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Blog Archiv - Jahr %1
07.06.2019

Wie eine reiche Tochter mal Galeristin wurde...

Der „Tagesspiegel“ hat in einer Titelgeschichte seines Magazins „Berliner“ die Kunst-Sammlerin Julia Stoschek porträtiert. Eine Mischung aus Home- und PR-Story – „Zwei große Ausstellungshäuser voller Videokunst. Amerikanischer Glamour. Große Inszenierungen. Und sehr viel Geld. Wer ist die Kunstsammlerin Julia Stoschek?“

Aber auch für unsere Zwecke bringt die Story Erkenntnisgewinn.
„Julia Stoschek wurde hineingeboren in eine Industriellenfamilie. Brose Fahrzeugteile. 6,3 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018. Sie ist Gesellschafterin.“ Einer Firma, die von Stoscheks Urgroßvater Max Brose gegründet wurde, der seit 1933 NSDAP-Mitglied war und eine Stütze des NS-Systems, Wehrwirtschaftsführer, „Eigentümer einer der ersten Hitler-Büsten überhaupt“, und natürlich beschäftigte die Firma „kriegsgefangene Zwangsarbeiter“, Basis des heutigen Profits.
Aber ihre Sammelleidenschaft hat natürlich nichts mit ihrem Geld zu tun: „Es reicht nicht, ‚die finanziellen Mittel’ zu haben. Man muß auch das Vertrauen der Künstler, der Galerien gewinnen. Professionell sein. Sich etablieren. Und man muß einen Namen haben.“

Und dann die rührende Geschichte der mit Kunst in Berührung kommenden Unternehmertochter: „Sie lernt den Fotografen Andreas Gursky kennen. Sie werden ein Paar. Sie zieht in seine Heimat Düsseldorf, sie eröffnet eine Galerie und verkauft: nichts. Also beginnt sie zu besitzen. Mehr, immer mehr, von dem, was sie fasziniert.“
So ist das, wir kennen das alle, eine typische Alltagsgeschichte, man eröffnet eine Galerie, verkauft nichts, also „beginnt man zu besitzen“, wie es eben so ist, und das hat natürlich nichts damit zu tun, daß Frau Stoschek über „die finanziellen Mittel“ verfügt, überhaupt nicht. Jede*r kann eine Galerie eröffnen, nichts verkaufen und stattdessen eben die Kunst besitzen, die man eigentlich zum Verkauf anbietet. Denn die Kunst ist bekanntlich umsonst, Galerieräume kosten keine Miete, und Galeristen können von Luft und Liebe leben...

So ist das mit der gefeierten Galeristin, die „mit dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, ein Kind hat“ und „in verschiedenen Welten wandelt. Die Familie, in der sie aufgewachsen ist, ist ihr Fundament und Wand. Die Kunst ist ihr Fenster. Ihren Reichtum nutzt sie, um den Blick durch dieses Fenster mit anderen zu teilen.“

Ich glaube, man nennt dieses Geschäftsmodell neuerdings Sharing Economy – oder habe ich da wieder mal was mißverstanden?

07.06.2019

Ist Rapmusik wirklich Musik?

Liebe FAZ, sag mal:
Ich finde das ja wirklich toll, daß du neuerdings so umfangreiche Berichte zur Rap-Musik bringst, Interviews mit Rapper*innen und mit Leuten wie Jan Wehn und Davide Bortot, die ein Buch über die deutsche Rap-Geschichte verfasst haben.

Ich frage mich nur, warum du all diese Rap-Geschichten in „Deutschland und die Welt“ bringst, also auf der Seite mit bunten Geschichten aus aller Welt, die ich für gewöhnlich einfach überblättere.
Meinst du nicht auch, daß es bei diesen Geschichten um Musik geht und sie deshalb in dein Feuilleton gehören würden?
Oder bist du der Meinung, daß Rap-Musik doch keine „richtige“ Musik ist und deswegen nicht in dein Feuilleton gehört, sondern zwischen die Geburtsmeldungen und Scheidungsgeschichten der Königshäuser und B-Prominenten?

Ich frag ja nur.

07.06.2019

30 Jahre Mauerfall - mit Dieter Bohlen, DJ Ötzi, Jürgen Drews und Roberto Blanco

30 Jahre Mauerfall, und das haben wir nun davon:

„Großes Jubiläums-Konzert mit Inka Bause und Jürgen Drews“ titelt die „Berliner Zeitung“ und kennt weitere Namen, die bei einem Konzert in Berlin am 3.Oktober 2019 in der Nähe der East Side Gallery auftreten werden: „Dieter Bohlen, DJ Ötzi, Boney M. und Roberto Blanco.“

Ach, wäre uns das doch erspart geblieben!

