13.03.2014

FAS & FAZ - Artikel & Anzeigen

Auf Seite 15
der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 9.3.2014 finden wir eine
ganzseitige Anzeige der Textilkette Adler. Titel: „Das Leben ist kein Laufsteg. Es ist Zeit für eine Mode, die mehr
Freude macht. Und weniger Druck.“Der bezahlte
Artikel zu dieser Anzeige, oh, Pardon, ich meinte natürlich: Der Artikel zu
dieser bezahlten Anzeige findet sich im darauffolgenden Buch der gleichen
Zeitung, auf Seite 23: „Adler will die
alten Kunden“ ist er überschrieben und gibt dem Firmenchef ausführlich
Gelegenheit, das zu wiederholen, was ein paar Seite vorher in der Anzeige
seiner Firma bereits stand.Beträgt der Weg
von der Anzeige zum Artikel in der „FAS“ im Fall der Textilkette Adler acht
Seiten, so ist er im Fall der Automarke Opel eine Seite kürzer: Auf Seite 31
der „FAS“ vom 9.3.2014 steht die halbseitige bezahlte Anzeige des Autokonzerns („Ist Opel noch so, wie Sie denken? Schauen
Sie doch mal nach!“), während Opel-Chef Karl-Thomas Neumann eine Seite lang
(auf Seite 24) über „die letzte Hoffnung“
Auskunft geben darf: „Jeder Popel fährt
‚nen Opel. Schlimmer kann der Ruf einer Firma nicht sein. Jetzt will der
Opel-Chef aus der Schwäche eine Stärke machen.“ Denn es geht um „Umparken im Kopf“, was wiederum nicht
im „FAS“-Artikel, sondern in der Opel-Anzeige steht. Es geht eben alles Hand in
Hand. Hinter jedem FAZ-Kopf steckt ein dickes Scheckbuch, sozusagen.Zufall? Nein,
eher nicht, das Wörtchen heißt „systemisch“. Man kann das Phänomen auch im
Feuilleton der „FAZ“ beobachten. Beispielsweise in der Literaturbeilage vom
8.3.2014, wo die viertelseitige Verlagsanzeige des Buches „Vielleicht Esther“
rechts neben der viertelseitigen Besprechung des nämlichen Buches steht (auf
den Seiten L 2 und L 3).Ich muß dann daran
denken, wie mir ein Insider des Buchmarkts mal erzählt hat, daß ein deutscher
Großschriftsteller in seinem Verlagsvertrag den Passus stehen habe, daß der
Verlag ihm garantiere, daß zu jedem seiner Bücher eine große Besprechung von
einer Seite Länge in den führenden Feuilletons der Republik zu erscheinen habe. Nun
werden Sie sich fragen, wie ein Verlag so etwas denn garantieren kann. Ganz
einfach: durch das Schalten entsprechender Anzeigen.Glauben Sie
doch bitte nicht, daß nur der Musikjournalismus embedded sei...

