14.03.2017

Udo Fröhliche!

Ob Udo Lindenberg auch schon für Audi, den FC Bayern und die CDU komponiert hat, kann ich nicht sagen. In einer Anzeige wird jedenfalls das neue Buch von und mit und über Udo Lindenberg angepriesen: „Alle Seiten des Panik-Rockers“ soll es zeigen, und es heißt, wie drollig, „Udo Fröhliche!“ Untertitel: „Das neue Lindenberg-Lexikon von Benjamin von Stuckrad-Barre.“ Ein, im Ernst jetzt, „Bild“-Buch. Also „Bild“ im Sinne von „Blöd“ nach der gleichnamigen Zeitung, Sie wissen schon.
Glauben Sie nicht? Bitte schauen Sie unter udo.bild.de, es gibt Sachen, die kann unsereiner nicht erfinden.

14.03.2017

Bär Läsker, Frank Zander, Gänsebraten und eingefleischte Veganer

Auch so eine Figur ist der sogenannte Bär Läsker, bekannt geworden als Manager der Musikgruppe „Die Fantastischen Vier“ (deren Logo er sich im Oberarm eintätowieren hat lassen, als stete Erinnerung, wer seine Schecks bezahlt, sozusagen – Sie glauben nicht, welche Bandnamen ich mir in den Oberarm und andernorts habe tätowieren lassen!...) und als Castingshow-Heini. Neuerdings ist der Herr auf dem Vegan-Trip, hat ein Buch zu dem Thema veröffentlicht und ist dabei, die fleischfressende Welt zu missionieren. Unter anderem mit großartigen Weisheiten a la „Latte macchiato ist die Ursuppe der Volkskrankheiten“ oder „Nein zum Tier bedeutet: Ja zu gut.“

In der Woche vor Weihnachten organisiert der Unterhaltungskünstler Frank Zander in Berlin seit etlichen Jahren ein Benefiz-Festmahl für Obdachlose und kredenzt ihnen Gänsebraten. Und was hatte der eingefleischte Berlin-Hasser Bär Läsker („...in Berlin funktioniert nichts, außer Party machen. Vier Tage feiern, das Geld raushauen – das geht in Berlin, Geld verdienen nicht. ... Noch nie habe ich so gespürt, daß ich Schwabe bin“, alle Zitate bis hier „FAS“) beizutragen? Hat er sich angeboten, bei dem Benefiz-Essen für Obdachlose mitzuhelfen und ihnen beispielsweise selbst kreierte vegane Speisen kostenlos zu servieren? I wo. Empathie ist dem Schwaben natürlich ein Fremdwort. Ihm ging es nur darum, Zander anzupinkeln: Ganz toll, Herr Zander. Das bedeutet, viele hundert Gänse mussten ihr Leben lassen. Aber jetzt ist er wieder ein Held. Die Obdachlosen hätten sich auch über vegane Buletten mit dunkler Soße, Rotkohl und Kartoffelknödel gefreut. Und über einen Mandelmilch-Zimtpudding hinterher. Und kein Tier hätte sterben müssen“, schrieb Läsker auf der Fressenkladde (und ließ den Beitrag paar Tage später löschen).

Läsker hat natürlich völlig Recht, in allen Berichten über das Benefiz-Essen konnte man verzweifelte Obdachlose sehen, die sich heulend und jammernd gegen den von Zander servierten Gänsebraten wehrten und verdammt traurig aussahen, daß sie schon wieder Fleisch essen mußten.
Wie wäre es denn, wenn der Schwabe selbst mit angefaßt und seine tolle Menüidee den Obdachlosen angeboten hätte? Ach ja, ich vergaß, mit so etwas läßt sich natürlich kein „Geld verdienen“...
Manche Gestalten demontieren sich selbst. Und wir dürfen zuschauen und alles dann im mehrbändigen Ordner „erledigte Fälle“ abheften.

