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Blog Archiv - Jahr 2014
01.07.2014

Neuer

Manchmal sind die Fußballer allerdings auch einfach nur zum Lachen (oder
lächerlich, und gerne auch beides zugleich):„Ich will in meine
Schulter reinhorchen“sagte zum Beispiel Torhüter Manuel Neuer der „Berliner Zeitung“ im
Interview.

29.06.2014

Google, Internt und Gefahren

Eines sollte man sich bei allen Diskussionen um Internet und Google
stets vor Augen führen: „Das Internet“ ist keine Gefahr. Es ist eine Erfindung
von Menschen, oder, besser gesagt: des Militärs, und das, was daraus folgt, ist
menschengemacht. Genauso wie Google kein Monster ist, sondern eben einfach ein
ziemlich erfolgreicher multinationaler Konzern, der sich hauptsächlich die mangelhafte
Gesetzgebung in allen Industrienationen zunutze macht, was Daten- und
Verbraucherschutz und Bürgerrechte angeht. Wenn es stimmt, daß die „digitale
Revolution“ die größte Umwälzung seit der industriellen Revolution darstellt,
und es gibt wenig Grund, daran zu zweifeln, dann geht es jetzt darum, endlich
Verkehrsregeln aufzustellen. Und zwar Verkehrsregeln, die an den Grundrechten
und Interessen der BürgerInnen orientiert sind, und nicht an den
wirtschaftlichen Interessen dieser oder jener Konzerne.

Es ist nicht „das Internet“, das eine Gefahr darstellt und uns
ausspioniert. Es sind Geheimdienste, die uns mit ihren digitalen Technologien
massenhaft ausspionieren lassen, und es sind Politiker, die dies in Auftrag
geben, ob bei NSA oder BND. Und es sind Politiker, die sich seit Jahren
weigern, endlich Datenschutzgesetze zu verabschieden, die den Gegebenheiten des
digitalen Zeitalters gerecht werden. Ohne Datenschutz gibt es keine
Meinungsfreiheit. It’s that simple. Peter Schaar, ehemals Bundesbeauftragter
für Datenschutz und Informationsfreiheit, beschreibt in seinem aktuellen Buch
„Überwachung total“, wie Geheimdienste seit den Terroranschlägen von
2001 das Internet umfassend unterwandert haben; „entstanden ist ein ‚überwachungs-industrieller Komplex’. Weltweit wird
alles durchgerastert, was das digitale Netz hergibt. Im Visier stehen nicht nur
Terroristen oder Kriminelle, sondern wir alle. Die Datenfischer suchen nach
persönliche Informationen, Staats-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - je
mehr desto besser.“Denken Sie daran, wenn wieder einmal ein Unternehmenschef eines
deutschen Medienkonzerns barmt, daß Google seinem Konzern das Geschäft
vermiese, und wenn die Feuilletons entsprechend Angst verbreiten. Wie immer
haben wir es in der Hand, wie die digitale Zukunft aussieht. Man kann es machen
wie die Kanzlerin und so tun, als ob einen die NSA nichts anginge; man kann es
machen wie der Deutsche Bundestag, der sein Internet ausgerechnet vom
US-Konzern Verizon bezieht, „der von der
NSA bezahlt wird, um Daten an sie auszuleiten“ (Andre Meister auf
„Netzpolitik“).

