Im März werden wieder weite Teile der Musikindustrie nach Austin/Texas zu den „South By Southwest-Conference and Festivals“ (SXSW) pilgern, der längst weltgrößten Messe für die Musik-, Film- und Tech-Industrien. Seit 1987 findet die SXSW statt, zunächst von unabhängigen örtlichen Initiativen als Musikfestival mit den Schwerpunkten Rootsrock und Alternative Country gegründet, das sich immer weiter ausweitete, von der Stadt Austin und dem Bundesstaat Texas schon bald als ideale Möglichkeit des Stadtmarketing und Nation Building begriffen wurde und sich über die Jahre eben zur riesigen Veranstaltung entwickelt hat, nicht zuletzt auch dank der Erweiterung um das in Texas und speziell in Austin so bedeutende „New Tech“-Szene.
Ich erinnere mich noch gut an die vielen tollen Konzerte mit bekannten und unbekannten Bands bei der SXSW in den 90er und frühen 2000er Jahren. Man konnte dort großartige Bands in kleinen Clubs und Bars sehen und ggfs. unter Vertrag nehmen (yours truly hat in Austin zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Calexico, den Fleet Foxes oder den sagenhaften Lullaby For The Working Class vereinbart).
In den letzten Jahren wurde die SXSW immer mehr zu einer riesigen Kommerz-Veranstaltung, in der die wichtigen Konzerte nicht mehr im Rahmen des Festivals, sondern in riesigen, von Großkonzernen betriebenen Zelten und Hallen stattfanden, und die gesamte Stimmung mutierte zu einer Mischung aus Oktoberfest und Dantes Inferno. Und neue Bands kann man bei der SXSW schon lange nicht mehr „signen“…
Die SXSW wurde häufig kopiert, mal weniger (PopKomm), mal mehr erfolgreich wie beim Hamburger Reeperbahn-Festival, das im Grunde eine gut gemachte Kopie der SXSW darstellt inklusive massiver Finanzierung des Hamburger Stadtmarketings.
Angesichts dieser Erfolgsgeschichte (also sowohl des SXSW an sich als auch der Hamburger Reeperbahn-Erfolgskopie) kamen auch einige Berliner (absichtsvoll nicht gegendert) auf eine glorreiche Idee: Die SXSW müsse sich doch auch in Berlin veranstalten lassen! Also an dem Ort, wo bisher alle einschlägigen Versuche, eine brauchbare Popkultur-Messe und Konferenz an den Start zu bringen, kläglich gescheitert sind.
Initiatoren von „SXSW Berlin“ waren die US-amerikanische Penske Media Group (die auch zu 50 Prozent an der SXSW beteiligt ist) und, man höre und staune: Der Axel Springer-Konzern (also die Axel Springer Media Group). Laut „taz“ soll mit dem bundesdeutschen Konzert- und Ticket-Großkonzern CTS Eventim „als Partner ins Boot geholt“ werden, und an den Planungen des Events soll auch der bestens in der Branche, aber auch in der Politik vernetzte Michael Hapka, von 2021 bis 2020 CEO der Anschutz Entertainment Group (u.a. Betreiber der Mehrzweckhalle am Ostbahnhof), beteiligt sein.
Der Berliner Senat – federführend wohlgemerkt: der Wirtschafts-, nicht der Kultursenat, klar! hier geht es ja um die sogenannte „Kreativwirtschaft“, nicht etwa um „Kultur“… – war natürlich sofort Feuer und Flamme und hat für ein mehrtägiges Tech- und Musikfestival „SXSW Berlin“ im August 2023 laut „taz“ einfach mal so eben 14 Millionen Euro Unterstützung in den Haushalt eingesetzt, angelegt auf vier Jahre.
Das war der Plan – ein Plan, der natürlich zu keinem Zeitpunkt mit der reichhaltigen Club- und Konzertlandschaft Berlins abgesprochen worden war – die staatlichen und privatwirtschaftlichen Funktionäre der Kreativwirtschaft beschließen solche Konzepte üblicherweise über die Köpfe der „Kreativen“ hinweg. Dumm nur, dass der Plan mittlerweile gescheitert ist, und da die großspurigen Planer ihr Konzept 2023 nicht umsetzen können, hat der Senat die Förderung mittlerweile zurückgezogen. Provinzielle Bauchlandung mit Ansage, würde ich sagen.
Besonders interessant und pikant ist aber, dass ausgerechnet der Axel Springer-Konzern, dessen Medien doch sonst immer den „privaten Markt“ bejubeln, der angeblich „alles regelt“, dass ausgerechnet die Axel Springer Media Group also mit ihren rund 4 Milliarden Euro Jahresumsatz beim Senat um Millionen-Unterstützung bettelt, sobald sie mal etwas Neues entwickeln und an den Start bringen möchte. Die schärfsten Kritiker der Elche…