14.03.2017

David Bowie stirbt in Madagaskar

Im Jahresrückblicks-Heft des Berliner Stadtmagazins „Zitty“ las ich einen der traurigsten Beiträge des Jahres, nämlich von einer Stephanie Grimm, über ihren „Großen Moment 2016“, und der war für sie der Tod von David Bowie am 11.Januar:
„Das kann nicht sein! Wo doch der Welterklärer meiner Jugend gerade so präsent war: neues Album! Geburtstagssause! Wenig später sitze ich im Flugzeug nach Madagaskar und kann nicht einmal eine Blume in der Hauptstraße ablegen. (...) Nie habe ich Berlin so vermißt, nie war ich so dankbar für das Netzwerk. Auf der Insel weiß niemand, wer Bowie überhaupt ist. Die ersten Abende verbringe ich mit wackeligen W-LAN in einem Garten zwischen Schildkröten und Chamäleons und kann nicht genug davon kriegen, was die Blase postet. Am Ende der Reise finden wir zufällig doch noch einen Ort für Trauerarbeit. Mit dem Boot landen wir in einer Bucht, dort wartet ein sehr schwuler Italiener, Lidschatten und Hotpants, am Strand. In seinem Hostel ist jeden Tag Bowie-Gedenktag, von morgens bis Mitternacht.“
Also, was für traurige Leben manche Menschen doch haben müssen. Da fliegen sie extra nach Madagaskar, eine der auf vielen Ebenen tollsten Inseln der Erde, und das gilt nicht zuletzt für die feine, großartige Musik, die seit jeher aus Madagaskar kommt (Tarika! Mahaleo! Matrimbala! Vaovy! Rakotozafy! um nur mal einige zu nennen...). Und dann sitzen sie dort vor ihren Computern und Smartphones, um tagein tagaus zu verfolgen, „was die Blase postet“, weil Bowie gestorben ist, anstatt am blühenden und wilden Leben teilzuhaben, das vor ihrer Gartentür pulsiert.
Und da soll man nicht zum Kulturpessimisten werden...

14.03.2017

Von Katholiken, Kommunisten und Konvertiten

In der „FAS“ durfte ich lesen, daß Harald Martenstein, einer der erzreaktionären Kommentatoren unserer geliebten Qualitätspresse mit wöchentlichen Kolumnen in „Zeit“ und „Tagesspitzel“, erbitterter Gegner aller „Gendertheorie“ und überhaupt einer der „publizistischen Anführer der neue Revolte“ (also der aktuellen „Revolte“ von rechts wohlgemerkt), in seinem frühen Leben lange Zeit bei der DKP war.
Das erklärt natürlich einiges, denn Renegaten sind immer die schlimmsten. Kein Katholik ist je so sehr Katholik wie der Konvertierte. Und all die Ex-Kommunisten, die in den Fluren des Axel Springer-Konzerns, von Holtzbrinck, aber auch in Landes- und Bundesregierungen so rumlaufen, müssen sich an die herrschende Meinung, die bekanntlich immer die Meinung der Herrschenden ist, natürlich viel extremer anpassen als alle anderen, sie müssen ständig beweisen, daß sie auch wirklich angekommen sind im modern talking der Eliten und nichts, aber auch gar nichts mehr an ihnen irgendwie „links“ ist.

14.03.2017

Freiheit für alle Journalist*innen in der Türkei, auch für Deniz Yücel

Man würde ja um einiges lieber in die Kampagne für die Freiheit des Journalisten Deniz Yücel einstimmen, wenn diese Kampagne nicht unter dem Banner „Freiheit für Yücel“, sondern unter „Freiheit für alle Journalist*innen in der Türkei, auch für Deniz Yücel“ segeln würde.
Und wenn in einem zweiten Satz die deutsche Bundesregierung aufgefordert würde, sofort ihre Kumpanei mit der Erdogan-Diktatur aufzugeben und den sogenannten „Flüchtlings-Deal“ zu beenden.

14.03.2017

Bukowski sagt...

„Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind“, sagte der Dichter Charles Bukowski einmal.

22.02.2017

China: Das Gute siegt doch! oder: Wie der Bauer Wang Enlin einmal einen staatlichen Chemiekonzern erfolgreich verklagt hat

Das ist bisher meine Lieblings-Meldung des Jahres:

Ein Bauer in China hat sich 16 Jahre lang Jura beigebracht, um einen Chemiekonzern zu verklagen, der die Felder der Bauern im Dorf Yushutun bei Qiqihar im Nordosten Chinas vergiftet hat. Der Bauer Wang Enlin hat jetzt seine Klage gegen den staatlichen Chemiekonzern Qihua gewonnen, das Gericht sprach den Bauern Schadensersatz in Höhe von umgerechnet 110.000 Euro zu.
Seit 2001 las der 65jährige Wang Enlin, der nur drei Jahre zur Schule gegangen war, laut der Meldung in der „taz“ in einem Buchladen Gesetze, um seine Klage voranzutreiben. Mit Erfolg.

Diese Meldung hat viel Schönes in sich: Sie zeigt, daß sich Widerstand gegen staatliche Willkür und gegen Willkür von Konzernen lohnt – wo Unrecht Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!
Sie zeigt aber auch, daß sich Bildung lohnt – lernen, lernen, lernen!
Und last but not least ist die Nachricht eins in die Fresse der hierzulande gängigen Propaganda, wonach China kein Rechtsstaat sei – ganz offensichtlich ist es aber in China einem kleinen Bauern möglich, einen staatlichen (!) Chemiekonzert zu verklagen und vor Gericht Recht zu bekommen.
Wunderbar.

