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Blog Archiv - Jahr %1
20.09.2013

Arsch und Hintern, taz und SZ

Wie groß ist eigentlich der Unterschied zwischen der
Süddeutschen Zeitung und der Tageszeitung? Klaus Walter ist es aufgefallen:
Nämlich „so groß wie der Unterschied zwischen Arsch
und Hintern. „Ärsche lügen einfach nie“ - so betitelt die TAZ ihre hymnische
Rezension des neuen Albums von Janelle Monae. „Hintern lügen nie“ – diese
Überschrift wählt die SZ, beide Autor-Innen haben sich von „The Booty don´t
lie“ inspirieren lassen, eine Zeile aus „Q.U.E.E.N.S.“, Monaes extrem
königlichem Duett mit fellow queen & electric lady Erykah Badu.“ (im immer
lesenswerten wöchentlichen Rundbrief Klaus Walters zu seiner immer hörenswerten
wöchentlichen Sendung „Was ist Musik?“ auf ByteFM)

15.09.2013

Künstler und Ferienwohnung

In der Wochenendbeilage der „Berliner Zeitung“ gibt es eine Rubrik
namens „Mein Platz“, in der Menschen von ihrem Lieblingsplatz erzählen und
ebendort abgebildet werden.

Am 7.9.2013 tut dies eine Künstlerin, die sich am Fenster ihres Ateliers
im Wedding fotografieren läßt und dazu u.a. erzählt: „Mein Atelier liegt in einem heruntergekommenen Industriebau (...) Als
ich vor vier Jahren einzig, mußte ich noch mit einem Ölofen heizen. Im Winter
waren es nicht einmal zehn Grad am Fenster. Schließlich hat ein Amerikaner das
Haus gekauft, er baute Heizungen ein. Die Miete kann ich mir seitdem nicht mehr
leisten, aber es gibt Fördergelder für Ateliers, deshalb bin ich noch hier.“

Die alte Geschichte also: arme Künstlerin muß wie in „La Boheme“ im
Atelier bitterlich frieren, dann kommt amerikanischer (also letztlich böser) Investor,
baut zwar Heizung ein, aber ach, dadurch wird das Atelier zu teuer, und die
arme Künstlerin kann die Miete nicht mehr bezahlen. Gottseidank gibt es noch
die Fördergelder des Senats.

Eine Geschichte der sozialen Kälte, der Gentrifizierung.

Wenn man allerdings den Namen der Künstlerin bei Google eingibt, erhält
mal bereits als zweites Suchergebnis eine merkwürdige Sache: die gleiche
Künstlerin bietet auf einer Website, die Ferienwohnungen in Berlin anpreist
(also Wohnungen, die von ihren Besitzern dem Mietmarkt und damit der
Gesellschaft entzogen werden), eine Ferienwohnung in bester Lage an, in der
Pappelallee im Prenzlauer Berg (also einem Viertel, in dem bezahlbare Wohnungen
Mangelware sind): eine ihr offensichtlich gehörende „wunderschöne 1-Zimmer-Wohnung in einer denkmalgeschützten Remise“,
die sie für zwischen 47 und 62 Euro pro Nacht vermietet, zur Hochsaison für 20%
mehr. Betrachtet man den Belegungsplan für den aktuellen Monat, stellt man
fest, daß die Ferienwohnung im September an 20 von 30 Tagen vermietet ist –
macht Einnahmen von zwischen 940 und 1.340 Euro für die Künstlerin. Würde sie
die Wohnung zu den im Mietspiegel festgelegten Quadratmeterpreisen vermieten,
würde sie nur etwa 300 Euro einnehmen.

So ist das eben heutzutage in Berlin: Besitzer von Eigentumswohnungen in
besten Lagen entziehen diese Wohnungen dem Wohnungsmarkt und vermieten sie um
des höheren Profits willen als Ferienwohnungen, lassen sich gleichzeitig aber
vom Senat ein Atelier fördern und barmen in der Öffentlichkeit, sich ohne die
Staatsgelder die Miete fürs Atelier nicht mehr leisten zu können. Ekelhaft.

