16.06.2014

Cro Mamisöhnchen

Der Panda-Rapper mit Bausparvertrag und „mit Maß und Ziel“ rechtfertigt
sich bei „Focus“ dafür, noch bei seiner Mama zu leben: „Es ist nicht so, dass
ich zu Hause wohne, um im ‚Hotel Mama’ angenehm versorgt zu werden“, denn:
er finanziere schließlich das Haus, kaufe seiner Mutter ein Auto, bezahle
Waschmaschine und Spülmaschine...

Und auf „SPON“ ergänzt der Panda-Rapper:„Ich bin
wirklich gerne in Stuttgart. Da ist alles zentral, alle Klubs, alle Menschen
sind in einer Straße, man kennt sich, es ist nicht so anonym. (...) Man muss
immer manchmal abgecheckt und erwachsen sein. Verträge, Krankenversicherung,
Bausparvertrag - da geht es nicht anders. Aber das macht mich nicht zum
Erwachsenen. Ich fühle mich immer noch wie ein Kind. (...) Ich bin eine ganz
normale, gesunde Mischung aus Macho und Frauenversteher. Wie meine Mutti immer
sagt: alles mit Maß und Ziel. (...) Wenn ich den Schutzschild Maske nicht
hätte, brauchte ich den Schutzschild des Arschlochseins. So bin ich aber nicht,
ich bin nett. Und ich will nicht durch die Gegend laufen und mich verstecken
müssen.“

16.06.2014

Waldbühne Berlin II

Nachtrag zu einem Beitrag unten:

Das Berliner Landgericht hat jetzt den Berliner Senat gezwungen, den
Pachtvertrag für die Berliner Waldbühne öffentlich neu auszuschreiben. Eine
schallende Ohrfeige für den Berliner Senat, für Klaus Wowereit (SPD) und Frank
Henkel (CDU, der zuständige Innensenator) – die hohen Herren müssen sich also
vom Gericht zu etwas zwingen lassen, das für Politiker in einer Demokratie
eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich: Transparenz!Und wenn dann statt der publikumsfeindlichen und größenwahnsinnigen
Liveindustrie-Giganten CTS Eventim und DEAG am Ende der smarte und kompetente
Zusammenschluß Berliner Konzertveranstalter den Zuschlag für die Waldbühne
erhält, umso besser!

16.06.2014

Ton Steine Scherben

„Züge rollen,
Dollars rollen, Maschinen laufen, Menschen schuften, Fabriken bauen, Maschinen
bauen, Motoren bauen, Kanonen bauen. Für wen?"(Ton Steine Scherben, 1971)

16.06.2014

Deutsches Team in Sicherheit

Wer sich in einem
Land wie Brasilien von der Bevölkerung und der Realität in eine von Hunderten
schwer bewachter Sicherheitsleute abgeschirmten, extra gebauten
Luxus-Ferienanlage abschotten läßt und selbst die 800 Meter vom Quartier zum
Trainingsplatz nur unter großer, schwer bewaffneter Eskorte in Kleinbussen
zurücklegt, hat es nicht verdient, Weltmeister zu werden...So aber posed Podolski: http://instagram.com/p/pHiH6RuJ4G/