07.03.2014

Townes Van Zandt zum Siebzigsten

Townes Van Zandt wäre am 7.März 2014 70 Jahre alt geworden.So ist
das mit Townes - vor drei Tagen, im Bonnie 'Prince' Billy-Konzert in
Berlin, dachte ich fast den ganzen Abend an meine Zeit mit Townes, und
was für ein großes Geschenk es war, die letzten Jahre seines Lebens als
Europaagent für Townes arbeiten zu dürfen. Und daß die Mischung aus
Melancholie, Humor, Skurillität, wegen mir auch "Wahnsinn" ("Wahnsinn
hat seine Annehmlichkeiten" war der Titel der Konzertkritik in der
"Berliner Zeitung", und auf Facebook fand jemand heraus, daß das wohl
von Diedrich Diederichsens Rezension der Spacemen 3 aus Spex 11/87
geliehen ist...), aber auf jeden Fall auch "Entertainment" der beiden
Künstler Will Oldham und Townes Van Zandt sehr viel miteinander zu tun
haben. Und am zweiten Berliner Abend drückt mir dann jemand, den ich
nicht kannte, zwei Alben namens "Songs of Townes Van Zandt" in die Hand.
Zufall? Und heute im Büro und jetzt eben abends denke ich, wann wurde
Townes eigentlich geboren? Ich muß sagen, daß mir Jahrestage wenig
bedeuten, wer Jahrestage braucht, um sich an Musiker zu erinnern, ist
Lohnschreiber im Feuilleton. Aber ich war doch neugierig und google
spätabends Townes und sehe: ah ja, also genau vor siebzig Jahren... So
ist das also.Townes hätte das gefallen, denn er war abergläubisch.
Sehr. Zum Beispiel verlangte er immer von seinem Tourmanager, vor jedem
Tunnel, den sie durchfuhren, groß zu hupen, um die bösen Geister zu
vertreiben. Wenn Townes aber auf dem Beifahrersitz eingeschlafen war,
passierte es, daß sein Tourmanager nicht hupen wollte, um Townes nicht
aufzuwecken - der aber wachte bei der Tunneleinfahrt von selber auf und
fragte, warum der Fahrer vergessen habe zu hupen. Word.Was soll ich
sagen. Ich habe heute noch Tränen in den Augen, wenn ich manche Songs
von Townes höre. Er war nicht nur einer der größten Songwriter aller
Zeiten, er war auch ein kind-hearted man, ein wundervoller Mensch.
Unvergessen. Das, was Rilke so schön schrieb über die Kraft wirklich
großer Kunstwerke ("...denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.
Du mußt dein Leben ändern."), gilt in besonderem Maße für viele der
Songs von Townes Van Zandt. Vergeßt bitte mal, für ein paar Minuten
wenigstens, das alltägliche Gewese der Welt. Besinnt euch. Hört ein paar
Songs von Townes Van Zandt.Auf Youtube kann man wunderbare
Ausschnitte von Townes sehen, etwa aus dem Dokfilm "Heartworn Highways" -
"Nothin'" oder "Waitin' Around To Die", dem ersten Song, den er je
geschrieben hat... und Chrigel Fisch hat eine sehr schöne Liste mit
Townes-Songs zusammengestellt, auch auf Facebook zu finden. Ich habe
lange überlegt, welches Video ich zu dieser Nachricht packe, und es ist
aus vielerlei Gründen, die zu erläutern hier zu weit führen würde,
"Tecumseh Valley" in einer Liveaufnahme von 1993 geworden - auch wenn
die Aufnahme leider eiert, zeigt sie doch sehr schön, wer Townes war,
und warum man ihn so sehr liebt und verehrt. Townes, we'll send you
dead flowers by the mail, and we won't forget to put roses on your grave
(es gibt eine traumhafte Version von "Dead Flowers" von Townes...).Call me sentimentalist, stupid, but I mean it.

01.03.2014

Musikindustrie Ergebnisse 2013

Nur damit wir nicht vergessen, womit wir es hier
generell zu tun haben, nämlich mit der Kulturindustrie, mit der Musikindustrie
– dieser Tage haben die großen Konzerne der Bewußtseinsindustrie ihre
Jahreszahlen veröffentlicht:

Live Nation
Entertainment, der weltgrößte Konzertveranstalter und gleichzeitig
weltgrößter Tickethändler, erzielte „beim
Jahresumsatz, dem Free Cash Flow sowie dem angepaßten Betriebsergebnis
Rekordwerte“ („Musikmarkt“). Im Jahr 2013 setzte Live Nation demnach 6,5
Milliarden US-Dollar um, elf Prozent mehr als 2012. Das angepaßte
Betriebsergebnis lag Ende 2013 bei 505 Millionen Dollar, was einem Zuwachs um
zehn Prozent im Vergleich zu 2012 entspricht. Weltweit haben im vergangenen
Jahr fast 60 Millionen Menschen Live-Nation-Konzerte besucht, 19 Prozent mehr
als noch 2012. Live Nation war laut Eigenaussage „an 21 der 25 umsatzstärksten Tourneen in Nordamerika beteiligt“
gewesen. –

Der deutsche Monopolist („Marktführer“ heißt das
heutzutage verniedlichend), die CTS
Eventim AG also, deren Chef Klaus-Peter Schulenberg im Juni 2013 vom
amerikanischen Wirtschaftsinformationsdienst „Bloomberg“ das erste Mal zu den
„Dollar-Milliardären“ gezählt wurde, schrieb ebenfalls Rekordzahlen: Der
Konzernumsatz stieg laut vorläufigem Geschäftsbericht des Konzerns in 2013 um
20,8 Prozent auf 628,3 Millionen Euro. Das „normalisierte EBITDA“ (also der operative
Gewinn) der CTS Eventim AG stieg um 13,7 Prozent auf 136,3 Millionen Euro.Im Segment
Ticketing verzeichnete CTS Eventim einen um 16,5 Prozent auf 269,7 Millionen
Euro gestiegenen Umsatz. 2013 verkaufte CTS Eventim allein 23,8 Millionen
Tickets über das Internet, was eine Steigerung von rund 16 Prozent gegenüber 2012
bedeutet. Der Ticketverkauf über das Internet ist für die Ticketingkonzerne
bekanntlich besonders profitabel, laut Schulenberg „ist die Wertschöpfung im
Online-Ticketing pro Karte sechsmal höher als beim herkömmlichen Verkauf“. –