„Viele
Medienhäuser klagen heute über die Datenkrake Google, allerdings nicht in
emanzipatorischer Absicht, sondern mit dem Vorsatz, selbst in den Besitz der
Kundendaten zu gelangen. Dabei bleibt die Ausbeutung der Datenminen auch dann
eine Ausbeutung, wenn Döpfner und andere die Schaufel führen. Die Kundendaten
gehören dem Kunden, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsbegriff des
Grundgesetzes gebieten die Rückübertragung der Souveränität.“
(„Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart in der „FAZ)Wir haben uns angewöhnt, einen öffentlichen Diskurs zu akzeptieren, der
von den Konzernen und ihren Lobbyisten sowie von ihnen gewogenen Politikern
geführt wird. Das war beim Urheberrecht bereits so, das war beim
Leistungsschutzrecht so, das ist jetzt bei der Frage Datenschutz und Google so.
Wir sollten endlich den Diskurs selbst übernehmen. Nur dann haben wir eine
Chance, daß die Diskussion endlich von den Fragen geprägt wird, die wirklich
zählen. Dann könnte der Diskurs sich endlich der Interessen der BürgerInnen,
der VerbraucherInnen, der „NutzerInnen“ (und auch der Autoren) annehmen. Die
Interessen der Konzerne, ob es Döpfners Springer ist oder die Indie-Klitsche
ums Eck, müssen uns egal sein, sie sind reichlich artikuliert worden und werden
auch in Zukunft von den bezahlten Lobbyisten ausführlich vorgetragen werden. Wir
benötigen ein Rechtssystem, das das Internet endlich an seinen Nutzern und an den
Urhebern, also den Autoren, ausrichtet.

29.06.2014

Albenverkäufe oder: Wenn Gorny und Cro zählen

„Myth: Sales
count.They're almost as
irrelevant as the old billboards on the Sunset Strip, they're a way to stroke
the egos of the players involved. It's no longer whether someone buys your
album, but whether they listen to it, that's the relevant metric that everybody
seems to ignore as they trumpet the anemic, irrelevant SoundScan numbers.“ (Bob Lefsetz)Nur im Ländle, in Stuttgart und Umgebung haben sie’s noch nicht kapiert
und baden in Verkäufen. Freilich: in Verkäufen, die noch nicht mal Verkäufe
sind.

Das deutsche Charts-Unwesen ist nicht so leicht zu kapieren. Eigentlich
gibt es „Gold“, also eine von Gornys Bundesverband Musikindustrie (BVMI) verliehene
„Goldene Schallplatte“, für 130.000 verkaufte Tonträger. Eigentlich.Dieser Tage meldete „Chimperator“, die Plattenfirma des schwäbischen
Muttersöhnchens mit der Pandamaske, „Melodie“, das neue Album von Cro, habe „innerhalb der ersten 24 Stunden nach
Veröffentlichung bereits Gold für 130.000 verkaufte Einheiten eingefahren“.
Man rieb sich die Augen und fragte sich, was in den Plattenläden und
Kaufhäusern losgewesen sein muß. 130.000 CDs und „Einheiten“ in nur 24 Stunden?
Die ja streng genommen nicht mal 24 Stunden sind, denn natürlich gilt
hierzulande der Ladenschluß.Selfmade Records, die Plattenfirma von Kollegah, deckten die Wahrheit
auf: In Wahrheit hatte Cro binnen 24 Stunden nicht 130.000, sondern lediglich
40.000 „Einheiten“ des neuen Albums verkauft, wie die GfK-Website, die über die
realen Verkäufe Statistik führt, bewies. Also gar kein Gold für Cro? Alles
Lüge?Wie mans nimmt. Denn der BVMI läßt die Mogeleien zu. Er ermöglicht sie
sogar erst. Denn laut dessen Regelwerk werden die „Auslieferungen an die
jeweiligen Händler“ gezählt, sogenannte „Shippings“, nicht aber die tatsächlich
verkauften Tonträger. Der „Musikmarkt“ erklärt: „Es bleibt dem Label überlassen, ob es mit der Edelmetallmeldung
wartet, bis auch der Verkauf über das Handelspanel der GfK Entertainment
abgelesen werden kann, oder das Edelmetall beim BVMI bereits nach Auslieferung
beantragt. Da grundsätzlich das Risiko besteht, daß ausgelieferte Einheiten
doch nicht verkauft werden und der Bundesverband im schlechtesten Fall bei
entsprechender Retourenmenge Edelmetall aberkennen muss, warten Labels jedoch
häufig bis die entsprechende Anzahl an Verkäufen stattgefunden hat.“Chimperator hat jedoch nicht abgewartet, bis die für „Gold“ nötigen
130.000 Tonträger tatsächlich verkauft wurden, sondern hat nach deren
Auslieferung an den Handel bereits die „Gold“-Meldung herausposaunt. Um gute
Presse zu bekommen. Liest sich doch auch cool: 130.000 Menschen sollen also
binnen 24 Stunden das neue Cro-„Werk“ gekauft haben. Toll! Nur eben leider
nicht die Wahrheit. Nur die Wahrheit der deutschen Musikindustrie – wenn man
wie Chimperator und Dieter Gorny rechnet, sind 40.000 eben 130.000 und 2 mal 2
ergibt 5.

