SPD, CDU, CSU, Siegfried Unseld, HR einig in Kunst-Zensur
Was haben der SPD-Bürgermeister von Dietzenbach im Jahr 1994, der Augsburger CSU-Landrat im Jahr 1995, der namhafte Verleger Siegfried Unseld vom Suhrkamp-Verlag, die Stadt Fulda (2007) und der Hessische Rundfunk (2011) gemeinsam? Was ist sozusagen der Kitt, der sie zusammenhält?
Sie werden es kaum glauben: Sie alle haben Werke der bedeutenden Künstlerin Annegret Soltau zensiert, wie in der grandiosen Retrospektive der feministischen Avantgardistin, „Unzensiert. Annegret Soltau“, im Frankfurter Städel Museum zu sehen war.
Der SPD-Bürgermeister im hessischen Dietzenbach ließ im Jahr 1994 das Bild generativ – Selbst mit Tochter, Mutter und Großmutter mit der Begründung der „Fürsorgepflicht“ abhängen, so wie der Augsburger CSU-Landrat im darauffolgenden Jahr.
1995 stoppte Siegfried Unseld vom Suhrkamp Verlag „unmittelbar vor Drucklegung des von Farideh Akashe-Böhme herausgegebenen Buchs ‚Von der Auffälligkeit des Leibes‘ den Abdruck von Werken aus der Serie ‚generativ‘, die einen Bildessay zum Thema ‚Altern und Gestaltwandel der Frau‘ begleiten sollten“ (Svenja Grosser, Annegret Soltau im Kontext dfer feministischen Avantgarde“, im Ausstellungskatalog, 2025).
2007 kam es zur Entfernung der Fotovernähung TOCHTER – Pubertät aus der Wanderausstellung „Frauen im Orient – Frauen im Okzident“ in Fulda, und 2011 waren erneut „Werke aus der ‚generativ‘-Serie von Zensur betroffen und wurden in der Goldhalle des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main mit Stoffbahnen verhängt“ (Grosser, s.o.).
Für Svenja Grosser gibt es vor allem vier Gründe für die Ablehnung der generativ-Serie in den 1990er- bis 2010er-Jahren: „Der radikale Umgang mit dem Medium der Fotografie, die schonungslose Darstellung des Alterungsprozesses des weiblichen Körpers, die Präsentation der Generationslinie unter Ausblendung des Mannes sowie der generelle Bruch mit Tabus, insbesondere mit jenem der Zurschaustellung von Frauenkörpern jenseits aller Idealisierung.“