07.06.2019

Jede Niederlage ein Sieg! Wie die Deutsche Grammophon mit Pippi Langstrumpf rechnet

Der „Klassik“-Tonträgermarkt liegt am Boden – aber die Plattenfirmen posaunen Erfolgsmeldungen. Zwar weist der Bundesverband Musikindustrie für das Klassik-Repertoiresegment für 2018 nur noch einen Umsatzanteil von gerade mal 2,5 Prozent aus. Das sind noch einmal 0,6 Prozentpunkte weniger als noch 2017; in den vergangenen fünf Jahren hat sich der Marktanteil der Klassik mehr als halbiert.
Doch in diesem zumindest anspruchsvollen Marktumfeld hat die Deutsche Grammophon ihre Position offenbar festigen können: Der Marktanteil der Deutschen Grammophon sei im vergangenen Jahr, in dem das renommierte Klassik-Label seinen 120. Geburtstag feierte, weiter gewachsen, teilen die Klassikspezialisten aus dem Hause Universal Music mit.
„Nach den Jahrescharts 2018 lag er bei 29,3 Prozent und damit um 3,2 Prozentpunkte über dem Vorjahr", heißt es laut „Musikwoche“ aus Berlin mit Verweis auf Zahlen von GfK Entertainment. „Der Abstand zum nächstgrößeren Mitbewerber konnte auf elf Prozentpunkte ausgebaut werden."

Dummerweise sind 26,1% von 3,1% aber 0,8091%, während 29,3% von 2,5% nur 0,7325% sind – der Anteil der Deutsche Grammophon am gesamten deutschen Tonträger-Umsatz ist also binnen Jahresfrist um fast zehn Prozent gesunken. Aber es kann natürlich nicht sein, was nicht sein darf, also verbreitet man unverdrossen Erfolgsmeldungen:

Jede Niederlage ein Sieg!

Und Max Richter soll, wie von Insidern zu hören ist, für die Deutsche Grammophon bereits an einer Re-Composed-Version des Pippi-Langstrumpf-Lieds arbeiten: „2 mal 3 macht 4 – widdewiddewitt – und 3 macht Neune! Ich mach mir die Welt – widdewidde – wie sie mir gefällt“...

07.06.2019

Klasse Satz: Pamela Anderson sagt...

„Der einzige Weg in die Freiheit führt über den gemeinsamen Kampf der Unprivilegierten.“
(Pamela Anderson)

07.06.2019

Ätherisch-barockes Klanggemälde

Seit über zwei Wochen frage ich mich nun, was ein „ätherisch-barockes Klanggemälde“ sein soll, mit dem der Popredakteur der „taz“ das neue Album „Blood“ von Kelsey Lu unter der sehr einfühlsamen Überschrift „Ruderschnecke im Ozean“ besprochen hat.
„Ätherisch“ verstehe ich, „barock“ auch, aber was das eine mit dem anderen zu tun haben soll, und dann noch mit Kelsey Lu, bleibt ein Rätsel. Wer kann lösen?

07.06.2019

Twitter, Facebook, Heiko Maas & andere Zensurmaschinen

Twitter und Facebook sind auch Zensurmaschinen, das ist nichts Neues. Twitter-Chef Jack Dorsey erklärte letzten Herbst bei einer Anhörung des US-Kongresses, Twitter lasse sich in seinen Entscheidungen „nicht von politischen Ideologien" leiten, sondern teile die Sorgen der Politiker angesichts „bösartiger ausländischer Anstrengungen, die Menschen in den USA und überall in der Welt zu manipulieren und zu entzweien". Weswegen es dem russischen Sender RT nun verboten sei, auf Twitter bezahlte Werbung zu schalten.

So ist das alles.

In den letzten Wochen wurden etliche Fälle bekannt, daß Twitter, das mehrheitlich im Besitz einiger der größten Hedgefonds wie der Vanguard Group, Mogan Stanley und Blackrock ist (die auch in meinem neuen Buch „Vom Imperiengeschäft“ eine nennenswerte Rolle spielen), die Nutzerkonten von kritischen Journalist*innen und Blogger*innen gesperrt hat. Die Reihe reicht vom renommierten Rechtsanwalt Thomas Stadler, der auch einen Blog „Internet-Law“ betreibt und sich auf Twitter ironisch zur AfD geäußert hat, bis hin zur Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), die sich in einem Tweet zu Mohammed geäußert hatte.

