15.04.2019

Rammstein-Merch für Küche Haushalt und Heim

Hallo Rammstein!
Ich war neulich auf eurer Merchandise-Seite, und ehrlich gesagt, ich bin ein wenig enttäuscht. Da verkauft ihr Bettwäsche „Keine Lust“ (60 Euro), Geschirrtücher „Messer & Gabel“ (7 Euro), ein Quizspiel, Plätzchenausstecher, einen Brotkorb, eine Garderobenleiste (45 Euro), einen Zollstock (10 Euro), einen Flaschenöffner (14 Euro), eine Strickdecke (100 Euro), Seife, Fußmatten, Geschenkpapier, Toaster (80 Euro), Frühstücksbrett und Teppiche für 110 beziehungsweise 250 Euro.
Also lauter Utensilien für den Haushalt, für Heim, Handwerker und die Küche. Sollte eure pseudoprovokante Tour doch nur ein kleines Bäuerchen des heimlichen Spießers darstellen? Der, wenn er zuhause in seiner bürgerlichen Wohnung rumsitzt und sich langweilt, eben „Heirate mich“ laut aufdreht, während er Plätzchen bäckt?
Da hatte ich doch etwas mehr erwartet. Andrerseits, wenn der Rammstein-Fan die Spießerhölle des Rammstein-Merch nicht mehr sehen will, kann er immerhin zu einer „Rammstein Schlafmaske“ für 15 Euro greifen...

15.04.2019

Joss Stone will die totale Tour

Joss Stone ist auf einer „Total World Tour“ – ihr Ziel: „Wollt ihr die totale Tour?“
Und so hat die britische Musikerin jetzt nach Konzerten im Irak oder in Syrien auch in Nordkorea gespielt, in einer Bar in Pjöngjang. Nordkorea ist gerade mächtig in unter Popleuten, auch Laibach waren bekanntlich schon da. Auf dem Foto von dem „Konzert“ sieht man allerdings ausschließlich ein paar Handvoll Westler etwas gelangweilt an zwei Tischen herumsitzen und dahinter eine weitere Handvoll Westler rumstehen. Stone hat laut „IQ Magazine“ vor „Touristen und Reiseführern“ gespielt und nach dem „Konzert“ noch den britischen Botschafter getroffen. Wahrscheinlich war das „Konzert“ (eine Band war nirgends zu sehen) ein Fake, wie die ganze Tour, und Joss Stone wird einfach von einer britischen Botschaft zur nächsten herumgereicht.
Laut IQ Magazine ist die „Total“ Tour der Künstlerin ein „musikalisches und soziales Projekt, dessen Ziel es ist, Menschen zusammenzubringen.“ Ah ja. Und dafür muß sie nach Pjöngjang reisen? Paar Briten hätte sie doch auch bequem in ihrem Heimatland „zusammenbringen“ können...

15.04.2019

Max Goldt und der Rundfunk der DDR

„Ich bin Gott sei Dank nicht nur mit Pop, sondern mit allem möglichen sozialisiert worden. Angenehmerweise hatte ich mit 20 ein Radio, mit dem ich den Rundfunk der DDR empfangen konnte. Da gab es Pierrot Lunaire von Schönberg und Le Marteau sans maître von Boulez. Und dann gab es in Westberlin damals diese krachige Szene um Frieder Butzmann und Blixa Bargeld, das war anregend, für eine Weile. Afrikanische Musik gab's auf Schallplatten, und und und.“
(Max Goldt im Interview mit „Der Standard“)

01.04.2019

Souled American und "Unpop-Musik"

Sehr gefreut habe ich mich beim Durchblättern der aktuellen Ausgabe des „Rolling Stone“. In einer großen Titelgeschichte (auf dem Cover: Johnny Cash, passend zu seiner aktuellen Tournee sozusagen) geht es um die „50 besten Country-Alben“, und das Genre versteht das Magazin erfreulich offen, also eher „Americana“ als „Country“. Verschiedene Autor*innen haben jeweils fünf Alben ausgewählt.
Ich bin sowieso immer gerührt, wenn ich Townes Van Zandt erwähnt sehe, aber bei Arne Willanders Auswahl lese ich neben den Palace Brothers („There Is No-One What Will Take Care Of You“, was war das für ein großes Album, und wie lange darf ich nun schon mit Bonnie ‚Prince’ Billy zusammenarbeiten...), Ween und Elvis Presley: Souled American!
Souled American’s „Sonny“ hält Willander also für eines der besten „Country“-Alben.

