04.01.2014

Grüne GEMA

Und die „Grünen“?

Deren baden-württembergische Variante zeichnete sich Ende letzten Jahres
als besonders kunstfeindlich und besonders Gema-freundlich aus. Zwei
Grünen-Ministerinnen verhinderten den Einsatz der Musik eines prominenten
GEMA-Kritikers bei der Verleihung des Schiller-Preises an Reinald Goetz.

Und das kam so: Für den Festakt zur Verleihung des Schiller-Preises an
Rainald Goetz im November 2013 war als musikalischer Beitrag das Stück „Charts
Music“ des Komponisten und GEMA-Kritikers Johannes Kreidler vorgesehen. Dieses
Musikstück ist laut „Telepolis“, dem ich den gesamten skandalösen Vorgang
entnommen habe, „aus Aktienkursen und
anderen Wirtschaftskurven entstanden, mit denen der Komponist die
Microsoft-Komponiersoftware Songsmith fütterte“. Daraus entstand laut
Kreidler ein „vorfinanzierter Hörsturz“,
ein profundes Stück Avantgardemusik.

Die Organisatoren
der Feier allerdings teilten dem Komponisten mit, daß das „von der Grünen-Politikerin Theresia Bauer geleitete
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und das von ihrer
Parteifreundin Silke Krebs geführte
baden-württembergische Staatsministerium auf eine Änderung des Rahmenprogramms
drängten, weil es ‚zu progressiv’ sei.“

Auf Anfrage hieß
es aus dem Kunst-Ministerium dann, „es sei
Aufgabe des Ministeriums, ‚durch eine geeignete Organisation und ein passendes
Rahmenprogramm’ für eine ‚angemessene und gelungene’
Schillerpreisverleihungsfeier zu sorgen. Das von der Musikhochschule Stuttgart
dazu vorgeschlagene Werk Kreidlers erachte man zwar als ‚inhaltlich spannend’
und es verspreche, ‚die Persönlichkeit und das Werk des Preisträgers [...]
passend zu spiegeln’ - da es jedoch über 30 Minuten lang sei und die Festivität
insgesamt nur eine Stunde dauern solle, habe man darum gebeten, ‚das Rahmenprogramm
zeitlich zu straffen’, um ‚der Tatsache gerecht zu werden, dass im Zentrum der
Veranstaltung nicht die Musik, sondern die Ehrung eines Literaten steht’.“
Allerdings: Das Stück Kreidlers, das endgültig aus dem Festprogramm herausflog,
ist keineswegs 30 Minuten, sondern nur 3 Minuten lang.

Derartig plumpe
staatliche Eingriffe in die Kunstfreiheit waren eigentlich mal das Privileg der
bayerischen CSU-Regierungen zu Zeiten von Strauß oder Stoiber. Tempora
mutantur...

Friedrich Schiller
ist bekanntlich weiland vor der herrschenden Unfreiheit in dieser Region
geflohen.

08.12.2013

Gauck boykottiert Olympische Spiele

„Gauck boykottiert
Olympische Spiele in Sotschi.“

Ich wußte gar nicht, daß er sich qualifiziert hatte. Und in welcher
Disziplin. Pirouettendreher?

08.12.2013

Lou Reed und Peter Kurzeck

Um einen so zauberhaften wie traurigen Satz aus Peter Kurzecks „Ein Kirschkern im März“
zu paraphrasieren:

„Erst Lou Reed – schon sein Tod: das hätte nicht sein dürfen. Von Rechts
wegen! Und jetzt auch noch Peter Kurzeck! Wie sollen wir uns jetzt auch noch
den ersetzen?“

08.12.2013

Katholiken und Kommunisten

Und die Katholiken? Sind unter die Kommunisten gegangen,
bzw. sind mindestens veritable Antikapitalisten. Ihr Chef auf Erden, Papst
Franziskus, nennt in „Evangelii Gaudium“ das herrschende kapitalistische Wirtschaftssystem „in der Wurzel ungerecht". Die Welt lebe in einer neuen
Tyrannei des „vergötterten Marktes".

Da nimmt einer plötzlich die Bergpredigt ernst.
Erstaunlich. Doch nicht, daß Sie jetzt denken, da werde jetzt die Pieta
zugunsten der Flüchtlinge von Lampedusa versteigert. Nein, die mit größtenteils
verbrecherischen Mitteln über die Jahrhunderte angehäuften Reichtümer der
Kirche bleiben: Reichtümer der katholischen Kirche.

