Blogdarstellung in voller LängeBlogdarstellung mit Anrisstexten
Berthold Seliger - Blog abonnieren
Blog Archiv - Jahr %1
23.06.2017

Nein, bitte nicht schon wieder Dercon...

Nein, nicht schon wieder „Dercon“ und die „Volksbühne“ – wiewohl die Abwicklung eines erfolgreichen Theaters durch sozialdemokratische Provinzpolitiker (nämlich Müller und Renner) unverändert schmerzt und empört und noch lange nicht vergessen ist und niemals vergeben werden wird.

Was aber fast schon wieder lustig ist: Das, was Dercon von der alten Volksbühne übernimmt, ist ihr mit Abstand schwächster Teil, nämlich das Musikprogramm und der völlig überforderte und inkompetente Musik-„Kurator“. Der hat gleich fürs erste Programm unter Dercon etwas ganz Besonderes angekündigt, nämlich ein Gastspiel der tollen Kate Tempest, die ihr Programm „Let Them Eat Chaos“ in der Volksbühne aufführen wird. Dumm nur, daß es ein müder Aufguß werden wird: Kate Tempest hat das Programm längst schon in Berlin auf die Bühne gestellt, nur ohne Orchester und Chor. Aber so etwas bekommt Dercon halt nicht mit, denn „das Berlin der Nacht“ kennt der neue Volksbühnen-Chef nicht, wie er freimütig bekennt, „weil er vor elf Uhr abends schlafen geht“ („Berliner Zeitung“). Hoffen wir, daß wir uns auf diese Aussage verlassen können, denn so bleibt unsereinem eine spätabendliche oder nächtliche Begegnung mit Dercon erspart.
Aber die Wiederholungen sind natürlich signifikant für Dercons „Programm“. Da wimmelt es nur so von „Weiterführungen bereits etablierter Serien“, von „Adaptionen von bereits bestehenden Inszenierungskonzepten“ (Nachtkritik) und von Koproduktionen etwa mit den Münchner Kammerspielen (deren Intendant Lilienthal Dercon bei Renner bekanntlich massiv protegiert haben soll). Von den großmäulig angekündigten 18 „Premieren“ entpuppen sich 16 als Gastspiele, die andernorts produziert wurden, dort teils jahrelang liefen und nun teuer eingekauft werden. Gerade einmal zwei Eigenproduktionen sind für die Spielzeit 2017/2018 geplant.

„Es veröden die Parlamente zeitgleich mit den Theatern.“ (Walter Benjamin) So ist das wohl.

23.06.2017

Chris Dercon fühlt sich unfrei und ihm kann geholfen werden

„Ich habe mich noch nie so unfrei gefühlt wie in Berlin“, verriet Chris Dercon der „Zeit“.
Dem Mann kann geholfen werden. Wollen wir zusammenlegen und ihm ein One-Way-Ticket nach London spendieren? Und seinen Musik-Mohr darf er gerne gleich mitnehmen.

23.06.2017

Harry Belafonte fordert zivilen Ungehorsam gegenüber Trump

Der große Harry Belafonte, 90 Jahre alt, hat dieser Tage den amerikanischen Präsidenten scharf attackiert und dazu aufgerufen, die USA durch zivilen Ungehorsam für Donald Trump „unregierbar“ zu machen. „Ich helfe den Leuten, die Dinge anders zu sehen“, sagte Belafonte früher. Von Künstlern dieses Kalibers und mit dieser Haltung bräuchten wir mehr.

23.06.2017

Hartwig Masuch über unabhängige Musiker*innen

„Ganz wenige Künstler erzeugen so viel Reibung, dass es warm wird und alle in der Nähe sein wollen. Unabhängigkeit ist das Erfolgsrezept. Unabhängigkeit hat langfristig den Wert der Musikindustrie geschaffen. Schauen Sie sich Hits an, die als Me-too-Songs, als Kopien entstanden sind und die heute keinen Wert mehr haben, weil sie zu leichtgewichtig waren. Und dann schauen Sie sich U2 an, The Clash, die Rolling Stones, Sade. Das sind nur einige wenige Beispiele. Musik, die sich nicht direkt ableiten lässt, schafft Wert und loyale Hörer.“
Hartwig Masuch, Chef des weltweit viertgrößten Musikverlags BMG, im Interview mit der „Welt“

23.06.2017

Audiolith zeigt Haltung - Respekt!