Verstärkt werden derartige Zensurmaßnahmen der sogenannten sozialen Netzwerke durch den Druck aus der Politik, wonach Twitter, Facebook & Co. durch „gezielte Desinformation“ Wahlen manipulieren könnten. Das war ja auch ein Grund für die Verschärfung des EU-Urheberrechts.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kommentierte nun voll schwülstiger Betroffenheit:
„Dass der Twitter-Account von Sawsan Chebli gesperrt ist, ist mit nichts zu rechtfertigen. Angesichts der vielen geduldeten rassistischen Hass-Tweets irritiert die Entscheidung umso mehr.“
Meint Heiko Maas (SPD), der Befürworter des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes...

07.06.2019

Die zehn größten europäischen Luftverschmutzer

Die zehn größten europäischen Luftverschmutzer (laut Sandbag.org):

Sieben der zehn größten europäischen Luftverschmutzer sind deutsche Kohlekraftwerke (die Statistik hat sich 2018 nur in einem Punkt geändert: auf Platz 10 befindet sich jetzt Ryan Air).
Es bringt ganz sicher nichts, wenn Deutschland einseitig aus der Kohle aussteigt, solange all die anderen noch... klar.

07.06.2019

Armutsbekämpfung hie & da...

Übrigens: Die EU hat einen 10-Jahresplan zur Armutsbekämpfung. In den letzten zehn Jahren verblieb die Armutsquote in der EU laut Eurostat bei 16,9%.

China hat 5-Jahrespläne zur Armutsbekämpfung. In den letzten fünf Jahren sank die Armutsquote in China von 10,2 auf 3,1 Prozent.

Wollte ich nur mal so gesagt haben.

07.06.2019

Chinesen und deutsche Würstchen

Allerdings: Wozu das führt, wenn die Chines*innen plötzlich nicht mehr arm sind, erklärt uns die Blödzeitung, nämlich: China frißt uns die Grillwürstchen weg!

Und ich weiß sogar noch mehr als die Blödzeitung: 2017 nämlich erlebte ich in Guiyang, wie der amerikanische (!) Fastfoodkonzern McDonalds den Chinesen deutsche Würstchen ans Herz legt, als Beilage zu Whopper und Buns:

Da wundert es einen doch nicht, daß die deutschen Würstchen alle in China landen.
Also schnell raus und den Grill anwerfen, solange „wir“ noch genug Würstchen haben!

01.05.2019

Zombie-Musik: Live Nation präsentert Roy Orbison & Buddy Holly!

Zombie-Musik Teil 2:
Live Nation ist wirklich ein toller Konzern – jetzt lassen sie Musiker, die nach meiner Erinnerung und laut Wikipedia angeblich längst verstorben sind, auferstehen und bringen sie sogar auf Tour:
Ein Konzert von „Roy Orbison & Buddy Holly“ wird mir im Rahmen der „Live Nation Concert Week“ mit „50% Rabatt auf Spitzenevents“ angeboten.

Aber ach, es war nur ein kurzer Traum: Klicke ich auf das „Event“, erfahre ich: „Die Musiklegenden kommen als Hologramme nach Essen!“ Als Hologramm!

Na, da werde ich dann doch nicht hinfahren. Live Nation kann höchstens damit rechnen, daß ich als Hologramm nach Essen komme, und die Währung beim Bezahlen des Tickets wird ebenfalls nur ein Hologramm sein. Ätsch! Alles Fake...

01.05.2019

Dürresommer und die unbändige Lust der deutschen Medien an klickbarem Horror

Wenn man Medien wie Bild, FAZ und “Tagesschau” diese Woche verfolgt hat, steht uns ein weiterer Dürre-Sommer wie im vergangenen Jahr bevor … müssen wir jetzt alle Angst haben?
Nein, alle diese Meldungen sind frei erfunden.

Die genannten Medien berufen sich auf den Deutschen Wetterdienst – ist der denn nicht seriös?
Das ist eine Lüge. Der Deutsche Wetterdienst hat nie behauptet, dass es einen Dürresommer gäbe. Er schrieb nur, dass es einen geben könnte, wenn es nicht regnet, was nicht weiter überrascht. Daraus hat dpa dann einfach mal zugedichtet, dass der DWD vor einem Dürresommer warne. Das wurde dann kurz darauf korrigiert, aber die unbändige Lust der deutschen Medien an klickbarem Horror lässt sich durch eine solche Korrektur nicht mehr aufhalten.

(...)