Der weltgrößte
Tonträgerkonzern, die Universal Music
Group, hat den Umsatz 2013 um 13 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro
gesteigert. Dabei überstiegen die Online-Verkäufe laut „FAZ“ erstmals den
Umsatz mit Tonträgern. Die Erlöse mit Abonnements und Streaming sind demnach um
75 Prozent gewachsen. Der Betriebsgewinn der Universal Music Group ist jedoch
durch die Integration von EMI um 3 Prozent gesungen auf "nur" noch 511 Millionen
Euro.Der Mutterkonzern
von Universal, Vivendi, hat 2013
einen Umsatz von 22,1 Milliarden Euro gemacht; der Nettogewinn betrug fast 2
Milliarden Euro. –

In all unseren
Überlegungen über die kulturelle Selbstbestimmung, über das Grundrecht auf
Teilhabe am kulturellen Leben sollten wir diese Zahlen stets einbeziehen.

01.03.2014

Whatsapp

Nun hat die Fressenkladde also die Klitsche „What’s App“ gekauft. Für
ein paar Dollar mehr.Ich erinnere mich an eine Szene der späten 80er Jahre. Einer meiner
Freunde erklärte sein Mißtrauen gegenüber der digitalen Vernetzung. Er war
Professor an der Fuldaer Fachhochschule und mit mir in den 80er Jahren im
Stadtparlament der Bischofsstadt, gemeinsam hatten wir gegen die staatliche
Volkszählung 1987 gekämpft. Es ging schon damals um das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung, das 1983 vor dem Bundesverfassungsgericht
erst erstritten werden mußte, und um den immer stärkeren Datenaustausch
von Polizei und Geheimdiensten ebenso wie die Datensammlungen der Wirtschaft in
Zeiten des Fortschreitens der Computerisierung. Internet, die Jüngeren werden
sich das nicht vorstellen können, gab es im Privatleben seinerzeit noch nicht.Ich erinnere jedenfalls, wie mein Freund in seiner
unnachahmlichen Art, den gesunden Menschenverstand in einfache Bilder zu
gießen, bemerkte, er fände es unheimlich, daß mit einem aus der Wand kommenden
Kabel sein Computer verbunden werde, also jemand von außen auf sein privates
Gerät zugreifen könne. Als mich dieser Freund und seine Frau letzten Sommer in
Berlin besuchten, erzählte seine Frau, daß sie ständig What’s App verwende... Die Frage, ob ein
relativ junges, vor wenigen Jahren gegründetes Unternehmen wie Whatsapp mit nur
55 Mitarbeitern mehr wert sein kann als sagen wir ein traditionsreicher
Stahlkonzern wie Thyssen-Krupp mit mehr als 150.000 Mitarbeitern, ist nicht nur
sehr „analog“, sondern wahrscheinlich auch falsch gestellt. Whatsapp wird
derzeit von 450 Millionen Menschen genutzt und gilt als Datenkrake, als ein Unternehmen, das eine Art „Super-Wanze“
in den Mobiltelefonen seiner Nutzer installiert. What’s App ist ein Jahr lang
„kostenlos“, aber bezahlt wird natürlich in einer anderen Währung, nämlich mit
den Daten der Nutzer, mit der kompletten Preisgabe aller persönlichen
Vorlieben. „Die App kann Gespräche und
Telefongespräche mitschneiden, sie kann Fotos einsehen, mit dem aktuellen
Standort versehen und hochladen. Diese Daten werden, wie niederländische
Behörden nachgewiesen haben, auf amerikanische Server übertragen, ohne dass man
es merkt. Wenn der Nutzer „WhatsApp“ verwenden will, muss er dies zulassen.
Dies geschieht auch, wenn die App im Hintergrund läuft.“ (EDV-Experte
Steffan Löffelbein laut „Der Westen“). „Es ist ein
Vermögen wert zu wissen, welche Menschen auf welchen Umlaufbahnen aneinander vorbeischweben,
um miteinander Kontakt aufzunehmen“ (Frank Schirrmacher). „Kostenlos“ ist in
der digitalen Welt gar nichts. Wir bezahlen immer – mit unseren Daten, mit
unseren Gewohnheiten, mit unserer Privatheit. „Wer immer einem ein kostenloses Angebot macht, ist verdächtig“
(Hans Magnus Enzensberger).Jürgen Habermas hat 1968 unter dem Titel „Technik und Wissenschaft als
‚Ideologie’“ eine Festschrift für Herbert Marcuse veröffentlicht. Darin
beschreibt Habermas „eine große Zahl von
Techniken der Verhaltenskontrolle und der Persönlichkeitsveränderung: neue und
alles durchdringende Techniken zur Überwachung, ständiger Beobachtung und der
Kontrolle von Individuen und Organisationen; neue und zuverlässige
erzieherische und werbemäßige Techniken um menschliches Verhalten zu
beeinflussen – privat und öffentlich; praktische Anwendung unmittelbarer
elektronischer Kommunikation, die mit den Gehirnen operiert; neue und relativ
effiziente Techniken zur Widerstands-Bekämpfung.“ Es geht um die „manipulativen Zwänge eines
technisch-operativen Staates“ – Zwänge, die, wie wir heute wissen, nicht
nur von einem technisch-operativen Staat, sondern vor allem auch von
Großkonzernen ausgeübt werden, die gerne Hand in Hand mit den Staaten und
seinen Geheimdiensten operieren. Wir sind in der Welt von Apple, Amazon,
Facebook und Google – einer Welt, in der die Daten von 450 Millionen Menschen
eben auch mal 19 Milliarden Dollar wert sind.