Das Indie-Label Audiolith setzte laut „taz“ letztes Jahr ein Zeichen und hat seinen gesamten Labelkatalog von 1.600 Songs als MP3-Download für 25 Euro „flat“ ins Netz gestellt. Die Einnahmen in Höhe von 20.000 Euro haben die Audiolith-Leute an Cadus gespendet, ein mobiles Krankenhaus für Syrien und den Nordirak.
Respekt!

23.06.2017

Free Music Production im Haus der Kunst

Eine beeindruckende Ausstellung ist noch bis zum 20.8. im Münchner Haus der Kunst zu sehen: „Free Music Production“, über das legendäre FMP-Label, „das von 1968 bis 2010 als Plattform für die Produktion, Präsentation und Dokumentation von Musik Unvergleichliches geleistet hat“, wie es im Heft zur Ausstellung heißt (ein Katalog ist in Vorbereitung).
Man sieht tolle Fotos, man hört großartige „freie“ Musik, man sieht die wunderbaren Schallplatten-Cover, man staunt über die Auseinandersetzung mit Produktionsbedingungen, über frühen Feminismus, über „Free Jazz und Kinder“, und man staunt über das, was einmal gewagt (und gewonnen, und natürlich immer wieder auch verloren) wurde.
1966 wurde in Berlin die „New Artists Guild“ gegründet, eine Art Vorläuferin der FMP, und man legt sich die Aufgabe auf, „mitten im Kapitalismus auf dem Felde des Kapitalismus gegen den Kapitalismus anzuspielen, anzutreten“.
Und man sieht diesen Konzertausschnitt von 1973, Eislers Einheitsfrontlied in einer Version von Peter Brötzmann und dem Trio Infernal:

 

...und am Schluß dann die Einblendung: „Sie sahen und hörten im NDR-Jazzworkshop...“
So war das einmal beim Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Heutzutage würden sie den Ton abdrehen und Warntafeln ausstrahlen...

23.06.2017

Sportreporter schreiben Geschichte II

Ich hatte ja unlängst an dieser Stelle bereits darum gebeten, ob die Damen und vor allem die Herren (vor allem: Sport-)Journalisten nicht bitte damit aufhören könnten, jeden Köttel, der auf dem medialen Feldweg herumliegt, damit zu titulieren, daß dieser Köttel gerade „Geschichte geschrieben“ habe.
Diese Bitte wird hiermit eindringlich erneuert. Es geht einfach nicht an, daß wie in der FAS vom 4.6.2017 behauptet wird, „Real Madrid Geschichte schreibt“, bloß weil der Fußballverein gerade mal „als erstes Team den Titel in der Königsklasse verteidigt“ hat.
Und es ist absurd, wenn wie auf SPON vom 3.6.2017 mitgeteilt wird, daß „Timo Boll bei der Einzel-WM im Einzel Geschichte geschrieben“ habe, weil er „als erster Deutscher zum vierten Mal in Folge im Viertelfinale steht“. Awcmon, Leute!
Geschichte ist die Entwicklung der Menschheit, oder, wie es bei Wikipdeia heißt: Unter Geschichte versteht man im Allgemeinen diejenigen Aspekte der Vergangenheit, derer Menschen gedenken und die sie deuten, um sich über den Charakter zeitlichen Wandels und dessen Auswirkungen auf die eigene Gegenwart und Zukunft zu orientieren.“ Davon kann beim mehrmaligen WM-Viertelfinaleinzug des Timo Boll ebenso wenig die Rede sein wie beim zweimaligen Champions-League-Titel von Real Madrid. Denkt euch bitte neue Worthülsen aus, liebe Sportreporter!

23.06.2017

SG Sonnenhof Großaspach hat "Dorfclub" als Markenzeichen eintragen lassen

Kommen Sie aber bitte nicht auf die Idee, einen Fußballverein als „Dorfklub“ zu bezeichnen! Dann nämlich werden Tantiemen fällig. Der SG Sonnenhof Großaspach, 1994 von Spielerberater und Hotelier Uli Ferber gegründet (dem Ehemann der Schlagersängerin Andrea Berg, die entsprechend im Stadion der SG Sonnenhof auch ihr einmal jährlich stattfindendes „Heimspiel“ bestreitet), hat sich den Begriff „Dorfclub“ nämlich beim Deutschen Patent- und Markenamt als Markenzeichen eintragen lassen, womit der Begriff geschützt ist.
Das sind schon ganz besondere Marken dort im Klöpferbachtal...