Mir fallen nur Sachen ein, die ich nicht denken möchte. Es ist eine neue Dimension, dass fast alle Medien gleichzeitig über lange Zeit eine Lüge verbreiten, die durch diese kollektive Verbreitung bei den Medienkonsumenten nicht mehr als Lüge wahrnehmbar wird. Wenn Bild, FAZ und Fernsehen dieselbe frei erfundene Räubergeschichte verbreiten, wird es schwer, diese zu erkennen. Es ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Lügenpresse schreien.

(...)

Für mich persönlich ist der Mittwoch dieser Woche ein Dammbruch. Eine frei erfundene Meldung, recht eigentlich eine Lüge, ist trotz dpa-Korrektur, trotz Hinweise unzähliger Menschen wider besseres Wissen über mehr als 24 Stunden aufrechterhalten und weiterverbreitet worden. Es hat auch heute nicht aufgehört. Ich bin bemüht, nicht verschwörungstheoretisch zu werden, aber es fällt schwerer als auch schon.

(Jörg Kachelmann im Interview bei MEEDIA, 26.4.2019)

15.04.2019

Rammstein-Merch für Küche Haushalt und Heim

Hallo Rammstein!
Ich war neulich auf eurer Merchandise-Seite, und ehrlich gesagt, ich bin ein wenig enttäuscht. Da verkauft ihr Bettwäsche „Keine Lust“ (60 Euro), Geschirrtücher „Messer & Gabel“ (7 Euro), ein Quizspiel, Plätzchenausstecher, einen Brotkorb, eine Garderobenleiste (45 Euro), einen Zollstock (10 Euro), einen Flaschenöffner (14 Euro), eine Strickdecke (100 Euro), Seife, Fußmatten, Geschenkpapier, Toaster (80 Euro), Frühstücksbrett und Teppiche für 110 beziehungsweise 250 Euro.
Also lauter Utensilien für den Haushalt, für Heim, Handwerker und die Küche. Sollte eure pseudoprovokante Tour doch nur ein kleines Bäuerchen des heimlichen Spießers darstellen? Der, wenn er zuhause in seiner bürgerlichen Wohnung rumsitzt und sich langweilt, eben „Heirate mich“ laut aufdreht, während er Plätzchen bäckt?
Da hatte ich doch etwas mehr erwartet. Andrerseits, wenn der Rammstein-Fan die Spießerhölle des Rammstein-Merch nicht mehr sehen will, kann er immerhin zu einer „Rammstein Schlafmaske“ für 15 Euro greifen...

15.04.2019

Joss Stone will die totale Tour

Joss Stone ist auf einer „Total World Tour“ – ihr Ziel: „Wollt ihr die totale Tour?“
Und so hat die britische Musikerin jetzt nach Konzerten im Irak oder in Syrien auch in Nordkorea gespielt, in einer Bar in Pjöngjang. Nordkorea ist gerade mächtig in unter Popleuten, auch Laibach waren bekanntlich schon da. Auf dem Foto von dem „Konzert“ sieht man allerdings ausschließlich ein paar Handvoll Westler etwas gelangweilt an zwei Tischen herumsitzen und dahinter eine weitere Handvoll Westler rumstehen. Stone hat laut „IQ Magazine“ vor „Touristen und Reiseführern“ gespielt und nach dem „Konzert“ noch den britischen Botschafter getroffen. Wahrscheinlich war das „Konzert“ (eine Band war nirgends zu sehen) ein Fake, wie die ganze Tour, und Joss Stone wird einfach von einer britischen Botschaft zur nächsten herumgereicht.
Laut IQ Magazine ist die „Total“ Tour der Künstlerin ein „musikalisches und soziales Projekt, dessen Ziel es ist, Menschen zusammenzubringen.“ Ah ja. Und dafür muß sie nach Pjöngjang reisen? Paar Briten hätte sie doch auch bequem in ihrem Heimatland „zusammenbringen“ können...

15.04.2019

Max Goldt und der Rundfunk der DDR

„Ich bin Gott sei Dank nicht nur mit Pop, sondern mit allem möglichen sozialisiert worden. Angenehmerweise hatte ich mit 20 ein Radio, mit dem ich den Rundfunk der DDR empfangen konnte. Da gab es Pierrot Lunaire von Schönberg und Le Marteau sans maître von Boulez. Und dann gab es in Westberlin damals diese krachige Szene um Frieder Butzmann und Blixa Bargeld, das war anregend, für eine Weile. Afrikanische Musik gab's auf Schallplatten, und und und.“
(Max Goldt im Interview mit „Der Standard“)

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