The never ending story: Urheberrecht, EU-Urheberrechts"reform", Copyright-Cops
Ehrlich – das Getöse um die EU-Urheberrechtsreform ist je nach Sichtweise und Laune ein Trauerspiel oder eine Farce. Die von deutschen Großverlegern wie dem Axel Springer-Konzern oder der Holtzbrinck-Verlagsgruppe gesteuerte und von fast allen einschlägigen Medien unkritisch orchestrierte Lobbykampagne soll dazu führen, daß diese Woche ein neues Urheberrecht auf EU-Ebene verabschiedet wird, das die Freiheit des Internets massiv einschränken und zusätzlich die Einkünfte der Urheber*innen massiv verschlechtern würde.
Das Problem bei diesem Thema ist, daß es, wie so häufig bei Wirtschaftsthemen, eine trockene Materie ist. Und man benötigt einiges an Fach- und Detailwissen, um zu durchschauen, worum es wirklich geht. Und genau diese komplizierte Gemengelage machen sich die Eigentümer von Verwertungsrechten (denn es geht hier größtenteils um Verwertungs- und Verwerter-, nicht um Urheberrechte) zunutze – und diese Eigentümer sind eben in aller Regel nicht, wie uns gebetsmühlenartig von der Verwertungsindustrie eingebläut wird, die Urheber*innen, sondern beispielsweise Großverlage, Hedgefonds, Banken usw.
Ich habe mehrfach ausführlich zu diesem Thema publiziert und will an dieser Stelle nicht alle Argumente wiederholen – wer möchte, kann die Argumentation nachlesen:
Zuletzt „Copyright Cops“ (Konkret, August 2018)
„Cui Bono? Wem nützt das Urheberrecht?“ (inkl. Paradise Papers und welche Hedgefonds die „Urheberrechte“ an großen Songkatalogen halten; Jungle World November 2017)
„Bitte unterzeichnen Sie hier“ (über Gesetzentwurf von Heiko Maas/SPD, der sich zum Lakaien der Medienkonzerne macht; Jungle World April 2016)
Und natürlich mein Vorschlag zu einer wirklichen Reform des Urheberrechts zugunsten der Künstler*innen, u.a. in meinem Buch „Das Geschäft mit der Musik“, und in Kurzform in „Schneiden wir den Kuchen neu an!“ (Freitag Mai 2012)
Hier nur einige Anmerkungen zu Details, die mir in den Wochen vor der leider debakolös geendeten Abstimmung im EU-Parlament aufgefallen sind:
Da ist das Feuilleton der „FAZ“ zu nennen, das in Sachen Urheberrechtsreform auf eine geradezu blamable Art und Weise zu einem bloßen Verlautbarungsorgan der Lobby geworden ist und lauter Leute Besinnungsaufsätze über das Thema schreiben läßt, die entweder mit ihrem Geschäftsmodell von der „Reform“ profitieren würden, oder die einschlägigen Lobbyorganisationen angehören. Das ist wirklich peinlich und einseitig und eine Komplettverweigerung jeglichen Diskurses – was ja mal unter Schirrmacher die besondere Qualität des „FAZ“-Feuilletons war...
Dass Ulf Poschardt, der Chefredakteur der „Welt“, in derselben das Lied dessen grölt, wessen Brot er isst, wundert natürlich wenig – Springers Mathias Döpfner ist einer der vehementesten Verfechter des neuen Leistungsschutzrechts für Verlage. Und die Fakten kümmern solche Herren natürlich wenig. Das wird besonders hübsch (oder ekelhaft, je nachdem, wie man das formulieren möchte), wenn Poschardt Anlauf nimmt und fordert: „Geistiges Eigentum muß in Zeiten von Copy-and-paste besser geschützt werden.“ Poschardt meint (aber sagt es aus durchsichtigen Gründen nicht) das „geistige Eigentum“, das die Verlage den Autoren mit in der Regel schlecht honorierten Buy-Out-Verträgen zur Verwertung abkaufen. Und an dem Gewinn, die sie mit fremder Leute Arbeit machen, beteiligen sie die Autoren natürlich nicht.