16.06.2014

Tortoise & Die Sterne in China

A propos Staatspop: Im Mai hatten Tortoise ihre China-Premiere, zwei mit
jeweils knapp 1.000 Zuschauern ausverkaufte und begeisternde Konzerte in
Shanghai und Beijing – was für ein Fest war das zum Beispiel im schönen Yu Gong
Yi Shan Club mit all den größtenteils sehr jungen Fans!Anfang Juni traten im gleichen Club „Die Sterne“ auf – im Gegensatz zu
Tortoise, deren China-Konzerte auf dem sogenannten freien Markt von einem
engagierten chinesischen Tourveranstalter finanziert wurden, und die Fans
hatten wie allüberall Tickets gekauft, wurde der Auftritte der „Sterne“ vom
Goethe-Institut finanziert, und da man wohl Angst hatte, daß sich für die Band
niemand in China interessieren könnte, war der Eintritt frei. Und die Sterne
stellten einen Song namens „Universal Tellerwäscher“ (was haben wir gelacht!)
für den „landesweiten LipDub-Wettbewerb zur Verfügung“, wie das Goethe-Institut
stolz verlautbaren ließ.Jetzt sagen Sie selbst, und mal abgesehen von dem doch sehr großen
Qualitätsunterschied der beiden Bands – was gefällt Ihnen besser? Eine Band,
die von einem Tour- und von örtlichen Konzertveranstaltern in ein Land wie
China eingeladen wird, und für die viele Fans Eintritt bezahlen, weil sie die
Band unbedingt sehen wollen? Oder eine auf Staatskosten von einer staatlichen
Institution eingeflogene Band, die in Ermangelung von örtlichem Fan-Interesse
für umme spielt, um überhaupt ein Publikum in China zu finden?

16.06.2014

Prince, CTS & Tickets

Und nun sollte der große Künstler, der mal
Prince hieß, dann nicht mehr, und jetzt wieder, in die kleine Stadt namens
Berlin kommen. Genau sieben Tage vor dem geplanten Konzert im Tempodrom wurde
es angekündigt. Und die Ticketpreise, die der zum CTS Eventim-Konzern gehörende
Veranstalter Dirk Becker Entertainment aufrief, waren ziemlich sportlich: Man
ging mit zwei Preiskategorien an den Start, Kategorie A für 332,15 EUR,
Kategorie B für schlappe 297,65 EUR.Einen Tag später
kamen plötzlich günstigere Tickets in den Verkauf, Kategorie C und D kamen ins
Spiel, diese Tickets sollten "nur" noch 188,20 EUR kosten. Wer am Tag
vorher, weil er naturgemäß dachte, es gebe nur die zwei Kategorien A und B, für
300 Euro und mehr seine Tickets gekauft hatte, mußte sich vergackeiert
vorkommen. "Warum gibt es plötzlich billigere Preiskategorien?",
wollte der "Rolling Stone" vom Tourveranstalter wissen - er bekam
keine Antwort. Die Fans werden eben mitunter als Melkkuh betrachtet, nicht als
Menschen, die viel Geld für eine Konzertkarte ausgeben...Doch das Ende der
Geschichte ist noch nicht erreicht. Am 31.Mai, drei Tage vor dem geplanten
Konzert, greift der Veranstalter zu einer Verzweiflungstat, jetzt werden die
Ticketpreise erneut gesenkt, jetzt bietet man "zwei Tickets zum Preis von
einem" an, das günstigste Ticket kostet jetzt 94,10 EUR, also mehr als 200
Euro weniger als noch vor ein paar Tagen, zu Beginn des Vorverkaufs.Geholfen hat es
alles nüscht, am Abend vor dem Konzert (!) fand man auf der Homepage des Veranstalters
die lapidare Nachricht: "Prince.
Berliner Show im Tempodrom abgesagt. Das für Dienstag, 03. Juni 2014,
geplante Konzert mit Prince & 3RDEYEGIRL im Berliner Tempodrom muss aus
produktionsbedingten Gründen abgesagt werden."Aus
"produktionstechnischen Gründen"?!? Klar, so heißt es immer, und man
kann nur den Kopf über diese Publikumsverarsche schütteln, denn man wäre ja ein
extrem schlechter Tournee- und Konzertveranstalter, wenn man nicht im Rahmen
der Vertragsverhandlungen die "Produktionsbedingungen" ausführlich
begutachtet und als realistisch angesehen hätte. Das ist immer
Musikindustriesprech und bedeutet einfach: wir haben nicht genug Tickets
verkauft. Wir haben aber nicht den Mumm, das auch zuzugeben.In diesem Fall des
zum CTS Eventim-Konzern gehörenden Konzertveranstalters ist die ganze
Angelegenheit aber ein extremes Bubenstück. Irgendwie haben die
Konzertkonzerne, die ihr Geschäft offenbar einzig aus Profitgründen betreiben,
immer noch nichts kapiert. Extrem überteuerte Ticketpreise, mangelhafte
Kommunikation, die Fans ignoriert - schlimmer gehts nimmer. Schade, daß das
einen tollen Künstler wie Prince betrifft. Und dem Vernehmen nach hat CTS
Eventim zwar die Ticketpreise erstattet, aber EUR 12.-
"Bearbeitungsgebühr" einbehalten (siehe http://www.ticcats.de/blog).
Den Fans wird eben immer das Fell über die Ohren gezogen, und selbst mit
abgesagten Konzerten macht der deutsche Marktführer noch Profit...Kurzfristig wurde
übrigens bekannt, daß Prince am 4.Juni zwei Konzerte im Londoner Roundhouse
angesetzt hat, die Ticketpreise betrugen weniger als ein Drittel der
Berlin-Preise, zwischen 92 und 104 Euro - was ja wahrlich immer noch eine ganz
schöne Stange Geld ist! Die beiden Konzerte waren binnen weniger Minuten
ausverkauft...