08.12.2013

Jahrescharts SZ 2013

Die CD-Weihnachts-Tipps der SZ-Feuilleton-Redakteure („was SZ-Autoren
lesen, hören, schauen“...) am 30.11.2013 (die Literatur-CDs sind hier
weggelassen, nur Musik-CDs also, und es heißt dort auch ausdrücklich „CD“,
nicht „Album“ oder „LP“):

Neil Young/Psychedelic Pill, Jonas Kaufmann/The Verdi Album, Mieczyslaw
Weinberg/Complete Sonatas for Violin, Anna Prohaska/Enchanted Forest, The
Strypes/Snapshot, Nick Cae & The Bad Seeds/Live from KCRW, Vampire
Weekend/Modern Vampires of the City, John Eliot Gardiner/Bach Kantatas, Ute Lemper/Forever,
Tocotronic/Wie wir leben wollen, The Notwist/Close To The Glass (erscheint aber
erst im Februar 2014 – ts ts...), Daft Punk/Random Access Memories, Robbie
Williams/Swings Both Ways, Russian Circles/Memorial, Criolo/Nó Na Orelha („So
weich kann die Favela klingen“...), Junip/same.

So ist das. Kein HipHop, kein Jazz, kein R’n’B – keine Experimente!
Biedermeier! Was jetzt nicht heißen soll, daß diese Alben nicht auch gut sein
können, klar, aber vom Qualitäts-Feuilleton der größten deutschen „Qualitätszeitung“
kann man doch etwas mehr erwarten, oder?

01.12.2013

Joschka Fischer und sein neuer BMW

Joschka Fischer und sein neuer BMW:

01.12.2013

Rundfunkgebühren in Frankreich

Während in Deutschland das Rundfunkgebührensystem zu Anfang des Jahres auf eine Haushaltspauschale umgestellt wurde, die zur Folge hat, dass auch jene Bürger in vollem Umfang Sportübertragungen, Volksmusiksendungen, Degeto-Fernsehspiele, Vorabendsoaps und Musiksendungen zweifelhafter Qualität mitfinanzieren müssen, die diese gar nicht nutzen (und häufig auch gar nicht nutzen wollen), schlägt die französische Kulturministerin Aurélie Filippetti laut „Telepolis“ ein faires, BürgerInnen-gerechtes Verfahren vor: Sie will, „daß die Bürger ihres Landes künftig in der Steuererklärung angeben können, ob sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen oder nicht. Wer sich lediglich über private Sender und das Internet informiert oder medienabstinent ist, müsste dann auch nichts mehr zur Staatsunterhaltung beitragen.“ Eine Überprüfung der Richtigkeit der von den Bürgern gemachten Angaben hat Filippetti angeblich nicht im Sinn, sie will den Menschen "vertrauen".In Frankreich beträgt die jedes Jahr mit der Inflation steigende Rundfunkgebühr derzeit 131 Euro im Jahr – 84,76 Euro weniger als die Zwangssteuer in Deutschland.

01.12.2013

Schwarz-grün

Der rechtskonservative Ministerpräsident Bouffier bastelt in Hessen eine schwarz-grüne Koalition. So wächst zusammen, was zusammen gehört.Das war der ursprüngliche Blogeintrag. Am Tag darauf lese ich in der „FAZ“, daß Grünen-Vorsitzender Al-Wazir seine Twitter-Meldung über die Koalitionsgespräche mit der CDU mit einem Song des einschlägigen Christen-Schmuse-Poppers und Afghanistan-Bundeswehr-Truppenbetreuers Xavier Naidoo verlinkt hat. Über das kulturelle Niveau der Grünen braucht man sich keine Illusionen zu machen, es wächst eben immer alles noch besser zusammen...