01.03.2014

Facebook Zensur Patti Smith

Was die kalifornische Ideologie in der Praxis bedeutet, konnte ich
dieser Tage erleben, als ich ein Facebook-Posting über die Sommer-Tournee von
Patti Smith and her band mit einem Live-Video ihres „Rock’n’Roll Nigger“
versehen wollte.Das „Facebook-Werbeteam“ teilte mir mit: „Dein hervorgehobener Beitrag wurde nicht genehmigt.“Konkret teilte mir Facebook mit: „Ein
Beitrag, den Du hervorgehoben hast, verstößt gegen unsere Richtlinien und wurde
deshalb abgelehnt. (...) Die Gestaltung deiner Werbeanzeige verstößt gegen
unsere Werberichtlinien. Wir gestatten die Verwendung von profaner, vulgärer
und bedrohlicher Sprache nicht. Facebook akzeptiert keine Werbeanzeigen, die
Nutzer beleidigen, belästigen oder erniedrigen. Inhalte, die sich auf Alter,
Geschlecht, rassische Attribute, physische Zustände oder sexuelle Vorlieben von
Nutzern beziehen und starkes negatives Feedback hervorrufen, sind nicht
gestattet.“Nun heißt Patti Smith’s Song aber nun einmal Rock’n’Roll Nigger, was alles andere als
rassistisch ist. Doch darum geht es den kalifornischen Ideologen bei Facebook
letztlich auch gar nicht – sie haben sich eine von Teilen der Hippie-Bewegung,
der kulturellen Boheme aus San Francisco, entwickelte „political correctness“
geborgt, mit der sie ihre Produkte der Informationstechnologie ideologisch
verbrämen. Rebellische Musik oder dialektisches Denken sind natürlich
ausdrücklich nicht Teil der Geschäftspraxis von Facebook & Co.