22.02.2017

Tell the girls that I'm back in town - Original und müder Bilderbuch-Abklatsch

Daß die Musikindustrie alle Naslang eine neue Sau durchs Dorf treibt, und daß die embedded Musikpresse, die größtenteils von den Anzeigen der Musikindustrie lebt, darauf genau so reagiert, wie man es erwarten kann, gehört zu den Allgemeinplätzen angesichts des aktuellen Zustands der Musikindustrie und ist mithin eine eher langweilende Aussage.
Aktuelles Beispiel ist die österreichische Schlagerpopcombo Bilderbuch, deren „schwülstiger Renaissance-Pop“ (Johann Voigt in der „taz“) ein passender Sound zum Neobiedermeier unserer Tage darstellt. Und ich kann problemlos erklären, warum diese überaus langweilige Musik nicht nur den Nerv der Twentysomethings trifft, sondern vorher auch selbigen all der Musik- und Kulturjournalist*innen, die unter dem Dach des Axel-Springer-Konzerns publizieren.

Aber bitte, liebe Leute vom „Rolling Stone“, muß man einen eher bescheuerten Song wie „Erzähl deinen Mädels, ich bin wieder in der Stadt“ gleich als Großtat eines „Goldjungen“ ausrufen? Ich lade jedenfalls den Journalisten oder die Journalistin zu einem Freigetränk seiner oder ihrer Wahl ein, der/die als erstes benennt, daß dieser großspurig-dämliche Bilderbuch-Song („Sei nicht sauer, meine kleine Grapefruit, ich schmecke immer noch nach Fruitjuice“) geklaut ist: nämlich ein reichlich maues Remake des großartigen, charmanten und wirklich tollen Songs „So tell the girls that I’m back in town“ von Jay Jay Johanson aus dem Jahr 1997.

Daß dann ein einstmals renommiertes Kulturmagazin im deutschen Staatsfernsehen zu „Bilderbuch“ nur einen Jubel-Promo-Beitrag ausstrahlt, während im einstmals renommierten Kulturmagazin des anderen Programms des deutschen Staatsfernsehens gleich die Band ins Studio eingeladen wird, um völlig unkritische Fragen gestellt zu bekommen und ein Liedchen vortragen zu dürfen, sagt wiederum einiges über den Zustand der Pop-Kritik im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus. Aber, zugegeben: auch das ist jetzt nichts Neues...

22.02.2017

Fake-Feuilleton der "Zeit": Alles erfunden!

Fake News ist das neue Ding, über das sich unsere Qualitätspresse aktuell ereifert.
Was schon einigermaßen erstaunlich ist, denn die Fake News sind ja keine vermeintlich russische Erfindung, sondern seit jeher ein durchaus erfolgreiches Geschäftsmodell vieler deutscher Medien, von der Blödzeitung bis hin zu all den Yellow-Press-Publikationen, die sich mit der Erfindung von News und ganzen Stories zum Beispiel über den europäischen Adel eine goldene Blatt-Nase verdienen.
Daß ausgerechnet Mathias Döpfner, im Hauptberuf Vorstandschef des Springer-Verlags, in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (jeder Verband hat hierzulande den Chef, den er verdient...) meint, daß gegen Fake News „nur hartnäckige Recherche der Medien“ helfen, ist jedenfalls einigermaßen drollig.

Doch nicht nur die einschlägigen hiesigen Medien leben vom Fake – auch die altehrwürdige alte Tante „Zeit“, das Zentralporgan der Bourgeoisie, faked nicht nur News, sondern gleich ganze Geschichten. In der „FAZ“ vom 17.1.2017 jedenfalls wurde genüßlich ausgebreitet, daß die renommierte Musikkritikerin der „Zeit“ ihren Bericht über das Eröffnungskonzert der Hamburger Elbphilharmonie komplett erfunden, nämlich im Voraus geschrieben hat.

