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Blog Archiv - Jahr %1
03.08.2018

Der Lack ist dünn...

Sommer 2018.
Im Leitorgan des deutschen Bürgertums wird darüber diskutiert, ob man die Rettung schiffbrüchiger Menschen im Mittelmeer „lassen soll“.
Bei „Pegida“ in Dresden grölen sie „absaufen“, die Hamburger Qualitätspresse orchestriert etwas distinguierter. Barbarei ist das eine wie das andere. Schämt euch!

03.08.2018

Wie gesund ist der Fisch?

„Die Zeit“ stellt am 27.7.2018 auf ihrer Titelseite eine spannende Frage:

Ich würde sagen: Der Fisch ist tot.

29.07.2018

Clubsterben, Gentrifizierung und "Eigentum verpflichtet"

Das britische (!) Parlament hat in Sachen Gentrifizierung ein interessantes Gesetz verabschiedet, an dem sich hiesige Bundes-, Landes- und Stadtregierungen ein Beispiel nehmen können und sollten: Durch das Gesetzpaket namens „National Planning Policy Framework“ werden Clubs künftig vor Sanierungsarbeiten in ihrer Nachbarschaft und mithin vor der Gentrifizierung geschützt. Das Gesetz sieht vor, „daß Haussanierer sich selbst um den Lärmschutz kümmern müssen, anstatt bereits bestehenden Clubs in der Nachbarschaft nachträglich Auflagen zum Schutz neuer Anwohner aufzudrücken“ („Musikwoche.de“).
„Eigentum verpflichtet“ also. Nicht die Clubs müssen Lärmschutzmaßnahmen finanzieren, wenn Investoren in ihrer Nachbarschaft Profite machen, sondern diejenigen, die in ihrer Nachbarschaft bauen oder umbauen. Bravo! Und so naheliegend eigentlich.
Aber hierzulande ist so ein Gesetz zugunsten der Clubs in weiter Ferne, lediglich einzelne Stadtverwaltungen wurden bislang initiativ, konnten aber zum Beispiel in Berlin das Clubsterben durch Gentrifizierung kaum aufhalten. In den vergangenen zehn Jahren haben in Großbritannien 35 Prozent der Clubs schließen müssen, hierzulande dürfte in den Großstädten die Zahl ähnlich hoch sein.
Die LiveKomm fordert seit langem ähnliche Maßnahmen. Wann wacht die Politik endlich auf?

29.07.2018

Özil, F.J. Wagner & die Blödzeitung

F.J. Wagner im Leid-, oh, Verzeihung, im Leitkommentar der Blödzeitung am 10.7.2018:
„Lieber Mesut Özil, (...) Haben Sie keine Angst, das alles zu sagen! Alles, was in Ihrem Herzen ist. Was ist so falsch daran, daß man zwei Herzen hat? Herzlichst Ihr F.J. Wagner“

F.J.Wagner im Leitkommentar der Blödzeitung am 23.7.2018:
„Lieber Mesut Özil, (...) Es muß furchtbar sein, wenn man mit seinem ganzen Herzen für eine Mannschaft spielt und sein zweites Herz für ein anderes Land schlägt. Alles Gute, Sie zerrissener Mesut Özil. Herzlichst Ihr F.J. Wagner“

29.07.2018

Wie werden wir 2050 Musik machen und hören?

Marcus Staiger, der 1997 das Indie-Label „Royal Bunker“ gegründet hat, Keimzelle der Berliner Rapszene, im Interview mit der „Berliner Zeitung“:

Wie werden wir also auch noch im Jahr 2050 wirklich Musik machen und hören?
2050 leben wir hoffentlich in einer anderen Gesellschaftsordnung, in der es Eigentum nicht mehr gibt und die kapitalistische Produktionsweise abgeschafft ist. Das hätte auch zur Folge, dass es Streamingdienste wie Deezer und Spotify nicht mehr gibt – zumindest nicht als gewinnorientiertes Unternehmen.

Und was wird aus der Musik?
Die wird nur noch deshalb gemacht, weil sich Menschen kulturell ausdrücken wollen und weil alle genug Zeit haben, sich um diese Dinge zu kümmern. Das geht, weil Arbeit so aufgeteilt ist, dass sie so schnell und effektiv wie möglich erledigt werden kann und alle, die wollen, an dem kulturellen Leben teilhaben können.“

23.07.2018

Objektwahl

Partnerwahl? Beziehungsweise „Objektwahl“, wie Theweleit das nennt?