01.03.2014

Sarrazin beleidigt

Thilo „wird man doch wohl noch sagen dürfen“ Sarrazin ist beleidigt und
hat ein neues Buch geschrieben. Wenn ich den Feuilletons, die ich so lese,
trauen darf, ist das Buch genauso furchtbar wie sein Buch davor, nur mit einer zusätzlichen
Portion Weinerlichkeit und Selbstmitleid. Aber das Buch muß dennoch im großen
Stil allüberall besprochen werden.So ist das mit den bürgerlichen Medien – kaum hat jemand einen Köttel
auf den Weg gelegt (und im Fall Sarrazin ist dies, was Konsistenz und Farbe
angeht, wohl ein geeignetes Bild), schon versammeln sie sich alle um diesen
Köttel und müssen ewig darüber reden (sie nennen es „debattieren“...). Ein
blödes Buch eines blöden Ex-Politikers einfach zu ignorieren, scheint keine
Option zu sein. Selbst in der „Jungle World“ fand man es nötig, zwei Seiten
über Sarrazin vollzuschreiben – als Abonnent der Zeitschrift kann ich versichern,
daß ich dort derartige überflüssige Artikel nicht lesen zu müssen wünsche.Wie wäre es im Gegenteil, wenn man statt der Rezensionen eines wohl eher
armseligen Buches mal ausführlich darüber berichten würde, daß der Aufsichtsrat
der BVG, also der Berliner Verkehrsbetriebe, 2007 unter seinem Vorsitzenden
Sarrazin einem komplizierten Geschäft mit der US-Bank JP Morgan nach nur
vierminütiger Beratung zugestimmt hat, ein Geschäft, das er laut Eigenaussage
„nicht verstanden“ hat?Die BVG-Verantwortlichen haben seinerzeit ein extrem riskantes
Finanzierungsgeschäft abgeschlossen, das die BürgerInnen Berlins möglicherweise
bis zu 150 Millionen Euro kosten wird. „Daß die BVG-Verantwortlichen Anfang des 21.
Jahrhunderts bei diesem Vertrag unwissend oder gar dumm gehandelt haben sollen,
geht nach Informationen der ‚tageszeitung’ aus Prozessunterlagen hervor, die
für eine Klage vor dem High Court in London eingereicht worden sind. Mit der
Klage will die BVG verhindern, zur Kasse gebeten zu werden“, berichtet der
„Tagesspiegel“.Sarrazin und sein Aufsichtsrat hatten also „nichts verstanden“, haben „unwissend“ oder gar „dumm“, auf jedem Fall aber zum Nachteil
der Berliner BürgerInnen gehandelt – das ist ein Thema, das mich interessiert!
Darüber sollte ausführlich berichterstattet werden, finde ich.

28.02.2014

Seehofer überwacht Gabriel

Im „Spiegel“ beklagt CSU-Chef und Bayern Ministerpräsident Seehofer die
„Geschwätzigkeit“ des SPD-Chefs und Vizekanzlers Gabriel. Der SPD-Mann habe
jede Menge Vertrauen verspielt, nun müsse er „genau beobachtet werden“.Wie darf man sich das vorstellen? Hat das bayerische Landeskriminalamt
die Überwachungssoftware „Optic Nerve“ vom britischen Geheimdienst bezogen, mit
der die Briten die gesamte Webcam-Kommunikation über Yahoo erfaßt haben?
Obacht, Sigmar Gabriel, beim Videochat mit den Lieben daheim – Big Brother
Seehofer might be watching you!

28.02.2014

Frei.Wild, Echo und Ethik-Beirat

„Nach den
Erfahrungen mit dem Fall Frei.Wild aus dem vergangenen Jahr hatten die
Echo-Organisatoren kürzlich einen Ethikbeirat ins Leben gerufen. Als erstes
beschäftigte sich das neue Gremium nun mit Frei.Wild und dem Album ‚Still’ und
sah keinen Grund für einen Echo-Ausschluß“, berichtet die „Musikwoche“. Großartig.Wie gut, daß Gornys Verband einen Ethikbeirat ins Leben gerufen hat, der
der rechts-nationalistischen Band prompt einen Persilschein für weitere
Echo-Teilnahmen ausstellt. Lang lebe die Ethik, wie sie der Bundesverband der
Deutschen Musikindustrie interpretiert! Und prompt wurden Frei.Wild aus
Südtirol, reingewaschen vom Ethikbeirat der deutschen Musikindustrie, wieder für
den Echo nominiert.