Souled American? Kennt die noch jemand?
Ich habe deren (bisher?) letzte Europatournee veranstaltet, es ist ewig her, solange, daß wir damals noch nicht mal mit Excel-Tourneefiles gearbeitet haben, es muß also in den späten Neunziger Jahren gewesen sein. Die Tournee war, geschäftlich gesehen, ein Flop – ich sollte für derartige Tourneen, für derartige Musik vielleicht den Begriff „Unpop“-Musik einführen. Unpop im Sinne von „unpopulär“ – denn unpopuläre Konzerte und Tourneen gab und gibt es sonder Zahl. Bei Souled American kamen, wenn ich das recht erinnere, zwischen 20 und 50 Fans pro Abend. Ähnlich wenige waren es damals bei Smog oder bei Southern Culture On The Skids, und bei den Czars, der Band eines gewissen John Grant, waren es eher noch weniger damals in den Neunzigern. Bei der ersten Tournee von Lambchop haben wir in Berlin 65 Karten verkauft, bei ihrer zweiten Berlin-Show waren es 80. Ein Flop, geschäftlich gesehen. Unpop-Musik (die im Fall eines John Grant und von Lambchop erfreulicherweise dann doch noch um einiges populärer wurde)
Aber musikalisch waren all diese Tourneen: eine Offenbarung!
Souled American hatten ewig geprobt (und wer sich ein wenig mit dieser Band, die nun schon seit mehr als 20 Jahren ein neues Album ankündigt, beschäftigt hat, weiß, daß „ewig“ in diesem Fall tatsächlich „ewig“ heißt). Bei einem Treffen in Chicago hatte ich Chris Grigoroff und Joe Adducci erzählt, daß ihre Version von „Rock That Cradle Lucy“ einer meiner Lieblingstracks auf dem „Sonny“-Album sei, und Chris meinte, „auweiah, der Song ist schwer zu spielen, da müssen wir ganz schön proben, um den live hinzubekommen“, aber sie spielten mir zuliebe auf der Tour den Song (jedenfalls bei jedem Konzert, das ich besuchte), und sprachen mich nach dem Konzert jedesmal stolz grinsend darauf an, „haste gehört“...

Souled American waren auf Tour ein echter Kindergarten – und zwar nicht in dem Sinn, den Tourmanager gern und nicht ganz zu Unrecht verwenden, wenn sie von Bands on tour reden, also „Kindergarten“, der nur schwer einzuhegen ist usw. Nein, sie waren ein Kindergarten, weil sie sich für ihre Musik begeisterten wie kleine Kinder, die diese Musik zum ersten Mal erleben – nach jeder Show erzählten sie sich stundenlang, was ihnen an ihrer Musik und ihren Versionen aufgefallen war – „haste gemerkt, wie ich das und das heute gespielt habe?“, so in der Art. Sie waren begeisterte und leidenschaftliche Musiker, und ihre Konzerte waren das pure Glück (und glücklich dürften auch alle Dope-Händler entlang ihrer Route geworden sein...), und das galt für das endlose Stimmen ihrer Instrumente ganz genauso wie für die Stücke selbst (und mitunter war das sowieso nicht genau auseinanderzuhalten).
Willander schreibt über Souled American: „Diese drei Amerikaner machten sich einen kleinen Namen damit, daß sie die verschlurftesten Langschläfer-Counrty-Oden spielten. (...) Sie entschleunigten Trauerlieder noch spektakulärer als bald Uncle Tupelo und Lambchop.“

Was ist Popmusik? Zählt Popularität, wie der Begriff uns suggerieren möchte? Die Menge kann nicht irren? Oder zählt nicht vielmehr das Glück, das diese Musik uns in ihren besten Momenten verschaffen kann? Und dieser Zauber ist letztlich unabhängig von der Zahl der Menschen, mit denen man ihn teilen kann (mal abgesehen davon, daß man sich als Konzert- oder Tourneeveranstalter ein wenig besser fühlt, wenn man bei einem Konzert nicht allzu viel Geld verliert).
Ich kenne die Hälfte der zehn Menschen, die vor gut zwanzig Jahren beim Auftritt des Boxhead Ensemble (u.a. mit Doug McCombs, Jim White...) in Berlin mit dem Stummfilm „Dutch Harbour“ im Konzert saßen, persönlich – das war finanziell gesehen ein ziemlicher Reinfall, to say the least. Aber der Berliner Konzertveranstalter erzählt mir heute noch mit großen Augen und voller Begeisterung von dem magischen Abend...