Geht so: „Wer liebt, will auch erben“ (FAZ 21.7.2018). Nach einer Studie der Bundesbank spielt das zu erwartende Erbe in der Partnerwahl eine entscheidende Rolle – „eine größere Rolle als das wahrscheinliche Einkommen“ des Ehepartners.
Materielle Aspekte spielen für die Ehe eine sehr wichtige Rolle, die Volkswirte sprechen von „Homogamie“ – dieser Begriff „beschreibt den Umstand, daß Ehen meist innerhalb gleicher sozialer Schichten geschlossen werden. (...) Erbe als wichtiges Heiratsmotiv fördert ungleiche Vermögenskonzentration.“

Zeig mir dein Erbe, Baby, und ich sage dir, ob ich dich liebe...

23.07.2018

Thyssen-Krupp: Endspiel in Essen

„Endspiel in Essen“.
Im Leitkommentar der „FAZ“ am 20.Juli 2018 wird der Machtkampf um Thyssen-Krupp ausführlich beleuchtet. Weiterentwicklung des legendären und legendär berüchtigten Traditionskonzerns versus Finanzinvestoren, die den Konzern aufkaufen und zerschlagen wollen. Vorstandschef und Aufsichtsratschef sind bereits zurückgetreten, die Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung spielt eine undurchschaubare Rolle – alles riecht nach großem Drama, Shakespeare auf der Villa Hügel beziehungsweise auf dem Börsenparkett.
Fest steht: fast alle durchgespielten Varianten werden Tausende der aktuell noch 160.000 Arbeitsplätze kosten. Weiter hinten in der nämlichen Zeitung, im Finanzteil, wird Tacheles geredet: „Analysten setzen auf Zerschlagung von Thyssen-Krupp.“ Die Aktie hat in den letzten Tagen um 11 Prozent zugelegt.
So ist das in der Wirtschaft, it’s the economy, stupid!
Die Arbeitenden verlieren ihren Arbeitsplatz. Die Aktionäre reiben sich die Hände, sie machen Profit.

20.07.2018

Klaus Bungert, "History Repeats Itself" & in einer unglücklichen Nebenrolle Tim Renner

Wer etwas mehr über Tim Renner, den „Global Leader for Tomorrow 2003“, erfahren und die Sage vom großen Musik-Entdecker hinterfragen möchte, der lese den sagenhaft schönen und so spannenden wie interessanten Artikel von Matthias Dell über den sträflich unterschätzten Klaus Bungert, den großen Hörspielautor und Komponisten des Songs „History Repeats Itself“. Pflichtlektüre für alle, die Musik lieben und wissen, wie das mit dem Geschäft mit der Musik so funktioniert – aber auch eine tolle Abenteurerbiografie inklusive Atlantiküberquerung und Diebstahl des Segelboots durch Drogenkartelle. Und in einer Nebenrolle eben der fiasköse Berliner Ex-Kultursenator als Verhinderer guter Musik.

20.07.2018

Tour de France: Résistance und ARD-Geschichtsblindheit

Als die Tour de France am 17.Juli 2018 über das Plateau des Glières führt, erfahren die Leser*innen des Live-Tickers auf SPON, daß dort im März 1944 die deutschen Besatzer im zweiten Weltkrieg erstmals auf französischem Boden richtig unter Beschuß genommen wurden und als Antwort ein Massaker unter den Résistance-Kämpfern anrichteten:

„Die rèsistance hatte sich auf die schwer zugängliche Hochebene oberhalb des Flusses Borne verschanzt und wurde aus der Luft von der britischen Air Force mit Waffen versorgt. Die Widerstandsgruppe griff zunächst Truppen der Vichy-Regierung an und später auch deren deutsche Unterstützer.
Die Résistance-Kämpfer wurden von den Deutschen in den Bergen aufgerieben, es gab mindestens 129 Tote, deren hier nun gedacht werden soll.
Zwar siegten hier noch die Deutschem, doch im kollektiven Gedächtnis hat diese Schlacht eine große Bedeutung. 1973 wurde zur Erinnerung an die gefallenen Kämpfer ein Monument eingeweiht, es hat bis heute eine große Symbolkraft.
Am Rande der Schotterpiste stellen sehr viele Zuschauer Szenen aus dem Widerstandskampf des Jahres 1944 nach.“

Und beim Staatssender ARD, der sonst, wenn die Radsport-Übertragung mal nicht von Werbung für Bora und Hans Grohe und andere Radmannschafts-Sponsoren unterbrochen wird, jedes Schloß und jede Touristikattraktion am Wegrand ausführlich zeigt? Ein kleiner Halbsatz, daß es auf dem Plateau des Glières mal die Résistance gab, sonst nichts. Keine deutsche Wehrmacht, kein deutsches Massaker an französischen Widerstandskämpfern. Einfach: nichts. In Staatsfernsehen gegossene Geschichtsblindheit.