28.02.2014

Jahrescharts VUT 2013

Ganz ohne „Ethikbeirat“ kommt der Juniorpartner von Gornys Verband, der
VUT, aus. Was dem Bundesverband der deutschen Spirituosen-Industrie, oh,
pardon, ich meinte natürlich: dem Bundesverband der Musikindustrie sein Echo
mit dem Kriterium „Alternative national“, das sind dem VUT seine „Independent-Charts“.
Und so zeigte der VUT auch bei der Veröffentlichung seiner
„Independent-Jahrescharts 2013“ („drei
Viertel der Top 20 von deutschen Acts!“, posaunte man stolz heraus –
jawoll, man spricht hier deutsch!, wird man doch wohl noch sagen dürfen...),
wie unabhängig er von der Musikindustrie ist: Auf den ersten Plätzen der
Indie-Jahrescharts deutscher Prägung finden sich hinter „Foreigner“ lauter von
der Musikindustrie sträflich vernachlässigte Bands wie Xaver Naidoo („Bei
meiner Seele“!), die Toten Hosen („Ballast der Republik“!), Kollegah &
Farid Bang („Jung, brutal, gutaussehend 2“!) und Cro – also lauter Bands, die
in den deutschen Albumcharts normalerweise keine Berücksichtigung finden
würden, wenn der VUT, der erklärte Indie-Verband, sich ihrer nicht so tapfer
annehmen würde. Respekt! Es wird sich beim VUT doch wohl auch noch eine
Südtiroler Band finden lassen?

14.02.2014

Valentinstag mit Apple

„Liebe ist so leicht“, säuseln die kalifornischen Apple-Marketingprofis.
Da kämpft man zeitlebens Sisyphos-gleich um die Liebe, mit allem auf und ab,
Sie kennen das – aber die kalifornischen Ideologen haben die Lösung, es gibt
eben einfach „zwei Wege ins Herz deines Lieblings“: Nämlich den iPad Air und
den iPad mini mit Retsina Display.Ach, wenn man das doch vor ein paar Jahrzehnten schon gewußt hätte, wie
leicht die Liebe doch in Wirklichkeit ist. Danke, Apple, danke! Und happy
Valentinstag. Lang lebe der totalitäre Konsumismus kalifornischer Prägung!

"Liebe ist so leicht!iPad Air und iPad
mini mit Retina Display. Zwei
Wege ins Herz deines Lieblings. Wenn du online bestellst, wird das iPad kostenlos zu dir nach
Hause geliefert. Oder komm in den Apple Store und lass dir von einem Specialist bei der
Auswahl des perfekten iPad helfen. Jetzt einkaufen"

14.02.2014

Griechenland, Korruption und deutsche Rüstungskonzerne

Die hiesige gängige Narration geht so: Die Griechen
verplempern „unsere“ Steuergelder, liegen auf der faulen Haut und sind von A
bis Z korrupt, wenn sie nicht gerade Sirtaki tanzen. Die Wahrheit ist eine
andere – die Griechen müssen, flapsig gesagt, hart arbeiten, um die
Bestechungsgelder zu erwirtschaften, die u.a. deutschen Rüstungskonzernen
gezahlt werden:„Plaudernde
korrupte Beamte bringen Griechenlands Politikwelt in Bedrängnis. Die Beamten
haben die Omerta gebrochen und decken die Korruption der vergangenen Jahre auf.
Es sind allerdings so viele Fälle, dass sich die peniblen Beamten beim besten
Willen nicht mehr an alle erinnern können. Kein Rüstungsdeal lief ohne
Bestechung ab. Die Lieferanten aus Deutschland, Russland, Frankreich und den
USA zahlen die Schmiergelder nicht aus eigener Tasche, sie schlugen die
Zahlungen schlicht auf die Rechnung drauf. Diese zahlten dann zunächst die
griechischen Steuerzahler. Seit der Zypern-Krise 1974 hat der griechische Staat
knapp 216 Milliarden Euro für Waffen ausgegeben. Im Vergleich zu den
Staatsschulden, die im August 2013 bei 316 Milliarden Euro lagen, ist dies eine
stolze Zahl. Das gilt vor allem dann, wenn man bedenkt dass die Käufe auf Pump
erfolgten und folglich Zins und Zinseszinsen dazu kommen. (...) Hellas zahlte
jahrzehntelang zwischen drei und sechs Prozent des Staatshaushalts für die
Rüstung. In der Regel lagen die Ausgaben für Waffenkäufe auf dem doppelten
Niveau der Bildungsausgaben. (...) Auch in der Krise scheint der Kalte Krieg
für die Hellenen noch nicht vorbei zu sein. Trotz ständiger Kürzung von Renten,
Löhnen und Sozialleistungen und immer neuen Steuern bleibt das Land an der
Außengrenze Europas hinsichtlich seiner Rüstungsausgaben unter den ersten drei
EU-Ländern. Schlimmer noch, die fanatischsten Verfechter der unsozialen
Sparmaßnahmen drängten die Griechen, weiterhin ihre Arsenale zu füllen. (...) Um
den Griechen Leopard 2 Panzer anzudrehen, wurde faktisch das komplette Ministerium
geschmiert. Unter den verdächtigen Firmen befinden sich zahlreiche alte
Bekannte, wie der bereits wegen nachgewiesener Korruption in Griechenland
abgestrafte Siemens Konzern.“ (Telepolis)