23.06.2017

Die Grünen lassen am Sonntag nicht mehr online einkaufen

Die Grünen wollen künftig den Online-Einkauf am Sonntag regulieren. Sie wollen Menschen, die am heiligen Sonntag arbeiten, zwar nicht gleich mit der Todesstrafe belegen, wie es das Alte Testament verlangt („Wer eine Arbeit tut am Sabattag, der soll des Todes sterben“, Zweites Buch Mose, 31.15), aber sie wollen „zur Verteidigung des Sonntags“ die Möglichkeiten zum Online-Einkauf am Sonntag einschränken – jedenfalls, wenn es nach den niedersächsischen Grünen geht. Online einkaufen sollen die Menschen dürfen, denn natürlich sind die Grünen eine konsumfreundliche Partei. Aber bearbeiten dürfen die Arbeiter*innen im Online-Handel diese Bestellungen erst am Montag, dem nächsten Werktag also.
Ob das alles aber auch für die Roboter gilt? Dürfen die weiter sonntags durch die Amazon-Lager rasen, die bestellten Waren auch heiligentags sammeln, verpacken und versenden? Rätsel über Rätsel.
Aber vielleicht machen die Wähler*innen den Grünen bei der Bundestagswahl einen Strich durch die Rechnung und sagen sich, daß sie sonntags lieber nicht wählen gehen, weil der Sonntag ja verteidigt werden sollte? Oder jedenfalls, daß sie sonntags lieber nicht die Grünen wählen wollen, sondern erst am nächsten Werktag. Ach, da sind die Wahllokale dann zu? Tschah, Pech gehabt...

03.06.2017

Partei "Die Linke" leistet heftigsten Widerstand, indem sie einem CDU/CSU/SPD-Gesetz zur Privatisierung öffentlichen Eigentums einhellig zustimmt

Daß die Sozialdemokraten zwei unterschiedliche Parteien sind, nämlich eine, die seit über hundert Jahren hin und wieder auch einmal etwas Vernünftiges fordert, und eine andere, die, sobald sie an der Regierung ist, das Gegenteil umsetzt, ist hinlänglich bekannt, nicht zufällig heißt es ja: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ (Aktuell allerdings: Wer hat uns verraten? Metadaten! Die Geschichte ist eben längst über die EsPeDe hinweggegangen...)

Daß die Grünen eine ehemalige Protestpartei sind, die sich über dem Umweg einiger etwas merkwürdiger Formulierungen („Mein Ja war eigentlich ein Nein!“, erklärte weiland Pastorin Vollmer der staunenden Welt, nachdem sie im Bundestag Schröders Kriegskurs zugestimmt hatte) heute dem deutschen Adel an den Siegelring wirft und ihr Ministerpräsident, der weiland dem Kommunistischen Bund angehört hat, dem 1919 aufgehobenen Stand im Neuen Schloß zu Stuttgart bei Spargel, Kalbsbäckchen und Mousse eine Party ausrichtet und das hohe Lied des Adels singt, das alles wundert wenig bei diesen schrägen Neo-Kons im grünen Gewand.

Und nun die sogenannten Linken, also die Partei „Die Linke“: „Die Linke in Bund und Ländern lehnt die Privatisierung öffentlichen Eigentums ab, jeder Versuch einer Privatisierung wird weiter auf unseren heftigsten Widerstand treffen“, heißt es in einer Erklärung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden und des Thüringer Ministerpräsidenten Ramelow. Gut gebrüllt!
Und wie sieht der „heftigste Widerstand“ der Partei der „Linken“ in der Praxis aus?
So: Die in Thüringen, Berlin und Brandenburg an den Landesregierungen beteiligten Linken haben am 2.Juni 2017, dem Tag ihrer mutigen Erklärung, im Bundesrat der Vorlage der Bundesregierung zur Privatisierung der Autobahnen einhellig zugestimmt. Sich nicht einmal enthalten, sondern: zugestimmt!

Es gilt also auch bei den „Linken“: Unsere Zustimmung zur Privatisierung öffentlichen Eigentums ist heftigster Widerstand. Alles bravste Sozialdemokraten, diese Linken...

03.06.2017

Musiklegenden im deutschen Staatsfernsehen

Musiksendungen im deutschen Staatsfernsehen, Pfingstsamstag 2017:
Der Kultursender 3sat sendet vier Stunden vom Festival „Rock am Ring“, also ein Programm, das ein Großkonzern der Musikindustrie „kuratiert“, also: aus den kommerziell erfolgreichsten langweiligen Rockgruppen des Planeten zusammengebucht hat, von der Schlagerrockcombo Die Toten Hosen bis zu Rammstein.
Kontrastprogramm auf SWR3: „Die größten Musiklegenden“. Untertitel: „Von John Lennon bis Roy Black“. Im Ernst jetzt.
Zu Mariä Himmelfahrt folgt dann der zweite Teil der „größten Musiklegenden“: Von Johann Sebastian Bach bis Andrea Berg. Sie werden sehen.

