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Blog Archiv - Jahr %1
03.01.2016

Buch- und Zeitschriftenverlage, Autoren & das Urheberrecht

Interessant
ist, wie die Kulturindustrie gegen die kleinen Reförmchen, die die
Urheberrechtsnovelle von Justizminister Maas beinhaltet, ins Feld zieht. Insbesondere
die Möglichkeit, daß Urheber künftig fünf Jahre nach Vertragsabschluß die
Gelegenheit haben sollen, ihre Werke an andere Unternehmen der
Verwertungsindustrie zu verkaufen, erbost die Verwerter. Großverleger
behaupten, dies sei eine „Ausgeburt neoliberaler Logik“ und entlarven sich
damit selbst. Ich will jetzt nicht die Urheberrechts-Reform verteidigen, weil
sie nicht weit genug geht und weit von meinem Vorschlag einer
Urheberrechts-Reform entfernt ist (siehe u.a. hier) – ich habe gefordert, daß
das Urheberrecht nach einem festzulegenden Zeitraum von z.B. fünf oder acht
Jahren automatisch an die Urheber zurückfallen sollte (und dann neu verhandelt
werden kann). Dies ist gängige Praxis bei vielen Indie-Plattenfirmen und hat
nicht etwa dazu geführt, daß alle Bands weggelaufen sind, sondern daß
diejenigen, die sich gut behandelt und fair bezahlt fühlten, gerne einen
Folgevertrag mit ihrem Label unterschrieben haben.

Das scheint
mir das eigentlich Pikante an dem Aufstand der Verwerter und der ihnen hörigen
Bestsellerautoren zu sein: Ein vertrauensvolles
Verhältnis zwischen Urheber und Verwerter scheint ihnen eine wesensfremde
Vorstellung zu sein. Dabei ist es doch das entstandene Vertrauen, das in der
Beziehung zwischen Autoren und Musikern auf der einen und Verlagen und
Plattenfirmen auf der anderen Seite eine langfristige Partnerschaft ermöglicht
– aber eben: eine Partnerschaft, bei
der sich die Urheber auf Augenhöhe
mit den Verwertern bewegen und nicht als deren Spielball, der auf unbestimmte
Zeit zu einmal festgelegten Bedingungen ausgebeutet werden kann. Die Basis der
Partnerschaft sollten gesetzliche Regelungen sein, die die Rolle der Urheber
stärken. Schon der Dominikanermönch Henri Lacordaire wußte Mitte des 19.
Jahrhunderts in Nachfolge des Aufklärers Rousseau, daß es „zwischen dem Starken und dem Schwachen das Gesetz“
ist, „das befreit“.

Und
wenn die Verleger und ihre Lohnschreiber in den Printmedien derzeit behaupten,
daß diese Regelung im neuen Urheberrecht zum „Sterben vieler kleiner Verlage
führen“ werde (was für ein ausgemachter Blödsinn!) und sogar „unsere (sic!)
Demokratie gefährdet“, dann darf man sie mit den Schriftstellern Juli Zeh und
Ilija Trojanow darauf hinweisen, daß es absurd ist, den „klassischen
Interessengegensatz ‚Autor-Verlag’ auf die Beziehung ‚Autor-Leser’ zu
verlagern. In der Logik des Arbeitskampfes wäre das so, als wollte ein
Fließbandarbeiter bei Opel sein Recht auf Bezahlung gegen die Autokäufer
verteidigen“.
Es ist ja durchaus so, daß Verlage und Autoren sowohl unterschiedliche als auch
gemeinsame Interessen haben. Und wenn die „Süddeutsche Zeitung“ behauptet, daß
die geplante Neuregelung eine „strukturelle Schwächung der Verlagsseite“ bedeute,
die dazu führe, daß man „auf dem künftigen Markt allein mit den Global Playern“
sei, die „als Distributor oder Suchmaschine begonnen haben, aber mehr und mehr
ins klassische Verwertergeschäft – auch in der Buchbranche – einsteigen“, dann
wird man fragen dürfen, ob die Global Player des Buchmarkts nicht zuallererst
Bertelsmann und Holtzbrinck sind.
Den Vogel abgeschossen hat Jan Wiele in der FAZ (das ist jene Zeitung, die
freien Autoren ausschließlich sogenannte „Buy Out“-Verträge anbietet, was
konkret bedeutet, daß diese Autoren einmal ein relativ mittelmäßiges Honorar
erhalten und der Text dann für alle Zeiten der FAZ gehört, die ihn allüberall
verwerten und ausbeuten darf – würde der Autor zum Beispiel seinen eigenen Text
in einem Buch abdrucken wollen, müßte er für seinen Text ein Honorar an die
„FAZ“ bezahlen – kein Wunder, daß es keinen einzigen freien Autoren gibt, der
sich bisher gegen die neue Gestzesregelung ausgesprochen hat, die endlich
verbindliche Vergütungsregelungen beinhaltet...). Jan Wiele erklärt die Verlage
in der „FAZ“ gleich zu Co-Autoren, zu „ im Grunde Miturhebern“. Weil sie die
Texte der Autoren drucken? Weil sie Lektoren vermitteln, die mittlerweile
häufig von den Autoren (mit-)finanziert werden müssen? Viel Spaß wünsche ich der
„FAZ“, wenn sie einem Bob Dylan erklären wird, daß seine Plattenfirma Sony
eigentlich ein „Miturheber“ seiner Songs ist... Aber nichts ist absurd genug,
um nicht gegen im Grunde vernünftige Gesetzesentwürfe in Anschlag gebracht zu
werden.
„Nie wieder Streit / Kein Copyright / Nie wieder Krieg / Und nie mehr Musik!“
(The Schwarzenbach)