30.01.2014

Scarlett Johansson und Isarel

Die ohnedies quasi auf allen Ebenen verehrungswürdige Schauspielerin
Scarlett Johansson ist zudem noch eine der raren Künstlerinnen unserer Tage mit
Haltung und mit Rückgrat.Seit einiger Zeit hat die Schauspielerin einen Werbedeal mit der
israelischen Firma Sodastream. Nun geriet sie in einen dieser blöden
Shitstorms, mit denen Künstler, die mit israelischen Firmen zusammenarbeiten
oder die es gar wagen, in Israel aufzutreten, heutzutage unter Beschuß genommen
werden (siehe auch „Der Boykott-Blues“: http://www.bseliger.de/sites/default/files/Israel%20Boykott%202013%2008%...
). Zuletzt forderte auch die sogenannte „NGO“ Oxfam die Schauspielerin auf,
nicht weiter mit der israelischen Firma zusammenzuarbeiten – sounds familiar?
„Keine Geschäfte mit Juden!“...Laut „Perlentaucher“ hat Scarlett Johansson nun in der Huffington Post dargelegt, daß sie
keinen Grund dafür sieht: Die Firma, schreibt sie, „ist nicht nur dem Umweltgedanken verpflichtet, sondern will auch eine
Brücke zwischen Israel und Palästina bauen, sie unterstützt die Zusammenarbeit der Nachbarn, die
gleich bezahlt werden und gleiche Rechte haben. Das ist es, was in der Ma'ale
Adumim factory jeden Tag passiert."Im Januar-Heft der auch sonst immer sehr lesenswerten Zeitschrift
„Konkret“ konnte man übrigens einen interessanten Artikel über die Arbeit der
„angeblich uneigennützigen und hilfsbereiten NGOs in den palästinensischen
Gebieten“ lesen (Alex Feuerherdt, „Das bestgehütete Geheimnis“). Wußten sie zum
Beispiel, daß, obwohl es weitaus schlimmere Krisengebiete auf der Erde gibt, es
nirgendwo so viele „Nichtregierungsorganisationen“ gibt? Und diese NGOs agieren
durchaus nicht aus purer Menschenfreundlichkeit, sondern aus massiven
politischen Interessen. In China nennt man die NGOs übrigens GONGOs – nämlich,
was der Realität wesentlich näher kommt: Governmental
Non Governmental Organisations...