15.09.2013

Künstler und Eigentumswohnungen

Wie man ja überhaupt noch viel lieber die freie Berliner Kunstszene bei
ihren Forderungen nach bezahlbaren oder geförderten Ateliers unterstützen
würde, wenn man nicht so viele Künstler kennen würde, die von ihren Eltern
große und schöne Eigentumswohnungen geerbt oder sie anderweitig finanziert
haben, die sich aber gleichzeitig ihr boheme-haftes Künstlerdasein von der
öffentlichen Hand (also letztlich u.a. von den Schlecker-Verkäuferinnen oder
den Müllfahrern, um es mal moralisch zu formulieren) finanzieren lassen.

Das Problem ist natürlich, daß in dieser Gesellschaft Besitz kaum zu
versteuern ist. Und auch bei staatlichen Förderprogrammen geht es nach
Einkommen und nicht danach, ob die Personen mit einem niedrigen Einkommen
gleichzeitig große Eigentumswohnungen oder gar ganze Mietshäuser besitzen. Das
ist pervers, aber die Realität. Die perverse Realität sozusagen.

15.09.2013

Zur Bundestagswahl 2013

Man hat das Gefühl... oh, das ist unpräzise formuliert, es muß richtig
heißen: Die Politik, vor allem aber die Medien geben einem das Gefühl, als ob es im Wahlkampf nur um eine
Quanten-kleine Bandbreite von Themen gehe, irgendwo zwischen Seehofers Maut und
Steinbrücks Mittelfinger. Klar ist: Muttis (also Merkels) Wahlkampf und das,
was die Medien als bereitwillige Liebesdiener daraus machen, ist eine
biedermeierliche Paraphrase angeblich demokratischer Auseinandersetzung, mit
der uns vorgespielt wird, es gehe um nichts, wir seien alle glücklich. Dabei
geht es natürlich um sehr viel: Die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und
Deutschlands konstruieren mit Hilfe der Big Data-Konzerne weltweite Überwachung
– und das ist ja immer auch die andere Seite des Biedermeiers, das wissen wir
seit Metternichs Spitzelstaat: flächendeckende Überwachung ist die andere Seite
der klingenden Münze, die da gnadenlose Unterhaltung heißt. Die Untertanen
sollen sich „nicht versammeln, sondern zerstreuen“ (Metternich).

Oder: die
Bankenkrise, die die Steuerzahler bisher etwa 70 Milliarden Euro gekostet hat. Hat
sich an der Bankenpolitik der Bundesregierung irgendetwas geändert? Nicht die
Spur. „Die Deutsche Bank hat momentan
eigenes Kapital von etwa 3 Prozent – die restlichen 97 Prozent der Bilanzsumme
werden durch Schulden finanziert, wie bei Lehman Brothers. Erst bei einem
Eigenkapital von 20 bis 30 Prozent wären die Banken und das Finanzsystem einigermaßen
sicher“ (Martin Hellwig, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung
von Gemeinschaftsgütern), in der Realität aber zocken die Großbanken mit 90
Prozent oder mehr an geliehenem Geld, während wir weiter das Risiko tragen.

Oder: halb Europa leidet unter der Knute deutscher Austeritätspolitik. Doch
darüber wird in diesem Wahlkrampf nicht gesprochen. Ebenso wenig wie darüber,
daß immer mehr Kinder und Jugendliche von Bildung ausgeschlossen werden,
während die Wohlhabenden ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Es
interessiert niemanden.

Interessiert es wirklich niemanden? Doch, es interessiert viele
Menschen: all die Menschen nämlich, die nicht mehr wählen gehen – also die mit
Abstand stärkste Partei. Etwa 30 Prozent der Wahlberechtigten werden nicht zur
Wahl gehen. Es sind Frustrierte aus den unteren Schichten, die wissen, daß ihre
Interessen von keiner Partei vertreten werden, ebenso wie einige
Mode-Intellektuelle, denn Nicht-Wählen ist en
vogue. Was bei diesen Propagandisten des Nicht-Wählens jedoch fehlt,
scheint mir ein wesentlicher Gedanke: Es reicht nämlich nicht aus, nicht wählen
zu gehen, man sollte gleichzeitig fordern, daß das Wahlsystem endlich die
Stimmen Aller zählt, also auch
derer, die nicht wählen gehen. Dann nämlich würde die herrschende
Postdemokratie unter Druck geraten, massive Probleme bekommen. Etwa ein Drittel
aller Sitze blieben leer. Merkels CDU hätte weniger als 30, die SPD weniger als
20, die Grünen wenig mehr als 5 Prozent, und Splitterparteien wie die FDP wären
gar nicht mehr im Bundestag sitzen. Man kann natürlich sagen: nun gut, dann
wäre die einzig mögliche Regierung die Große Koalition, und das ist das, was am
22.9. sowieso herauskommen wird, so what?

