Wenn es um derart hehre Ziele geht, also „ums Portemonnaie der Konsumenten“, „um ihr Entertainment-Budget“ und wie es am schnellsten in die
Kassen von Universal Music, des Weltmarktführers unter den Tonträgerkonzernen,
gelenkt werden kann, dann möchten die Berliner Sozialdemokratie und das
Berliner MusicBoard nicht abseits stehen, sondern tatkräftig mithelfen.„Berlin Music Week“ (BMW), Sie wissen schon – diese komische und sehr
überflüssige Stadtmarketingveranstaltung, veranstaltet unter der Zuständigkeit
des Berliner Wirtschafts(!)senats von Leuten, die es als Erfolg ansehen, wenn
„Ruhe im Karton“ herrscht. Im Juli 2009 habe ich in der „Berliner Zeitung“
bereits den „Nachruf auf
eine Funktionärsmesse“ veröffentlicht, und dem ist auch heute nur wenig
hinzuzufügen, und das Nötige hat Jens Balzer in einem herrlichen Artikel in
selbiger Zeitung unter dem Titel „Warum Berlin keine Music Week braucht“ dieser Tage geschrieben.
Klar: kein Mensch, der noch bei Trost und bei klarem Verstand ist, wird zu
einem in Kooperation mit ausgerechnet dem Axel Springer-Konzern veranstalteten
„Music Hack Day“ gehen, oder zum „Berliner Pilsner Music Award“, oder sich in
den „Music Startup Corner“ setzen, wo unter anderem im Rhythmus blinkende Mobiltelefonhüllen
angeboten werden, oder zu einer ausgerechnet von der O2 World, also der
Berliner Mehrzweckhalle im charmanten Parkhauscharakter, präsentierten
Straßenmusiker-Minibühne gehen oder zu sonstigen Verzweiflungs-Veranstaltungen,
die eine „möglichst ideale Verbindung von
Business- und Publikumsevent anstreben“, also in Wirklichkeit
Werbeveranstaltung für die jeweiligen Geschäftsmodelle der jeweiligen Firmen. „Nicht nur über Musik reden, sondern hin
zum Making, zum kreativen Event.“ I’m awfully sorry, aber wer so
daherplappert, hat verloren. Und zwar völlig zurecht.
Und so ist es erfreulich, logisch und konsequent, daß es die BMW künftig
nicht mehr geben wird. Weniger erfreulich, eher unlogisch und wenig konsequent
ist es, daß es künftig stattdessen ein neues Stadtmarketingdingens geben wird
unter dem achsodollen Titel „Pop=Kultur“, unter dem Dach des Berliner
Musicboards und mithin der Staatskanzlei. Nun kann man am Berliner Musicboard
ja sehr schön sehen, wie ein schlechtes und falsches Konzept durch die
richtigen Personen, also vor allem durch Katja Lucker, dennoch zu etwas
Sinnvollem mutieren kann. Was man sich aber dabei gedacht hat, jetzt eine neue
Stadtmarketingveranstaltung anzugehen, bleibt ein Rätsel, ebenso wie das
ausgewählte Personal. Denn die „Kuratoren“ – denn alle Kunst muß heutzutage
kuratiert werden, das subversive Potential von Pop- und Subkultur soll von
staatlichen oder staatlich finanzierten Bediensteten begradigt werden; Keith
Richards sagte dazu: „Ein
Rock’n’Roll-Kurator? Das ist das Albernste, was ich je gehört habe“... –
die Kuratoren also sind in dem Fall ein Pop-Fan-Boy, der schon dazu beigetragen
hat, kritiklos ein einstmals renommiertes Musikmagazin für die Konsumindustrie
zuzurichten („wir sind so unabhängig wie möglich“, hieß es seinerzeit, als zu
erklären war, warum die Werbekunden direkten Zugang auf die Inhalte des Blattes
bekamen), und ein Tourveranstalter, der gerne mit sich selbst verhandelt, weil
er gleichzeitig bereits Musikkurator eines Berliner Theaters ist, ein Bock
also, der jetzt an einer zweiten mit öffentlichen Geldern subventionierten
Stelle herumgärtnert. Und zu welchem Zweck? Damit schließt sich der Kreis –
denn Björn Böhning (SPD), Leiter der Berliner Staatskanzlei, zeigte sich laut
„Berliner Zeitung“ erfreut und beglückt, daß auch „der Musikkonzern Universal,
der sich in den vergangenen Jahren demonstrativ von der BMW ferngehalten hatte
erstmals wieder Interesse an einer Kooperation bekundet“ habe.
So kommt wie immer eines zum anderen und alles zu einem...
Mein Vorschlag ist: Laßt es endlich bleiben! Berlin braucht keine wie
auch immer geartete Branchenveranstaltung. Und die Welt braucht keinen weiteren
Branchentreff, der Terminkalender der Musikfunktionäre und Protagonisten ist
ohnedies schon eng gefüllt mit all den weltweiten
Stadtmarketingveranstaltungen. Investiert das eingesparte Geld in die
musikalische Bildung – die Musikschulen Berlins brauchen dringend korrekt
bezahlte, fest angestellte LehrerInnen, und an den Schulen fällt auch in Berlin
ständig der Musikunterricht aus. Da ist Nachholbedarf, da ist das Geld gut
angelegt in die Kreativität künftiger Generationen. Und wenn irgendwer was
wissen willen über das, was in der reichhaltigen Berliner Musikszene so läuft –
gebt ihm statt ausgeklügelt kuratierter, überflüssiger Veranstaltungen einfach einen
Stadtplan mit all den kleinen und großen Clubs in die Hand und ein örtliches
Stadtmagazin, in dem all die zig Konzerte verzeichnet sind, die allabendlich in
Berlin stattfinden. Denn Berlin ist längst Pop. Punkt.