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Berthold Seliger - Blog abonnieren
Blog Archiv - Jahr 2023
09.01.2023

From Dope to Rassism

Nicht wenige Musiker:innen sind ja nicht wenig durcheinander.
Da gibt es die NewAgeigen (mir ist gerade aufgefallen, welch schöne Abkürzung es ergibt, wenn man das „Age“ von „New Age“ zu age-igen adjektiviert…) wie Nena, der wohl nicht zu helfen sein dürfte. Aber es gibt auch die reaktionären Altstars wie den veritablen Rassisten und Faschisten-Freund Eric Clapton (der schon 1976 bekannte: „I used to be into dope, now I’m into rassism“ – ach, wenn er doch beim Kiffen geblieben wäre…) oder den ebenso veritablen Antisemiten und Israelfeind Roger Waters – niedlich, wie seine Tourveranstalter ihre komplette Ahnungslosigkeit und Teilnahmslosigkeit an politischen und kulturellen Diskursen manifestieren, indem sie sich zwar öffentlich von Roger Waters‘ „politischer Agenda“ distanzieren, aber gleichzeitig bekennen, die Verträge seien zu einer Zeit geschlossen worden, „bevor der Künstler Aussagen getätigt hat“ (also bereits vor 2006 für 2023?!?) „oder wir Kenntnis über einzelne Statements hatten, die wir problematisch finden“. Die Kolleg:innen lesen also keine Zeitungen und ignorieren das Internet oder Social Media komplett – interessant…
Ein bisschen ein anderer Fall scheint mir dagegen Kanye West zu sein, der ganz offensichtlich „durchgeknallt“ ist beziehungsweise psychische Probleme hat. Ihm kann sicher geholfen werden…

 

09.01.2023

SXSW, Berlin und der Axel Springer-Konzern

Im März werden wieder weite Teile der Musikindustrie nach Austin/Texas zu den „South By Southwest-Conference and Festivals“ (SXSW) pilgern, der längst weltgrößten Messe für die Musik-, Film- und Tech-Industrien. Seit 1987 findet die SXSW statt, zunächst von unabhängigen örtlichen Initiativen als Musikfestival mit den Schwerpunkten Rootsrock und Alternative Country gegründet, das sich immer weiter ausweitete, von der Stadt Austin und dem Bundesstaat Texas schon bald als ideale Möglichkeit des Stadtmarketing und Nation Building begriffen wurde und sich über die Jahre eben zur riesigen Veranstaltung entwickelt hat, nicht zuletzt auch dank der Erweiterung um das in Texas und speziell in Austin so bedeutende „New Tech“-Szene.
Ich erinnere mich noch gut an die vielen tollen Konzerte mit bekannten und unbekannten Bands bei der SXSW in den 90er und frühen 2000er Jahren. Man konnte dort großartige Bands in kleinen Clubs und Bars sehen und ggfs. unter Vertrag nehmen (yours truly hat in Austin zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Calexico, den Fleet Foxes oder den sagenhaften Lullaby For The Working Class vereinbart).
In den letzten Jahren wurde die SXSW immer mehr zu einer riesigen Kommerz-Veranstaltung, in der die wichtigen Konzerte nicht mehr im Rahmen des Festivals, sondern in riesigen, von Großkonzernen betriebenen Zelten und Hallen stattfanden, und die gesamte Stimmung mutierte zu einer Mischung aus Oktoberfest und Dantes Inferno. Und neue Bands kann man bei der SXSW schon lange nicht mehr „signen“…
Die SXSW wurde häufig kopiert, mal weniger (PopKomm), mal mehr erfolgreich wie beim Hamburger Reeperbahn-Festival, das im Grunde eine gut gemachte Kopie der SXSW darstellt inklusive massiver Finanzierung des Hamburger Stadtmarketings.
 
Angesichts dieser Erfolgsgeschichte (also sowohl des SXSW an sich als auch der Hamburger Reeperbahn-Erfolgskopie) kamen auch einige Berliner (absichtsvoll nicht gegendert) auf eine glorreiche Idee: Die SXSW müsse sich doch auch in Berlin veranstalten lassen! Also an dem Ort, wo bisher alle einschlägigen Versuche, eine brauchbare Popkultur-Messe und Konferenz an den Start zu bringen, kläglich gescheitert sind.
Initiatoren von „SXSW Berlin“ waren die US-amerikanische Penske Media Group (die auch zu 50 Prozent an der SXSW beteiligt ist) und, man höre und staune: Der Axel Springer-Konzern (also die Axel Springer Media Group). Laut „taz“ soll mit dem bundesdeutschen Konzert- und Ticket-Großkonzern CTS Eventim „als Partner ins Boot geholt“ werden, und an den Planungen des Events soll auch der bestens in der Branche, aber auch in der Politik vernetzte Michael Hapka, von 2021 bis 2020 CEO der Anschutz Entertainment Group (u.a. Betreiber der Mehrzweckhalle am Ostbahnhof), beteiligt sein.
Der Berliner Senat – federführend wohlgemerkt: der Wirtschafts-, nicht der Kultursenat, klar! hier geht es ja um die sogenannte „Kreativwirtschaft“, nicht etwa um „Kultur“… – war natürlich sofort Feuer und Flamme und hat für ein mehrtägiges Tech- und Musikfestival „SXSW Berlin“ im August 2023 laut „taz“ einfach mal so eben 14 Millionen Euro Unterstützung in den Haushalt eingesetzt, angelegt auf vier Jahre.
Das war der Plan – ein Plan, der natürlich zu keinem Zeitpunkt mit der reichhaltigen Club- und Konzertlandschaft Berlins abgesprochen worden war – die staatlichen und privatwirtschaftlichen Funktionäre der Kreativwirtschaft beschließen solche Konzepte üblicherweise über die Köpfe der „Kreativen“ hinweg. Dumm nur, dass der Plan mittlerweile gescheitert ist, und da die großspurigen Planer ihr Konzept 2023 nicht umsetzen können, hat der Senat die Förderung mittlerweile zurückgezogen. Provinzielle Bauchlandung mit Ansage, würde ich sagen.
 