Gemach – ich stelle mir nämlich weitere Wahlrechtsänderungen vor. Ich
verlange, daß auch die etwa 7,5 Millionen Menschen, die in unserem Land leben
und nicht wählen dürfen, künftig mitgezählt werden. Ich spreche von all den
Bürgerinnen und Bürgern, die hier leben, die ihren Lebensmittelpunkt hier
haben, die Steuern zahlen, die ihre Beiträge zur Sozialversicherung abführen,
sich am Bruttosozialprodukt beteiligen und und und. Die aber systematisch
entrechtet sind, die nur Pflichten, aber keine Rechte haben, nicht einmal das
einfachste Partizipationsrecht an der Gesellschaft, nämlich an den Wahlen
teilnehmen zu dürfen. Ich spreche von den über 7,5 Millionen Migranten,
Volljährige ohne Wahlrecht, die Hälfte davon lebt länger als 15 Jahre in diesem
Land. Es ist ein Skandal, daß diese Menschen, aber auch die Flüchtlinge von
allen Entscheidungen ausgeschlossen werden. Und solange das Wahlrecht nicht
endlich geändert wird und sicherstellt, daß alle Menschen, die hier leben, auch
mitbestimmen, also zum Beispiel wählen gehen dürfen, solange sollte eine
anteilige Anzahl der Sitze auch der Migranten im Bundestag leer bleiben. Sollen
die Herrschenden doch ihre Mehrheiten herholen, wo sie wollen. Über dem
Reichstag steht nach wie vor „Dem deutschen Volk“. Und das ist wörtlich
gemeint. Und das ist ein Skandal.

„Wie würden die
Wahlen ausgehen, wenn 7,5 Millionen Menschen auf einen Schlag Wahlrecht hätten?
Was würde auf den Plakaten stehen? Wie würde Wahlwerbung aussehen? Und wie
würden die Parteien auf den NSU-Skandal, auf Rassismus, auf fehlende
Gleichberechtigung für Migranten in Schule, Ausbildung und Beruf reagieren? Wie
sähe Bildungs- Wohnungsbau-, Flüchtlings-, Arbeitsmarkt- und Sicherheitspolitik
in diesem Land aus, wenn wir 7,5 Millionen Menschen, deren Eltern aus einem
anderen Land kamen, mit wählen dürften?“ (Mely Kiyak in „Berliner Zeitung“)

15.09.2013

Casper und Roland Kaiser

Sie erinnern sich an Casper, diesen freundlichen jungen Mann, der,
sobald ein neues Album von ihm erscheint, so durch die Verwertungsmühlen der
Kulturindustrie geschüttet wird, wie Max und Moritz – Rickeracke! Rickeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke – vom Müllermeister geschrotet werden. Casper wird
vom sonst eigentlich so geschmackssicheren Popfeuilleton der „Berliner Zeitung“
mit einem Interview geadelt, und „Spex“ versteigt sich in einer Titelstory gar
zu der Behauptung, Casper sei der beste deutsche Rapper.

Wahrscheinlich meinen sie Texte wie diesen:

„Sie blickt ihn an
und sagt: Eines Tages halt ich den Atem an,
Ich hoff doch in deinen Armen dann.
Du starker Mann, Kämpfer für mich.
Schenk dir mich.

Bitte, Liebster,
verschwende mich nicht.
(...)

