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Berthold Seliger - Blog abonnieren
Blog Archiv - Jahr 2014
04.01.2014

Spotify und Plattenfirmen

Während in den hiesigen Medien bevorzugt die Jammereien alternder
Popstars abgedruckt werden, die barmen, daß sie von Spotify zu wenig Geld
bekommen würden (was lediglich meint: niemand kauft mehr unsere CDs!...),
finden andernorts interessante Begebenheiten statt: In Spotifys Heimatstaat Schweden
beispielsweise sind Musiker auch wenig begeistert von den geringen
Streaming-Erträgen, sie ziehen aber die richtigen Konsequenzen und verklagen
ihre Labels (die ja das Geld von Spotify bekommen): Eine Gruppe schwedischer
Musiker, vertreten durch die Musikergewerkschaft, drohen Universal Music und
Warner Music mit Klagen, wie im „Musikmarkt“ zu lesen war. Die Musiker fordern
faire Anteile von den Streaming-Einnahmen.

Wie nur die wenigsten wissen, wenden die meisten Plattenfirmen auf die
Einnahmen von Streamingdiensten das gleiche Prinzip an wie beim Verkauf von
physischen Tonträgern. Das bedeutet letztlich, daß die Künstler lediglich
zwischen 6 und 10 Prozent der Einnahmen erhalten, der Rest bleibt bei den
Plattenfirmen – generalstabsmäßig organisierter Diebstahl an den Künstlern
sozusagen. Laut „The Guardian“ kommen von jeweils 4.500 Pfund, die eine
Plattenfirma für eine Million Streams erhält, gerade einmal 500 Pfund bei den
Künstlern an.

Weltweit fordern Künstler, daß die Einnahmen aus den Streamings nach dem
Prinzip der Lizenzierung abgerechnet werden, was den Künstlern in aller Regel
einen 50prozentigen Einnahmeanteil verschafft (und den Plattenfirmen noch genug
Profit belassen würde). US-Gerichte folgen dieser Logik, Eminem z.B. erhielt
bei seiner entsprechenden Klage gegen Universal Music Recht. Auch die
Temptations, Chuck D von Public Enemy oder die Sugarhill Gang erhielt von
Universal Music Geld zurück, das sie eingeklagt hatten, und Sony Music mußte in
den USA massive Nachzahlungen an Künstler wie die Allman Brothers oder Cheap
Trick bestreiten. Dieser Tage zahlte laut „Musikmarkt“ auch Warner Music
insgesamt 11,5 Millionen US-$ in einen Topf, aus dem die Warner-Künstler
entschädigt werden sollen, die bisher von dem Label um ihre Einnahmen geprellt
wurden. Warner Music geht es darum, die Künstler zu besänftigen, die gegen das
Label geklagt haben. Ob der Plan aufgeht, mit den Almosen die Künstler-Klagen abzuwenden,
ist noch offen.

Eines zeigen all
diese Beispiele sehr anschaulich: Wer glaubt, daß Milliardär Leonard Blavatnik,
dem mittlerweile Warner Music gehört, oder der größte Musikkonzern der Welt,
Universal Music, Philanthropen sind, die aus purer Nächstenliebe und aus
kulturellem Interesse Künstler fördern, ist ein Dummkopf. Erinnern wir uns, was
der legendäre britische DJ John Peel sagte: „Die großen Plattenfirmen haben
nie so getan, als seien sie zu etwas anderem da, als möglichst viel Geld zu
verdienen, von dem sie den Musikern möglichst wenig abgeben. Sie sind
Investitionsapparate.“

04.01.2014

Madsen und Esso-Häuser

Als ich am 17.12.2013 in Hamburg war zur Lesung im Golden Pudel Club,
war dies die Titelseite der Hamburger Morgenpost:

Madsen Esso Haus

Laut „Hamburger Morgenpost“ könnte der „extreme Lärm“ der „Rockband
Madsen“ schuld daran sein, daß die Esso-Häuser bebten und daraufhin
evakuiert werden mußten. Madsen? Lärm?!? Die brave Bubi-Band soll plötzlich auf
den Pfaden von SunO))) wandeln?

Ach geh.

Aber wenn es denn nun so wäre? Wenn Madsen tatsächlich Häuser beben lassen
und zum Einsturz bringen können?!? Dann hätte ich, um eine Hacks-Anekdote zu
zitieren, mit der Band einiges Dringende zu besprechen. Dann würde ich Madsen
nämlich gerne im Sommer 2014 zu ein paar kleinen Open Air-Auftritten nach
Berlin einladen. Etwa ein Benefiz-Open Air auf dem Potsdamer Platz mit dem Ziel
der Neugestaltung desselben. Und anderntags ein kleines Open Air vor dem Alexa
vielleicht? Und ein Stadtschloß Open Air auf der Baustelle? Wir werden sehen. 