16.06.2014

China Berichterstattung - Urumqi Terroranschlag

Natürlich läßt der Shitstorm der China-Berichterstattung in den
westlichen Medien nicht nach. Besonders ekelhaft konnte man das anhand der
Berichte über das Attentat islamistischer Terroristen in der Stadt Ürümqi
erleben – Terroristen hatten frühmorgens zwei Geländewagen auf einem
Straßenmarkt der Stadt im Nordwesten Chinas in die Menge gefahren, Sprengsätze
geworfen und eines der Fahrzeuge zur Explosion gebracht; der Markt wurde zu
dieser Zeit hauptsächlich von älteren Menschen besucht, 39 Menschen wurden von
den Terroristen ermordet.

Soweit die traurigen Fakten.

Und wie haben die
deutschen Medien reagiert? „Konflikt mit
den Uiguren wird immer brutaler“ titelte „Spiegel Online“, wo eine Ulrike
Putz, in Neu-Delhi stationiert, auf denselben haut: „Die harten Maßnahmen, mit denen Peking die Uiguren im Zaum zu halten
versucht, haben immer wieder Racheakte ausgelöst. Im Jahr 2009 waren bei
besonders schweren Ausschreitungen fast 200 Menschen getötet worden. (...)
Experten fürchten einen Teufelskreis der Gewalt, wenn die Staatsmacht jetzt mit
aller Macht zuschlägt. Damit ist leider zu rechnen: Erst am Mittwoch hatte ein
Gericht in Xinjiang 39 Uiguren wegen Terrorismus zu Haftstrafen von bis zu 15
Jahren verurteilt“, schreibt die Dame auf „SPON“. Man muß sich das vor
Augen führen – islamistische Terroristen ermorden 39 Marktbesucher, und einem
deutschen „Leitmedium“ fällt nur Verständnis für „Racheakte“ ein, mit denen die
armen Terroristen auf die „harten Maßnahmen“ der chinesischen Regierung zu
reagieren quasi gezwungen sind. Es schlagen nicht Terroristen zu, sondern „die
Staatsmacht mit aller Macht“. Ekelhaft. Man stelle sich einen derartigen
terroristischen Anschlag hierzulande oder in den USA oder in anderen westlichen
Staaten vor – ob man dann auch getitelt hätte, „Konflikt mit Al Qaida wird
immer brutaler“?

16.06.2014

Rüstungsexporte, Nordkorea

Eine Meldung auf „SPON“ am 31.5.2014: „Nordkorea verkauft weltweit Waffen an Tyrannen und Despoten.“ Wie
Merkels und Gabriels Deutschland also.