Wir können Schwäne
sein, zur letzten Träne sein.
Will in stürmischer See der Zeit Antwort deiner Gebete sein
Sieh doch ich steh mit ein, als Letztes im Gefecht
Bin weiß Gott nicht die Schönste doch geb mein Bestes, ich versprechs.“
Undsoweiterundsofort
elendet sich das Geschwätz des „besten deutschen Rappers“. Sagen Sie nicht, Sie
hätten es nicht gewußt! „Nette deutsche Jungs“ eben, wie Casper über sich und
seine Kumpel sagt, brave Neokons, die von starken Männern und Kämpfern in
stürmischer See träumen, während ihre Freundinnen als „Letztes“ (also
ausdrücklich nicht als Letzte, sondern als Neutrum...) im Gefecht stehen.

„Jetzt.de“ von der „Süddeutschen Zeitung“ hat unlängst die Songtexte des
von den Kritikern wegen seines „einzigartigen
Rap- und Textstils“ bejubelten Casper mit denen des Schlager- und
Schnulzensängers Roland Kaiser („Santa Maria“) verglichen – mit einem
überraschenden Ergebnis, oder vielleicht auch nicht.

Und was tat der brave Casper? Er spielte die beleidigte Leberwurst und
gab ein bereits geführtes Interview nicht frei – er fühle sich „von dem Vergleich diffamiert“. Der
Schlagerstar Roland Kaiser war um einiges cooler als der Rapper und stellte
sich den Fragen der „SZ“.

15.09.2013

Reinhard Jellen über Narzissmus

Der
Narzissmus, einstmals die schärfste Waffe gegen Friedensirre und
Ölologie-Idioten, ist im Stefan-Raab-Zeitalter zur gelebten Visitenkarte und
Volkskrankheit degeneriert.“

Reinhard Jellen

15.09.2013

Reichtumsforschung: Klima zwischen Reichen und Armen

„Die französischen Reichtumsforscher
Michel und Monique Pinçon-Charlot beobachten eine Politik der Gewalt gegenüber
den Ärmeren, die zunehmend als Staatsfeinde geschildert würden. Das Klima
zwischen den Reichen und den ärmeren Schichten in Frankreich wird aggressiver.
(...) Die Herrschaftssystem
der reichen Oligarchen ist in der Auffassung von Michel und Monique
Pinçon-Charlot deutlich mehr von Gewalt geprägt, ökonomischer und ideologischer
Art. Die ökonomische Gewalt ist nach den Anschauungen der Soziologen ein
Instrument geworden, das, wie die Religion, mit Psychopolitik operiert - mit
existenzieller Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und dem Entzug der
sozialen Anerkennung. Begleitet werde die "Dominanzmechanik" mit
einer Herabsetzung der Stimmen, die aus den unteren Schichten kommen.“
(aus: „Telepolis“)

Und in Deutschland? „Sanktionen
gegen ALG II-Empfänger auf dem zweithöchsten Stand seit 2005“ meldet
„Telepolis“ am gleichen Samstag im September 2013.

15.09.2013

Edgar Reitz über Film und Fernsehen in Deutschland

„Das Problem
des deutschen Films ist das deutsche Fernsehen. Weil Fernsehgremien entscheiden,
was produziert wird und was nicht, auch fürs Kino. Nur wenn Sender
mitproduzieren, wird es auch gefördert. Das ist ein Filz und eine Bevormundung
ohnegleichen. Gibt es so nirgends auf der Welt. Man sieht es den Filmen leider
an. (...)

Diese
Unterwanderung aller Fördersysteme durch das Fernsehen muß entflochten werden.
Dagegen können nur die Jungen rebellieren, was ich mir sehr wünschen würde.“

Edgar Reitz im „SZ-Magazin“

12.09.2013

Ylvis - The Fox

Schauen Sie sich doch mal dieses schöne Video an – keine Angst vor
jungen Menschen, die Tierkostüme tragen, klar, das ist per se lächerlich und
verhöhnenswürdig, hier aber geht es ganz woanders lang – und wenn die Welt eine
gerechte wäre, dann würde das hier einer der Songs des Frühherbstes sein, und
nicht der Song, den die sich nackig machende amerikanische Teenagerin ins Netz
gestellt hat...

