Musikstreaming und AI-Tracks
Bleiben wir noch einen Moment beim Musikstreaming.
Am 12. November meldete „Music Business Worldwide“ (MBW), dass jeden Tag 50.000 von AI, also künstlicher Intelligenz, kreierte Tracks die hauptsächlich in Frankreich relevante Musikstreaming-Plattform Deezer fluten würden. Das sind 34 Prozent aller täglich neu eingestellten Tracks auf Deezer.
Aijaijai…
Allerdings: Etwa 70 Prozent all dieser AI-Tracks werden von Deezer als betrügerisch bezeichnet und von den Lizenzzahlungen ausgeschlossen. Und sowieso beträgt der Anteil aller AI-generierten Streams bei Deezer nur 0,5 Prozent, ist also weitgehend vernachlässigbar.
Mal abgesehen von der Frage, wer all die täglich neu eingestellten 147.000 Tracks hören soll (und will) – noch interessanter fand ich den zweiten Teil des MBW-Berichts. Demnach hat Ipsos in acht Staaten eine umfassende Umfrage unter 9.000 Streamingnutzern durchgeführt, die erstmalig die Haltung zu AI-generierter Musik untersucht hat.
Dabei kam heraus, dass 97 Prozent aller Befragten bei einem „Blind listening test“ absolut keinen Unterschied zwischen komplett von Künstlicher Intelligenz hergestellten Tracks und solchen von Menschen kreierten feststellen konnten.
Man könnte nun feststellen, dass die AI mittlerweile verdammt gut darin ist, Mainstream-Musik herzustellen. Andersherum wird für die Musikindustrie und ihre Copyright-Cops jedoch ein Schuh draus: Ganz offensichtlich ist es nicht die menschliche Kreativität, die allein in der Lage ist, die „einzigartige“ Schlager-, Rock- oder Popmusik herzustellen, wie von den Verfechtern des umfassenden Verwertungsrechts immer wieder behauptet wird. Nein, 97 Prozent des Zeugs, mit dem alle Musikkanäle tagtäglich verstopft werden, lässt sich offensichtlich ebenso schlecht von AI erzeugen. Jedenfalls scheint es für die Musikhörenden egal zu sein, ob die Musik, die sie hören, von Menschen oder von AI produziert wird. Sie hören den Unterschied einfach nicht. Es gibt nämlich keinen.
Für jemanden, der seit jeher Musik:innen vertritt, die eher „besondere“, „abseitige“ oder als „schwierig“ geltende Kunst machen, ist AI eher keine Bedrohung. Denn den drei Prozent neuer Musik, bei denen die Hörer:innen bemerken, dass sie durch menschliche und eben nicht durch künstliche Kreativität geschrieben und produziert wurden, gilt weiterhin unser Augenmerk, unser Engagement und unsere Leidenschaft. Dafür ist AI keine Gefahr…
Übrigens: Mindestens zehn mit AI hergestellte Songs sind in den letzten Wochen weltweit gechartet. Telisha „Nikki“ Jones beispielsweise, die mit Gospel, Blues und R&B aufgewachsen ist, in einem Chor singt und Gedichte schreibt, hat nie daran gedacht, eine Künstlerin zu sein – „was never a dream of mine“. Dann aber hat sie ein Gedicht mit dem Titel „How Was I Supposed to Know?“ geschrieben und ließ eine KI die Musik dazu erstellen. Das Ganze schrieb sie einem ebenfalls von AI kreiertem Avatar namens Xania Monet zu. Der Song brachte ihr die Aufmerksamkeit, nach der sich die meisten aufstrebenden Musiker:innen sehnen: Er startete durch, schaffte es in die Top 20 der Billboard „Hot R&B“-Charts und brachte ihr laut „Wall Street Journal“ einen siebenstelligen Plattenvertrag ein… (die ganze Story hier)

(obacht: das ist ein AI-generiertes Bild der AI-Performerin Xania Monet! Quelle: WSJ)