16.06.2014

FAZ, Google & Sigmar Gabriels Waffenexporte

Da hatte man ein, zwei Jahre das Gefühl, das Feuilleton der
altehrwürdigen „FAZ“ würde zu einem veritablen antikapitalistischen
Diskussionsforum mutieren, und dann stellt man fest: War alles doch nicht so
gemeint. Denn letzten Endes geht es nur um den Schulterschluß mit braven und
biederen Sozialdemokraten. Da wird plötzlich munter Wahlkampf für einen Martin
Schulz gemacht, und ein leidenschaftlicher Umfaller wie Sigmar Gabriel darf an
prominenter Stelle im Feuilleton seine überflüssige und konzernfreundliche
Position zu Google darstellen. Gabriel, der aus unerfindlichen Gründen „für seine Kritik am Waffenhandel mit
umstrittenen Empfängerländern bekannt ist“ (so SPON), ist eben auch nur ein
Radieschen – wenns ernst wird, ist „Siggy Pop“ ein Partner der Bosse. Unmittelbar
nach seinem flammenden Beitrag für die Entflechtung von Google wird bekannt,
daß der SPD-Wirtschaftsminister umfangreiche Rüstungsexporte in Drittländer
genehmigt hat: Mehr als eine Milliarde Euro beträgt der Gesamtwert der von dem
angeblichen Rüstungsexport-Kritiker Gabriel genehmigten Lieferungen an
Diktaturen wie Saudi-Arabien und an Länder wie Singapur oder Algerien. Außerdem
wurde bekannt, daß die Bundesregierung den Export von Kleinwaffen im Jahr 2013
um mehr als 50 Prozent gesteigert hat – auch hier erhielten vor allem arabische
Diktaturen wie Saudi-Arabien die Lieferungen deutscher Waffen.Sigmar Gabriel machte jedenfalls einen Bückling vor der
„FAZ“ und ihrer Kampagne gegen Google, die ausgerechnet vom Chef des Axel
Springer-Konzerns, der letztes Jahr noch die Front der Kämpfer gegen ein freies
Internet und für ein nutzerfeindliches, konzernfreundliches
Leistungsschutzrecht angeführt hat, eröffnet wurde. „Aufgabe der
europäischen Politik ist es, mit der Kraft einer kristallklaren Analyse, aber auch mit der Eingriffsmacht eines
großen Wirtschaftsraums in der Lage zu sein, die demokratisch legitimierte
Rechts- und Marktordnung des digitalen Zeitalters neu zu formulieren und dann
durchzusetzen, ja durchzukämpfen, wo es sein muss." So brüllt der Löwe
Sigmar Gabriel und ist doch nur ein plüschener, zahnloser Bettvorleger des
Springer-Bosses. Hat man denn von Gabriel und seiner SPD in den letzten Jahren
auch nur einen brauchbaren Vorschlag zu wichtigen, in der Tat brennenden Fragen
der Netzpolitik gehört? Zur Vorratsdatenspeicherung? Zum Zweiklassen-Internet?
Zum Leistungsschutzrecht, zum Urheberrecht? Zum Datenschutz?Bevor sich Gabriel mit Verve an die „Zerschlagung
von Google in Europa“ macht, könnte er vielleicht mal mit der Abschaffung des Listenprivilegs anfangen, das es deutschen Zeitungen erlaubt, die Daten
ihrer Kunden zu Werbezwecken zu verkaufen. Aber nichts davon – Gabriel und
seine Partei gehören bekanntlich einer Regierung an, die es mit der Aufklärung
von Straftaten im Netz nicht so genau nimmt und dem Bundestag sein Recht, einen
Edgar Snowden zum NSA-Untersuchungsausschuß einzuladen, schlicht verweigert.
Bücklinge machen unsere Sozialdemokraten seit über hundert Jahren eben immer
nur vor Konzernen und deren Bossen. So sind sie, die Genossen...Was gerade tatsächlich läuft, hinter
verschlossenen Türen, beschreibt Patrick Breyer in der „Zeit“: „Die EU handelt mit der US-Regierung gerade
ein ‚Rahmenabkommen’ aus, das US-Sicherheitsbehörden noch mehr Informationen
über uns verschaffen dürfte: Bis zum Sommer soll ein transatlantisches
‚Datenschutz-Rahmenabkommen’ stehen, das eine ‚erleichterte Übertragung von
Daten’ zur ‚Verhinderung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von Straftaten’
möglich machen soll. Der Deal, der derzeit hinter verschlossenen Türen
geschmiedet wird, lautet: Wenn die USA Zugeständnisse beim Datenschutz machen,
öffnen die Europäer ihre Speicher künftig ganz freiwillig.“ Wie wäre es
denn, der SPD-Europa-Spitzenkandidat Martin Schulz, der sich so vehement gegen
„digitalen Totalitarismus“ wendet, würde erstmal seine Hausaufgaben machen und
sich an dieser Stelle engagieren?Man muß jedenfalls, wie Christian Meier in
„Meedia“ schreibt, aufpassen, „berechtigte
Interessen der Gesellschaft gegenüber den Treibern und Innovatoren der
digitalen Wirtschaft von Interessen zu unterscheiden, die wiederum andere Unternehmen haben.
Beispielsweise Medienunternehmen."