04.01.2014

Beyoncé

„Perfection
is the disease of the nation". (Beyoncé)

Und:
„Feminist - the person who believes in the social, political, and economic
equality of the sexes". (Chimamanda Ngozi Adichie, in „Flawless“,
ebenfalls von Beyoncés neuem Album)

04.01.2014

Eva Menasse über Überwachungsstaat

"Eine
vollkommen überwachte, abgehörte, ausgespähte Gesellschaft, bei der jede
Lebensäußerung daraufhin abgecheckt wird, was algorithmisch daraus folgt, ist keine
freie Gesellschaft mehr. Das ist das Ende der demokratischen Gesellschaft.
Es ist auch das Ende der Meinungsfreiheit, wenn die Maschinen unsere Gedanken
lesen können. Bürgerrechte, wie zum Beispiel die Unschuldsvermutung oder
das Briefgeheimnis, existieren heute nicht mehr. Sie sind durch den Wilden
Westen des Datenmissbrauchs außer Kraft gesetzt."

(Eva Menasse in der taz)

04.01.2014

Jahrestagsjournalismus

Nun sind die bürgerlichen Medien, die bevorzugt den
Jahrestagsjournalismus pflegen, voll von Artikeln und Feuilletons zum Ersten
Weltkrieg. Titelstories und neue Bücher, die so tun, als ob sie alles erklären
würden oder könnten.

Die Realität jedoch sieht unter anderem so aus, daß die kurzen Texte,
Aphorismen, Essays und Reden eines der klügsten Analytiker seiner Zeit, nämlich
Robert Musils, hierzulande einzig in einer gebundenen Ausgabe (von 1978!) als
Teil der Gesammelten Werke vorliegen, für sage und schreibe EUR 64.-

Darin könnte man lesen, warum es so schwierig ist, sich einen Begriff
vom Ersten Weltkrieg und von der Zeit davor und danach zu machen, und warum
Europa heute so hilflos ist wie seinerzeit auch schon: „So sieht also Weltgeschichte aus der Nähe aus; man sieht nichts.“
(in: „Das hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste“)

Zu lehrreich, als daß man es den Lesewilligen hierzulande so einfach zugänglich
machen wöllte...

04.01.2014

Wilfried Hermann macht Weltpolitik

Wie wenn nicht Welt-, so doch grüne Bundespolitik gemacht wird, die sich
natürlich mindestens für superwichtig und weltbewegend hält, erschließt sich
aus einem kleinen Abschnitt in der „FAS“ vom 29.12.2013. Der Artikel heißt „Der
Friedensengel“ und geht über Ströbele und sein „Meisterstück“, wie von acht
Grünen, die im Jahr 2001 gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr stimmen wollten,
vier umfielen und so Schröders und Fischers „Macht“ erhielten. Darin über
Winfried Hermann, seinerzeit Bundestagsabgeordneter und heute Minister der
Landesregierung Baden-Württemberg: „Hermann
verwandte viel Zeit darauf, das (sein „Nein“, BS) der Öffentlichkeit mitzuteilen. Das genoß er. Er beschäftigte damals
eine Praktikantin. Die verfaßte ein kleines Tagebuch über jene aufregende
Novemberwoche, das in Form eines Briefes an Hermanns noch kleines Kind angelegt
ist. Überschrift: ‚Die Tage, als Dein Papa Geschichte schrieb’. Es geht darin
vor allem darum, wie die Fernsehauftritte des Abgeordneten koordiniert wurden.
Am Dienstagabend waren es gleich drei Live-Interviews. In einer ‚schwarzen
Limousine’ auf dem Weg zum Fernsehstudio mußte die Praktikantin den Abgeordneten
mit Essen und Trinken ‚aufpäppeln’. In der Maske eines Senders, wo die Gäste
vor dem Auftritt geschminkt werden, seien Hermann ‚sogar die Wimpern gebürstet’
worden, erinnert sich die Verfasserin. ‚Er ist tief beeindruckt.’ Besonders
begeistert schien der Mann vom linken Flügel der Grünen zu sein, als er im
‚heute journal’ des ZDF befragt wurde. Seine Kurzzeit-Biographin schreibt,
Hermann scheine ‚sehr stolz’ zu sein. Und sie zitiert ihn mit dem Satz: ‚Wow,
ich hab’s geschafft, wie war ich?’“

Wenn Sie wissen wollen, wie Politik gemacht wird, dann lesen Sie das
Kleingedruckte. Es geht letztlich immer um eitle Kleindarsteller, die
Gelegenheiten suchen, sich irgendwie groß oder geil finden zu können. Und die
ihren kleinen Kindern Legendenbücher darüber anlegen, wie toll ihr Papa doch
mal war. Mehr ist da nicht. Nirgends.

04.01.2014

Richard Prince über chinesische Kunst

„Wer will schon
wissen, was ich mag. Ich jedenfalls nicht.