01.12.2013

Bauer sucht Frau

"Schön is' det nich', ne, überall heiraten se im Bekanntenkreis und bauen Häuser und alles, und selbst bleibt man irgendwie übrig."Aus „Bauer sucht Frau“, RTL

01.12.2013

Katja Hermes und Initiative Musik

Zu Angela Merkels „Boygroup“ gehört der bisherige Kanzleramtsminister Eckart von Klaeden, der jetzt in neuer Rolle für Daimler arbeitet, nämlich als Cheflobbyist. Direkt aus dem Kanzleramt verpflichtet. Im Kanzleramt hatte Eckart von Klaeden laut „FAZ“ u.a. „mehrere interne Vorlagen des Bundeskanzleramts zur Regelung des Kohlendioxidausstoßes von Neuwagen in der EU erhalten“. Das Wirtschaftsministerium hatte „die Verbrauchseffizienzkenn-zeichnungsverordnung minutiös an die Wünsche der Automobilbranche angepaßt“, meldete die FAZ süffisant.Aber wollen wir nicht so tun, als ob uns das in der Musikindustrie fremd wäre, auch wenn hier die Dimensionen natürlich um etliche Klassen geringfügiger sind. Die führende Mitarbeiterin der quasi staatlichen „Initiative Musik“, Katja Hermes, etwa übernimmt laut einem Bericht der „Musikwoche“ dieser Tage die Leitung der in Berlin neu eröffneten internationalen Agentur „Sound Diplomacy“. Was diese Firma so treibt? „Wir verbinden Veranstaltungsmanagement mit Forschung und strategischer Beratung“, heißt es bei „Musikwoche.de“. Aha. Und: „Katja Hermes fungiert künftig als Ansprechpartnerin für deutsche Institutionen, Organisationen und Unternehmen, die sich international etablieren wollen, aber auch für internationale Einrichtungen und Unternehmen, die auf den deutschen Markt abzielen.“Zu den ersten Kunden von Katja Hermes und ihrem deutschen Büro von “Sound Diplomacy“ gehören – die Initiative Musik. Und das Musicboard Berlin. Und Berlin Partner. Eben all die staatlichen „nation building“- und Stadtmarketing-Institutionen, die sich der deutschen Popwirtschaft bemächtigt haben und für eine derer Frau Hermes zuvor als Funktionärin gearbeitet hat.

01.12.2013

Todeskino

Ich weiß ich weiß, Namenswitze...Aber wenn Sie in Ihrer Tageszeitung die Schlagzeile „Todeskino will Kiel weiter führen“ („FAZ“) lesen – geben Sie zu, dann müssen Sie doch auch schmunzeln, oder?

01.12.2013

Tobias Künzel & Marx-Musical

Tobias Künzel war mal bei den Prinzen und ist seit geraumer Zeit stellvertretendes Aufsichtsratsmitglied der GEMA. Dabei muß er schlimme Sachen gesehen haben, denn nun schrieb er ein Musical über Karl Marx. „Er wird langsam wieder sexy“, sagt Künzel laut „Berliner Zeitung“, und Marx „hatte oft recht“, und so hat der GEMA-Fan nun eine „schräge Verwechslungskomödie mit Rockmusik“ komponiert. Der Intendant des Plauener Stadttheaters, wo das Künzel-Musical und auch schon Musicals wie „Hasch mich, Genosse!“ Premiere hatten, meint laut „SZ“: „Marx gehört zum Osten einfach dazu, das interessiert die Leute.“Auf dem Programmflyer steht: „Lustiger als das Kommunistische Manifest! Romantischer als das Kapital!“ Ganz Musical eben, ganz Künzel eben, der laut Eigenaussage „keiner ist, der Straße auf Lampe reimt“.

01.12.2013

Neo Rauch & Die Welt

Springers „Welt“ hat am 30.10. den Maler Neo Rauch eingeladen, die Ausgabe der Zeitung zu gestalten – „jede Seite ein Traum“. Laut „Welt“ setzt Neo Rauch „gegen das Schlagfeuer der Nachrichten Bild-Erzählungen voller Rätsel und versteckter Botschaften“.Nach der ersten Seite dieser Ausgabe, auf der ein Bild von Rauch und die zitierte Ankündigung zu sehen ist, erstmal zwei Seiten Anzeige eines Automobilkonzerns, „die Kunst, voraus zu sein“. Dann drei Seiten „Zeitung“ oder was man bei der „Welt“ dafür hält (mit „Bloß keinen Ingwertee für Merkel“ wird eine Seite gefüllt, auf den Meinungsseiten „Was ist ein Diktator?“ und „Chodorkowskis Mut“), dann eine Seite Uhrenanzeige („Wahre Schönheit währt ewig“), eine Seite Bankenanzeige („We ♥ NR seit 16.3.1990“ – wohl das Datum des ersten Ankaufs eines NR-Bildes durch die Bank...), und so geht es weiter im sogenannten Feuilleton mit weiteren fetten Auto- und Konsumgüter-Anzeigen – bisserl redaktioneller Text muß eben auch in einem Anzeigenblättchen heutzutage um die Anzeigen herum verstreut werden, damit sich die Inserate der Industrie besser verkaufen...