03.06.2017

Ich mag sterben 2000er in Rückengeschäft

Latest hottest Scheiß:
Auf RTL gibt es jetzt eine Nostalgie-Show namens „I like die 2000er“.
Ich mag sterben 2000er?
Wie darf man das nun wieder verstehen?
Vielleicht findet das Ganze im „Back Shop“ statt, also im „Rückengeschäft“? Und die Moderator*innen servieren Café Togo?

03.06.2017

Öffis machen sich in die Hose, Private dagegen...

„Die öffentlich-rechtlichen Sender machen sich vor Angst in jede Hose, die man ihnen hinhält, und die Privaten senden das, was drin ist.“
(Dieter Hildebrandt)

03.06.2017

Deutsche Qualitätsmedien: Weltgrößter Klimasünder? China!

Die deutschen Qualitätsmedien schaffen es, in ein und derselben Tagesschau oder in ein und demselben Buch ihrer Zeitungen zum einen China dafür zu kritisieren, daß das Land „der größte Klimasünder“ der Welt sei, und zum anderen China dafür zu kritisieren, daß die deutsche Automobilindustrie durch die Entscheidung der chinesischen Regierung, daß ab 2018 jedes vierte zugelassene Auto in China einen Elektromotor haben soll, massiv benachteiligt werde.
Ja was denn nun?
Mal abgesehen davon, daß die Mär von China als dem größten Klimasünder natürlich eine neokolonialistische Unverschämtheit ist, denn man sollte ja wohl doch berücksichtigen, daß die 754 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß, die die Bundesrepublik Deutschland jährlich schafft, von gut 80 Millionen Menschen, die 9.154 Millionen Tonnen CO2, die China beisteuert, dagegen von 1,3 Milliarden Menschen stammt. Oder finden die deutschen Mainstream-Medien, daß den deutschen (oder auch den amerikanischen) Bürger*innen etwas zusteht, was die Chinesen gefälligst nicht haben dürfen oder sein lassen sollen? Konsum? Autokauf? Reichtum?
Berechnet man den weltweiten Pro-Kopf-CO2-Ausstoß, findet man unter den sechs größten Klimasündern vier Golf-Diktaturen; angeführt wird diese Statistik von Katar. Auf Platz 8 liegt als erster europäischer Staat Luxemburg, auf Platz 12 liegen die USA, auf Platz 36 Deutschland, und erst auf Platz 59 finden wir die Volksrepublik China – der weltgrößte Klimasünder also? Nun ja, schon, wenn man so tut, als ob es die anderen 58 Staaten, die in dieser Statistik vor China liegen, einfach nicht gibt – nach guten qualitätsjournalistischen Kriterien also...

21.05.2017

EsPeDe will öffentlich-rechtliches Nordkorea

Das Internet? Gibt es gar nicht.
Jedenfalls, wenn man den deutschen Sozialdemokraten folgen will. Für die EsPeDe ist das Netz nicht Neu-, sondern Altland, einfach eine Art öffentlich-rechtlicher Rundfunk, und entsprechend sollen, wenn es nach den Genoss*innen geht, Google, Facebook & Co. künftig gezwungen werden, ihre Algorithmen darauf zu trimmen, das deutsche Staatsfernsehen immer auf die ersten Plätze zu setzen. Denn dort sitzt man ja bekanntlich bei Bergdoktor, Sachsenklinik, Traumschiff und bei den ständigen Volksmusikshows immer in der ersten Reihe, mehr nolens als volens allerdings.
Wie das in der Praxis vonstatten gehen soll, wenn die Sozialdemokraten ihren Willen bekommen? Man sucht bei Google nach einem Text von Adorno und bekommt erstmal einen Hinweis auf den Bergdoktor? Man sucht bei YouTube nach einem Video von Jlin, Kendrick Lamar oder Teodor Currentzis, und stattdessen bekommt man erstmal Links zu Immer wieder sonntags mit Stefan Mross und zu Florian Silbereisens Fest der Volksmusik?
Meinungsfreiheit? Freies Netz? Nicht, wenn es nach der deutschen EsPeDe geht, sie will eine Art öffentlich-rechtliches Nordkorea. Um Himmels Willen!

Seiten