8,32 Milliarden Euro nehmen die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten hierzulande jährlich durch die Zwangsgebühren ein, die der Staat von den Bürger*innen einzieht, egal, ob sie über Fernseher oder Rundfunkgeräte verfügen, ob sie taub oder blind sind oder ob sie die Programme überhaupt anschauen wollen. Doch dieses Geld ist den Öffis nicht genug, nun wollen sie den Bürger*innen ein weiteres Mal in die Taschen greifen und die Gebühren weiter erhöhen. Die vielen teuren Sportsendungen (über 800 Millionen Euro geben ARD und ZDF jährlich allein für die Lizenzen ihrer Sportübertragungen aus!), die hohen Intendantengehälter (die meisten Intendanten verdienen mehr als die Bundeskanzlerin) und die über 150 Tochtergesellschaften von ARD und ZDF, die sich der öffentlichen Kontrolle entziehen, wollen schließlich finanziert sein.
Gemeinhin gelten ja Arte und 3sat als die positiven Ausnahmen unter all den drögen Sendern des deutschen Staatsfernsehens, und wann immer man gegen das Staatsfernsehen und die Zwangsgebühren argumentiert, hört man Stimmen, die sagen, du hast ja eigentlich Recht, aber ich schaue sowieso nur noch Arte und 3sat, und die machen doch so ein tolles Programm...
Betrachten wir also mal, wie Musiksendungen bei Arte entstehen. Vor ein paar Wochen erreichte mich die Mail einer Produktionsfirma, in der diese sich für eine Fernsehshow einer von mir vertretenen Band interessierte. Darin hieß es u.a. (Grammatik und Interpunktion im Original):
„Wir produzieren für’s ZDF / Arte unter anderem die Konzertreihe Berlin live. Aufgezeichnet wird die Show mit ca. 400 Fans (ca. 60 Min.) im SchwuZ in Neukölln. Der Eintritt ist kostenlos und erfolgt über eine Gästeliste. Die Liste der Künstler ist lang (...)
Wir würden sehr gerne xxx für eine Aufzeichnung gewinnen wollen. (...) Einen möglichen Ausstrahlungstermin könnten wir mit dir abstimmen um die nächsten Konzerte zu promoten und wenn wir dich unterstützen können oder du andere Ideen haben solltest, lass es mich gerne wissen.“
Interessant: Die Musiksendungen bei Arte werden also nicht von Arte produziert, sondern von kommerziellen Produktionsfirmen. „Öffentlich-rechtlich“? Pustekuchen!
Auf meine Nachfrage nach den Konditionen für einen derartigen Auftritt der Band erhielt ich diese Antwort:
„Die deutsche Fernsehlandschaft gibt auch leider an Musikformaten wenig her (...)
Wenn es aber ein Format gibt, dass xxx in jeglicher Form zusagen könnte, dann wäre das Berlin live. Die Venue (SchwuZ) mit all ihren wunderbaren Mitarbeitern, ein tolles Publikum und mit ARTE einen Kultursender der die richtigen Gesellschaftspolitischen Ansichten vertritt und unterstützt. Eine professionelle Produktion und eine enorme Reichweite.
Die Show wird natürlich auch in Frankreich zu sehen sein und in vielen anderen europäischen Märkten.
Wir können keine Gage zahlen, übernehmen aber die Produktionskosten, Reisekosten, Hotel usw. sofern diese sich in einem nachvollziehbarem Rahmen bewegen.
Darüberhinaus ist der Künstler an der Verwertung zu 50% beteiligt. Nachdem die Kosten recouped worden sind. Eventuell kann man an der Beteiligung noch etwas drehen.