01.12.2013

Judith Holofernes im Spiegel

Apropos Qualitätsjournalismus: Was denken Sie, wo stand dieser Text, und über wen ist er geschrieben?„Sie will ein Album vorlegen, auf dem endlich ‚alles genau so klingt, wie ich es will’, sagt sie, das Visier aus Filz und Wolle für einen Moment geöffnet, das Gesicht gerötet von der Last des falschen Pferdes. Sie hat, auf den ersten Blick, noch immer die anrührend klaren Augen des Mädchens, das sie vor 15 Jahren war, in der Zeit vor dem Ruhm, vor der Heirat, vor den Kindern. Die blauen Augen der entschlossenen jungen Frau, die damals auch schon 22 war und die bei ihren allerersten Auftritten in vergammelten Kneipen ihren Traum besang, ein Popstar zu werden, auf der ganz großen Bühne (...)Sie konnte nicht wissen, wie es sich anfühlen würde ‚da oben’, im Licht, auf Platz eins der Charts, auf Festivals vor 80.000 zahlenden Zuschauern, wie es sich sitzt in den Fernsehstudios bei Maybrit Illner, bei Harald Schmidt, als er noch groß war, wie es ist, dem Dalai Lama die Hand zu schütteln. (...) Sie wußte nicht, wie erbarmungslos der Rummel um den Ruhm sein kann, wie tief Müdigkeit geht, wie schnell sich alles anfühlt, ‚als würde man sich nicht mehr selbst gehören’. Sie ahnte nicht, daß Popstar werden leichter ist als Popstar sein.Ihre Augen spiegeln diese Erfahrung heute, auf den zweiten Blick, eine Spur von Zweifel liegt manchmal in ihnen, eine kleine kichernde Angst, wenn sie sich die Reaktionen auf ihre neue Platte ausmalt, die Gemeinheiten, mit denen sie rechnen muß. (...) Dünn ist ihre Haut geblieben, ihr Panzer nur aus Wolle und Filz. (...) In den Liedern steht sie da, offen, verletzlich, erschütternd, den Kopf geneigt zum Nackenbiß.“Na? „Das neue Blatt“? „Gala“? Ein Lore-Roman? Susanne Messmer in der „Zeit“ über eine tibetanische Sängerin?Nein, das altherrenhafte Gesülze stand im „Spiegel“, und der Artikel ging über Judith Holofernes. Vor einiger Zeit hat sich die Künstlerin selbstbewußt gegen die Vereinnahmung der Blöd-Zeitung gewehrt. Daß leitende Redakteure der Blödzeitung jetzt leitende Redakteure beim „Spiegel“ sind und dort längst Artikel geschrieben werden, die so auch in der „Bunten“ stehen könnten – wer konnte so etwas ahnen. Ein derartiges Geschreibsel hat Judith Holofernes jedenfalls nicht verdient.

01.12.2013

Lahm & Käßmann

Aber es geht immer noch schlimmer. Oder können Sie sich ein Gespräch von Philipp Lahm und Margot Käßmann vorstellen? Wollen Sie das gar lesen müssen? „Chrismon“, das evangelische Umsonstblättchen, hat die beiden zusammen kommen lassen, „was uns stark macht“.Mir hat am besten Philipp Lahm gefallen, der ganz Fußballer-like (Abitur zu haben bedeutet heutzutage bekanntlich auch nichts mehr) plappert: „Ich denke, die Zeit, in der wir leben, ist sehr ungewiß. Und die Themen sind sehr kompliziert. Also brauchen wir Helden, zu denen man aufschauen kann, weil sie Mut bewiesen haben und ihre Erfolge Mut machen.“Die Zeiten? Sehr ungewiß, fürwahr.Die Themen? Sehr kompliziert.Erst hat man kein Glück, dann kommt auch noch Pech hinzu.

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