13.09.2022

In München steht ein Rammstein-Haus... (fast)

In München ist gerade ganz schön was los. Die CSU-Fraktion im Rathaus hat sich als Rammstein-Fanclub geoutet:
 

 
Wie es dazu kam?
Ein österreichischer Schlager-Großveranstalter, die Leutgeb Entertainment Group (Motto: „We create emotions!“), örtlicher und Tournee-Veranstalter von Schlagerrockkonzerten (aktuell im Angebot u.a. Andrea Berg, Semino Rossi, Die Ärzte oder Helene Fischer) hat auf dem Münchner Messegelände, das die Stadt den örtlichen Veranstalter beharrlich verweigert hat, drei gigantische Kommerzkonzerte durchgeführt: „Volksrocknroller“ Andreas Gabalier, Robbie Williams und Helene Fischer. Die Durchführung war nach allem, was aus München zu hören ist, eher misslungen und chaotisch, die örtlichen Zeitungen sind voll von Fan-Beschwerden. Dazu kommt ein offensichtlich gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit seitens Leutgeb: Nachdem der „Münchner Merkur“ und die örtliche Boulevardzeitung „tz“ kritisch über das Helene Fischer-Konzert berichtet hatten, verweigerte der Konzertmogul den Berichterstattern den Zutritt zu weiteren Konzerten und bezeichnete die Zeitungen auf Facebook laut „Abendzeitung“ in bester Franz Josef Strauß-Manier als „regionale und gesteuerte Schmierfink-Medien“.
Besonders pikant aber: Leutgeb wollte an Silvester in München das nächste Großereignis platzieren: Ein Rammstein-Konzert auf der Theresienwiese (wo alljährlich das Oktoberfest, die „Wiesn“, abgehalten wird). Wochenlang beherrschte dieses Thema die lokalen Schlagzeilen: CSU und SPD bildeten eine, nun ja: „große“ Rammstein-Koalition im Münchner Stadtrat und setzten per Mehrheitsbeschluss das Silvesterkonzert im Stadtparlament durch, trotz aller Sicherheitsbedenken und gegen die Stimmen der größten Fraktion, der Grünen, und der Linken und kleinerer Fraktionen.
Man dachte zunächst, dass es der CSU darum gehen würde, der Münchner Kreisverwaltungsreferentin der Grünen eins auszuwischen – schließlich begreift die örtliche CSU seit Gauweiler dieses exponierte Referat gewissermaßen als rechten Erbhof. Und dass die örtliche SPD, in Bayern noch bedeutungsloser als andernorts, eine Gelegenheit nutzen würde, den Grünen zu schaden – geschenkt, so sind sie halt, die Spezialdemokraten.
Doch mittlerweile tat sich ein Abgrund auf: Die „Abendzeitung“ berichtet von „Verflechtungen zwischen der CSU und dem Veranstalter“. Demzufolge hat Leutgeb als „exklusiven Gastronomiepartner“ der drei Großkonzerte eine Firma namens Braincandy Solutions auserkoren. Diese Firma wurde überhaupt erst im April 2022, also nachdem die Vergabe des Mesegeländes an Leutgeb längst feststand, ins Handelsregister eingetragen, und sie nennt auf ihrer Homepage gerade einmal drei Referenzen: Andreas Gabalier, Helene Fischer und Robbie Williams. „Wie kommt so eine junge Firma an so große Aufträge?“, fragt die „Abendzeitung“ völlig zurecht. Nun: Geschäftsführer der Greenhorn-Firma ist Tobias Fendt, „ein Vorsitzender der Jungen Union im Südosten von München – aktiv im gleichen Kreisverband wie Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner, der die Idee, auf der Messe große Konzerte zu veranstalten, als erster öffentlich machte.“
Ein Schelm, wer Böses denkt, wenn ein CSU-Wirtschaftsreferent Großkonzerte eines Großveranstalters featured, während ein Parteifreund – ein Newcomer, der buchstäblich aus dem Nichts kommt – just bei diesen Großkonzerten den Großauftrag als „Gastronomiepartner“ an Land ziehen kann. Wieder mal die altbekannte Amigowirtschaft in der Münchner CSU? Iwo, sicher alles nur Zufall…
Aber Tobias Fendt „ist nicht der einzige CSUler, der von den Messe-Konzerten profitierte“, weiß die „Abendzeitung“. „Auch CSU-Stadtrat Thomas Schmid, der unter anderem als Berater in der Gastronomie tätig ist, arbeitete bei den Veranstaltungen mit.“
Mittlerweile hat sich das für Silvester geplante und von der Münchner CSU gefeaturte Rammstein-Konzert als peinliche Ente entpuppt – das Management der Band gab bekannt, dass es mit Leutgeb keinerlei Vereinbarung für solch ein Silvester-Konzert in München gegeben habe… Alles top seriös also. Genehmigt wäre das von der CSU herbeigesehnte Konzert sowieso nicht worden, aus Sicherheitsbedenken.
Im Sommer 2023 sollen auf dem Messegelände übrigens weitere Großkonzerte stattfinden. Ob dabei jedoch wieder die österreichische Leutgeb Entertainment Group zum Zuge kommt, steht noch in den Sternen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu hören ist, hat ein Großkonzern des Konzertgeschäfts schon dieses Jahr versucht, in den Exklusivvertrag zwischen der Messe München und Leutgeb einzusteigen, und zuletzt wurde der Deutschland-CEO dieses Konzerns nicht nur beim Gabalier-Konzert und mit Leutgeb, sondern mehrmals auch mit dem Münchner CDU-Wirtschaftsreferenten gesichtet. Offensichtlich sind die Konzertkonzerne sehr an dem exklusiven Veranstaltungsort in München als weiteren Baustein ihres Imperiengeschäfts interessiert…