahren den sogenannten „LEA“, ich
war vor einiger Zeit drei aufeinanderfolgende Jahre als „Künstleragent des
Jahres“ nominiert und hab mir das einmal live angeschaut, und es war der
langweiligste und drögeste Abend, den ich in den letzten zwei Jahrzehnten
verbracht habe – wenn ich Ihnen erzähle, daß bei all den Reden und
drittklassigen Gags und Showbeiträgen und Selbstbeweihräucherungsarien der
Auftritt von „Silbermond“ der musikalisch interessanteste Beitrag und der von
Atze Schröder der komische Höhepunkt der über vierstündigen, sich wie endloser
Kaugummi ziehenden Veranstaltung war, dann können Sie sich ungefähr vorstellen,
wie das bei der „PRG Live Entertainment Award“-Zeremonie so zugeht. Also so
langweilig, daß eine Zusammenfassung im Hessischen Fernsehen nicht weiter
unangenehm auffällt.Dieses Jahr hatten sich die LEA-Veranstalter etwas Besonderes einfallen
lassen: Neben den bisherigen „Medienvertretern“ bestand die Jury 2015 auch aus
„Branchenpraktikern“ wie Ossy Hoppe (Wizard), Marek Lieberberg, Karsten Jahnke,
Peter Schwenkow (DEAG) und anderen.Und jetzt raten Sie mal, wer die LEAs abgeräumt hat. Genau. Es waren
u.a. Marek Lieberberg (3 Preise), Wizard, die DEAG (2 Preise) und Karsten Jahnke...Natürlich haben Marek Lieberberg und Karsten Jahnke ihre Awards sicher
hochverdient – aber müssen sie wirklich selbst in der Jury sitzen, die die
Preise vergibt? Klar, wir arbeiten in einer extrem autoreferentiellen Branche,
aber... Kollegen, das habt ihr doch eigentlich nicht nötig!

20.05.2015

ESC - Plattenfirmen sitzen in ARD-Jury

Beim „LEA“ geht’s natürlich um nichts.Das ist beim „Eurovision Song Contest“ schon etwas anderes. Da geht es
für die Musikindustrie um jede Menge Geld. Im März 2015 lief zu bester
Sendezeit in der ARD der „Vorentscheid“ über den deutschen Beitrag beim ESC,
der dieses Wochenende in Wien ausgetragen werden wird.Doch wer hat eigentlich
entschieden, welche Künstler an dieser öffentlich-rechtlichen Vorentscheidung
teilnehmen durften, wer saß in der Jury, die die deutschen Kandidaten für den
Vorentscheid ausgesucht hat? „Vertreterinnen und Vertreter des NDR, der
Produktionsfirma Brainpool, der Labels Sony, Universal und Warner, der
Independent-Labels sowie der Popwellen und jungen Radios der ARD“, teilt die
ARD sozusagen im Kleingedruckten mit. „Vertreterinnen und Vertreter der Labels
Sony, Universal und Warner“ – wie niedlich. Die drei multinationalen
Musikkonzerne also haben die Kandidaten für die Show des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens gleich selbst  ausgesucht, und
nicht etwa eine unabhängige Jury aus Musikexperten.Und was kommt bei
der Auswahl einer Jury heraus, in der die Vertreter der drei größten
Musikkonzerne der Welt sitzen? Überraschung: Alle sieben vorausgewählten
Teilnehmer haben einen Plattenvertrag bei just einem der drei multinationalen
Konzerne: fünf beim Weltmarktführer Universal oder einem seiner Sublabels und
je einer bei Warner und Sony. Und auch die Siegerin des „Clubkonzerts“ (deren
Teilnehmer ebenfalls durch eine „Fachjury“ vorausgewählt worden waren), die „Deutschland“
in Wien vertreten wird, hat längst einen Vertrag beim weltgrößten Musikkonzern,
Universal Music.Läuft alles wie
geschmiert, wenn die Musikindustrie und das öffentlich-rechtliche Fernsehen
erfolgreich zusammenarbeiten. Mehr dazu können Sie in meinem im Juni
erscheinenden neuen Buch „I Have A Stream“ lesen...

20.05.2015

Van Dyke Parks über Plattenkonzerne

„Ich habe das Gefühl, daß die Pop- oder Rockmusik
noch nie so langweilig war wie heute. Da passiert nichts Neues, kaum jemand
fällt aus dem Rahmen. Die aktuellen Künstler beschränken sich darauf, angepaßt
und gleich zu klingen. Sie glauben, sie müßten einer bestimmten Formel folgen,
um erfolgreich zu sein – derselben wie alle anderen. Den Quatsch lassen sie
sich von der Musikindustrie eintrichtern, die nur noch stromlinienförmige Acts will,
die leicht zu verkaufen sind.“Van Dyke Parks im
Interview mit dem „Musikexpress“

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