23.08.2019

The Meditations vs. Meditationen - Entspannungsmusik und Plattformbusiness

Musikalische Realität im Zeitalter des Plattform-Business:

Wenn man bei Amazon „The Meditations“ unter „Musik-CDs & Vinyl“ eingibt, erhält man seitenlang Vorschläge wie „Wind of the North: Irisch-keltische Musik – GEMA-frei. Belebend, für eine positive, optimistische Stimmung“ (also eine Art neoliberale Propagandamusik), oder „An Open Sky – beruhigende Gitarre und Cello-Musik für Entspannung, Meditation und Wohlbefinden“, oder „Relaxing Nature Sounds 4 CD Set – für Meditation, Entspannung und Schlaf“, oder „Fantasiereisen und Meditationen für Kinder“, oder auch „Meditationen zur Engel-Therapie“ (Engel-Therapie?!? im Ernst jetzt? Schlimm genug, daß sogar Mafia-Boss Soprano eine Therapie begonnen hatte, aber seit wann müssen auch Engel therapiert werden?) oder „Wellnessmusik und Entspannungsmusik instrumental“, „Innere Mitte Atemreise – Schnell Meditation“, „Ambient Drone Meditation Music“ und „Tibetan Singing Bowl & Om Chanting Meditation“, und nicht zuletzt eine CD mit dem vielversprechenden Titel „Glücklich & Frei – in 12 Minuten“ – also, wenn man glücklich und frei, jeweils groß geschrieben, in nur 12 Minuten werden kann, scheinen mir schlappe 14,90 Euro zu diesem Zweck denkbar gut angelegt. Ein bisserl teurer wird’s dann mit „Chakra Balancing Solfeggio Frequencies – 528 Hz Sound Healing & Meditation Music“, die kostet 120,12 Euro plus 3 Euro Versand. Was es wohl mit „Solfeggio Frequencies“ auf sich haben mag? Auch das Klassik-Label Deutsche Grammophon ist übrigens kräftig im Meditations-Business tätig und bietet unter anderem eine gleichnamige CD von Elina Garanca für 7,99 Euro sowie eine CD „Meditation – Klassik zum Entspannen“ („von Mischa Maisky, Rudolf Serkin, Patrik Gallois, Bach, et al“ – wer ist wohl dieser „Bach“?) für günstige 4,99 Euro an – Meditation zum Wegwerfpreis also.

So geht das sage und schreibe 400 Seiten lang – wer wissen will, wie unsere Gesellschaft auf den Entspannungs-Hund gekommen ist, möge bei Amazon nachschlagen. Was man dort jedoch nicht findet (jedenfalls nicht auf den ersten zwölf Seiten, dann habe ich aufgegeben), ist Musik der jamaikanischen Band The Meditations, nach der man eigentlich gesucht hat – der Band also, die zum Beispiel den Song „Running From Jamaica“ geschrieben hat, in dem sie ihre Mitbürger*innen dazu aufruft, im Land zu bleiben.

(inspiriert von Maximilian Schäffers Artikel „Youtube in Babylon“ in der jw vom 23.8.2019)