Allerdings: sowas kann einer Plattenfirma auch schon mal auf die Füße
fallen. WEA hatte 2002 gar „Platin“ für das neue Album ihres Künstlers Marius
Müller-Westernhagen gemeldet, wozu seinerzeit 300.000 verkaufte Tonträger nötig
waren. Die allerdings nicht binnen Jahresfrist verkauft worden waren. Die
Verleihung der „Platin-Schallplatte“ durch WEA war also nur ein Werbegag, um
die Presse von Westernhagens Konkurrenten Herbert Grönemeyer abzulenken.
WEA-Marketingleiter Hans-Otto Villwock ließ seinerzeit verlauten: „Die Platin-Verleihung wurde angesetzt, um
in den Medien Aufmerksamkeit zu erlangen."

Und die Lehre aus dieser Geschichte? Um es mit Kanye West zu sagen:
Bitte glauben Sie Plattenfirmen nichts, aber auch wirklich gar nichts!

29.06.2014

Cro und seine privilegierte Positionslosigkeit

„Ich finde einen Cro
mit seiner privilegierten Positionslosigkeit, der mit einem Lied über
Verantwortungslosigkeit bekannt wurde, während das Privatfernsehen entlang von
Teenagerschwangershaften auf das Präkariat spuckt, mindestens genauso abstoßend
wie einen Kollegah, der ein größenwahnsinniger neoliberaler Kapitalist ist und
aus jeder Scheiße Geld macht ohne auch nur ansatzweise bezüglich seiner
Diskursrevelanz einsichtig  zu scheint.“Sookee im Interview mit „Freitag“

29.06.2014

Musik und Freiräume

„Früher gab es dieses
Glück, immer wieder: Freiräume entdecken zu können und sich in ihnen aufhalten
zu dürfen. Musik.
Es ist grauenhaft, daß diese Freiräume mittlerweile von den Akademikern besetzt
worden sind. Sie handeln Popkultur ab, als wäre sie ein zu sezierendes, totes
Stück Fleisch. Man kennt ihn doch, diesen typischen Doktorandenarsch in
schlechtsitzender Jeans, der in irgendwelchen Fakultäten hockt und dämliche
Bücher beim Schlaumeierverlag rausbringt.“Reverend Dabeler