Wir bekommen die Produktionskosten nur zu 2/3 vom ZDF bezahlt und mussten uns 1/3 am Markt besorgen. BMG übernimmt einen Großteil der Kosten und bekommt dafür die Verwertungsrechte Audio-Visuell an der Show.“
Das ist also die Realität für Musiksendungen im deutsch-französischen Kulturkanal: Die Künstler werden nicht bezahlt, sie sollen für umme auftreten, nicht mal eine popelige Mindestgage ist vorgesehen. Gleichzeitig aber zwingt das ZDF die Produktionsfirma dazu, sich ein Drittel der vermutlich sowieso nicht gigantischen Produktionskosten „am Markt“ zu besorgen. Und einer der Großkonzerne der Musikindustrie erhält gleichzeitig die audio-visuellen Verwertungsrechte an der Show, und die Künstler und Bands werden großzügigerweise mit 50% an der Verwertung beteiligt – aber auch erst, nachdem alle Kosten eingespielt wurden.
Ich weiß nicht, ob ich besonders altmodisch bin, aber ich finde derartige Konstruktionen ausgerechnet beim mit über acht Milliarden aus Zwangsgebühren finanziell üppigst ausgestatteten Staatsfernsehen nicht nur extrem skandalös, sondern ich bewerte die Tatsache, daß Musiker*innen ohne jegliche Bezahlung ein Konzert geben sollen, das im Fernsehen ausgestrahlt wird, als Ausbeutung.
Nun bin ich kein heuriger Hase – ich weiß, daß dies landauf landab auch und gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen gang und gäbe ist. Musiker*innen werden nur noch in Ausnahmefällen für ihre Auftritte in Funk und Fernsehen bezahlt. Aber ich will mich nicht damit abfinden. Es gehört sich einfach nicht, daß Musiker*innen eine Leistung erbringen, die nicht bezahlt wird. Die Zeiten des Feudalismus sollten vorbei sein. Musiker*innen müssen für ihre Konzerte ordentlich bezahlt werden, und das gilt erst recht fürs Staatsfernsehen, und es ist unakzeptabel, daß ein Kultursender wie Arte von Musiker*innen verlangt, daß sie ohne Bezahlung auftreten sollen.
Wo sind die Musiker*innen, die so gerne öffentlich über ihre angeblich so mauen Streaming-Einnahmen barmen, wenn es darum geht, daß mit über acht Milliarden Euro ausgestattete Rundfunkanstalten ihre Darbietungen nicht nur ordentlich, sondern überhaupt bezahlen?
Wo sind die Lobbyorganisationen der Musikindustrie, von Gornys BVMI bis zum VUT, die sonst gebetsmühlenartig kritisieren, daß die Internetkonzerne die Künstler nicht bezahlen würden? Oh, ich vergaß – die Plattenfirmen tragen ja selbst einen Großteil der Verantwortung für diese Ausbeutung der Künstler, denn für sie ist jeder TV- oder Radio-Auftritt ihrer Künstler „Promotion“, und sie haben in ihren Künstlerverträgen meistens entsprechende Regelungen getroffen, daß die Künstler unentgeltlich für alle Promotätigkeiten zur Verfügung stehen müssen.
Übrigens: der Anteil von „Musik“ am Programm der Öffentlich-Rechtlichen ist marginal. Laut ARD-eigener Fernsehstatistik betrug der Anteil von Musik am gesamten Fernsehprogramm der ARD z.B. im Jahr 2013 gerade einmal 0,1 Prozent (ganze 544 Minuten aller 530.217 Sendeminuten), beim ZDF waren es 2012 laut ZDF-Jahrbuch 0,5 Prozent, bei 3sat auch nur 3,5 Prozent. Laut Rundfunkstaatsvertrag haben die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten.“ Diesem Gesetzesauftrag kommen die Sender längst nicht mehr nach, einzig der Unterhaltungsauftrag wird permanent übererfüllt.
Daß von all den Milliarden aber nicht einmal eine Handvoll Euros für Musik*innen übrig bleiben, die mit ihren Konzerten Stunden der Kulturprogramme der Öffis füllen, ist mehr als ein Bubenstück.