Manchmal ist eben es die Unpop-Musik, die uns wirklich bewegt.

Und in diesem Sinne sind Souled American eine der wunderbarsten Bands überhaupt, und ihr Album „Sonny“ gehört völlig zu Recht in die Liste der 50 besten Country-Alben aller Zeiten.
Danke, Arne Willander!

01.04.2019

In welchem Land sitzen die meisten Musiker*innen im Gefängnis?

Wenn Sie gefragt werden würden, in welchem Land die meisten Musiker*innen wegen ihrer Musik im Gefängnis sitzen – welche Antwort würden Sie geben?
Wahrscheinlich nicht diese: Das Land, in dem die meisten Musiker*innen weltweit aus politischen Gründen im Knast sitzen, ist nämlich – Spanien! Nicht weniger als 14 Musiker*innen sitzen in Spanien im Gefängnis, mehr als in China, der Türkei und dem Iran zusammen!
Die 14 spanischen Musiker*innen – allesamt linke Rapper*innen – wanderten wegen der „Verherrlichung von Terrorismus“ ins Gefängnis, wie die Freemuse-Organisation laut „IQ Magazine“ mitteilte. Ihr Report „The State of Artistic Freedom 2019: Whose Narrative Count?“ analysiert 270 Verletzungen der künstlerischen Freiheit in 55 Ländern. Freemuse berichtet, daß 1.807 Musiker*innen von staatlichen Zensurmaßnahmen betroffen waren.

Derartige Zensurmaßnahmen kann man übrigens auch in Frankreich erleben: Dort wurde ein Auftritt von Aziza Brahim beim Pariser Festival „Arabofolies“ ohne Angabe von Gründen abgesagt; allerdings wurde eine Intervention der marokkanischen Regierung gegen den Auftritt bekannt. Angeblich soll Aziza Brahim, die in einem Sahrawi-Flüchtlingscamp in West-Sahara geboren wurde, Verbindungen zu der Rebellenorganisation Polisario haben.

Oder denken wir an Deutschland in der Nacht: Hierzulande werden immer wieder die Auftritte kurdischer Musikgruppen wie etwa der Grup Yorum verboten. Und die Bundesregierung hat sogar einen Musikverlag mit kurdischem Musikprogramm verboten, der unter anderem CDs von Sivan Perwer herausgegeben hat (siehe SWR2 hier). Das Reich der Freiheit...

01.04.2019

Independent journalism

Wollte dieser Tage ein Online-Abo von „Spex“ buchen.
Hat nicht geklappt.
Spex wollte mich zwingen, meinen Adblocker abzuschalten, anders war das Betrachten der Seite, aber auch der Abschluß eines Abos nicht machbar.
Müssen sie eben auf mein Abo verzichten.
Spex, a lost case...

Nun verstehe ich ja, daß Online-Medien von etwas leben müssen, und das kann oder muß mitunter auch Werbung sein. Allerdings: wenn jemand bereit ist, für ein Online-Abo zu bezahlen, sollte es sich doch von selbst verstehen, daß der- oder diejenige nicht zusätzlich noch mit Werbung überflutet werden möchte.
Andere Online-Plattformen machen vor, wie es geht: Der Perlentaucher beispielsweise, den man kostenlos betrachten kann, den ich aber so häufig verwende, daß ich selbstverständlich jedes Jahr einen freiwilligen Obolus entrichte.
Beispielgebend bleibt jedoch der englische „Guardian“, der im Netz komplett kostenlos und ohne Werbung betrieben wird. Die journalistische Qualität hat über eine Million „Supporter“ (inklusive yours truly) überzeugt, die den „Guardian“ regelmäßig finanziell unterstützen (man kann das auch „Abonnement“ nennen). Das Motto des „Guardian“ ist überzeugend:
“Independent journalism: Free for those who can’t afford it, supported by those who can.”
(und die ehemaligen Spex-Autor*innen kann man ja sowieso vornehmlich auf „Zeit Online“ oder in der „Süddeutschen“ weiterlesen, wenn einem danach zumute ist. Fair enough.)

