Die Staatsministerin für Kultur gründet eine Pop-Akademie...
Zu den letzten Amtshandlungen der abgewählten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gehörte die Gründung einer staatlichen „Akademie für Popmusik“, die sich „nach dem Vorbild der Deutschen Filmakademie für die Branche stark machen soll“. Eine der Aufgaben der Akademie: Einen neuen „Preis für Popmusik“ zu verleihen. Einen Staatspreis für Staatspop gewissermaßen.
Der Begriff „Akademie“ leitet sich, wie zum Beispiel auf Wikipedia nachzulesen ist, vom Ort der Philosophenschule des Platon ab. Die „Akademien der Wissenschaften“ sind in der Nachfolge Platons „gelehrte Gesellschaften für wissenschaftliche oder künstlerische Forschungen, die der Selbstverwaltung unterliegen“ (Hervorhebungen, auch im folgenden, von mir).
Betrachten wir die Berliner Akademie der Künste, die bereits im Jahr 1696 gegründet wurde und damit zu den ältesten europäischen Kulturinstituten zählt. Sie ist laut Eigenbeschreibung „eine internationale Gemeinschaft von Künstler*innen“ und zitiert auf ihrer Website hervorgehoben die Erklärung des Akademie-Mitglieds Daniel Chodowiecki aus dem Jahr 1783:
„Academie ist ein Wort, das eine Versammlung von Künstlern bedeutet, die an einem ihnen angewiesenen Ort zu gewissen Zeiten zusammen kommen, um sich miteinander über ihre Kunst freundschaftlich zu besprechen, sich ihre Versuche, Einsichten und Erfahrungen mitteilen, und einer von dem andern zu lernen, sich mit einander der Vollkommenheit zu nähern suchen.“
Im Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste vom 1. Mai 2005 ist die Aufgabe der Akademie der Künste festgeschrieben, nämlich „die Künste zu fördern und die Sache der Kunst in der Gesellschaft zu vertreten. Die Akademie spricht aus selbständiger Verantwortung.“
So weit so gut. Das könnte ja eventuell auch die Aufgabe der neuen Staatspop-Akademie sein. Wer aber wird Mitglied der Akademie der Künste? Es ist eine „internationale Gemeinschaft von maximal 500 Künstlern“. Punkt. In einer Akademie der Künste sind ausschließlich Künstler*innen. Eigentlich logisch. Keine Verlage, keine Galeristen, keine Kulturfunktionäre, keine Plattenfirmen oder andere Vertreter der Kulturindustrie, sondern: ausschließlich Künstler*innen!
Wer aber sind die von Frau Grütters und der staatlichen „Initiative Musik“ im Juli 2021 vorgestellten „25 Gründungsmitglieder“ dieser Akademie, die „25 Musikschaffende und Kreative“, die angeblich „den musikalischen Schaffensprozess in allen Facetten repräsentieren“?
Nun, bei großzügiger Betrachtung sind immerhin 14 der Auserwählten Musiker*innen: Die Bandbreite reicht von Herbert Grönemeyer bis zur in diesen Kontexten unvermeidlichen Balbina, von Shirin David bis Roland Kaiser. Dazu kommen 4 Musikproduzenten und Tontechniker, 3 Musikverleger, eine Managerin/Consultant sowie je nach Zählweise 2 oder 3 Kulturfunktionär:innen.
Mal abgesehen davon, dass die Presseerklärung der Initiative Musik offenlässt, wer diese Gründungsmitglieder überhaupt ausgewählt hat, und mit welcher Logik (Angepasstheit? Mittelmäßigkeit?) – aber sollten in einer Akademie, die, wie oben ausgeführt, ja seit jeher eine „Versammlung von Künstlern“ darstellt, tatsächlich Musikverleger und Musikproduzenten, also explizit Verwerter, sowie Kulturfunktionäre tätig sein, also lauter Leute, die alles andere als „Musikschaffende“ und „Kreative“ sind? Warum überaupt eine staatliche Gründung einer Staatsakademie für Staatspop? Warum nicht eine von den Künstler:innen – und ausschließlich von diesen! – selbst gegründete und geführte Akademie für Popmusik – die ja meinethalben irgendwann wie die renommierte Berliner Akademie der Künste auch staatlich subventioniert werden kann, jedenfalls dann, wenn sie ihre Relevanz bewiesen hat…
Hauptaufgabe der Akademie für Staatspop soll die Verleihung eines „Pop-Preises“ sein, der nicht mehr wie der von Anbeginn an überfglüssige und völlig zurecht krachend gescheiterte „Echo“ auf Verkaufszahlen, sondern auf Qualität basiert. „Ein Preis, der frei von kommerziellen Aspekten ausschließlich künstlerische Leistungen würdigt“, wie Frau Grütters betont hat. Für die Bewertung von künstlerischer Qualität bürgen Shirin David, Roland Kaiser, RIN oder eine Musicaldarstellerin und die Kulturfunktionäre, klar. Zu befürchten ist angesichts dieses Sammelsuriums des Mittelmaßes bei der Auswahl der Gründungsmitglieder leider erneut eine „gediegene Mutlosigkeit“ und der „Triumph des ethischen Schafsinns über den ästhetischen Scharfsinn“ („Süddeutsche Zeitung“).