12.09.2013

iRights freie Lizenz für staatlich geförderte Inhalte

Philipp Otto von irights.info stellt in seinem
Eröffnungstext zum Urheberrechts-Kongreß eine Kleinigkeit klar (ich zitiere aus
dem „Perlentaucher“): „Es sollte eine Selbstverständlichkeit
sein, daß jeder Euro aus öffentlichen Kassen, der in die Erstellung von Werken
in Wissenschaft und Forschung fließt, in die Produktion von Inhalten -
etwa bei der staatlichen Filmförderung oder im öffentlich-rechtlichen
Rundfunks - zwangsläufig eine freie Lizenz zur Folge hat."

Eigentlich selbstverständlich und logisch, oder? Wer die
Öffentlichkeit das, was er produziert, bezahlen läßt, der sollte sich
verpflichtet fühlen, das Produkt der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung
stellen.

(Problem ist natürlich: will
man all den Schmarrn, den die Filmförderung, das öffentlich-rechtliche
Fernsehen oder die Initiative Musik mit unseren Steuergeldern und/oder Gebühren
finanziert, überhaupt sehen, hören und ertragen müssen???)

03.09.2013

Und Ansonsten 09/2013

Sie erinnern sich: Die Presseverlage, Axel Springer allen voran, haben
jahrelang Lobbyarbeit betrieben, um der Bundesregierung das sogenannte
„Anti-Google-Gesetz“ abzupressen, ein Gesetz, das fast alle Experten, die große
Mehrheit aller unabhängigen Juristen und ihre Fachverbände wie auch die meisten
namhaften Wissenschaftler abgelehnt haben. Während vernünftige Menschen das
Gesetz für das halten, was es ist, nämlich „eine
Katastrophe für die deutsche Öffentlichkeit“ (Marcel Weiß, „Neunetz.de“),
beharrt der „Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger“ darauf, das neue
Leistungsschutzrecht für Verlage bleibe ein wichtiger Baustein für eine
Strategie „weg von der Unkultur des
Kostenlosen, weg vom Mißbrauch des Copyrights“.
Doch was geschah, als das neue Leistungsschutzrecht nun am 1.8.2013 in Kraft
trat? Was passiert jetzt? Gar nichts. Die Verlage und Zeitungen, die das neue
Gesetz so vehement verlangt hatten, setzten es nicht um – sie präsentieren sich
weiter gerne auf Google News, aus gutem Grund: „Google bringt ihnen echten Mehrwert, indem es jede Menge Traffic auf
Verlagsseiten lenkt – pro Monat sind dies weltweit über sechs Milliarden
Besucher“ (so der Google-eigene Blog lt. „FAZ“ vom 1.8.d.J.).
Und so zogen die Verlage und ihre Zeitungen den Schwanz ein und ließen ziemlich
kleinlaut von sich hören: „Die F.A.Z. hat
ihre Zustimmung zur Anzeige der eigenen Inhalte bei Google News gegeben (...)
Ein sogenanntes ‚De-Listing’ bei Google News hätte für die F.A.Z. erhebliche Reichweitenverluste
bedeutet. (...) die wirtschaftlichen Risiken wären für die F.A.Z. nicht
überschaubar gewesen“, teilte die „FAZ“ „in eigener Sache“ mit. Auch die
Axel Springer AG läßt ihre Internetseiten weiter bei „Google News“ erscheinen,
wie die meisten anderen deutschen Zeitungen und Verlage.
Interessant. Denn mit ihrem Verhalten zeigen die Presseverlage, daß sie die
Öffentlichkeit zuvor belogen haben. Ganz offensichtlich verdienen sie eine Menge Geld gerade dadurch, daß ihre Meldungen bei Google angezeigt und verlinkt werden. Das
bringt ihnen Mehrwert, würden sie
dort nicht auffindbar sein, würde das „erhebliche
Reichweitenverluste“ und „nicht
überschaubare wirtschaftliche Risiken“ mit sich bringen.
Die Politiker aber, die das Leistungsschutzrecht geändert haben – und das war
nicht nur der FDP-Wirtschaftsminister, der den Chefredakteur der Blödzeitung
öffentlich umarmt und geradezu anspringt, sondern die komplette CDU, CSU und
FDP und weite Teile von SPD und Grünen... – sollten sich jedenfalls schämen.
Ihr Hofknicks vor Springer, Burda und Konsorten war zu nichts nütze. Es sind
schon Politiker aus nichtigeren Anlässen zurückgetreten...