Besonders interessant und pikant ist aber, dass ausgerechnet der Axel Springer-Konzern, dessen Medien doch sonst immer den „privaten Markt“ bejubeln, der angeblich „alles regelt“, dass ausgerechnet die Axel Springer Media Group also mit ihren rund 4 Milliarden Euro Jahresumsatz beim Senat um Millionen-Unterstützung bettelt, sobald sie mal etwas Neues entwickeln und an den Start bringen möchte. Die schärfsten Kritiker der Elche…

 

09.01.2023

Klasse Satz: Christian Geissler

„Der Krieg wird nicht von denen abgeschafft, für die er auf die eine oder andere Weise ein Gewinn ist, ein Gewinn entweder im Bereich wirtschaftlicher Macht oder ein Gewinn im Bereich geistiger und geistlicher Macht. Der Krieg wird abgeschafft werden von denen, für die er einfach nur der gemeine Tod ist. Von uns. Oder von niemandem.“
(Christian Geissler am Antikriegstag 1965)

 

09.01.2023

Printverächter schalten subventionierte Touranzeigen im Print

Lustig, wie die Kolleg:innen des Tourveranstalters der Band Die Nerven in einer taz-Anzeige verlautbaren lassen, dass die Band auf Tour gehen und dabei „so viele Termine“ spielen werde, „dass sie niemals hier Platz finden würden. Deswegen raten wir, sich im Internet dazu zu informieren.“
Soweit so gut, Anzeigenplatz so so teuer, Tourveranstalter so so arm, fair enough, I don’t blame them.
Aber dann fügt der Tourneeveranstalter noch diesen rätselhaften Satz hinzu:
„Seltsam, dass ihr immer noch Print lest.“
Kann man so sehen – dann ist es aber vor allem seltsam, dass man Medien-Präsentations-Deals mit einer (noch) gedruckten Tageszeitung eingeht und dort, im „Print“, seltsamerweise Anzeigen schaltet, die von just dieser Tageszeitung subventioniert werden.
Oder?

 

09.01.2023

Letzte Generation klebt sich in der Elbphilharmonie an

Ein Gruß geht raus an die beiden Aktivist:innen der „Letzten Generation“, die sich am Geländer des Dirigentenpults der Elbphilharmonie Hamburg angeklebt hatten, aber nicht bedacht haben, dass das Geländer nur eingesteckt ist – so hat man sie einfach irgendwo im Flur der Elphi abgestellt…

09.01.2023

Max Mordhorst barmt: Bürger:innen sprechen Bundestagsabgeordneten an!

Max Mordhorst (Name nicht erfunden, Namenskalauer verboten!) barmt am 15.12.2022 auf Twitter, dass er von Bürger:innen angesprochen wird – was er als „Belästigung“ empfindet:
„Am Eingang ins Reichstagsgebäude werden Abgeordnete mutmaßlich von Mitgliedern der Letzten Generation belästigt, angesprochen und behindert.“
„Mutmaßliche“ Bürger:innen, die ihre Abgeordneten ansprechen – was für ein Skandal!

 

09.01.2023

Martin-Büsser-Straße

Es ist ja nicht alles schlecht. Manchmal gibt es einen kleinen Hoffnungsschweif am Horizont der Ödnis. Dieser hier schien über dem Mainzer Himmel auf:
Dort hat der Ortsbeirat Mainz-Neustadt auf Antrag der Fraktion der Grünen und der Linken die Pfitznerstraße in Martin-Büsser-Straße umbenannt.
Dies ist nicht nur ein überfälliger, symbolischer Schritt hin zur Anerkennung der „populären Kultur“, sondern eben auch ein Politikum: Statt des ollen Nazi-Komponisten Hans Pfitzner der große Musikkritiker und Pop-Theoretiker Martin Büsser, der übrigens in einem seiner letzten Texte (nämlich in Opak 4/2010, womit auch an das wunderbare Opak-Magazin erinnert sei) geschrieben hat: „Mittelgroße Städte sind somit ein Musterbeispiel an Toleranz.“
Marit Hofmann schrieb einmal in „Konkret“: „All die Bluffer und Blender, Spinner und Scharlatane, Macker und Eventmanager müssten, ginge es im Kunstbetrieb mit rechten Dingen zu, vor Scham im Boden versinken, wenn sie Martin Büssers Stimme vernähmen. Ohne je dem Dünkel linker Gesinnungsrichter zu verfallen, wusste Martin zwischen Kunst und Gewerbe zu unterscheiden. Auf sein unbeirrtes Urteil bleibt in dieser Welt des schönen Scheins Verlass.“

 

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