20.06.2014

GEMA und Fête de la Musique

Seit 1995 ist
die Fête de la Musique in Berlin eines der schönsten Feste, die man kostenlos
unter freiem Himmel erleben kann. Bekannte (dieses Jahr u.a. Element of Crime
oder Caribou) und unbekannte Bands, Straßenmusiker, Kinderchöre oder
Nachwuchsbands treten auf zahlreichen Bühnen in der ganzen Stadt ohne Gage auf.
Die Fête de la Musique ist eine Idee der 80er Jahre, als in Frankreich der
legendäre Kulturminister Jack Lang verschiedene Möglichkeiten auslotete, die
Popkultur in der Gesellschaft zu verankern und den MusikerInnen
Auftrittsmöglichkeiten, aber auch bessere soziale Bedingungen zu verschaffen.
Es ging und geht auch um das Bespielen, die „Eroberung“ öffentlicher Orte – in
einer Zeit, in der praktisch jedes Konzert zu einem kommerziellen „Event“
hochgeblasen wird, für das viel Geld zu bezahlen ist, ein umso wertvollerer
Gedanke; zuletzt nahmen über 120.000 Besucher an der Berliner Fête de la
Musique teil.Es könnte alles
so schön sein – wenn, ja, wenn es nicht die GEMA gäbe, diese undemokratische
Vereinigung zur Bereicherung einiger Weniger und zur Verhinderung von Musik.
Denn die einzige Institution, die seit jeher bei der Fête de la Musique eifrig
zur Kasse bittet, ist die GEMA. Und dieses Jahr hat die GEMA die Tarife für die
vom Land Berlin unterstützte, nicht-kommerzielle Veranstaltung um sage und
schreibe 60% erhöht. Irgendwie müssen halt die astronomischen Gehälter der
GEMA-Vorstände finanziert werden – GEMA-Chef Hecker z.B. verdient knapp eine
halbe Million Euro jährlich. Und wenn man dadurch die Zukunft der Fête de la
Musique gefährdet? In Potsdam beispielsweise mußte die Fête dieses Jahr bereits
abgesagt werden, die höheren GEMA-Gebühren konnten die Veranstalter nicht mehr
bezahlen. Aber so etwas ist dem Verein zur Verhinderung von Musik namens GEMA naturgemäß
völlig egal. Alle Versuche einer Sonderregelung wurden abgelehnt – während in
Frankreich die dortige Verwertungsgesellschaft Sacem der Fête die Gebühren
erlassen hat, weil die Veranstaltung dem kulturellen Austausch, der Bildung und
der Nachwuchsförderung dient, sitzt die GEMA wie üblich auf ihrem hohen Roß.
Ekelhaft. Die GEMA-Funktionäre tun wirklich alles dafür, sich die BürgerInnen
zum Feind zu machen. Besonders pikant: nur etwa 10 Prozent der an der Fête
teilnehmenden Künstler spielen überhaupt Gema-pflichtige Musiktitel...(Infos auch aus
Anne Lena Möskens Artikel in der „Berliner Zeitung“ vom 20.6.2014)

18.06.2014

Cro über Sponsoring und BS

Im Januar diesen Jahres erschien im Feuilleton der „Stuttgarter Zeitung“
ein großes Interview, das Jan Georg Plavec mit mir führte und das in Stuttgart
ein wenig Furore machte, wie die Zeitung selbst sagt. Unter anderem befragte
der Redakteur mich natürlich, soviel Lokalpatriotismus darf ja auch gerne sein,
ausführlich zu meiner in meinem Buch „Das Geschäft mit der Musik“ und in meinen
Live-Auftritten geäußerten Kritik am Pandarapper Cro als Werbeträger für
praktisch alles, was dafür Geld bezahlt.http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.berthold-seliger-im-interview-d...

Nun hat Plavec ein großes Interview mit Cro geführt, und ihn auch auf
seine Werbedeals angesprochen. Diese Interviewpassage ist so schön, daß ich Sie
Ihnen nicht vorenthalten möchte:

„Jetzt zu ein bisschen Kritik. Der Konzertveranstalter
Berthold Seliger hat vergangenes Jahr ein Buch über die Probleme der
Musikindustrie geschrieben. Im Interview hat er mir unter anderem gesagt: Wenn
vor zehn Jahren einer für H&M, McDonald’s und Axe Werbung gemacht hätte,
wäre der unten durch gewesen und künstlerisch nicht mehr glaubwürdig. Er hat
dich gemeint.
Es gibt zwei Typen von Menschen. Die einen sagen: Na gut, dann hängt er halt
auf nem Plakat in der Stadt. Die anderen sagen: „Sellout! Du verrätst du
Kultur!“ Ich zähle zur ersten Gruppe. Bei H&M dachte ich: Geil, ich bin
Modedesigner und habe die Chance, mit denen eine Modekollektion zu machen. Was
geht, ist doch super.Was ist mit McDonald’s?Schmeckt irre gut und war ein witziges Konzept.Axe?Die Axe-Kampagne wirbt natürlich für ein Produkt, aber eben auch für Frieden.Dein Album wird mit dem
„Red Bull Tag am See“ präsentiert. Berthold Seliger wird bei der Vorstellung
vermutlich schlecht, dass ein Energy-Drink einer Album-Releaseparty den Namen
leiht.Wir wollten schon zum ersten Album mit einem Boot über den Neckar fahren und
Konzerte spielen. Leider machen einem da Behörden leicht einen Strich durch die
Rechnung. Jetzt kommen unsere Kumpels von Red Bull und sagen: wenn ihr was
machen wollt, wir kriegen es hin. Die haben uns den Tag am See ermöglicht. Voll
geil. Es geht darum, dass wir machen, was wir machen wollen. Wie kann man
dagegen sein? Klar man kann auch ein Buch schreiben, alles scheiße finden und
immer nur meckern oder zu einem Interview mit einem Veranstalter, in dem einmal
mein Name fällt, als Aufhänger ein Cro-Foto posten, damit mehr Leute drauf
klicken. Ich finde das schräg. Man kann ja nicht gegen alles sein.Indie-Haltung halt.Was ist daran denn Indie? Indie ist, was wir alles abgesagt haben. Hier kommen
zwei Angebote die Woche rein, für die andere alles machen würden. Indie ist
zehn Jahre buckeln ohne Geld zu sehen und dann ohne Major-Label Doppelplatin
holen und die Schleyer-Halle ausverkaufen.“

Toll, oder?Allerdings bin ich noch ein wenig unschlüssig, welche Zeile des
schwäbischen Panda-Muttersöhnchens ich schöner finde – daß McDonalds „irre gut
schmeckt“, oder daß „man ja nicht gegen alles sein kann“...

18.06.2014

Jan Delay über Jürgen Vogel

„Neulich hab ich
irgendeinen Film mit Jürgen Vogel gesehen. Und dann denk ich automatisch:
McDonald’s! Ich kann den nicht mehr ernstnehmen, ich denke nur: Big Mac!
Apfeltasche!“Jan Delay (im Interview mit „Spex“)

16.06.2014

Bonnie 'Prince' Billy und Telefone

„Manche Leute
haben Musik in ihren Telefonen. Ich finde das nicht richtig. Ich bin der
Meinung, daß Musik nicht am selben Ort aufbewahrt werden sollte, an dem
Adressen und Telefonnummern gespeichert sind. Das ist falsch. Der Kontext ist
total beschissen.“Bonnie ‚Prince’ Billy (in Musikexpress 6/2014)

16.06.2014

China: Krankfeiern für Fußball

 Im fußballbegeisterten China, wo die Spiele der WM um 0.00 Uhr, 3.00 Uhr und
6.00 Uhr örtlicher Zeit übertragen werden, verkaufen einige Online-Stores laut „New Culture Daily“ offizielle Atteste von Krankenhausärzten,
„sick leave certificates“, für zwischen 10 und 300 Yuan, also 1,15 bis 35,60
Euro...

16.06.2014

Fußball

„...der Fußball
hat sich verändert. 1950 gab es die Fifa praktisch nicht, heute ist sie ein
internationales Unternehmen. Die Armen werden ausgeschlossen. Diese Ausbeutung
des Fußballs wollen die Leute nicht.“(der brasilianische Anthropologe Roberto Damatta im Interview mit der
„FAS“)