Politikverdrossenheit? Wer wissen will, woher die rührt, kann mich
anrufen, für geringes Stundenhonorar erkläre ich noch vor den Wahlen allen,
wieviel 1 und 1 ist.

* * *

Und sobald es ans Eingemachte, also an ihren Profit geht, werden die
Konservativen zu Kommunisten, wie etwa, wenn ein Großkapitalist eine ihrer
Qualitätszeitungen aufkauft:
„Bei den weltweiten Konzentrationsbewegungen,
welche die Online-Konzerne nun am Beispiel von Zeitungen exerzieren, muß man
sich aber auch fragen, ob Lenin mit
seiner Theorie des Staatsmonopolkapitalismus nicht doch recht behalten könnte.
Die Welt wird bestimmt von einer Finanz-Daten-Online-Oligarchie, mit besten
Verbindungen zum Geheimdienst.“ (Hervorhebung BS).
Stand nicht etwa in der „Roten Fahne“, sondern im Leitkommentar des Leitmediums
der deutschen Konservativen, der FAZ, am 7.8.2013.
Ganz offensichtlich geht ihnen der Popo auf Grundeis.

* * *

„Tape.tv kauft Amen“.
Verlierer unter sich.

* * *

„Ich wünsche mir, daß unsere Regierung endlich kapiert, daß Kinder nicht nur
Wirtschaft und Mathe im Leben brauchen. Ich wünsche mir, daß in den Schulen
Musik, Literatur und Kunst eine größere Rolle spielen. (...) Es ist die Kunst,
die uns Menschen glücklich macht.“
                                   Pharell
Williams im Interview mit dem SZ-Magazin

* * *

Sachen gibt’s... Wie zum Beispiel dieses Angebot einer deutschen Heavy
Metal-Band, das mich gerade erreichte:
„U.D.O. planen ein Konzert zusammen mit
dem Marinemusikkorps Nordsee. Dies ist ein sehr spezielles Projekt und
entstammt einer Zusammenarbeit auf dem letzten U.D.O. Studioalbum
"STEELHAMMER". Der Song "BOOK OF FAITH" war sozusagen die
erste gemeinsame Nummer und ist so gut angekommen und hat auch beiden Parteien
solchen Spaß bereitet, daß wir gemeinschaftlich beschlossen haben, dies in
einem einmaligen Konzert umzusetzen. (...)
Das Konzert wird höchstwahrscheinlich unter der Schirmherschaft eines
hochrangigen Politikers stattfinden (erste Details frühestens NACH der
Bundestagswahl) und soll im Rahmen einer Image Kampagne der Bundeswehr genutzt
werden. Weitere Aktionen (Gala Dinner, etc.) sind bereits geplant, hängen aber
stark von der Schirmherschaft und der letztendlichen Infrastruktur
der Veranstaltungsstadt ab.“ (Rechtschreibung wie im Original, BS)
Vielleicht reichts ja sogar zu einer Briefmarke der Deutschen Post AG? Die ist
nämlich auch immer gern bereit, Imagekampagnen der Bundeswehr zu unterstützen:

* * *

Und was macht die „Initiative Musik“? Sie fährt „internationale Journalistinnen und Journalisten“ herum und macht
Werbung für Schland: „Bei der einwöchigen
Reise erlebten die Journalistinnen und Journalisten Deutschland als ein
modernes Land mit einer lebendigen, vielschichtigen und international
anerkannten Musikszene“. Und ein Uwe Heye, Referatsleiter in der Abteilung
für Kultur und Propaganda, oh, pardon, Kultur und Kommunikation des Auswärtigen
Amtes, sagt die einschlägige Prosa zum nation
branding mit nachgerade entwaffnender (sic!) Ehrlichkeit auf: „Musik als Kulturgut ist von großer
Bedeutung, wenn es darum geht, die Wahrnehmung und das Image von Deutschland
als Kulturnation im Ausland zu gestalten und zu steuern. Deshalb ist das
Besucherprogramm des Auswärtigen Amts (...) ein wichtiger Teil der deutschen
Public Diplomacy.“
Alle und alles im „Einsatz für Deutschland“.