21.01.2014

Jack White Paramount-Box

Jack White hat auf seinem Label eine opulente Box mit Aufnahmen von
Paramount Records veröffentlicht: „The Rise and Fall of Paramount Records
1917-1932“. Was ist an dieser Veröffentlichung so degoutant, ja nachgerade
pervers?Hier wird eine Fetischisierung des Musikgeschmacks betrieben, die
ihresgleichen sucht. Alte, Urheberrechts-freie Aufnahmen werden in einer
limitierten (!) handgeschnitzten (!) Eichen(!)box mit Salbei(!)-Samt(!)-Bezug
und handgeschmiedeten (!) Intarsien auf 6 Vinyl-LPs ausgeliefert. Die LPs
wurden auf kastanien(!)farbigem Vinyl gepreßt und haben handgravierte (!)
Blattgold(!)-Etiketten mit einer aufwendigen Blindprägung; die LPs werden in
gelaserten (!) weißen Birken(!)-Hüllen verpackt. Dazu gibt es die einschlägigen
dicken Bücher und einen USB-Stick mit 800 remasterten Tracks und 200
Werbeanzeigen aus der fraglichen Zeit – der USB-Stick hat einen wahrscheinlich
handgravierten bronzeartigen Griff... Sie fragen sich zu Recht – ist das alles
nicht bescheuert? Komplett durchgeknallt? Ja, es ist. Doch ich habe nur aus der
Selbstbeschreibung zitiert, die man auf der Homepage von Jack Whites Label
finden kann. Aktueller Preis dieser Box, des selbsternannten „Wonder Cabinets“,
bei Amazon (Stand 3.1.2014): EUR 568,68.Eine perverse Selbstbefriedigung eines Musikers, hergestellt im
„Manufaktum“-Style für die Reichen, die sich ihren Distinktionsvorteil noch
etwas kosten lassen (diese Musik aber in der Regel kaum hören werden). Wenn es
Jack White um die Musik gehen würde, die auf diesen LPs und auf dem USB-Stick
zu hören ist, wenn es ihm darum gehen würde, daß diese Musik (und es ist wohl,
neben viel Mittelmaß, auch großartiges Zeug darauf, z.B. von Charley Patton,
Blind Lemon Jefferson, Son House, Ma Rainey, Ethel Waters) gehört wird, dann hätte er diese Musik zugänglich gemacht, also kostenlos im Netz veröffentlicht – wie
gesagt, wir reden von Musik aus den Jahren 1917-1932..Aber hier geht es nicht um die Musik. Hier geht es um eitle
Selbstdarstellung. Hier geht es um ein „Mausoleum
für die absterbende Kunst des Plattenhörens“, wie Simon Reynolds sagt; für
Reynolds haben Box Sets immer etwas mit „Särgen“ zu tun, und genau diese
Assoziation hat man beim Paramount-„Wonder Cabinet“ des Jack White: ein
aufwendiger Eichensarg soll hier bereitgestellt werden, den sich die Reichen
als „Coffee-Table-Box-Set“ neben den Couchtisch stellen können. Vergriffene
schwarze Musik als High End-Nischen-Kapitalismus.Ich mag Jack White. Ich war auf seinem letzten Berlin-Konzert, das viel
Spaß gemacht hat, und ich mochte die White Stripes. Und ich war in Austin,
Texas, an seinem umgebauten Bus und habe einige der von ihm
wiederveröffentlichten Platten gekauft. Ich glaube, Jack White ist ein guter
Typ. Aber er zeigt eben auch, wie rasch sich ein Musiknerd, dem es nur um
Authentizität und Verfeinerung geht, in die Sackgasse manövrieren kann. „Wild“
Billy Childish erzählt in Simon Reynolds Retromania-Buch, wie die White Stripes
über Monate hinweg in einem alten Studio versuchten, Platten aufzunehmen, die
so klingen sollten wie diejenigen, die ihre Vorbilder dort an einem Tag
aufgenommen hatten. Auf der Suche nach dem verlorenen Sound... Jemand muß Jack
White sagen, daß er auf einem Irrweg ist.(die Musik der Paramount Box ist mittlerweile übrigens laut Google auf
Pirate Bay zu finden...)

21.01.2014

Gewissensentscheidung Sterbehilfe

Ist Ihnen das auch aufgefallen, wie verschämt die Politiker der
Koalition beim Thema Sterbehilfe sich plötzlich auf die Gewissensfreiheit der
Abgeordneten berufen?„Das Thema
ist bedrängend, weil es existentielle Fragen berührt. Jeder Abgeordnete wird hier
dem eigenen Gewissen folgen“, sagte Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU)
laut „FAZ“. Beachten Sie besonders das „hier“, das die Gewissensentscheidung
der Abgeordneten, die ja laut Grundgesetz selbstverständlich ist und immer und grundsätzlich gilt, als
Ausnahme darstellt – jeder Abgeordnete wird hier, also dieses eine Mal, ausnahmsweise, seinem Gewissen folgen.Aber so ist das in unserer sogenannten Demokratie –
natürlich folgen tatsächlich die Abgeordneten längst nicht mehr ihrem Gewissen,
sondern der Fraktionsdisziplin – während das Grundgesetz festlegt, daß die
Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken, ist die Realität längst
die, daß die Parteien bestimmen, was das Volk denkt und was die Abgeordneten
abzustimmen haben – Gewissen hin, Gewissen her, Gewissen ist ein Zottelbär. 

04.01.2014

Kraniche, CDU und Ungarn

Und was haben die Kraniche der CDU/CSU voraus?

Während Angela Merkels Union im Europaparlament weiter eine
Fraktionsgemeinschaft mit der reaktionären ungarischen Fidesz-Partei des Westentaschen-Diktators
Orbán bildet und auch sonst hierzulande wenig Initiative gezeigt wird, die
antidemokratischen Handlungen der ungarischen Regierung zu bekämpfen, haben die
Kraniche Konsequenzen gezogen:

„Kraniche ändern
ihre Flugrouten – statt über Ungarn fliegen sie nun über Bayern nach Süden“ meldet die
„Berliner Zeitung“ am 3.Januar. Ich habe schon immer ein Faible für Kraniche
gehabt – kluge Vögel sind das!

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