01.04.2019

Militärausgaben und Qualitätspresse

Mehr als ein Drittel (35%) der weltweiten Militärausgaben entfallen auf die USA.
Gut ein Achtel (13%) auf China.
Wie meldet man das in der „FAZ“, um den richtigen Eindruck bei den Leser*innen zu hinterlassen? So:
„Knapp die Hälfte der Militärausgaben der Welt entfallen auf Amerika und China."
(via Christian Y. Schmidt)

01.04.2019

Daniel Kahn "zu radikal"!

Seien Sie bitte vorsichtig, nicht zuletzt auch beim Konzertbesuch! Gerade bei und mit Musiker*innen dieser Agentur kann Ihnen so einiges passieren.
Letzte Woche erreichte mich die Mail eines Kulturamts in Baden-Württemberg, dessen Leiter nach wochenlangen Verhandlungen das von seiner Mitarbeiterin geplante Konzert von Daniel Kahn & The Painted Bird mit der Begründung abgesagt hat, Daniel Kahn sei ihm „zu extrem.“
Und ich schwöre: Das ist kein Aprilscherz.

01.04.2019

Warum sind die meisten "Indie"-Plattenfirmen für das EU-Urheberrecht?

Häufig werde ich gefragt, wie es denn komme, daß sich unsere geliebten „Indie“-Plattenfirmen fast ausnahmslos so vehement für Uploadfilter und das neue EU-Urheberrecht einsetzen. Nun, die Frage ist einfach zu beantworten: Die sogenannten „Indie“-Plattenfirmen sind genauso Teil der Verwertungsindustrie wie jede andere Plattenfirma auch. Es gibt größere Firmen, es gibt kleinere Firmen (und es gibt sehr große Plattenfirmen, die sich trotzdem „Indies“ nennen).
Das Geschäftsmodell ist relativ ähnlich und relativ simpel: Man versucht, mit Musik so viel Geld wie möglich zu verdienen. Man kann das ein klein wenig übertrieben formulieren wie der große englische DJ John Peel, der mal gesagt hat: „Die großen Plattenfirmen haben nie so getan, als seien sie zu etwas anderem da, als möglichst viel Geld zu verdienen, von dem sie den Musikern möglichst wenig abgeben.“ It’s that simple.
Ich kenne Majors, die ihre Musiker*innen ausgesprochen fair behandeln, und ich kenne Indies, die ihre Musiker*innen nicht bezahlen oder um Teile des ihnen zustehenden Einkommens betrügen. Es gibt solche und solche. Und die ganze Indie-Ideologie ist sowieso ziemlich überlebt, wer ist denn heute wirklich „unabhängig“, und wovon? Es gibt z.B. Indies, die eng mit Majors zusammenarbeiten (etwa im Vertriebsbereich), oder deren Personal zwischen Majors und Indies hin und her wechselt.
Ich unterscheide am liebsten in gute und schlechte (und mittelmäßige) Plattenfirmen, und ebenso in gute Leute, die bei den jeweiligen Firmen arbeiten, und in weniger gute.

Tatsache ist jedenfalls, daß IMPALA, die europäische Indie-Organisation („The Independent Music Companies Association“), also das Pendant zum deutschen VUT auf europäischer Ebene, am Abend vor der entscheidenden Abstimmung die „lieben Mitglieder des Europaparlaments“ zu einem „Evening of discussions, drinks and food“ eingeladen hat, und zwar in den Räumen des Europäischen Parlaments in Strasbourg. Eingeladen zu Speis und Trank hat Helen Smith, unter der Schirmherrschaft der Grünen-Europaabgeordneten Helga Trüpel und vier anderer MdEPs, bezahlt wurde die Party, die einen deutlich fünfstelligen Euro-Betrag gekostet haben dürfte („so ein Dinner im Parlament kostet mal locker 50-80 € pro Person“, erklärt MdEP Julia Reda), aus den Mitgliedsgebühren der Indie-Plattenfirmen.
Das Einladungsschreiben der Indie-Lobbyisten liegt mir vor.
Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir sind ja alle keine heurigen Hasen und Häsinnen, ich weiß schon, wie das Geschäft und die Politik funktionieren. Was ich aber extrem unsympathisch finde, ist, wenn Leute andere Leute für etwas (in diesem Fall: ungehemmten Lobbyismus zur Durchsetzung ihrer Position) kritisieren, das sie selber genauso treiben, und so tun, als ob Indieland ein ewiglicher Ponyhof sei, in dem niemand jemals Geschäftsinteressen haben und niemand Lobbyismus zur Durchsetzung seiner Geschäftsinteressen betreiben würde. Das ist so lächerlich wie verlogen.