* * *

Und wen hat die Propagandaabteilung des Auswärtigen Amtes auf unser aller
Kosten zur Buchmesse nach Rio, an den Deutschen Gemeinschaftsstand in Brasilien
geschickt? Den Israel-feindlichen Großdichter? Eines der jungen Dinger, die
jeweils durch die Feuilletons der Qualitätszeitungen gehetzt werden? Frau Roche
und ihre Feuchtgebiete? Oder hat das Auswärtige Amt doch eher Botho Strauß zum
Singen ins Bockshorn nach Brasilien gejagt? Oder letztlich doch einen der
sagenhaften Popliteraten?
Weit gefehlt.
Nein, die „nationalkulturelle Pflicht“
(„FAZ“, ironisch, nicht daß Sie denken...), am deutschen Gemeinschaftsstand bei
der Buchmesse in Rio aufzulaufen, ein Stand, der  „mit
Unterstützung des Auswärtigen Amts gestaltet und bespielt“ („FAZ“) wurde,
diese Pflicht hat letzte Woche, am 29.August – na, wer wohl wahrgenommen? Sie
kommen nicht drauf: Michael Ballack! Genau, der Capitano. Der allerdings eher
Aphorismen-Dichter ist – Sie erinnern sich? „Keiner
verliert ungern.“ Da nich für...

01.09.2013

Tote Hosen im Wahlkampf

Die „Toten Hosen“ sind beleidigt, weil sowohl CDU als auch SPD sich
einfach ihres Rock-Schlagers namens „Tage wie diese“ für Wahlkampfzwecke
bedienen.

Bemerkenswert finde ich daran nicht, daß die “Toten Hosen“, die 2010 für
zwei Auftritte im usbekischen Taschkent und im kasachischen Almaty vom
Auswärtigen Amt insgesamt 68.793 Euro Staatsförderung erhalten haben, sich nun darüber
aufregen, daß es „unanständig und
unkorrekt“ sei, daß ihre Musik bei Wahlkampfveranstaltungen „mißbraucht“ werde.

Wenn die „Toten Hosen“ das ernsthaft vermeiden wollen, sollten sie sich
mal in Ruhe mit ihrem GEMA-Vertrag beschäftigen. Mit dem GEMA-Einheitsvertrag,
dem sich die „Toten Hosen“ wie alle GEMA-Mitglieder unterworfen haben dürften,
verlieren die Urhebenden nämlich u.a. ihre Mitspracherechte darüber, wer ihre
Werke nutzen darauf. „Die GEMA ist verpflichtet, jedem zahlenden
Interessenten die Nutzung zu gestatten. Eine Möglichkeit zur Differenzierung
sieht die GEMA nicht vor. (...) Da die GEMA praktisch eine Monopolstellung
innehat, sind Künstler, die an der Auswertung ihrer Werke partizipieren
möchten, quasi gezwungen, diesen Einheitsvertrag zu schließen.“ (Markus
Kompa auf „Telepolis“)

Bemerkenswert finde ich auch nicht, daß sich „die vermeintlichen politischen Lager schon
so ähnlich geworden sind, daß sie sogar am Bierstand dieselben Lieder grölen“,
wie Lucas Wiegelmann in der „Welt“ schreibt.

Nein, ich finde bemerkenswert, daß die Toten Hosen
offensichtlich nichts dabei finden, einen Song geschrieben zu haben, der sich
ohne Weiteres für den Wahlkampf sowohl der CDU als auch der SPD eignet – dort,
wo vor ein paar Jahren noch die Nationalhymne gespielt wurde. Wäre ich Musiker
und wäre mir dergleichen passiert, ich würde still vor mich hinschweigen und in
mich gehen und über meine Musik nachdenken...

01.09.2013

Kanzlerduell im TV

„Kanzlerduell“ im Fernsehen?

Sie haben sicher etwas Besseres zu tun, als den Abend mit dieser Ödnis
zu verbringen.