03.01.2016

Copyright Diederichsen & Renée Green Wien

Eine
interessante und pikante Umsetzung des Copyrights konnte man in der – übrigens
sehr empfehlenswerten – Wiener Ausstellung „to expose, to show, to demonstrate
(Künstlerische Positionen um 1990)“ sehen. Während man alle Exponate in den
drei Stockwerken im Mumok fotografieren durfte, war das bei der Arbeit
„Import/Export Funk Office“ der afroamerikanischen Künstlerin Renée Green von
1992 explizit verboten. Was wird dort gezeigt? Renée Green bediente sich bei
ihrer Installation der privaten Sammlung des damaligen Spex-Herausgebers
Diedrich Diederichsen, der mit seinem Interesse an „ihrer“ schwarzen Musik- und
Popkultur sowohl Mitstreiter als auch Counterpart war, was seine Identität als
weißer Europäer betraf. Auf Metallregalen stellt Green Bücher der „black
culture“ aus dem Privatbesitz von Diederichsen aus, oder eine Auswahl der
HipHop-Tapes aus seinem Besitz.Warum
man dies nicht fotografieren darf, warum extra eine separate Wächterin dafür
sorgt, daß die Bücher und Tapes aus Diedrich Diederichsens Privatbesitz nicht
fotografiert werden können, würde man doch gerne erklärt bekommen – die
Auskunft des freundlichen Personals lautete einfach: „Copyright“...

03.01.2016

Hitler hatte nur ein Ei!

Das war mal echt investigativer Journalismus, als die Blödzeitung am 19.12.2015 auf der Titelseite großbuchstabig das Ergebnis ihrer Recherchen bekanntgab: „Hitler hatte nur einen Hoden!“ Wenn jetzt mal nicht die Geschichte des Dritten Reichs umgeschrieben werden muß.Wobei, wenn die Welt und meinethalben auch die Blödzeitung 1993 bereits das Gedicht „Die Wahrheit über den Führer“ von Wiglaf Droste aufmerksam studiert hätten, hätten sie (also die Welt und die Blödzeitung) nicht 22 Jahre uninformiert bleiben müssen. Denn Wiglaf Droste reimte seinerzeit in zwei Zeilen lapidar, wozu die Blödzeitung nun weite Teile ihrer Titelseite mißbrauchte, nämlich: „Der Führer hatte nur ein EiDaran brach das Reich entzwei.“ Es lohnt sich eben immer und grundsätzlich, jedes Buch von Wiglaf Droste zu lesen, ach was sage ich: aufmerksam zu studieren (a propos, wenn Sie noch kein Weihnachtsgeschenk haben sollten...). In dem aufklärerischen und schön gereimten Führer-Gedicht Drostes heißt es übrigens auch: „Hitler kriegte keinen hochNur der rechte Arm ging noch.“ Und ich finde, das wäre doch eine schöne Gelegenheit für die anderen Heroen des investigativen Journalismus, den „Spiegel“, für eine weitere große Titelgeschichte über ihre Lieblingsfigur, über Hitler also, in diesem Fall: Über Hitlers Sexualleben. Nur mal so als Tipp. Nicht zu danken, gern geschehen. Wobei die Spiegel-Leute mir grade flüsterten, sie würden für diese Story noch 11 Jahre brauchen, bis die Recherchen usw. usf. Womit bewiesen wäre, daß der Spiegel doppelt so schnell arbeitet als seine Kollegen von der Blödzeitung. Was ja auch eine Erkenntnis zum Jahresausklang ist, oder?

03.01.2016

Tun wirs wie die Ameisen!

So geht
jetzt ein recht merkwürdiges Jahr seinem Ende entgegen, und wie so oft wünscht
man sich: Kann eigentlich nur noch besser werden (der Verstand meldet sich dann
sofort zu Wort: geht natürlich alles noch immer schlimmer!). „World gone
wrong“, wie oft hat man diese Zeile in den letzten Jahrzehnten verwendet.Diejenigen,
die Angst davor haben, daß die Heimatvertriebenen in eine der knapp fünf
Millionen hierzulande leerstehenden Wohnungen einziehen und sich auch sonst wie
die Made im Speck an unseren Errungenschaften laben könnten, seien darauf
hingewiesen, daß wohl kaum jemand freiwillig und ohne Grund endlose
Entbehrungen auf sich nimmt und in wackelige Boote steigt, um übers Mittelmeer
zu fahren, um in einem Land zu landen, in dem dieses Jahr soviele Flüchtlingsunterkünfte
wie noch nie angegriffen oder angezündet wurden, über 1.000.„Wer würde schon ohne Gefahr Asien,
Afrika oder Italien aufgeben, um nach Germanien zu ziehen, in jenes abstoßende
Land mit seinem rauen Klima, seiner unfreundlichen Kultur und Erscheinung!“Schrieb
Tacitus in seinem Text „Germania“, im Jahr 98 nach Christus...Ich
wünsche uns allen mehr Solidarität und Empathie. Und Ihnen wünsche ich, daß Sie
Gelegenheit haben, „zwischen den Jahren“ und in 2016 ein bißchen mehr wie die
Ameisen zu leben. Die sind nämlich entgegen landläufiger Einschätzung durchaus
auch faule Tierchen und liegen gerne mal gemütlich einfach in der Hängematte.
Neueste Forschungsergebnisse der Universität Arizona zeigen, „daß 72 Prozent der sogenannten Arbeiter bei
den Ameisen die Hälfte der Zeit gar nichts tun, also sozusagen halbtags
arbeiten“ (Ivo Bozic). 25 Prozent tun sogar überhaupt nichts. Nie. Ob diese
Ameisen unfreiwillig arbeitslos sind (etwa wegen des Ameisensterbens, das es
leider hierzulande gibt) oder einfach nur Müßiggänger, haben die Forscher
bisher nicht herausgefunden.Tun wirs
also wie die Ameisen! Weniger arbeiten, mehr leben!

