Warum sind die meisten "Indie"-Plattenfirmen für das EU-Urheberrecht?
Häufig werde ich gefragt, wie es denn komme, daß sich unsere geliebten „Indie“-Plattenfirmen fast ausnahmslos so vehement für Uploadfilter und das neue EU-Urheberrecht einsetzen. Nun, die Frage ist einfach zu beantworten: Die sogenannten „Indie“-Plattenfirmen sind genauso Teil der Verwertungsindustrie wie jede andere Plattenfirma auch. Es gibt größere Firmen, es gibt kleinere Firmen (und es gibt sehr große Plattenfirmen, die sich trotzdem „Indies“ nennen).
Das Geschäftsmodell ist relativ ähnlich und relativ simpel: Man versucht, mit Musik so viel Geld wie möglich zu verdienen. Man kann das ein klein wenig übertrieben formulieren wie der große englische DJ John Peel, der mal gesagt hat: „Die großen Plattenfirmen haben nie so getan, als seien sie zu etwas anderem da, als möglichst viel Geld zu verdienen, von dem sie den Musikern möglichst wenig abgeben.“ It’s that simple.
Ich kenne Majors, die ihre Musiker*innen ausgesprochen fair behandeln, und ich kenne Indies, die ihre Musiker*innen nicht bezahlen oder um Teile des ihnen zustehenden Einkommens betrügen. Es gibt solche und solche. Und die ganze Indie-Ideologie ist sowieso ziemlich überlebt, wer ist denn heute wirklich „unabhängig“, und wovon? Es gibt z.B. Indies, die eng mit Majors zusammenarbeiten (etwa im Vertriebsbereich), oder deren Personal zwischen Majors und Indies hin und her wechselt.
Ich unterscheide am liebsten in gute und schlechte (und mittelmäßige) Plattenfirmen, und ebenso in gute Leute, die bei den jeweiligen Firmen arbeiten, und in weniger gute.
Tatsache ist jedenfalls, daß IMPALA, die europäische Indie-Organisation („The Independent Music Companies Association“), also das Pendant zum deutschen VUT auf europäischer Ebene, am Abend vor der entscheidenden Abstimmung die „lieben Mitglieder des Europaparlaments“ zu einem „Evening of discussions, drinks and food“ eingeladen hat, und zwar in den Räumen des Europäischen Parlaments in Strasbourg. Eingeladen zu Speis und Trank hat Helen Smith, unter der Schirmherrschaft der Grünen-Europaabgeordneten Helga Trüpel und vier anderer MdEPs, bezahlt wurde die Party, die einen deutlich fünfstelligen Euro-Betrag gekostet haben dürfte („so ein Dinner im Parlament kostet mal locker 50-80 € pro Person“, erklärt MdEP Julia Reda), aus den Mitgliedsgebühren der Indie-Plattenfirmen.
Das Einladungsschreiben der Indie-Lobbyisten liegt mir vor.
Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir sind ja alle keine heurigen Hasen und Häsinnen, ich weiß schon, wie das Geschäft und die Politik funktionieren. Was ich aber extrem unsympathisch finde, ist, wenn Leute andere Leute für etwas (in diesem Fall: ungehemmten Lobbyismus zur Durchsetzung ihrer Position) kritisieren, das sie selber genauso treiben, und so tun, als ob Indieland ein ewiglicher Ponyhof sei, in dem niemand jemals Geschäftsinteressen haben und niemand Lobbyismus zur Durchsetzung seiner Geschäftsinteressen betreiben würde. Das ist so lächerlich wie verlogen.