16.06.2014

GEMA Richard Strauss

Die GEMA gratuliert Richard Strauss zu seinem gestrigen 150. Geburtstag
und feiert ihn als einen „der
bedeutendsten Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts“; außerdem
werde  „Richard Strauss als einer der Gründungsväter der GEMA bezeichnet“,
sagt GEMA-Vorstandsvorsitzender Harald Heker laut „Musikwoche“, und
entsprechend will die GEMA im September eine Festveranstaltung in der Berliner
Philharmonie „begehen“, denn: Richard Strauss habe „Anfang 19093 die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer gegründet (...)
Aus dieser Organisation entstand am 1.Juli 1903 als Verwertungsgesellschaft die
Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht (AFMA), eine Vorläufergesellschaft
der GEMA“, so GEMA-Chef Heker weiter.Ein schönes Stück Geschichtsklitterung, auf mehreren Ebenen. Denn ganz
so einfach, wie GEMA-Heker das darstellt, war es nicht. Es gab ja bis 1930
mehrere konkurrierende Verwertungsgesellschaften, und es war erst der
Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, der 1933
die Umwandlung der miteinander kooperierenden Verwertungsgesellschaften in ein
staatlich sanktioniertes und kontrolliertes Musikverwertungsmonopol, die
STAGMA, vornahm. Die von Goebbels und seiner NSDAP verfügte monopolistische
Ausschließlichkeit der Wahrnehmung der Musikverwertungsrechte (und nicht etwa
die 1903 von Richard Strauss mitgegründete Genossenschaft) sind bis heute die
Rechtsgrundlage der STAGMA-Nachfolgeorganisation GEMA.In Zeiten, wo selbst große Konzerne wie Volkswagen oder Audi von
unabhängigen Historikern ihre Firmengeschichte während des Nationalsozialismus
erforschen lassen, sollte es doch eigentlich der Anstand gebieten, daß die GEMA
nicht zu derartigen Geschichtsklitterungen greift.Doch die Angelegenheit ist ja noch pikanter: denn nicht nur die GEMA
fußt auf den Gesetzen von Goebbels und der NSDAP, nein, der Komponist Richard
Strauss war ein hochrangiger Nazi-Funktionär. Der „entschiedene Antidemokrat“ („FAZ“) wurde 1935 von den Nazis zum
Präsidenten der Reichsmusikkammer ernannt. Richard Strauss war ein Komponist,
der mit den Nazis intensiv paktiert hat, als „Reichsmusikdirektor“ eine
wichtige Rolle im NS-Staat innehatte. Strauss profitierte auch entschieden vom
NS-Regime, nicht zuletzt durch seine Gefälligkeitskompositionen für die Nazis,
etwa die „Olympische Hymne“ (die von der NS-Presse als eine „glückliche Synthese zwischen Kunst und
Volkstümlichkeit“ bejubelt wurde) oder Vertonungen „nationaler“ Texte von
Weinheber und eine „Japanische Festmusik“, die Strauss 1941 zur 2600-Jahr-Feier
des mit dem Deutschen Reich verbündeten Kaiserreichs Japan komponierte. Zu
seinem 80.Geburtstag machten zwei SS-Offiziere ihre Aufwartung und brachten –
im fünften Kriegsjahr! – zwei Kisten Sekt mit den besten Wünschen vom
polnischen „Generalgouverneur“ Frank aus Krakau. Man kann das alles in Fred K.
Priebergs vorzüglichem Buch „Musik im NS-Staat“ nachlesen, aber wahrscheinlich
ist das gerade vergriffen...

Machten zu Richard Straussens 80.Geburtstag also SS-Offiziere und
Nazifunktionäre dem Jubilar ihre Aufwartung, so ists zu seinem 150. die GEMA.
So fügt sich eben immer eines zum anderen, und es wächst zusammen, was
zusammengehört.