30.11.2015

Xavier Naidoo, Marek Lieberberg und die Escape-Taste

„Esc“ ist ja an
sich eine sehr hübsche Abkürzung, die nicht nur für die „Escape“-Taste des
Computers steht, die laut Wikipedia „meist zum Abbrechen von Aktionen“ genutzt
wird, sondern auch zum Beispiel für die „European Scooter Challenge“, also die internationale
Meisterschaft im, ja, Schaltrollerrennen, oder für die Europäische Shōgi-Meisterschaft
und, schon etwas sinnfälliger, für die European Shooting Confederation, also
die Europäische Schützenunion, und den European Steady Cycle, den
Abgasprüfzyklus für schwere Nutzfahrzeuge, oder den European Stationary Cycle,
den Prüfzyklus zur Emission-Zertifizierung schwerer Dieselmotoren. Ach ja, und
natürlich steht ESC auch für dieses komische, jährlich stattfindende Dingens,
in dem größtenteils mindestens belanglose, meist jedoch nachgerade schlechte
Musik der nationalen Euphorisierung dient und sogar sonst eher unbefangenen
Menschen aus nationalen Gründen ziemlich feuchte Höschen und Unterhosen macht,
besonders, wenn es um die „nationale Aufgabe“ (Goebbels 1935, Stefan Raab 2010)
geht, das Ding zu gewinnen. So weit, so schlecht, und ehrlich gesagt ist mir
das alles jenseits der Analyse, daß Nation
eben vor allem „eine Inszenierung der
Unterhaltungsindustrie“ (Seeßlen) und eine des Staatsfernsehens ist,
reichlich wurscht. Und ganz ehrlich, ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn
Xavier Naidoo zum ESC gefahren wäre, ganz im Gegenteil, ich hätte es für
einigermaßen konsequent gehalten, wenn Pegida-Deutschland mit seinen über 500
Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in diesem Jahr von einem
Sakro-Pop-Soul-Sänger vertreten würde, dessen „politische Äußerungen teilweise als homophob, antisemitisch und
weltverschwörerisch aufgefasst werden. So nannte er Deutschland ein besetztes,
unfreies Land und will aus der Bibel herausgelesen haben, dass Amerika
untergehe. Er selbst bezeichnete sich in einem Interview als Rassist ohne
Ansehen der Hautfarbe. Auch schreckte er nicht davor zurück, vor den
Reichsbürgern und der NPD zu sprechen, da er sich ebenfalls als Systemkritiker
betrachtet“ („Musikmarkt“). Das Gesicht des häßlichen Deutschen, mit dem
„wir“ in Europa auftreten, muß ja nicht immer nur das von Schäuble oder
Seehofer sein.

Insofern habe
nicht so recht verstanden, warum sich so viele Menschen darüber entrüstet
haben, daß „wir“ oder „unser Land“ beim ESC von Xavier Naidoo vertreten werden
sollte. Als ob es dieser Tage keine wirklich wichtigen gesellschaftlichen
Fragen zu verhandeln gäbe.Interessant ist
allerdings, und da kommen wir zu zwei Themen, denen ich meine letzten Bücher
gewidmet habe, zum Einen die Frage, inwieweit der Shitstorm im „Plapperorgan Internet“ (so der
Oberplapperer Jan Feddersen im Plapperorgan „taz“), der zur Absage des NDR an
Naidoo geführt hat, finanzielle Folgen hat. Denn man lese die Stellungnahme
Naidoos auf Facebook, nachdem er vom NDR rausgeworfen wurde, mal sehr aufmerksam:„Wenn sich nun kurz nach unserer vertraglichen
Einigung mit dem NDR und dem Abschluss aller Vorbereitungen die Planungen der
ARD durch einseitige Entscheidung geändert haben, dann ist das ok für
mich", schreibt Naidoo, und so reden nur Leute daher, die ihre Rechtsanwälte
bereits in Stellung gebracht haben – „kurz nach unserer vertraglichen
Einigung“, und „nach dem Abschluß aller Vorbereitungen“ und „einseitige
Entscheidung“ der ARD – Profis, die sich mit Vertragswerken und
Ausfallhonoraren auskennen, wissen: Naidoo wird auf die vereinbarte Gage
keineswegs verzichten, bloß weil ihm die ARD durch „einseitige Entscheidung“
gekündigt hat. Das riecht nach Ausfallgage wie ein Limburger Stinkkäse.
Insofern wüßte ich gern, wieviel Gebührengeld bzw. Haushaltszwangsabgabe die
ARD an Xavier Naidoo bezahlt, damit er nicht zum ESC fährt. Wollen wir wetten,
daß der Betrag sechsstellig ist?