Nachtrag 1: Mittlerweile wurden weitere von Wirtschaftsminister Gabriel
(SPD) genehmigte deutsche Rüstungsexporte in Krisengebiete und an Diktaturen
bekannt. Am 4.6. meldet „SPON“, daß Gabriel den Export von Ausrüstung für
Scharfschützen an den Scharia-Staat Saudi-Arabien sowie Navigationsgeräte und
Ausstattung für Schnellboote nach Ägypten genehmigt hat, wo bekanntlich ein
Militärputsch stattgefunden hat; die EU hat nach dem Putsch
Exportbeschränkungen für Ägypten erlassen – worüber sich der SPD-Politiler
schamlos hinwegsetzt. –

Nachtrag 2: Am 21.5. ist auf „SPON“ zu lesen, daß die beiden
SPD-Politiker Steiner und Luuk vom Rüstungskonzern Krauss-Maffei fünf Millionen
Euro Schmiergeld kassiert haben sollen. Die damaligen
SPD-Bundestagsabgeordneten sollen das Schmiergeld bei einem Panzergeschäft mit Griechenland
kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

16.06.2014

BKA-Herold über Informationsverarbeitung

„Die
Grenzenlosigkeit der Informationsverarbeitung wird es gestatten, das Individuum
auf seinem gesamten Lebensweg zu begleiten, von ihm laufend Momentaufnahmen, Ganzbilder und Profile seiner
Persönlichkeit zu liefern, Lebensformen und Lebensäußerungen zu registrieren,
zu beobachten, zu überwachen und die so gewonnenen Daten ohne die Gnade des Vergessens ständig
präsent zu halten. Die Gefahren des 'großen Bruders' sind nicht mehr bloß Literatur.
Sie sind real."BKA-Chef Horst Herold, 1980

16.05.2014

Conchita ist mir Wurst

Aus chinesischer Perspektive ist der sogenannte Eurovisions-Wettbewerb
noch weiter weg als auch schon, und Conchita ist mir sowas von Wurst. Aber wie
sich in den deutschen Feuilletons jetzt plötzlich alle mit ihrer aufgesetzten
Toleranz wichtig tun und den Sieg einer äußerst mediokren Trash-Künstlerin zu
einem geradezu emanzipatorischen Akt hochjazzen bzw. hochschlagern, das ist
schon reichlich bescheuert und läßt tief blicken, wie es um die Toleranz in
diesem Land in Wirklichkeit bestellt ist. Jörg Augsburg weist in einem sehr
lesenswerten Artikel im „Freitag“ jedenfalls darauf hin, daß die Drag
Queen noch vor einem Jahr zum Personal der umstrittenen Reality-Show "Wild
Girls - Auf High Heels durch Afrika" zählte: „Gerade ihr Travestie-Appeal diente dazu, vermeintliche
schwarzafrikanische Hinterwäldler - 'Wilde' - vorzuführen. Wurst gehört zum
Inventar des per se politisch und
ästhetisch reaktionären Trash-TVs,
bei dem man nie genau weiß, wer hier wen mehr benutzt, die Sender die
Protagonisten oder die mediengeilen Protagonisten die Show."So wird eben ein Turnschuh draus.„Erstaunlich
am diesjährigen Erfolg ist eigentlich nur, daß es sich 40 Jahre nach David
Bowie, 30 nach Boy George, 15 nach Marilyn Manson und fünf nach Lady Gaga für
viele immer noch irgendwie verrucht und revolutionär anzufühlen scheint, eine
androgyne Kunstfigur in aller Öffentlichkeit gut zu finden“, schreibt Jörg
Augsburg. Besser hätte ich das nicht sagen können.