20.07.2018

ARD-Rechtsabteilung produziert Fake News

Dazu paßt, wie die ARD das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag umdichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Gerichtsurteil u.a. geschrieben:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat „die Aufgabe, authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden."

Die ARD-Rechtsredaktion macht laut „Telepolis“ daraus:

„Der Rundfunkbeitrag ist grundsätzlich rechtens. (…) Grundsätzlich sei alles in Ordnung, sagen die Verfassungsrichter. (…) Die Menschen hätten einen ganz konkreten Vorteil durch die Vielfalt der Anbieter, die, wie sie sagen, durch 'authentische, sorgfältig recherchierte Informationen' Orientierungshilfe böten.“

Man könnte der ARD-Rechtsredaktion jetzt mangelhafte Lesekompetenz attestieren, denn das Bundesverfassungsgericht hat ja nicht etwa gesagt, daß ARDZDF durch „authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orientierungshilfe“ bieten, sondern lediglich, daß dies ihre Aufgabe sei. Ob ARDZDF diese Aufgabe tatsächlich erfüllen, darüber schweigt sich das Bundesverfassungsgericht explizit aus.
Ich denke aber, diese ARD-Falschbehauptung (vulgo „Fake News“) ist pure Absicht. Man biegt sich eben die Wahrheit so zurecht, wie es einem paßt.

20.07.2018

Digitalisierung böse. Gratismentalität böse böse. Musikjournalismus gold, so gold.

Ach, wenn man doch nicht immer diese Worthülsen des Musikjournalismus jenseits aller Recherchen lesen müßte:
„Auch die Musikbranche veränderte sich grundlegend. Digitalisierung und Gratismentalität stürzten die Musikindustrie in eine Krise, unter der vor allem Künstler jenseits der Superstar-Liga leiden.“ (dieses Beispiel aus der taz, könnte aber auch jederzeit woanders stehen)
Digitalisierung: böse!
Gratismentalität: so sind die Leute, böse böse!
Musikindustrie: Krise. Traurig traurig!
Junge Künstler: leiden. Wegen Gratismentalität und Digitalisierung. So traurig.
Musikjournalismus? Müßte es eigentlich gold, so gold gehen, kann nämlich ständig über Digitalisierung, Gratismentalität etc. pp. schreiben, ohne sich die Mühen von Recherchen oder gar eigener Meinung machen zu müssen.

20.07.2018

WM-Aus: Deutsche hören "Hurt" und "Everybody Dies..."

Laut Mitteilung eines großen Streamingdienstes via „Tagesspiegel“ wurden nach Deutschlands WM-Aus gegen Südkorea viel mehr traurige Lieder gespielt als üblich: Titel wie „Hurt“ von Johnny Cash und „Everybody Dies in Their Neightmares“ des vor kurzem erschossenen Rappers xxxtentacion.
Hallo, Leute! Es war nur ein Fußballspiel! Bei dem eine schwache, langsame, uninspirierte, arrogante und schlecht gecoachte „Mannschaft“ gegen weniger schlechte Teams ausgeschieden ist. Das war nur ein Spiel und hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Leid zu tun, von dem in den genannten Songs die Rede ist. Kommt mal runter und mißbraucht „Hurt“ nicht für eure pubertäre Melancholie nach dem WM-Aus eures Teams.

10.07.2018

Fußball-WM, Tanzbrunnen Köln, Bob Dylan, Chris Cacavas...