Und zum Anderen,
jetzt geht’s ums „Geschäft mit der Musik“, finde ich es interessant, wie seinem
Tourneeveranstalter Marek Lieberberg, der so manche Million mit Naidoo verdient
haben dürfte, der Popo auf Grundeis zu gehen scheint angesichts des
Imageverlustes seines Schnulzenpop-Schützlings. Die Reinwaschungsstrategie, um Naidoos
deutlich beschädigten Ruf zu retten, ist pures Marketing – „Menschen für
Naidoo“ steht fett über einer ganzseitigen Anzeige in der FAZ, die Konzertveranstalter
Marek Lieberberg laut „Stern“ organisiert hat und die knapp 70.000 Euro teuer
war. Es wird so getan, als ob Naidoo ein großes Unrecht geschehen sei, und als
ob dieses Unrecht so ziemlich das Schlimmste sei, das man 2015 erleben mußte –
kein Kleinkind, das ertrunken an der griechischen Küste im Sand lag, keine
enthauptete IS-Geisel, keine erschossenen Konzertgänger im Pariser Bataclan und
auch keine Charlie Hebdo-Satiriker haben in diesem Jahr die deutsche Pop- und
Comedy-„Elite“ und die Musikbranche (und all die Künstler und Kollegen, die
Lieberberg als dem deutschen Konzert-Mogul auf die eine oder andere Art und
Weise verpflichtet bzw. von ihm abhängig sind) so sehr aufgewühlt, daß sie
„Menschen für...“ auf einer ganzseitigen, knapp 70.000 Euro teuren Anzeige
postulieren mußten, wie die ESC-Absage für Naidoo. „Menschen“ müssen sich
dieser Naidoo angetanen Ungerechtigkeit entgegensetzen, woraus rhetorisch ja
auch folgt, daß diejenigen, die gegen Naidoo sind, eben keine „Menschen“ (oder
vielleicht Untermenschen?) sind. Unterschrieben haben unter anderem: Tim
Bendzko, Yvonne Catterfeld, Roger Cicero, Jan Delay, Samy Deluxe, Die Prinzen,
Andreas Gabalier, Annette Humpe, Heinz Rudolf Kunze, Jan Josef Liefers, Johnny
Logan, Anna Loos, Tim Mälzer, Michael Mittermeier, Mousse T, Max Mutzke, Pur,
Sasha, Kool Savas, Atze Schröder, Klaus-Peter Schulenberg, Til Schweiger,
Silly, Christina Stürmer, The Bosshoss, Thomas D oder, „mein Ja ist ein Nein“,
Antje Vollmer. Dankenswerterweise haben wir hier also eine Liste von über 100
Leuten aus der Unterhaltungsindustrie, die nicht nur fragwürdigen musikalischen
Geschmack beweisen, sondern denen es auch zum Beispiel egal zu sein scheint, ob
ein Musiker rechtsradikales Gedankengut als Redner auf rechtsradikalen
Veranstaltungen zum Schlechten gibt.

Interessant ist
auch die Vorwärtsverteidigung, die ansonsten betrieben wird: Marek Lieberberg
zeigt sich „zutiefst erschüttert
über die unglaubliche Hetze, die widerliche Heuchelei und den blinden Hass, für
die es keinerlei Berechtigung gibt", und er meint damit nicht etwa Naidoos
reaktionäre Äußerungen, sondern die der Naidoo-Kritiker; Lieberberg will in
mehr als 20 Jahren bei Xavier Naidoo nie „auch
nur den Hauch eines antisemitischen, rassistischen, xenophobischen oder
nationalistischen Sentiments" bei Naidoo erkannt haben. Liest
Lieberberg keine Zeitungen? Weiß er nicht, wie man YouTube-Videos anschaut? Und Herbert
Grönemeyer stößt ins gleiche Horn: „Xavier ist einer der besten und
etabliertesten Musiker und Sänger bei uns, weder homophob, noch rechts und
reichsbürgerlich, sondern neugierig, christlicher Freigeist und zum Glück
umtriebig und leidenschaftlich.“ So umtriebig und leidenschaftlich wie die
Teilnehmer eines Pegida-Auflaufs eben.Es kann
einfach nicht sein, was nicht sein darf, das ist das Prinzip der Vogel
Strauss-Vorwärtsverteidigung zugunsten des Mannheimer Popstars – als ob all die
Äußerungen von Naidoo frei erfunden wären und es nun darum gehe, daß man die
Freiheitsrechte eines von der Staatsmacht zensierten oder gar gefolterten
Protestsängers sichern müsse.

ESC? Man
würde doch gerne einfach die „escape“-Taste drücken...

30.11.2015

Quoten, Serien, Spiegel

Der erste Satz im Artikel unter der lautsprecherischen großen
Überschrift „Mäßige Quoten trotz
Hype“ auf SPON über die Serie „Deutschland 83“ lautet:„Das neue
RTL-Prestigeobjekt ‚Deutschland 83’ hat zum Auftakt gute Quoten geholt: Mehr als
drei Millionen Zuschauer sahen die ersten Folgen der Agentenserie.“(Hervorhebungen von mir)

06.11.2015

Nationale Aufgaben

Die Integration von Flüchtingen? Für Andrea Merkel eine „nationale Aufgabe“.

Flüchtlingshilfe? Für Justizminister Heiko Maas „eine nationale Aufgabe“.

Wissenschaft und Bildung? Für den Vorsitzenden des Wissenschaftsrats
eine „nationale Aufgabe“.

Für die Stromlobby sind „Energiespeicherung
und -bevorratung“, für die Solarlobby „Netzertüchtigung“
„nationale Aufgaben“.