Und Stefan Raab? Was dazu zu sagen ist, hat Gerhard Henschel in
„Konkret“ erledigt:

„Zotenreißer
Stefan Raab beweist, daß man es auch als cleverer Vollidiot zum Moderator des
‚Kanzlerduells’ bringen kann.“

01.09.2013

Rassismus in Berlin

Dieser Tage konnte man auf Arte den Dokumentarfilm „Soundtrack for a
Revolution“ sehen. Es geht um die schwarze Bürgerrechtsbewegung und ihren Kampf
gegen Rassismus in den USA in den 60er Jahren. Es ist eindrucksvolle Musik zu
hören (ungeheuer groß: Richie Havens, The Roots!), man lernt, welche Bedeutung
Gospel für die Afroamerikaner in der Zeit hatte oder Lieder wie „Which Side Are
You On“ oder eben „We Shall Overcome“ (den Film kann man wohl noch ein paar
Tage bei Arte im Netz sehen, und die DVD kostet auch nicht die Welt). Bürgerrechtler
erzählen von ihren Sitzstreiks in Restaurants, Kantinen und Bars, etwa bei
Woolworth – sie hatten trainiert, sich an den Tresen zu setzen und darauf zu
warten, bis sie bedient werden. Sie wurden bedrängt, bespuckt und belästigt.
Sie wurden verprügelt und von der Polizei festgenommen; ihr Verbrechen: an
Plätzen zu sitzen, die für Weiße reserviert waren.

Wenn man die dokumentarischen Szenen bei Woolworth
sieht, wünscht man sich einen Weißen, der sich zu den Schwarzen setzt. Ich
träume, wie der Weiße leise seinen schwarzen Nachbarn fragt, „was möchtest du
trinken“, und dann einen Kaffee oder eine Limonade bestellt, und als er das
Getränk erhält, gibt er es seinem schwarzen Nachbarn weiter und lädt ihn ein,
das Getränk zu trinken. Aber das ist natürlich nur ein Traum, nichts
dergleichen ist passiert.

Fünfzig Jahre ist das jetzt her. Über das Heute
lese ich am 29.August in der „FAZ“, daß Roma aus Rumänien und Bulgarien über
Monate in einer verlassenen Gartenkolonie, an deren Stelle demnächst eine
Stadtautobahn gebaut werden wird, in Neukölln gewohnt haben – unter
erbärmlichsten Umständen. Und mit Nachbarn, die man nicht zum Nachbarn haben
will: „Die haben immer wieder nach Wasser
gefragt“, sagt ein Schrebergartenbesitzer in Sporthose, der auf die Bagger
schaut. „Aber ich habe denen keines gegeben.“ („FAZ“) Natürlich nicht.

Und Reinickendorfer Wutbürger verbieten den in
einem Flüchtlingsheim lebenden Kindern, auf einem privaten Spielplatz direkt
gegenüber der Einrichtung zu spielen.

Auch den Schwarzen in Alabama hatte vor fünfzig
Jahren kein ordentlicher Weißer ein Glas Wasser angeboten, und ihre Kinder
durften nicht auf den Spielplätzen der Weißen spielen. Der Rassismus lebt –
auch im angeblich so weltoffenen Berlin.

01.09.2013

Apple Überwachungssoftware

Apple hat ein Patent auf eine Technologie angemeldet, mit der
Regierungen und Polizei die Übertragung von Informationen, inklusive Videos und
Fotos, von jedem öffentlichen Ort, etwa Demonstrationen, blockieren kann, den
sie als „sensitiv“ bezeichnet oder für „schützenswert“ hält.

Im Klartext bedeutet das: Wer immer über diese Technologie verfügt, hat
die komplette Kontrolle darüber, was von jedem öffentlichen Event mit Mobilgeräten
dokumentiert werden kann.

Apple Inc. macht diese Technologie hauptsächlich Kinos, Theatern oder
Konzertveranstaltern schmackhaft, gibt aber gleichzeitig zu: „Covert police
or government operations may require complete ‘blackout’ conditions.”

Die Technologie ist das ideale Mittel, die Berichterstattung von
Demonstrationen und öffentlichen Protesten massiv einzuschränken; insbesondere
von Mobiltelefonen aufgezeichnete Aufnahmen etwa von brutalen Polizeiaktionen,
die heutzutage oft unmittelbar auf Video-Webseiten und auf Fernsehsendern zu
sehen sind, werden durch die neue Apple-Technologie künftig unmöglich sein.

(Quelle: RT.com, „No shooting at protest? Police may block mobiel
devices via Apple“)

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