In einem anderen Punkt passen Richard Strauss und GEMA allerdings wirklich
vorzüglich zusammen: es geht beiden um Musik, die möglichst vielen gefallen
soll und möglichst großen Profit abwirft. Eleonore Büning beschreibt das in der
„FAZ“: „Er hat nicht das Rad noch einmal
neu erfinden oder dem Fortschritt der Menschheit dienen wollen, wie sein
Antipode Schönberg und andere es vorhatten. Strauss war von dem bescheidenen Ehrgeiz
beseelt, gute Musik zu schreiben, die ihm selbst gefallen sollte und möglichst
vielen anderen auch. Und damit Erfolg zu haben. Und gut zu leben davon. Man muß
sagen, das alles ist ihm weitgehend geglückt.“(P.S.: Wie man im Feuilleton-Leitartikel in der „Berliner Zeitung“ einen
großen Text über Richard Strauss veröffentlichen kann, ohne auch nur ein
Sterbenswörtchen über seine Rolle im NS-Staat zu verlieren, ist ein Rätsel und
deprimierend.)

16.06.2014

GEMA-Precht

Und wen hatte sich
die GEMA zu ihrer alljährlichen Versammlung im Mai als Festredner eingeladen?
Der Philosoph Richard David Precht wars. Und der tat, was von ihm erwartet
wurde, und referierte zur „Wertschätzung
künstlerischen Schaffens“ und forderte, wie auf Telepolis zu lesen war, „mehr Respekt vor geistigem Eigentum und der
Arbeit von Komponisten und Textdichtern“. Den Wert der künstlerischen
Arbeit sieht Precht aus zwei Richtungen bedroht, nämlich zum einen durch „Raubkopieren" und illegale
Vervielfältigung in der digitalen Welt und zum anderen durch eine starke
Desensibilisierung innerhalb der Welt der Distributoren, also der Verlage,
Labels usw., die fast ausschließlich daran interessiert seien, Umsatz zu
machen. Bezeichnend dafür sei der Begriff des "Contents", der
jegliche Qualität und allen Wert künstlerischer Arbeit nivelliere.Kann man von einem
Fernsehstar und Philosophen erwarten, daß er präzise denkt und formuliert? Ich
würde sagen: schon. Der von Precht gewählte Begriff „Raubkopie“, Sie könnens in
meinem Buch „Das Geschäft mit der Musik“ ausführlich nachlesen, macht
jedenfalls juristisch und inhaltlich keinerlei Sinn, geraubt werden kann
bekanntlich nur eine fremde bewegliche Sache, ansonsten ist das Wort eben ein
propagandistischer Kampfbegriff. Aber wer sich als Festredner für den Richard Strauss-Fanklub
GEMA hergibt, von dem kann man eben auch sonst nicht allzu viel erwarten...

16.06.2014

Sleaford Mods

Ich habe leider die Konzerte der Sleaford Mods nicht erleben können, in
China haben sie nicht gespielt – aber nach allem, was mir vertrauenswürdige
Personen erzählt haben, müssen es großartige Abende gewesen sein. Wie die
Sleaford Mods ja überhaupt eine tolle Band sind; Jens Balzer beschreibt es in
der „Berliner Zeitung“ so:

„...die Sleaford
Mods sind die tollste Band, die man in diesem Frühjahr entdecken kann;
jedenfalls solange man der Ansicht ist, dass in der sogenannten populären Musik
zur Zeit ansonsten zu viel gute Laune vorherrscht und zu viel Einverstandensein
mit der Welt, und wenn man daraus sowie aus der Gesamtsituation der Welt die
Schlussfolgerung zieht, dass jeder, der in musikalischer Form schlechte Laune
zu verbreiten versteht, nur ein hochwillkommener Gast sein kann. Und die
Sleaford Mods verbreiten wirklich verdammt schlechte Laune. Sie können
niemanden leiden, und sie legen keinen Wert darauf, dass irgendjemand sie
leiden kann. (...) Sie hassen die Politiker, die Leute wie sie zu depravierten
Mini-Job-Existenzen verdammen. Sie hassen London und die bärtigen Hipster, die
sich da herumtreiben („visionless cunts“); sie hassen die enthirnte Generation
der Smartphone-Junkies und Social-Media-Nutzer: „All you zombies / tweet tweet
tweet“.“