Ich habe aber eine
Hassliste.

Und darauf steht
zurzeit...

Chinesische Kunst.
Zeitgenössische chinesische Kunst. Die gesamte zeitgenössische chinesische
Kunst. Was um alles in der Welt wollen diese Künstler? Kunst für Kunstmessen in
Miami? (Sie könnten auch einfach Ausverkaufsschilder bemalen.) Zum Beispiel der
Typ, der diese lächelnden Leute malt – die chinesische Regierung sollte ihn
verdammt noch mal wegsperren.“Richard Prince (Übersetzung Markus Schneider), zitiert lt. „Monopol“

04.01.2014

Portoerhöhung

Jetzt hat die Post wieder einmal das Porto erhöht, und sie verlangt von
uns, lächerliche Briefmarken mit Kleinstwerten zu kaufen und auf die Briefe zu
kleben, um die alten bereits gekauften Briefmarken weiter verwenden zu können.

Man versteht einfach nicht, warum die Post hierzulande immer noch so
unflexibel und kundenfeindlich agiert. In anderen Ländern, zum Beispiel den
USA, dürfen alte Briefmarken einfach aufgebraucht werden – ist ja auch logisch:
es entstehen der Post ja keineswegs Verluste, wenn ihre Kunden schon vor ein
paar Monaten Briefmarken gekauft haben, die sie jetzt weiter auf ihre Post
kleben, ganz im Gegenteil: das Geld hat die Post ja in diesen Fällen lange vor
der Beförderung kassiert und kann sich entsprechende Zinsgewinne und
Eigenkapitalsvorteile verbuchen. Aber nein, hierzulande wird von der Post nach
ihrer Privatisierung jede, aber auch jede Möglichkeit genutzt, den BürgerInnen
ins Portemonnaie zu greifen – und übrigens auch von Beförderungsunternehmen wie
der BVG.

04.01.2014

Grüne GEMA

Und die „Grünen“?

Deren baden-württembergische Variante zeichnete sich Ende letzten Jahres
als besonders kunstfeindlich und besonders Gema-freundlich aus. Zwei
Grünen-Ministerinnen verhinderten den Einsatz der Musik eines prominenten
GEMA-Kritikers bei der Verleihung des Schiller-Preises an Reinald Goetz.

Und das kam so: Für den Festakt zur Verleihung des Schiller-Preises an
Rainald Goetz im November 2013 war als musikalischer Beitrag das Stück „Charts
Music“ des Komponisten und GEMA-Kritikers Johannes Kreidler vorgesehen. Dieses
Musikstück ist laut „Telepolis“, dem ich den gesamten skandalösen Vorgang
entnommen habe, „aus Aktienkursen und
anderen Wirtschaftskurven entstanden, mit denen der Komponist die
Microsoft-Komponiersoftware Songsmith fütterte“. Daraus entstand laut
Kreidler ein „vorfinanzierter Hörsturz“,
ein profundes Stück Avantgardemusik.

Die Organisatoren
der Feier allerdings teilten dem Komponisten mit, daß das „von der Grünen-Politikerin Theresia Bauer geleitete
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und das von ihrer
Parteifreundin Silke Krebs geführte
baden-württembergische Staatsministerium auf eine Änderung des Rahmenprogramms
drängten, weil es ‚zu progressiv’ sei.“

Auf Anfrage hieß
es aus dem Kunst-Ministerium dann, „es sei
Aufgabe des Ministeriums, ‚durch eine geeignete Organisation und ein passendes
Rahmenprogramm’ für eine ‚angemessene und gelungene’
Schillerpreisverleihungsfeier zu sorgen. Das von der Musikhochschule Stuttgart
dazu vorgeschlagene Werk Kreidlers erachte man zwar als ‚inhaltlich spannend’
und es verspreche, ‚die Persönlichkeit und das Werk des Preisträgers [...]
passend zu spiegeln’ - da es jedoch über 30 Minuten lang sei und die Festivität
insgesamt nur eine Stunde dauern solle, habe man darum gebeten, ‚das Rahmenprogramm
zeitlich zu straffen’, um ‚der Tatsache gerecht zu werden, dass im Zentrum der
Veranstaltung nicht die Musik, sondern die Ehrung eines Literaten steht’.“
Allerdings: Das Stück Kreidlers, das endgültig aus dem Festprogramm herausflog,
ist keineswegs 30 Minuten, sondern nur 3 Minuten lang.

Derartig plumpe
staatliche Eingriffe in die Kunstfreiheit waren eigentlich mal das Privileg der
bayerischen CSU-Regierungen zu Zeiten von Strauß oder Stoiber. Tempora
mutantur...

Friedrich Schiller
ist bekanntlich weiland vor der herrschenden Unfreiheit in dieser Region
geflohen.

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