Und das kam laut „FAZ“ so: „Die Eröffnungsfeierlichkeiten der Elbphilharmonie, deren Programmablauf streng geheim gehalten wurde, fanden am Mittwochabend statt. Da der politische Festredner aus Berlin, Joachim Gauck, sich witterungsbedingt um fast eine Stunde verspätete, mußten die Gäste im Foyer warten bis zwanzig vor sieben. Und doch hatten, als die Türen des Saals noch fest verschlossen waren, nämlich Viertel nach sechs, Nutzer der Zeit-App die Möglichkeit, schon in der Printausgabe der „Zeit“ vom Donnerstag zu blättern und einen Erlebnisbericht der Musikredakteurin Christine Lemke-Matwey zu lesen, der suggeriert, sie habe das Eröffnungskonzert als Einzige bereits hinter sich und live miterlebt.“

Die Musikredakteurin der „Zeit“ schildert in dem Bericht akustische Eindrücke des Eröffnungskonzerts, das zu dem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden hatte, und schreibt, Barbara Schöneberger habe „im kleinen Schwarzen“ moderiert – das Kleid war aber für diejenigen, die dann wirklich dabei waren, leider blau.
Fake News? Dumm gelaufen?
Alles erfunden jedenfalls im Feuilleton der „Zeit“. Die bürgerlichen Medien nennen es: Qualitätsjournalismus!

20.02.2017

Refugees welcome!

Am letzten Samstag haben in Barcelona nach Polizeiangaben 160.000 Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingen demonstriert. Die Organisatoren von »Unser Haus ist euer Haus« sprachen sogar von einer halben Million Menschen. Es wäre damit in Europa die größte Kundgebung seit Beginn der Flüchtlingsbewegung 2015.
Unter dem Motto »Wir wollen aufnehmen – Schluss mit den Ausreden« protestierten die Teilnehmer insbesondere gegen die Madrider Antiflüchtlingspolitik. Die spanische Regierung hat bisher nicht einmal ihre minimale Zusage umgesetzt, bis zu 16.000 Flüchtlinge aufzunehmen.
Wäre es vorstellbar, daß hierzulande, beispielsweise in Berlin, 160.000 Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingen auf die Straße gehen?

20.02.2017

Kluger Kopf kann nicht bis 2 zählen

Bekanntlich steckt hinter einer großen deutschen Tageszeitung ein kluger Kopf. Manchmal aber auch einer, der nicht bis zwei zählen kann: Eckart Lohse berichtet vom Auftritt der Kanzlerin im NSA-Untersuchungsausschuß des Bundestags, und wie Merkels Antworten immer schmallippiger ausfallen:
„Kurz nach 13 Uhr begann sie damit, manche Fragen der Abgeordneten nicht mehr mit ‚Nein’ zu beantworten, sondern nur noch mit ‚Nö’. Immerhin: ein Buchstabe gespart.“

01.02.2017

R.I.P.

R.I.P. Peter Rieger!
Immer traurig, wenn ein geschätzter Kollege geht.
Als ich im Herbst 2013 meine Konzertagentur schloß und in mein kleines „Büro für Musik, Texte & Strategien“ transformierte, schrieb mir Peter Rieger eine so überraschende wie schöne Mail.
Unter anderem schrieb er:
„I started the business out of a passion for music   - but now the passion is all about money.“
Wie Recht er hatte...

01.02.2017

Omerta bei Volkswagen

Ex-VW-Chef Martin Winterkorn machte vor dem Untersuchungsausschuß des Bundestags den Hasen und wußte von nichts, wann immer es ernst wurde. Die systematischen Manipulationen an den Autos? Haben sich an ihm vorbei abgespielt, er war nicht involviert, er hatte keine Ahnung, bedauerlich bedauerlich... Der Chef eines der größten Autokonzerne der Welt eine bloße Randfigur, die von nichts gewußt hat, komplett ahnungslos.

Winterkorn erhält von seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Volkswagen-Konzern, eine Rente in Höhe von 3.100 Euro. Am Tag. 93.000 Euro pro Monat. Man nennt es Schweigegeld.

01.02.2017

Batman Trump

Aus Trumps Inaugurationsrede:
„… we are transfering power from Washington D. C. and giving it back to you, the people.“

Aber wer hat das als Erster gesagt, wer hats erfunden?
Man kann die Zeile wortgleich im dritten Teil der Batman-Trilogie von Christopher Nolan hören. Dort verkündet Bane den Bürgern von Gotham City, daß sie nun selbst die Macht über die Stadt haben. Popkultur rules! Alles Fledermaus, irgendwie.

01.02.2017

Scheißhausfliegenfrechheit

„Wolfgang Welt hatte das, was jeder Rockjournalist zuverlässig haben muss, wenn er wahrgenommen werden will: 25 Prozent Kennerschaft, 25 Prozent Leidenschaft und mindestens 60 Prozent Scheißhausfliegenfrechheit.“
Frank Schäfer über Wolfgang Welt – aber eigentlich ins Stammbuch des Popjournalismus...

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