Die Arbeit am Skandalflughafen Berlin? Für Hartmut Mehdorn längst „mehr als ein Job“, nämlich, Sie ahnens
schon, „das ist eine nationale Aufgabe“.

Beethoven? Für die Stadt Bonn natürlich eine „nationale Aufgabe“.

Der Eurovision Song Contest? Für Stefan Raab und die ARD eine „nationale Aufgabe“.

Und, da kommen wir der Sache noch näher, die geplante kritische Ausgabe
von Adolf Hitlers Mein Kampf? Für den
Historiker C. Hartmann, genau: „eine
nationale Aufgabe“.

Die Fernsehserie über Adolf Hitler, die Nico „Unsere Mütter, unsere
Väter“ Hofmann derzeit plant? Bisher merkwürdigerweise noch keine nationale
Aufgabe (kommt noch, wetten?).

Aber Olympia in Hamburg? Für Thomas de Maizière „eine nationale Aufgabe“, klar.

Michael Schilling hat in der November-Ausgabe von „Konkret“ all diese
Beispiele und noch viel mehr zusammengestellt und erklärt, was es mit der
„nationalen Aufgabe“, von der alle Politiker so gerne voller Pathos schwadronieren,
auf sich hat: De Maizières „Vorgänger als
deutscher Innenminister, Wilhelm Frick, hat zusammen mit seinem
Kabinettskollegen Joseph Goebbels dem ‚Olympia-Heft Nr. 1’ den Titel gegeben:
‚Olympia 1936 – eine nationale Aufgabe’.“

Sie stehen eben alle in der großen geistigen Tradition des
Abendlandes...Aber daß „Jedem das Seine“ über dem Eingang des KZs Buchenwald stand,
hat auch noch niemanden gestört, der das je im Mund führte – nicht nur der
Schoß, auch der Mund, vor allem aber der Hohlraum, in dem andere ein Gehirn
tragen, ist fruchtbar noch...

06.11.2015

Wanda

Mensch,
Leute, was bin ich froh, daß endlich mal jemand die Wahrheit über die
Indie-Darlings des Jahres schreibt, nämlich über diese saudoofe Wiener Band
namens „Wanda“, deren saudoofer, banaler und „irgendwie“ reaktionärer Pop
allüberall gefeiert und gehpyed wird.Deren
Texte gehen zum Beispiel so:„Da
sind die Sterne / ein Licht brennt in der Kaserne.“Genau.
„Das sind Texte, bei denen sich einem die
Fußnägel hochrollen, auf einem grauenhaften Schunkelrock. Wanda sind
ästhetisches NoGo-Area“ schreibt Jörg Augsburg im „Freitag“ und kommt zum
Schluß: „Wanda sind die
Exzess-Stellvertreter, ein textlich ausreichend diffuses und musikalisch leicht
zugängliches Überdruckventil der Anpassungsgesellschaft, das obendrein punktgenau
den Zeitgeist eines ‚Das wird man ja wohl sagen dürfen!’ trifft.“Die
ganze popkulturelle Einordnung (denn interessanter als über Bands zu schreiben ist es ja häufig, über das Publikum von Bands zu schreiben, und warum so gerne zusammenfindet, was zusammengehört...) bzw. den dringend notwendigen Wanda-Verriß von
Jörg Augsburg können Sie hier
lesen.

06.11.2015

Saudoofe deutsche Songtexte

Aber
wir wollen mal nicht so tun, als ob saudoofe und hochbanale Pop-Texte nur in Wien
geschrieben werden würden. In Stuttgart kann man das auch:„Bye bye, bye bye meine Liebe des
Lebens / Und ja, wir beide werden uns nie wieder sehen / Kann schon sein, daß
man sich im Leben zweimal begegnet / Doch es beim zweiten Mal dann einfach zu
spät ist.“ (Cro)

Oder
in Berlin:„Ich spür dieses Kribbeln im Bauch /
Diese Liebe – ich hoff, du findest sie auch.“ (Sido)

Oder
in Düsseldorf:„(Du bist) Meine Lady, wenn du nicht
da bist / Gibt es Regen, denn der Himmel weint Tränen / Und immer wenn du kommst,
ist es so als wenn / nach einer langen Nacht wieder die Sonne aufgeht.“ (Kollegah)

Und
wer hat das hier geschrieben, Andrea Berg oder doch Casper?„Du starker Mann, Kämpfer für mich /
Schenke dir mich / Bitte Liebster, verschwende mich nicht / Lauf ans Ende für
dich.“

Auf
jeden Fall wird sich dafür wohl doch ein Literaturpreis oder ein Verlagsvertrag
bei einer der Popliteraturbuden des Landes finden lassen, oder?„Du mußt
Bussi sagen, bis wir sterben“... (Lars Norén, „Dämonen“)

06.11.2015

Bankenrettung Griechenland

Das Magazin „Unfollow“ hat im Staatsanzeiger Griechenlands recherchiert,
daß bis zum Frühjahr 2011 insgesamt 211,5 Milliarden Euro an die griechischen
Banken geflossen sind – laut offizieller Lesart flossen bis Ende 2014 direkt,
sozusagen als „reales Geld“, 41,2 Milliarden Euro aus dem Staatssäckel in die
Kassen der Banken. Wassilis Aswestopoulos hat in „Telepolis“ die Zahlungen
detailliert dokumentiert.Zur Einordnung der Relationen der 211,5 Mrd. Euro, die an die
griechischen Banken geflossen sind, verweist Aswestopoulos darauf, daß die
griechischen Staatsschulden insgesamt bei knapp 317 Milliarden Euro liegen und
das BIP des Landes 174 Mrd. € beträgt. Der aktuelle Börsenwert der
„systemischen“ griechischen Banken beträgt lediglich 4,885 Mrd. €.Aktuell soll der griechische Staat weitere 15 Mrd. € zur Bankenrettung
bereitstellen; einige Politiker haben in der Parlamentsdebatte bereits darauf
verwiesen, daß der Kapitalbedarf real bei 25 Mrd. € liegen dürfte. So oder so:
Das ist alles Geld, das nicht den Menschen hilft, sondern den Banken. Und es
ist Geld, für das die griechischen SteuerzahlerInnen aufkommen müssen...