16.05.2014

Berliner VOLKSentscheid

In Berlin wird dieser Tage über das Flugfeld Tempelhof abgestimmt.

„In Berlin ist die
totale Mobilmachung der Bilder, die Antriebskraft der Moderne überhaupt, an ihr
Ziel gelangt. Die Stadt, die wie keine andere durch die Wirtschaftskrise der
1920er Jahre, die Machtübernahme der Nazis, die Zerstörungen des Weltkriegs,
den Einmarsch der Kommunisten und die Zweiteilung der Stadt von politischen
Kämpfen gezeichnet wurde, ist bloß noch ein imaginäres Feld, auf dem Politik
nicht mal mehr symbolisch ausgefochten wird. Die Menschen der Stadt sind keine
Pioniere mehr auf der Suche nach dem „neuen Menschen“, sie sind nur noch späte
Kolonisten, die sich auf einem bereits eroberten Terrain niederlassen wollen,
das alle Eigenheiten verloren hat, die an seine hochpolitische Geschichte
geknüpft waren“, schreibt Cord Riechelmann in der „FAS“ in einer Rezension von
Francesco Mascis neuem Buch „Die Ordnung herrscht in Berlin“. Die aufgeklärte,
gern grün-nahe, vage alternative Mittelschicht, die das öffentliche Bewußtsein
von Berlin prägt und die hinter dem Wunsch nach einer großen Leerstelle namens Tempelhof
inmitten Berlins steht, propagiert ihr wattiertes Glück. Das ist sehr
Nimby-mäßig („not in my backyard!“), sicher würde jedeR der Tempelhof-ProtagonistInnen
in seinem alternativen Stammcafé sofort dafür argumentieren, daß mehr billiger
Wohnraum gebaut werden sollte, immerhin zogen in den letzten drei Jahren
100.000 Menschen nach Berlin – nur eben bitte nicht in meiner Nachbarschaft,
da, wo ich schon wohne, da, wo ich mein kleines, wattiertes Glück lebe. Da soll
alles leer bleiben, da soll nichts bebaut werden, da muß alles bleiben, wie es
ist. Da soll der Flughafen Tempelhof, der heute ein alternativer Sehnsuchtsort
ist, wo aber auch mal eines der ersten Konzentrationslager stand und wo
Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs die Maschinen zusammenbauen
mußten, die ganz Europa bombardierten (davon reden die Berliner eher
ungern...), eine große Leerstelle im Bewußtsein bleiben.

