02.03.2025

Streaming: Transparenz, Vergütung. Und eine Papiertigerin...

Das BKM, also die „Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien“, hat eine Studie zum Musikstreaming in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse dieser Tage von Staatsministerin Claudia Roth veröffentlicht wurden.
 
Wesentlicher Teil der Ergebnisse: „Mehr als 74 Prozent der Befragten sind mit ihren Einnahmen aus dem Musikstreaming unzufrieden, weniger als neun Prozent äußerten sich zufrieden“ (laut „Musikwoche.de“). 
Welch eine Überraschung! Was wäre wohl herausgekommen, wenn man Verkäufer:innen in Kaufhäusern, das Kassenpersonal in Supermärkten oder die unterbezahlten Lieferfahrer:innen von Paket- oder Lebensmittel-Diensten gefragt hätte?
Oder, anderes Beispiel: freie Journalist:innen? Mitarbeiter:innen von Konzert- oder Tourneeveranstaltern, Clubs oder Kulturzentren, von denen viele ja noch in anderen Dayjobs arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen?
 
Und beim Musikstreaming ist es nun einmal so, dass die Musiker:innen nach der Anzahl von Abrufen ihrer Tracks auf den Streamingdiensten bezahlt werden. Ich habe mir sagen lassen, dass Musiker:innen von den Plattenfirmen ebenfalls nach der Anzahl verkaufter CDs oder LPs bezahlt werden…
 
Nebbich. Frau Roth nimmt die Zahl der Unzufriedenen zum Anlass, eine „faire Vergütung von Musikschaffenden“ und eine „Demokratisierung der Marktmacht“ zu fordern. Gut gebrüllt! Wer wollte da nicht sofort zustimmen. Allein, was genau eine „faire“ Vergütung von Musikschaffenden ist und wie diese erreicht werden soll, darüber schweigt sich Frau Roth geflissentlich aus. Denn wenn sie da konkret werden wollte, dann müsste sie ja die Marktmacht nicht nur der Streamingdienste, sondern auch von Plattenfirmen und Musikverlagen unter die Lupe nehmen, die große Teile der Streaming-Einnahmen für sich veranschlagen – denn kein Streamingdienst zahlt direkt an die Musiker:innen, vielmehr gehen die Einnahmen an die Verwerter. Und es ist die Verwertungsindustrie, die überproportional vom Musikstreaming profitiert. Dabei sind es vor allem die Großkonzerne, die über Gebühr Gewinne einstreichen, zulasten der Musiker:innen. 
 
Universal, Sony und Warner berichten Jahr für Jahr von deutlichen Umsatz- und Profitsteigerungen. Zum Beispiel Sony: „Sony Music Rights Business generated over $10BN for the first ever Year in 2024” (MBW, Music Business Worldwide) – über zehn Milliarden Dollar! Oder Universal: “Subscription Strreaming Revenues grew 8,2% in Q3 2024” (MBW), also über acht Prozent höhere Einnahmen aus dem Streaming allein im dritten Quartal 2024. Wieviel davon ging an die Musiker:innen und an die Autor:innen?
 
Frau Roth hat schon Recht, wenn sie sagt, dass es „mehr Transparenz“ und „eine Demokratisierung der Marktmacht“ braucht. Allerdings sollte diese Transparenz vielleicht bei den größten Profiteuren des Musikstreamings beginnen, also bei den Plattenfirmen und Musikverlagen. Wie wäre es denn, wenn diese Konzerne die Verträge mit ihren Künstler:innen und die Zahlungen an sie transparent machen würden? Und wie wäre es, wenn die Öffentlichkeit erfahren würde, um wie viel mehr die Großkonzerne der Musikindustrie pro Stream bezahlt werden als die vielen kleinen und mittleren Plattenfirmen?
„Demokratisierung der Marktmacht“, unbedingt! Aber am besten dort beginnen, wo das Übel am größten ist… 
 
Und vor allem könnten Frau Roth und all diejenigen, die sich ihren Forderungen jetzt so wohlfeil anschließen, ja vielleicht mal dort beginnen, wo sie tatsächlich Einfluss haben: Etwa bei den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Warum finden sogenannte „Nischen“ dort schon lange kaum mehr statt? Indie, HipHop, Jazz, Klassik undsoweiter, you name it. Abgeschoben auf Nischen-Sendeplätze, und im TV kommt diese Musik sowieso praktisch nicht vor – im Gegensatz zum Überangebot an dumpfer Schlager- und Volksmusik.
 
Wie kommt das? Und was tun die Politiker:innen, die in den Gremien der Öffis sitzen, gegen diese Programm-Monotonie? Wie wäre es mit Transparenz? Wie wäre es damit, wenn neue Musik, wenn junge Bands auch vermehrt in Rundfunk und Fernsehen stattfinden würden?
 
Solange das nicht geschieht, bleiben die Rothschen Forderungen leider bloßes Wahlkampfgetöse und die Staatsministerin kann als Papiertigerin abtreten.