06.11.2015

Autostaat BRD - wie Afghanistan, Nordkorea oder Somalia

Was hat die Bundesrepublik Deutschland mit Afghanistan, Bhutan,
Nordkorea, Haiti und Somalia und sonst keinem anderen Staat der Erde gemeinsam?In all diesen Staaten, und nur in diesen, gibt’s kein Tempolimit. Bloß daß in Staaten wie Bhutan
oder Somalia „die Straßenverhältnisse keine
Raserei wie die deutsche ermöglichen.“ (Thomas Gsella) Und Gsella weiß
auch, warum hierzulande kein Tempolimit existiert, wie es in allen
Industriestaaten der Erde üblich ist: „Die
Raserei ist erlaubt, weil die deutsche Autoindustrie, die umsatzstärkste und,
wie man jetzt weiß, kriminellste der Welt, über den VDA einen direkten Einfluß
aufs Kanzleramt hat.“

28.10.2015

Musikpreise sind Neofeudalismus - endlich substantielle Spielstätten- und Veranstaltungsförderung!

Musikpreise sind Neofeudalismus - endlich substantielle und langfristige Spielstätten- und Veranstaltungsförderung bereitstellen!„Echo, VUT-Award,
Helga-Award, Ballermann-Award, John Lennon-Talent-Award, 1 Live Krone, Comet,
Echo, New Faces Award, New Music Award, Panikpreis – und künftig auch noch der
Tonio Musikpreis. (...) Es gibt davon viel zu viele“, konstatiert Hagen
Liebing im „TIP Berlin“ völlig zurecht und hat dabei einen der größten Preise
hierzulande sogar noch vergessen: nämlich den von der Initiative Musik ausgelobten
jährlichen Spielstättenpreis, der neuerdings „Applaus“ heißt (für „Auszeichnung
der Programmplanung unabhängiger Spielstätten“, darauf muß man auch erstmal
kommen, viel Spaß beim Auflösen dieses Kürzungsrätsels!). Mal jenseits dessen,
daß dieser Preis nicht nur an „Spielstätten“ verliehen wird, sondern auch an
Einzelpersonen, die sich ihr privates Distinktions-Programm vom Staat
finanzieren lassen, wurden wieder einmal von der eigentlich vorgesehenen 1
Million Euro nur 905.000 Euro an 64 „herausragende Livemusikprogramme“
verliehen, während der Restbetrag wohl für die opulente jährliche
Verleihungszeremonie draufgeht, also für die Selbstbeweihräucherungskampagne
der Politik. Das Clubkombinat hat u.a. das „Verfahren der Preisvergabe“ und die
„relativ hohen Verwaltungskosten der Vergabe“ kritisiert und der Jury mangelnde
Objektivität und fehlende Transparenz vorgeworfen – eine Kritik, die wohl
berechtigt ist, denn diese Jury unter dem Vorsitz des Cheflobbyisten der
deutschen Musikindustrie und Regierungsbeauftragten für Kreative und Digitale
Ökonomie, Dieter Gorny, tagt hinter verschlossenen Türen, wurde nie gewählt,
sondern ernannt und ist komplett von Westdeutschen besetzt.

Allerdings denke ich, daß die Kritik des Clubkombinats zu kurzsichtig
ist. Eigentlich geht es doch um etwas Anderes: Zu kritisieren ist, daß die
Spielstättenförderung für Zeitkultur,
wie ich es nennen möchte, eine rein neofeudalistische Angelegenheit ist –
einige wenige Kulturveranstalter erhalten ein paar Almosen, und die Könige (von
Grütters bis Gorny) können sich in ihrer vermeintlichen Gutherzigkeit sonnen
(und sich sicher sein, daß von den ausgezeichneten Clubs oder Veranstaltern
keine Kritik zu erwarten ist, denn für die sind 30.000, 15.000 oder 5.000 Euro
durchaus Geld, und sie benötigen jeden Euro. Und so bevorzugen die Clubs das
Kuscheln mit der Kulturstaatsministerin Grütters, anstatt wirklich sinnvolle
Forderungen zu artikulieren.