Der eigentliche Skandal an dem tatsächlich so genannten Volksentscheid über das Tempelhofer
Feld ist jedoch, daß ein Großteil der BerlinerInnen gar nicht abstimmen darf.
Denn beim Volksentscheid darf eben nur das Volk abstimmen, und das meint: das deutsche Volk. Die gerne so genannten
ausländischen MitbürgerInnen gehören nicht dazu, Menschen anderer
Nationalitäten, die dauerhaft in Berlin leben, sind vom Volksentscheid
ausgeschlossen. Das Tempelhofer Feld wird von den Bezirken Kreuzberg, Neukölln
und Schöneberg umschlossen, Bezirke, in denen besonders viele Menschen
türkischer Herkunft leben. „Doch von den
knapp 3 Millionen Berlinern über 18 Jahren dürfen sich 487.000 Frauen und
Männer nicht an dem Volksentscheid beteiligen. Weil sie keinen deutschen Paß
haben.“ („Berliner Zeitung“) Etwa eine halbe Million Berlinerinnen und
Berliner, die seit Jahren und Jahrzehnten in der Stadt leben, die hier Steuern
und ihre Sozialabgaben zahlen, also ihre zahllosen Pflichten erledigen, werden mithin
vom Recht, über die Geschicke der Stadt, in der sie leben, mitzuentscheiden, ausgeschlossen.
Ein außerordentlicher Skandal.Seit Jahrzehnten fordern vernünftige Menschen kommunales Wahl- und
Mitbestimmungsrecht für ausländische BürgerInnen. Ausgerechnet das angeblich so
weltoffene Berlin jedoch schließt all diejenigen, die nicht dem deutschen Volk angehören, also eine
halbe Million BürgerInnen, etwa ein Sechstel aller in der Stadt lebenden Wahlberechtigten,
von der Demokratie aus. Wie immer der Volksentscheid ausfällt – nach
demokratischen Mindeststandards legitim
ist er nicht.Manchmal kann man sich für Berlin nur schämen.

16.05.2014

Jungmänner und Eierwärmer

„Jungmänner, die
in ihrer Mischung aus Klumsigkeit, unfreiwilligem Drolligsein und unschöner
Lautstärkebereitschaft durch die Gegend ramentern, gibt es überall; in Berlin,
das zur aufregendsten Stadt Europas, wenn nicht der Welt ausgeschrien wird,
weil Propaganda nur Superlative und also keine Wahrheit kennt, treten die
Mützlinge in zigfacher Legionenstärke auf. Und weil ihr Bedürfnis, sich zu
Klumpen zu ballen, damit nicht befriedigt ist, verabreden sie sich per Twitter
oder Facebook vulgo Visagenkladde zur Zusammenlegung ihrer Legionen. Die
Fanmeilisierung der Menschheit ist in vollem Gange, aber überhaupt nicht
abgeschlossen. Das dicke Vermassungsgrauen steht der Welt erst noch bevor.“aus: Wiglaf Droste, „Fressen unter Eierwärmern“, in Folio (NZZ) 3/2014

16.05.2014

DFB und Antifaschismus

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wird bei ihrer von vornherein
zur Erfolglosigkeit verurteilten Mission „Fußball-WM“ in den fränkischen
Ausbeuterschuhen antreten. Dem DFB ist das reichlich wurscht, der hat
Wichtigeres zu tun, nämlich: antifaschistische Slogans auf dem Trainingsgelände
der Nationalmannschaft entfernen zu lassen. Das Banner „Kein Fußball den
Faschisten“, das das Stadion des FC St. Pauli seit Jahren schmückt, wurde auf
Weisung des DFB verdeckt, als die deutsche Fußballnationalmannschaft in dem
Stadion ihr Abschlußtraining für das Länderspiel gegen Polen absolvierte.So ist das mit der Fußballnationalmannschaft und dem DFB: Arbeiterrechte
sind egal (siehe "Miseria e nobilta"). Aber gegen Faschisten will man dann doch lieber nicht sein.

04.05.2014

Ai Weiwei und Shanghai

Christiane Peitz (das ist die Journalistin, die vor kurzem am Hofe Ai
Weiweis vorgelassen wurde, sich dort allen möglichen Unsinn erzählen ließ und
nach Berlin zurückgekehrt eine dreiteilige Serie produzierte, ohne auch nur ein
Faktum recherchiert oder gegengechecked und ohne auch nur eine andere der
zahlreichen Kunstausstellungen in Beijing eines Wortes gewürdigt zu haben –
reine Hofberichterstattung eben) schreibt im Berliner „Tagesspiegel“ (das ist
die Zeitung, deren Redaktion unlängst einen vierseitigen „redaktionellen“
Promotion-Beitrag über Easyjet inklusive eines fetten Titelbildes produziert
hat und dabei den von Easyjet erfundenen Werbeslogan „Generation Easyjet“
freudig nachplappert – man kann den ganzen für den „Tagesspiegel“ sehr
peinlichen Fall ausführlich im lesenswerten Blog von Stefan Niggemeier
nachlesen, der zu dem Schluß kommt: „Entweder
die Zeitung hat sich von dem Unternehmen kaufen lassen. Oder eine komplette
Redaktion hat versehentlich eine Werbesonderausgabe für Easyjet produziert“
- http://www.stefan-niggemeier.de/blog/der-tagesspiegel-fliegt-auf-easyjet-2/
) aufgeregt: „Ai Weiweis Kunst in Shanghai verboten.“