Zum 30jährigen eine kleine Anekdote aus der Agenturgeschichte: Heute vor 24 Jahren, am 10.7.1994, spielten bei der Fußball-WM in den USA im Stadion der New York Giants Deutschland und Bulgarien im Viertelfinale gegeneinander. Zum gleichen Zeitpunkt trat im Tanzbrunnen Köln ein gewisser Bob Dylan mit seiner Band auf. Und Bob Dylan war so großzügig, ausnahmsweise einen Support Act für diese Show zu akzeptieren, und das war, nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes von Ernst Ludwig Hartz (der übrigens am kommenden Dienstag das Rufus Wainwright-Konzert in Essen und am 2.8. das Patti Smith-Konzert in Köln mit mir veranstaltet - uns verbindet eine Jahrzehnte währende, vertrauensvolle Zusammenarbeit), der damals von mir vertretene Chris Cacavas.
Die Stimmung war Klasse, Chris Cacavas war sehr aufgeregt, sein Agent nicht minder... Chris hatte seinen ersten Song gespielt und kündigte seinen nächsten Song an, nannte den Titel, und es erscholl plötzlich großer Jubel im Publikum. Chris wunderte sich, daß die Bob Dylan-Fans so vertraut waren mit seinem Song, freute sich darüber und spielte ein großartiges Set - nicht wissend, daß etliche im Publikum das Ohr am Kofferradio (die Jüngeren werden jetzt nachschlagen, was das ist...) hatten und während der Ansage jubelten, weil Lothar Matthäus just im gleichen Augenblick den Elfmeter zur 1:0-Führung verwandelt hatte...
Das Fußballspiel endete 2:1 für Bulgarien. Das Köln-Konzert endete mit einem großen Erfolg von Chris Cacavas.
Those were the days...
 

 

26.06.2018

Über die Politgenies SeSö, Rechtspopulismus & wie man damit auf die Nase fällt

Mal ein paar Sätze zu all den Politiker*innen, die meinen, auf Kosten von Geflüchteten und Migrant*innen Politik machen zu sollen:

Die beiden christsozialen Politgenies Se&Sö haben die Mehrheit selbst in Bayern verloren, eine deutliche Mehrheit lehnt dort die Politik von Söder und Seehofer ab, deren CSU gerade noch auf 40 Prozent kommt. Pikant: die stärkste Zustimmung für Söder gibt es bei AfD-Anhänger*innen. Weiß eigentlich jeder Banause: wer den Rechtspopulisten hinterherläuft, macht diese (und nur diese!) stark.
Wie schrieb schon Thomas Mann über Seehofer, Söder, Trump und Konsorten: „Denn ein Mann, der die Macht braucht, nur weil er sie hat, gegen Recht und Verstand, der ist zum Lachen.“ (aus Joseph & seine Brüder)

Doch die Westentaschen-Politgenies der EsPeDe, also zum Beispiel Andrea „Wir können nicht alle aufnehmen“ Nahles oder Karl „Abschiebung muß korrekt funktionieren“ Lauterbach, haben keinen Anlaß, sich darüber zu freuen, sie machen dank ihrer Rechtswende ähnliche Erfahrungen und werden von den Wähler*innen ebenfalls abgestraft: Die SPD steht bundesweit gerade einmal noch bei 17 Prozent, in Bayern bei 13 Prozent (was waren das noch für Zeiten, als der damalige SPD-Spitzenkandidat Maget, wie yours truly 1860er-Fan, mir nach einer verlorenen Landtagswahl melancholisch augenzwinkernd sagte: wenn schon verlieren, dann mit dem Ergebnis 18,60 Prozent...).

Welche Lehre könnten die Parteien daraus ziehen? Sich vielleicht mal an der Mehrheit der Bundesbürger*innen orientieren, die für eine offene Gesellschaft und für offene Grenzen eintreten? Macht keine Politik für rechte Minderheiten, sondern für die liberale und weltoffene Mehrheit! Erster Schritt: hört mit den widerlichen Begriffen vom „Asyltourismus“ und „Asylindustrie“ auf! Und das Geschwafel von uns Intellektuellen im „Elfenbeinturm“ oder von den weltoffenen Bürger*innen als „Gutmenschen“ können Sie und Ihre Claqueure auch gleich bleiben lassen.

Apropos Elfenbeinturm, noch ein Literaturzitat, diesmal aus einem meiner Lieblingsbücher:
„Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben; aber ein Meer von Scheiße schlägt an seine Mauern, genug, ihn zum Einsturz zu bringen. (Flaubert an Turgenev am 13.November 1872)
Also: im Zweifelsfall lieber im Elfenbeinturm leben, als Teil des Meers von Scheiße zu sein, würd ich sagen...

26.06.2018

REWE packt Mexikaner in den Backofen

REWE twittert am Tag des Spiels Deutschland gegen Mexiko:

„Mexikanern beim Aufwärmen zugucken? Geht auch im Backofen.“

Am Tag danach löscht REWE den Tweet, damit er nicht weiter „mißverstanden“ werden könne.
Was aber kann man daran mißverstehen?

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