01.04.2019

Youtuber

Schön wäre es übrigens, wenn die Qualitätspresse endlich damit aufhören könnte, all die Leute, die sich aus guten Gründen gegen die EU-Urheberrechtsrichtlinie aussprechen oder einsetzen, herabsetzend als „Youtuber“ zu bezeichnen.

01.04.2019

Schäuble phantasiert von Macron

„Ideal wäre es, wenn man Macrons charismatische Rhetorik mit merkelscher realitätsbezogener Nüchternheit kombinieren könnte.“
(Wolfgang Schäuble, CDU, auf der Suche nach einer neoliberalen Eier-legenden Wollmilchsau)

01.04.2019

Johnny Cash, Prince und die Beatles leben!

A propos Zombies:
Johnny Cash, Prince und die Beatles leben!
Das habe ich, irgendwoher muß man seinen Wissensvorsprung ja haben, aus aktuellen Tourneeanzeigen in den einschlägigen deutschen Musikzeitschriften entnommen.
Da wird eine „Johnny Cash Roadshow“ beworben – „Premium Quality!“ Wer den Man in Black erleben möchte, kann dieser Tage Konzerte in Neuruppin, Erfurt, Dillingen, Solothurn, Homburg oder Soest besuchen. Toll!
Aber auch Queen sind mit dem nämlichen Tourneeveranstalter unterwegs: „A Spectacular Night of Queen“ wird da beworben. Ach, fast hätt ichs übersehen: Im Kleingedruckten steht „performed by The Bohemians“. Sind also doch nur böhmische Musikdörfer. Fast wär ich drauf reingefallen.
Also doch lieber zu Led Zep? Zu „Zeppelin’s Resurrection“? Zu ihrer Auferstehung also? Mißtrauisch geworden, schau ich mir den Schriftzug der Band genauer an: „Letz Zep“ steht da...
Aber die Beatles! „The White Album“ wird von einem großen deutschen Tourneeveranstalter neben Midnight Oil, Giorgio Moroder und Nick Waterhouse angeboten, „The Legendary Album by The Beatles“! In echt jetzt! Nur unklar, warum da „by The Analogues“ steht. Nichts wie hin, diesmal nicht nach Neuruppin, Dillingen oder Soest, sondern nach Berlin, Hamburg, Bremen oder München. Nur Offenbach ist schon ausverkauft.

01.04.2019

Habemus EU-Urheberrechts-Richtlinie!

Nun gibt es also das neue EU-Urheberrecht. Wir dürfen uns über Uploadfilter freuen (die, das haben wir in der Debatte gelernt, gar niemand fordert, denn das Wort kommt in dem verabschiedeten Gesetz ja nicht vor… ich glaube, es war Sascha Lobo, der das mit jemandem verglichen hat, der fordert, daß einer in acht Stunden von Berlin nach New York reisen soll – daß das mit einem Flugzeug geschehen solle, werde ausdrücklich nicht gesagt, aber jedem ist klar, daß es gemeint ist, weil es eben nur so machbar ist (man kann es auch sehr präzise in den Worten des CDU-MdEP Voss sagen: „Das muß höchstwahrscheinlich dann auch technologisch oder mit Technik irgendwie dann auch versehen werden...“).

Wir haben auch gelernt, daß CDUCSU gegen Uploadfilter sind (Markus Söder hat am 22.3.2019 getwittert: „Wir brauchen keinen Uploadfilter in Deutschland. Wir wollen dies bei der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtslinie sicherstellen und Meinungsvielfalt, Urheberschutz und Rechtssicherheit zusammenbringen.“ Kein Aprilscherz!) und deswegen im Europaparlament geschlossen für Uploadfilter gestimmt haben (also: „Mein Ja war ein Nein“, wie seinerzeit legendär die Grünen-MdB Antje Volmer erklärt hat, nachdem sie für den Kriegseinsatz der Bundeswehr gestimmt hatte, es aber nicht so gemeint haben wollte).