Die Konzerte der Band müssen „Ereignisse“ (so die Leute vom Palace in
St. Gallen) gewesen sein. Doch gemach – was ist denn genau das Besondere an
dieser Band? Die Musik wird es eher nicht sein – sie ist gut und hart und
zornig, aber so etwas kennen wir in ähnlicher Qualität seit ein paar
Jahrzehnten, nichts davon ist neu oder innovativ. Die Texte? Die sind eindeutig
und wütend, aber auch das kennt man von guten (amerikanischen) Hip-Hopern oder
Punkrockern seit Jahrzehnten. Was also ist es genau, was die Faszination der
Sleaford Mods ausmacht, was zieht einen in die Alben und läßt die Konzerte zu
Ereignissen werden? Ich glaube, wir werden hier ohne den Begriff HALTUNG nicht
auskommen. In einer Zeit, in der die meisten Bands sich in einer
Biedermeier-Gefälligkeit suhlen, fällt eine Band auf, wenn sie keine
Kompromisse macht, wenn sie eindeutig ist, wenn sie die Verhältnisse radikal
kritisiert und statt Einverstandenseins mit der Welt derselben ein wütendes,
rotziges, tief empfundenes „nicht mit uns“ entgegenschleudert. Und dafür eine
musikalische Sprache findet, der es an Eindeutigkeit und Wut ebenfalls nicht
fehlt. Widerständige Musik, Musik, die beunruhigt, statt einzulullen, Musik,
die Veränderung will und der bewußt ist, daß Veränderungen nur nach langen,
zähen Kämpfen errungen werden können. Musik zum Widerstand gegen die Welt. Mehr
davon!

16.06.2014

Cro Axe-Friedenskämpfer

Der Gegenentwurf zu den Sleaford Mods ist gewissermaßen der biedere schwäbische
Panda-Rapper. Man weiß ja immer nicht, an welchen Markenartikler Cro sich
gerade verkauft hat, ob an McDonalds, Red Bull oder Axe. Am 14.April erreichte
mich jedenfalls eine  Rundmail mit dem
ungewollt doppeldeutigen Titel „Liegen
bleiben für den Frieden mit Cro“:

„AXE PEACE ruft
zur Teilnahme am Bed-In auf // Hip-Hop-Star Cro setzt ein Zeichen für ein
friedvolles Miteinander. Kuscheln für den Weltfrieden konnte nicht nur die
Hippie-Generation: Jetzt interpretiert die Unilever-Marke AXE das Bed-In als
populär gewordenes Friedenssymbol neu und transportiert es in die mediale Welt
der Gegenwart. Um ein starkes Zeichen für den Frieden zu setzen, ruft der
Marktführer im Bereich Männerdeos gemeinsam mit Hip-Hop-Star Cro, der Social-Media-Grösse
Gronkh und Sarazar (...) dazu auf, sich am AXE PEACE Bed-In am 4.Mai 2014 zu
beteiligen. (...) Über AXE.ch kann  jeder
mitmachen, der einfach im Bett liegen bleibt und dies mit einem Foto und
#liegenbleiben in den sozialen Netzwerken dokumentiert. So bekommen die individuellen
Friedensbekundungen einen virtuellen Rahmen und das Engagement für die
Bed-In-Aktion wird deutlich.“

Eines muß man den ekelhaften Werbefritzen lassen – sowas hätte man sich
nicht ausdenken können.... Wollen wir wetten, daß jede Menge Deppen mitgetan
haben bei der ach so individuellen Friedensbekundung a la AXE? Liegenbleiben
für AXE PEACE?Und natürlich signifikant, daß sich Typen wie Cro mit ihrer
Pandabären-Maske selbst das, was sie für eine politische Aktion halten, noch von
Markenartiklern bezahlen lassen...Sleaford Mods, könnt ihr all dieser dumpfen Penner bitte mal eben
wegpusten mit eurer tollen, wütenden Musik? Danke!

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