12.11.2016

Magazinbeilagen in Zeitungen

Ab und zu liegen den hiesigen Tageszeitungen, wir reden jetzt nur von der selbsternannten Qualitätspresse, versteht sich, Hochglanzmagazine bei – in der „Süddeutschen“ und der „Zeit“ finden sich diese Dinger wöchentlich, in der „FAZ“ alle paar Monate.
Ich habe spaßeshalber die in den letzten zwei Monaten erschienenen Mode-Ausgaben dieser Hochglanzdinger durchgeblättert und ein bißchen Statistik betrieben. Sehen Sie selbst:

Im „SZ Magazin“ vom 9.9.2016 blättert man durch 13 Seiten Werbung, bevor man auf das „Editorial“ stößt. Insgesamt sind in dem 112 Seiten starken Magazin 32 Seiten bezahlte Anzeigen sowie 44 weitere Seiten, nun, wie soll man das nennen, „Kosnumberatung“? Also Fotostrecken der Sorte „Viele Kleider erwachen erst in Bewegung richtig zum Leben. Deshalb brachten zwei Tänzerinnen des Bayerischen Staatsballetts für uns die schönsten Roben des Herbstes in Schwung“, und dann folgen einige Seiten mit Mode, die sich von den bezahlten Anzeigen nur dadurch unterscheiden, daß die Markennamen ein wenig verschämt unter den Fotos stehen: „Cremefarbenes Strickkleid mit Bustiertop, von Bottega Veneta“, oder „Langes Samtkleid mit Stehkragen, von Valentino“ – Sie wissen, was ich meine. 76 der 112 Seiten des „SZ-Magazins“ sind also direkte oder indirekte Werbung. Mehr als zwei Drittel.
Beim „Zeit-Magazin“ Nr. 38/2016 ist das Verhältnis ähnlich: 32 Seiten Anzeigen auf insgesamt 92 Seiten, dazu kommen 3 Seiten Verkaufsberatung und 13 Seiten Konsumberatung, insgesamt also 48 der 92 Seiten sind direkte oder indirekte Werbung, über 52 Prozent.

Beim großformatigen „FAZ Magazin“ gibt es nach der Titelseite sage und schreibe 21 Seiten lang Werbung, bevor man sich zum „Editorial“ durchgekämpft hat. Dann folgen neben einigen Artikeln weitere 17 1/3 Seiten bezahlte Anzeigen und 18 Seiten detaillierter Konsumberatung unter Nennung der Produktnamen, „Strickjacke und Hose von Gucci“, „Pollunder von Prada und ein Hemd aus Paul’s Boutique in Berlin“, „In einem Blouson von Louis Vuitton“. Insgesamt 56 1/3 von 100 Seiten sind direkte oder indirekte Werbung.

Beim Reeperbahn-Festival in Hamburg lag im Foyer des Hotels ein „Zeit-Magazin Mann“ herum, mit Christoph Waltz auf dem Cover, „Ich bin ein anderer“. Die Titelthemen: „Neue Klassiker: Vom Mantel bis zum Messer“. Ähem. Und „Die Analyse: Wie männlich ist die Politik von heute?“
Ich bin ein wenig enttäuscht, daß nach nur 15 Seiten bezahlter Anzeigen bereits das Editorial auf mich wartet. Und außer den 15 Seiten vorne haben die Magazinmacher nur weitere 30 Seiten Anzeigen losschlagen können – dafür beherrscht in meinen Augen kein anderes dieser Magazine die hohe Kunst des Produktplacements bzw. das Freischaufeln redaktioneller Seiten für intensive großflächige Konsumberatung so perfekt wie das Zeit-Magazin Mann. Es ist richtiggehend schwierig, redaktionelle und werbliche Inhalte auseinanderzuhalten. „Die neuen Klassiker“ („die wertvollsten Dinge, die man sich zulegen kann“, „weil sie nicht auf einen Trend zugeschnitten sind, sondern auf die eigenen Bedürfnisse“...) etwa zeigen auf der einen Seite vier Produktfotos, zum Beispiel Whisky-Gläser, Krawatten, Boxen, Sneaker, Uhren oder Messer, und auf der daneben stehenden Seite werden Werbetexte inklusive aller Markennamen formuliert. „Mit schlechten Messern kann man nicht gut kochen. Diese hier sind so gut, daß am Herd kaum mehr etwas schiefgehen kann“, weiß das Zeit-Magazin Mann...
Für das Porträt über Christoph Waltz hat sich der zweifache Oscar-Preisträger auf 14 ½ Seiten in Mode von Herno, RRL Ralph Lauren, Calvin Klein, Hermès, Jil Sander, Hugo Boss und einigen anderen fotografieren lassen. Dann fährt eine Kolumnistin auf sechs Farbseiten (davon 5 ¼ Fotos des roten Porsche 911 Turbo S) ein Auto Probe –  er ist zwar „kein Auto der Vernunft“, aber: „Er gehört zu ihr“.
Insgesamt sind von den  Seiten des Zeit-Magazin Mann 45 Seiten bezahlte Anzeigen und 51 ¾ Seiten „Konsumberatung“, macht 86 ¾ Seiten direkte oder indirekte Werbung auf 180 Seiten – nicht einmal die Hälfte! Es ist klar: Das Zeit-Magazin Mann landet auf dem letzten Platz dieser kleinen Statistik.