Lustig auch die Bundesjustizministerin und Europawahl-Spitzenkandidatin der SPD, Katarina „Politik ist nicht wie ein Pizza-Taxi“ Barley, die im WDR meinte: „Mir sind keine anderen technischen Maßnahmen bekannt, mit denen man Lizenzverstöße verhindern kann. Insofern läuft es auf Upload-Filter hinaus“, die in Brüssel für die Bundesregierung an der EU-Urheberrechtslinie aktiv mitgearbeitet und sie verabschiedet hat, und die nun zusammen mit ihrer EsPeDe einen Anti-Uploadfilter-Europawahlkampf führen möchte. Wann immer man denkt, Politiker*innen könnten nicht mehr unglaubwürdiger werden, tapst ein*e Politiker*in in den nach unten anscheinend unbegrenzt offenen Unglaubwürdigkeitsbrunnen – es ist wie immer, nur schlimmer (gut finde ich übrigens auch allein schon das „Pizza-Taxi“, kennen wir ja alle, daß die Pizzen üblicherweise von Taxis geliefert werden, business as usual, zumindest in der Politiker*innen-Welt...).

Drollig waren auch die Vorwürfe all der von Axel Springer bis zur Musikindustrie mit Unsummen finanzierten Lobbyorganisationen, die der Gegenseite „Lobbyismus“ vorwarfen.
Am Rande: ich denke da auch gerne an den Hobby-Europaabgeordneten Elmar Brok von der CDU, der viele Jahre während seiner Tätigkeit als Abgeordneter des Europaparlaments parallel für den Bertelsmann-Medienkonzern gearbeitet und dafür bis 2014 nach eigenen Angaben jahrelang zwischen 5.000 und 10.000 Euro monatlich von Bertelsmann erhalten hat. Brok war mit der politischen Gestaltung des Urheberrechts befaßt, was Parteienrechtler Hans-Herbert von Arnim „legale Korruption“ nannte, wie Sascha Lobo auf „SPON“ schrieb. Daß ausgerechnet jemand wie dieser „legal korrumpierte“ CDU-Abgeordnete vor der Abstimmung eine „massive und von Algorithmen gesteuerte Kampagne der Internetkonzerne“ konstatiert hat, ist schon mehr als ein Bubenstück. Und da haben wir noch gar nicht von den Sponsoren des CDU-Parteitages geredet.
Den eigenen Parteitag an zig Sponsoren verscherbeln, aber protestierende Bürger*innen als „gekaufte Demonstranten“ verunglimpfen...
Aber die Hunderttausende Demonstranten waren ja sowieso allesamt wahlweise Bots oder Mob, auch das haben wir von den Politiker*innen in den letzten Wochen erfahren.

Während sich die Abgeordneten völlig frei für die Urheberrechtsreform entschieden haben... ähem... nun ja, fast... irgendwie... vielleicht... oder wie darf man es verstehen, daß MdEP Axel Voss (CDU) auf einer Pressekonferenz bestätigt hat, „daß Presseverlage mit schlechter Wahlbereichterstattung gedroht haben“, falls die Urheberrechtsreform nicht beschlossen werde (laut MdEP Julia Reda).

29.01.2019

F. J. McMahon - Spirit of the Golden Juice

Ein grundsätzlich sehr geschmackssicherer Zürcher Freund wies mich vor einiger Zeit auf einen Singer/Songwriter namens F.J. McMahon hin, von dem ich noch nicht gehört hatte. Was für eine Entdeckung! „Spirit of the Golden Juice“ ist das einzige Album McMahons, und er nahm es 1969 auf, also vor fünfzig Jahren; Mexicansummer hat die Platte 2017 in kleiner Auflage neu herausgegeben.