Als es darum ging, um den rechtlich unzulässigen (vulgo: illegalen!) Verlegeranteil an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft VG Wort zu kämpfen, also den Autoren, den Urhebern, den ihnen zustehenden Anteil abzuknöpfen, war von „geistigem Eigentum“ natürlich keine Rede.
Genau dies will die Verwertungsindustrie nun übrigens schon wieder, nur diesmal auf EU-Ebene: Die Verwertungskonzerne wollen die Urheber*inne um einen guten Teil ihrer Gelder betrügen. Im in der Diskussion sträflich vernachlässigten Artikel 12 der EU-Urheberrechtsreform wird festgelegt, daß die Urheber*innen künftig ihre Ausschüttungen mit Verlegern oder Plattenfirmen teilen müssen – eine Praxis, die hierzulande höchstrichterlich als gesetzwidrig verworfen wurde, soll zum Nachteil der Urheber*innen durch die Brüsseler Hintertür Gesetz werden. Die Verlage und Plattenfirmen wollen sich also an den Einnahmen der Urheber zu deren Lasten bereichern.
Da ist es schon nicht mehr Chuzpe, sondern eine dreiste Unverschämtheit, wenn von den Lobbyorganisationen der Verwertungsindustrie immer wieder behauptet wird, daß das neue Recht den Urheber*innen zugute kommen würde – das Gegenteil ist der Fall!
Besonders drollig (oder frech) agitiert die GEMA, die ja ohnedies nicht gerade für Künstler- bzw. Urheber-Freundlichkeit, dafür aber für Verlags- und Plattenfirmen-Nähe berüchtigt ist. Um ihren Kampf zugunsten der Verwerter zu illustrieren, verwendet die GEMA die „Studie“ eines Marktforschungsinstituts (ein Widerspruch in sich...), wonach 87 Prozent der befragten 6.000 EU-Bürger für Regelungen sind, „die Urhebern eine faire Vergütung für die Verbreitung ihrer Werke im Onlinebereich zusichern können“. Das ist in der Tat eine erfreuliche Situation und, nebenbei bemerkt, kräftig eins in die Fresse der Verwertungsindustrie, die doch sonst ständig die angebliche „Gratismentalität“ der Menschen im Internet beklagt. Nein, 87% der Befragten sind dafür, daß Urheber fair bezahlt werden.
Allerdings – das ist ja, wenn es um das neue EU-Urheberrecht geht, gar nicht die Frage. Die Frage, die korrekterweise hätte gestellt werden müssen, ist: „Sind Sie dafür oder dagegen, daß die Europäische Union Vorschriften einführt, die Verlagen und Plattenfirmen eine Vergütung dafür zusichert, daß Werke von Künstlern und Urhebern auf Internetplattformen vertrieben werden?“ Oder, zweite Frage: „Sind Sie dafür oder dagegen, daß die EU Vorschriften einführt, wonach die Künstler und Urheber einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen aus der Verwertung auf Internetplattformen an die Konzerne der Verlags- und Musikindustrie abgeben müssen?“
Da wären die Antworten wirklich spannend gewesen...
Der kanadische Science-Fiction-Autor, Literaturpreisträger, Journalist und Blogger Cory Doctorow schildert in einem aktuellen Beitrag auf Boingboing unter dem Titel „Nicht in unserem Namen! Warum Europas Kreative gegen den EU-Vorschlag, Links zu begrenzen und das Internet zu zensieren, kämpfen müssen“ nochmal die Risiken des Leistungsschutzrechts (Übersetzung von „Perlentaucher“):
„Artikel 11 definiert nicht wirklich, was ein 'Link' oder eine 'Nachrichtenseite' ist (das ist ein ziemlich krasser Flüchtigkeitsfehler). Aber Artikel 11 ist eine EU-weite Version der lokalen Gesetze, die bereits in Spanien und Deutschland versucht wurden, und unter diesen Gesetzen wurden Links verboten, die die Überschrift im 'Anker-Text' (das ist der unterstrichene, blaue Text, der zu einem Hyperlink gehört) enthalten. In den vorliegenden Änderungsanträgen hat Axel Voss vorgeschlagen, dass die Verwendung von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wörtern aus einer Überschrift ohne eine Lizenz nicht zulässig wäre."