Denn die
Spielstätten und Veranstalter von Zeitkultur
sollten sich nicht mit Almosen abspeisen lassen, sondern endlich eine
substantielle und grundsätzliche Förderung von Spielstätten und Veranstaltern
fordern: 100 Millionen Euro verteilt auf fünf Jahre, finanziert durch Bund und
Länder! Damit könnte die dringend benötigte Infrastruktur in den Clubs flächendeckend
finanziert werden (denn die Ausstattung deutscher Spielstätten etwa im Vergleich zu
Benelux oder Frankreich ist hanebüchen; in Frankreich sorgte Kulturminister
Lang in den 80er Jahren bereits für eine vernünftige landesweite Förderung,
weswegen die dortigen Kulturzentren zu den bestausgestatteten Europas zählen). Gleichzeitig könnten mit diesen Mitteln
auch freie Veranstalter unterstützt werden, die mit ihren riskanten
Kalkulationen immer mit einem Bein am finanziellen Desaster entlangschrammen
(kein Clubkonzert unter 200 Zuschauern läßt sich sinnvoll rechnen, wenn man
faire Gagen bei günstigen Ticketpreisen anstrebt – aber gerade diese kleinen
Clubkonzerte sind es, die den Karriereaufbau von Bands ermöglichen). Und wenn die Infrastruktur finanziert wäre,
könnten Künstler und Bands endlich auch die dringend benötigten Mindestgagen
erhalten, statt für einen Appel und ein Ei (falls Catering überhaupt gestellt
wird...), vulgo: „für die Tür“ zu spielen. Und für größere
Konzertveranstaltungen ist es unerläßlich, daß die etablierten und von den
SteuerzahlerInnen bereits finanzierten Veranstaltungsorte zu fairen Bedingungen
für Veranstaltungen der Zeitkultur zur Verfügung gestellt werden, statt mit
astronomischen Mietpreisen entweder die Zeitkultur aus diesen Spielorten
herauszuhalten oder dafür zu sorgen, daß die Ticketkäufer mit überhöhten
Eintrittspreisen die Spielstätten, die sie mit ihren Steuerzahlungen bereits
finanziert haben, erneut subventionieren.

Noch einmal: Wir brauchen keine Alibiveranstaltungen und keine ständigen
Preisverleihungen, und Zeitkultur benötigt weder Almosen noch eine direkte
Künstlerförderung. Zeitkultur benötigt eine
intakte Infrastruktur, etwa ein Netzwerk von gut ausgestatteten Spielstätten
und Veranstalter, die sich ein wagemutiges Programm leisten können. Dies
erreicht man durch eine langfristige und substantielle Spielstätten- und
Veranstalter-Förderung. Dazu erwarten wir umgehend Vorschläge von den
verantwortlichen KulturpolitikerInnen auf Bundes- und Landesebene.

Oder hat man etwa davon gehört, daß all die hochsubventionierten
deutschen Opernhäuser und Theater statt struktureller Millionen-Förderung nur
noch einmal jährlich einen mit relativ wenig Geld ausgestatteten
Spielstättenpreis erhalten würden? Es geht darum, daß die politisch
Verantwortlichen endlich die Zeitkultur ernst nehmen und nicht als Teil von
Wirtschaftsförderung oder als buntes Völkchen, mit dem man sich einmal im Jahr
bei einer Preisverleihung sonnen kann, mißverstehen oder gar mißbrauchen.

28.10.2015

Franz Josef Wagner ist bescheuert

An was aber glaubt Franz Josef Wagner, der sich Kolumnist nennende
Schreiberling der Blödzeitung? Wie Adolf selig glaubt er an – den Volkswagen:„VW heute. Meine Welt fliegt durch die Luft. Nichts, an was ich glaubte,
hat Bestand. Alles, woran ich glaubte, zerbricht.“(Franz Josef Wagner am 25.9.d.J. auf Bild Online)Ist aber auch eine schwere Zeit für Typen wie Wagner – ADAC, VW, DFB,
Deutsche Bank, alles geht den Bach runter, nichts, „an was sie glauben“, hat
Bestand – Deutschland als korruptes Land von Großbetrügern. Alles zerbricht.
Ihre Welt fliegt durch die Luft. Und auch die Blödzeitung verliert Jahr um Jahr
an Auflage.

28.10.2015

Harald Martenstein ist auch bescheuert

In der nach oben offenen journalistischen Bescheuertheitsskala liefert
sich der Blödzeitung ihr Franz Josef Wagner
ein Kopf an Kopf-Duell mit dem Tagesspitzel und der Zeit ihr Harald Martenstein.
Der war „wochenlang hin- und hergerissen
in der Flüchtlingsfrage“, teilt er seinen LeserInnen mit. Was?!? Ist es
endlich soweit, und jemand, der mit schlechten Texten die Zeitungen vollschreibt,
wird zur Flucht gezwungen? Iwo. Martenstein plappert über die Kanzlerin: „Ist Angela Merkel eine Lichtgestalt, oder
baut sie gerade großen Mist?“ Das sind so die Fragen, die Martenstein sich
stellt. Und ist „fassungslos“ über Merkels „Hippiedenken,
das so tut, als stellten fast eine Million Neubürger aus einem völlig anderen
Kulturkreis, und das womöglich Jahr für Jahr, einfach nur eine wunderbare
Bereicherung dar.“Die Menschen strömen laut Martenstein nach Deutschland, weil das, „alles in allem, ein prima Land“ ist. „Wohlhabend, sozial, frei, gastfreundlich,
tolerant und relativ konfliktarm.“ Allerdings dräut Gefahr, und Martenstein
sieht sie am Horizont heraufziehen: „Wenn
die Zahl der Zuwanderer ein gewisses Maß übersteigt, wird sich das Land natürlich
verändern, die Zustände können sich schlimmstenfalls denen in den
Herkunftsländern der Flüchtlinge annähern.“Echt jetzt? Wenn „die Zahl der
Zuwanderer ein gewisses Maß übersteigt“, kommt die IS und bombardiert die
Bastionen unserer Kultur, also die Redaktionsgebäude von Tagesspiegel und Zeit?
Und Assads Schergen werden Martenstein und Wagner foltern?„Davon hätte
niemand etwas“, stellt Martenstein fest, „weder
die Bundesbürger von heute noch die von morgen.“ Daher ist es „nicht illegitim, wenn Gemeinschaften auch
ihre eigenen Interessen im Auge behalten, egal, ob es eine Familie ist, eine
Hausgemeinschaft oder ein Land.“ Also müssen, so Martenstein, „die Deutschen ein Verhalten zeigen, das sie
verlernt haben: Sie müssen selbstbewußt, autoritär und auch hart sein.“
Hart wie Kruppstahl. „Sie“, also „die Deutschen“, „müßten sagen: ‚Das sind wir. Das ist unsere Lebensweise. Ihr müßt sie
akzeptieren, nur dann dürft ihr bleiben.’“