Anfang der 1960er hatte McMahon in verschiedenen Bands Surf-Gitarre gespielt. Dann mußte er zum Militär und kam nach Vietnam und Laos. Nachdem er zurückkehrte, nahm er dieses Album auf mit Protestsongs und Songs, die den Zeitgeist dieser Jahre widerspiegeln. „I would just write whenever I got pissed off at what was going on, which was a lot and constant.  The war, all the social injustice the lies from the government... I guess things haven’t changed that much“, erzählte er 2014 in einem Interview. Und seine Einflüsse? Hatten Experimente mit Halluzinogenen irgendeinen Einfluß auf seine Musik? „More than Richard Nixon and less than Jerry Garcia.  And everything experienced affects everything.“

McMahon hatte eine kleine Auflage seines Albums auf eigene Kosten pressen lassen und fuhr den kalifornischen Pacific Coast Highway mit den LPs rauf und runter, suchte Käufer der Platten und Auftrittsmöglichkeiten. Es erinnert ein wenig an die Geschichte von Townes Van Zandt, der, nachdem er sein erstes Album in Los Angeles aufgenommen hatte, mit einer Tasche voller Vinyl zurück nach Austin trampte und jedem, der ihn mitnahm, eine Platte schenkte...

Das Cover des Albums zeigt McMahon in einem Zimmer des berühmten Chateau Marmont Hotels in Hollywood, in dem auch Jim Morrison, John Belushi und andere Schriftsteller und Schauspieler abstiegen. Zwei Jahre trat McMahon überall auf, wo es möglich war, manchmal, so will es die Legende, einfach in einer Bar, wo er den Hut kreisen ließ. Er verkaufte keine Platten, wie er selbst sagt. Dann gab er das Musikmachen auf und arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Computertechniker im Außendienst.

F. J. McMahon hat nie wieder ein Album eingespielt, aber „Spirit of the Golden Juice“ ist ein Meisterwerk, das sicher viele Musiker*innen gerne geschrieben hätten, und steht in einer Reihe mit den Werken von Townes, Will, Kurt, Jason oder Vic, auch wenn die Musik mit ihren psychedelischen Klängen natürlich auch ganz anders ist. Listen!

 

29.01.2019

Mozarts Klaviersonaten mit Arthur Schoonderwoerd, "Alla turca" und die Vorschläge

Zwischen den Jahren eine Aufnahme mit sämtlichen Klaviersonaten von Mozart studiert, eingespielt von Arthur Schoonderwoerd auf verschiedenen historischen Klavieren aus der Entstehungszeit dieser Musik. Ein Traum und eine großartige Erfahrung.

Und ein besonderes Glücksgefühl beim Hören des „Alla turca“-Schlußsatzes der A-Dur-Sonate KV 331: Schoonderwoerd spielt die von Mozart geschriebenen Vorschläge tatsächlich als solche, „äußerst präzise und mit dem nötigen Witz“, wie Ulrich Blees im instruktiven Aufsatz im Booklet schreibt, „und so macht Schoonderwoerd aus dem bislang wenig ‚türkisch’ klingenden Rondo-Finale der Sonate in A-Dur ein völlig neues und erhellendes Hörerlebnis“. In der Tat!

Und ich denke an meine Klavierlehrerin zurück, der ich seinerzeit in den 1970ern genau diesen Vorschlag beim „Alla turca“ gemacht habe: Die vier Sechzehntel-Noten eben nicht als vier gleich lange, gebundene Sechzehntel zu spielen, sondern wie von Mozart notiert das erste Sechzehntel als Vorschlag, als Verzögerung zu dem so notierten Achtel. Wahrscheinlich war das von mir mit meinen 15 Jahren damals eine Mischung aus Wichtigtuerei und Provokation, ich erinnere mich aber noch gut, daß es mir mit der Sache durchaus ernst war, und meine Begründung war so einfach wie logisch: Wenn Mozart vier gleich lange Sechzehntelnoten gewollt hätte statt der ersten als Vorschlag, dann hätte er es so hingeschrieben...

Danke, Arthur Schoonderwoerd! Und die Gesamteinspielung der Mozart-Klaviersonaten in der Interpretation des von mir sehr verehrten Alexei Lubimov liegt schon bereit... Die Mozart-Klaviersonaten werden, ebenso wie diejenigen Haydns, insbesondere im Vergleich zu denen Beethovens immer noch sehr unterschätzt.

Seiten

Berthold Seliger - Blog abonnieren