Live Nation: Markteintritt in D
Nun ist es also soweit, und der weltgrößte Livemusik-Konzern, Live
Nation, eröffnet eine Deutschland-Dependance. Und geleitet wird sie von Marek
Lieberberg und seinem Sohn André Lieberberg, die das Unternehmen Marek
Lieberberg Konzertagentur, das zu 100% CTS gehört, zum Jahresende verlassen
werden.Ich will ja nicht angeben, aber genau das habe ich bereits vor Jahren
vorausgesagt, auch öffentlich: Daß sich der größte Konzertkonzern der Welt,
Live Nation, auf Dauer einen der wichtigsten Konzertmärkte der Welt nicht
entgehen lassen und über kurz oder lang in den deutschen Markt einsteigen wird.
Und außerdem habe ich seinerzeit vorausgesagt, daß es nur eine Lösung für den
Markteintritt gebe, die Sinn macht, nämlich die Kooperation mit Marek
Lieberberg, dem größten deutschen Konzertveranstalter.
Was bedeutet dies alles nun?
Vereinfacht
gesagt: Für die Branche weitere Konzentrationsprozesse. „Dieser Schritt bildet die Fortsetzung der globalen Expansion unseres
Unternehmens und bietet unseren Sponsoren Zugang zu den Fans in einem wichtigen
europäischen Markt, während gleichzeitig das Inventar von Ticketmaster um
mehrere Millionen Tickets wächst“, sagte Live Nation-CEO Michael Rapino.
Interessant ist, daß Rapino in diesem Zusammenhang von Marktzugang der
Sponsoren spricht und vom Ticketing – also den beiden Bereichen, in denen
heutzutage in der Live-Industrie das große Geld gemacht wird. Konzerte? Pah.
Und Marek Lieberberg äußert sich in die gleiche Richtung: „Der Zugang zur Plattform von Live Nation und dem Sponsorship-Team wird
unser Business auf die nächste Ebene heben.“ "Unser Business", nicht die deutsche Konzertlandschaft...Live Nation unterhält
Partnerschaften mit der Creme de la creme der Großkonzerne: Von Apple über
Coca-Cola bis UPS reicht die Riege. Klar ist: Im Bereich der Großkonzerte wird
Live Nation Concerts Germany ab 2016 den deutschen Markt komplett dominieren,
Tourneen der Künstler, die Live Nation exklusiv unter Vertrag hat oder mit
denen man weltweit seit jeher zusammenarbeitet, werden nicht mehr „auf dem
Markt“ sein, sondern von Live Nation selbst veranstaltet werden- also Madonna
oder U2 (deren Managementfirmen zum Live Nation-Konzern gehören) und wie sie
alle heißen. Diese Marktdominanz wird natürlich auch auf den mittleren
Konzertbereich (Hallenkonzerte ab 2.000 Zuschauer) ausstrahlen – an Live Nation
Germany wird kein Weg mehr vorbeiführen. Und daß Live Nation Germany zuschauen
wird, wie Marek Lieberbergs traditionsreiche Großfestivals, die mit Abstand erfolgreichsten
hierzulande, künftig von MLK bzw. CTS fortgeführt werden, darf bezweifelt werden. Egal,
wer die Markenrechte haben wird: Der, der die Künstler hat, wird die
Großfestivals dominieren. Also Live Nation. Das wird auch mittelfristig eine
Gefahr für alle anderen Festivals darstellen, ob die in den letzten Jahren klug
aufgebaute Festival-Szene von FKP Scorpio (auch an FKP Scorpio hält CTS Eventim
eine Beteiligung, man darf also davon ausgehen, daß in der Vergangenheit
zwischen den CTS-Firmen MLK und FKP Scorpio, den beiden deutschen Festival-Dominatoren, keine harte
Konkurrenz-Situation bestanden haben dürfte – diese Idylle wird nun der
Vergangenheit angehören...), oder ob es unabhängige Festivals sind, die auf die
Bestückung mit Headlinern angewiesen sind.
Keine Frage: Die
kulturelle Vielfalt in der Popmusik-Szene ist durch den Markteintritt des Live
Nation-Konzerns noch mehr in Gefahr als auch schon. Für unabhängige,
mittelständische Konzertagenturen und Tourneeveranstalter wird die Luft dünner
werden.
Und da kann CTS
Eventim-Boß Schulenberg noch so munter vor sich hinpfeifen, natürlich wird der
Markteintritt von Live Nation gerade für das Ticketing von CTS massive
Auswirkungen haben, der Gelddruckmaschine von CTS Eventim, wie unlängst die zum
Teil über 50%igen Gebührenaufschläge auf die AC/DC-Tickets gezeigt haben. „Unser Expansionsschwerpunkt liegt weiterhin
im Ticketing“, postuliert Schulenberg – nur, wenn Live Nations Rapino sich
über den „Zuwachs von mehreren Millionen
Tickets“ bei Ticketmaster freut, müssen diese „mehreren Millionen Tickets“
ja andernorts fehlen. Und das wird bei CTS Eventim sein.
Für uns alle
dagegen gibt es hier natürlich noch ganz andere Fragenstellungen, die sich
durch den Markteintritt von Live Nation in Deutschland verschärfen: Wollen wir,
daß unsere Kultur immer weiter von Profitinteressen dominiert wird? Oder wäre
es nicht an der Zeit, wieder moralische Kategorien in die Diskussion
einzuführen – etwa, daß nicht alles, was legal ist, auch legitim ist. Es ist
zwar derzeit legal, haarsträubende Zusatzgebühren auf die Ticketpreise
draufzuschlagen und entsprechende Profite zu machen (und nochmal: die
Tickethändler betreiben ein reines Provisionsgeschäft, von den Zusatzgebühren
sehen Konzert- und Tourneeveranstalter und Künstler, also diejenigen, die die
Arbeit machen, keinen Cent!) – des ist aber gleichzeitig ohne jeden Zweifel moralisch illegitim
und höchst verwerflich. Der amerikanische Philosoph Michael Sandel sagt im
Interview mit der „Berliner Zeitung“: „Wer
die guten Dinge des Lebens käuflich macht, fügt ihnen Schaden zu. Wenn Märkte
in diese Bereiche vordringen und ihren Abdruck hinterlassen, verändern sie die
gesellschaftlichen Normen und Güter.“Ich bin fest davon
überzeugt, daß auch die Kultur zu den existentiellen Gütern gehört, die unser
Leben erst ermöglichen, wie die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir
trinken, wie Nahrung, Energie und Wohnraum. Die Unterordnung dieser
Grundkonstanten unseres Daseins unter Marktgesetze fügt uns Schaden zu. Diese
Diskussion müssen wir verstärkt führen. Warum nicht anläßlich des
Markteintritts des weltgrößten Konzertkonzerns?