Aber ach, dazu wird es nicht kommen, der Martenstein sieht schwarz, denn
es gibt keine harten Deutschen mehr, keine wie ihn, nur noch Hippies wie Angela
Merkel: „Natürlich hängt unser Hippietum
mit der Nazivergangenheit zusammen. Wer sind wir? Die meisten sind sehr lieb
und können nicht anders, auch, wenn es gut und richtig wäre.“ Nur Merkel,
die „Wagnerianerin“ (Richard, nicht Franz Josef!), kapiert es nicht: „Das, was Angela Merkel gerade mit
Deutschland anstellt, würde kein Mensch mit seiner Wohnung tun. Selbst der
gutmütigste Mensch der Welt würde sich doch, bevor er Gäste aufnimmt, die Frage
stellen, wie groß die Wohnung ist, wie viele Gäste er aufnehmen kann, wie viele
Mitbewohner seine Brieftasche und seine Nerven verkraften können und wer die
neue Bewohner überhaupt sind.“ (Grammatik so im Original) Um dann Merkels
„Wir schaffen das“ in eine Reihe zu stellen mit den Durchhalteparolen des
Nazi-Regimes Anfang 1945. Ekelhaft. Aber das deutsche Bürgertum liebt seinen
Martenstein.

Wofür der Martenstein zwei lange Spalten braucht, das erledigt Orban-Kumpel
Seehofer in zwei Sätzen, wenn er sein bayerisches Kabinett „Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung“ verabschieden
läßt und „dabei offenbar erwägt, im Zweifel auch
Maßnahmen zu ergreifen, die rechtlich nicht gedeckt sind“ („Süddeutsche Zeitung“).Was den großartigen Franz Dobler zur naheliegenden Frage bringt:„Was passiert eigentlich, wenn ich mich
gegenüber dem Verwaltungs-Betriebswirt Horst Seehofer und der bayerischen
Staatsregierung in einer Notwehrsituation sehe, die mich dazu zwingt, ernsthaft
über ‚Notwehrmaßnahmen’ nachzudenken und ‚im Zweifel auch Maßnahmen zu
ergreifen, die rechtlich nicht gedeckt sind’?“Nun weiß man, daß Seehofer nur ein Papiertiger, es mit seiner „Notwehr“
also im Zweifel nicht weit her ist. Was aber ernst zu nehmen ist, ist seine
Demagogik, die sich der von rechtsextremen Regierungen und Parteien wie dem
Ungarn Orban oder dem französischen Front National nicht unterscheidet. Und was
passiert, wenn konservative Parteien die ausländerfeindliche Propaganda vom
rechtsextremen Rand übernehmen? Sie verlieren selbst Stimmen und bereiten
dagegen den Rechtsaußen-Gruppierungen das Feld: „Mit seinen Attacken gegen
Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik hat der bayerische
CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer offenbar die Ausländerfeindlichkeit – und
damit das Kernthema der AfD – wieder salonfähig gemacht.“ (Manfred
Güllner, Chef von Forsa)

28.10.2015

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen ist uneingeschränkt stolz auf ihr Land

Und derartige Mauern errichten auch die Grünen. Ihre
Fraktionsvorsitzende hat ja neulich bekannt, „zum ersten Mal uneingeschränkt stolz auf mein Land“ zu sein.
„Uneingeschränkt“ – also auch stolz auf all die Rechtsradikalen, die
Asylbewerberheime anzünden, auf Pegida, auf die dreimal so vielen Straftaten
gegen Flüchtlingsheime in 2015 bisher im Vergleich zum Vorjahr, stolz auch auf
Dresdner Fußball-Hooligans beispielsweise, die nach einem Fußballspiel
Pyrotechnik auf eine Flüchtlings-Unterkunft warfen und das als „Freudenfeuer“
bezeichneten.

Wer so stolz ist, für den ist es auch selbstverständlich, für die
Verschärfung des Asylrechts einzutreten – während die Grünen im Bundestag ihre
schärfste politische Waffe pflegten, nämlich die Enthaltung, sorgten die
Grün-mitregierten Bundesländer im Bundesrat dafür, daß das skandalöse neue Asylrecht
Realität werden kann, ein Asylrecht, das die Bundesregierung in beispielloser
Weise verschärft hat: Leistungskürzungen, lange Aufenthalte in
Sammelunterkünften, schnellere Abschiebungen, und plötzlich sind Länder wie
Kosovo, in denen die Bundeswehr stationiert ist, „sichere Herkunftsländer“.
„Wirklich gut“ findet die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag diese
Änderungen – kein Wunder, wer so stolz ist auf sein Deutschland wie Frau
Göring-Eckardt...

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