Bereits der Eingangssatz des Artikels läßt tief blicken: „In den Berliner Gropius-Bau zieht Ai Weiwei
die Massen. In China verhindert das die staatliche Zensur: Bei einer
Ausstellung in Schanghai mußten seine Werke beseitigt werden.“ Sonst wären
die Massen auch in Shanghai zu Ai Weiwei geströmt? Ach geh. Natürlich nicht die
Bohne. Ai Weiwei interessiert in China kaum einen Menschen, und ob Ai Weiwei
eines seiner Werke in Shanghai ausstellt, ist ungefähr so bedeutsam, wie wenn
in Berlin eines der von Ai produzierten Porzellan-Reiskörner umfällt. Was
übrigens nicht nur für China gilt, sondern so ziemlich für den gesamten Rest
der Welt, mit Ausnahme der Länder, wo der Schweizer Kunstsammler Uli Sigg
(Ex-China-Botschafter der Schweiz, ist heute laut eigener Aussage mit
China-Projekten des Schweizer Verlags Ringier betraut und laut eigener Aussage „in Bereichen wie
Finanzdienstleistung und Automobillogistik
investiert und bin im Advisory Board der China
Development Bank, welche die großen Infrastrukturvorhaben wie
Dreischluchtendamm und Autobahnen finanziert“; Uli Sigg verfolgt den Rechtsrutsch in der
Schweiz hoffnungsvoll und bewundert den berüchtigten Schweizer Rechtspopulisten
Christoph Blocher) sein Netzwerk spinnt.Wenn Frau Peitz sich nun ins Zeug legt für den „Chinese Contemporary Art
Award“, dann hört sich das so an, als ob es sich dabei fast um einen Nobelpreis
für Kunst handeln würde, oder doch zumindest um einen renommierten, anerkannten
Kunstpreis. Das ist aber nicht der Fall. Der Preis wurde von Uli Sigg ausgelobt
– wahrscheinlich mit dem Ziel, sein Netzwerk zu perfektionieren und die
Künstler, deren Kunst er besitzt, mit einem wie auch immer zustande gekommenen
Preis zu adeln, was letztlich auch den Wert der Kunstwerke steigern dürfte.Wie das alles passiert, wer in der Jury von Uli Siggs Kunstpreis sitzt
(neben Ai Weiwei quasi das gesamte hauptsächlich Schweizer Netzwerk des
Kunstsammlers), und daß das alles eben ein Geschäft
ist („it’s the economy, stupid!“), das können Sie natürlich nicht bei Frau
Peitz und ihrem „Tagesspiegel“, wohl aber in der langen Version meines im Juni
2011 in kürzerer Form in „Konkret“ erschienenen Artikels „Die Legende vom
Heiligen Ai“ nachlesen.Und ansonsten kümmert sich in Shanghai, wo ich mich gerade aufhalte, niemand
um diese Ausstellung, die dem „Tagesspiegel“ einen großen Artikel wert ist.
Nicht einmal in den Kunst-Spalten von „Time Out Shanghai“ ist die Ausstellung
erwähnt. Bedeutungslosigkeit pur. Nur in Deutschland, wo Ai Weiwei längst der
staatliche Lieblings-, Haus- und Hofkünstler ist, fällt in der Redaktion des „Tagesspiegel“ gerade
besagtes Porzellan-Reiskorn um.Die Medien sind heutzutage jedenfalls für das Kunstgeschäft, vor allem
aber auch für die herrschende Propaganda oft nur noch nützliche Idioten.

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