Und man könnte natürlich auch die Stellungnahme des EPIP, eines Verbands von Wissenschaftlern, die zum Thema „Intellectual Property“ arbeiten, zur Kenntnis nehmen – der schlägt schlicht die komplette Streichung des kompletten Paragraphen 11 des EU-Vorschlags vor.
Besonders der EU-Abgeordnete Axel Voss (CDU) tut sich setzt sich seit Jahren für härtere Regeln im Internet ein, wobei er selbst eher keine Ahnung vom Internet hat: Er zeigte sich in einem Interview überrascht davon, daß jeder bei Wikipedia Inhalte hochladen kann, und seine Facebook-Posts schmückt er gerne mit dpa-Fotos, für die er keine Rechte hat. In gewisser Weise ist CDU-Voss ein typischer deutscher Digitalisierungs-Politiker: vom Internet keine Ahnung, aber entschieden gegen die Rechte der Bürger*innen und immer auf der Seite der Verwertungsindustrie. Voss betreibt eine Art digitalen Handels-Protektionismus und hat dafür gesorgt, daß der ursprüngliche EU-Gesetzentwurf sogar noch weiter verschärft wurde. Er behauptet, Uploadfilter kämen in dem neuen Gesetz gar nicht vor. Stimmt, da ist verharmlosend von „Erkennungssoftware“ die Rede – beim Kampf gegen das Asylrecht geht es ja auch um die „Fiktion der Nichteinreise“ und nicht um Internierungslager, in denen Asylsuchende gefangen gehalten werden...
Doch CDU-Voss ist bei seinem Kampf nicht allein, unterstützt wird er beispielsweise von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die sich nicht zum ersten Mal uneingeschränkt auf die Seite der Kulturindustrie schlägt und der es mit dem verschärften Urheberrecht nicht schnell genug gehen kann. Aber auch die EU-Abgeordnete Helga Trüpel (Grüne) kämpft für die Freiheit des Axel Springer-Konzerns, zulasten der Journalist*innen und der Internet-Nutzer*innen möglichst große Profite machen zu können. In einem Beitrag für die „FAZ“ bezichtigte sie die Gegner des EU-Urheberrechts eines „falschen Freiheitsbegriffs“. Und im Interview mit der „taz“ behauptet die Grünen-Abgeordnete, „daß rund die Hälfte der Europäer die Nachrichten des Tages bei Google News liest, also dort durch die Textanrisse scrollt, aber nicht auf die Links klickt. Dann ist doch klar, daß Anzeigenkunden eher bei Google werben, als auf Verlagsseiten.“ Dumm nur, daß auf Google News gar keine Werbung geschaltet werden kann – klassische Fake News von Frau Trüpel also.
Sie sehen, die Verfechter des verschärften EU-Urheberrechts, die Armee der Copyright-Cops, kämpft mit allen Mitteln. Und diese Mitteln sind nicht selten unlauter – was letztlich kein Wunder ist, denn mit Fakten können sie natürlich nicht aufwarten. Sie haben halt das Geld, mit dem große Kampagnen zugunsten der Großkonzerne gefahren werden können – das Recht oder gar die Moral haben sie nicht auf ihrer Seite. Interessant wird morgen im EU-Parlament, welche Parteien sich auf die Seite der Großkonzerne der Verwertungs- und Bewußtseinsindustrie schlagen – bei der letzten Abstimmung im Juni 2018 waren es neben einigen versprengten Abgeordneten der Grünen und der SPD (deren Fraktionen sich mehrheitlich gegen die Reform stellen) zum Beispiel die komplette CDU/CSU-Fraktion, AfD und die Nachfolgeorganisation des rechtsradikalen Front National, die gegen ein freies Internet, gegen die Interessen der Urheber*innen und für die Interessen der Verwertungsindustrie gestimmt haben. Was ja schon Bände spricht...