Lollapalooza, Spätis, Friedrichswerdersche Kirche und zweierlei Recht
Was ich von dem sogenannten Pop-Kultur-Festival, das der Berliner Senat veranstaltet, halte, habe ich dem „Musikexpress“ in einem Interview erzählt.
Die andere Berliner Festival-Mißgeburt, das „Lollapalooza“, wurde nun vom Senat genehmigt und darf diesen Monat stattfinden. In dem jüngst für 13,5 Millionen Euro sanierten Gartendenkmal Treptower Park, sozusagen auf einem Soldatenfriedhof (sind aber nur russische Soldaten...) dürfen nun 70.000 Menschen fressen, saufen, tanzen, Musik hören und das Gartendenkmal platt treten. Nachdem das geschehen ist, werden die Schäden im Park mit maximal drei Millionen Euro, die die Veranstalter hinterlegen mußten, wieder repariert. So etwas nennt man glaube ich Marktwirtschaft.
Die Denkmalschutzbehörde hat das Festival auf diesem Gelände abgelehnt. Das Amt wurde dann vom Landesdenkmalamt überstimmt (im Behörden- bzw. Politikerdeutsch heißt so etwas laut „Berliner Zeitung“: „das Amt wurde vom Landesdenkmalamt angewiesen, seine fachliche Einschätzung zu revidieren“...). Das Lollapalooza ist schließlich, so der Köpenicker Baustadtrat (SPD), ein „weltweit führendes Event, das für Berlins Image und Wirtschaftskraft sehr positiv ist“. So ist das heutzutage – auf der einen Seite muß jeder Späti in Neukölln mit harten behördlichen Auflagen kämpfen (in Berlin dürfen Spätis nur dann sonntags öffnen, wenn sie auf den Verkauf von Tiefkühlpizza und Dosenravioli verzichten und sich auf „Bedarfsartikel für Touristen“ beschränken – so jedenfalls laut jüngstem Rechtsgutachten des Berliner Abgeordnetenhauses), aber wenn ein internationaler Großkonzern mit einem „Event“ winkt, was kümmern uns dann noch Gesetze wie das Grünanlagen- oder das Denkmalschutzgesetz, Gesetze gelten eben nur für Kleinunternehmer wie die Betreiber*innen von Spätis.
Dieser Wahnsinn hat im SPD/CDU-Senat Methode. Sie haben vielleicht vor einigen Monaten von den Rissen in der Friedrichswerderschen Kirche gelesen, der einzigen noch erhaltenen Schinkel-Kirche in Berlin, die durch Bauarbeiten von benachbarten Luxusbauten gefährdet ist. Eine „Zerstörung mit Ansage“, wie es der dortige Pfarrer nennt, denn das Baudenkmal wurde 2012 geschlossen, weil der Neubau von ersten Luxuswohnungen in unmittelbarer Nähe zu irreversiblen Schäden geführt hat. Jetzt gab der Bau von Tiefgaragen für ein weiteres Luxusgebäude der Kirche den Rest. Und der Bausenator schaut der Zerstörung von Berlins schönstem Sakralbau ungerührt zu und sagt, „kein Baurecht läßt es zu, ein Projekt prophylaktisch zu stoppen, weil man mögliche Risse erwartet“ (laut „Die Welt“).
Was aber in all den feuilletonistischen Beiträgen über die Zerstörung des Baudenkmals nicht erwähnt wird: Diese Politik hat System, nicht nur in Berlin. Sie hat damit zu tun, daß für Investoren von Luxusimmobilien andere Gesetze gelten als beispielsweise (um den Klassenkampf noch ein wenig zu befeuern) für Besitzer von Spätis. Oder, besser gesagt: bei den einen wird die Einhaltung der Gesetze pedantisch überprüft, da wandern sonntags Ordnungsamtsbeamte durch den Kiez und kontrollieren, ob Tiefkühlpizza oder Dosenravioli angeboten werden, und schließen dann die entsprechenden Läden. Bei den anderen, den Investoren von Luxusbauten oder internationalen Großkonzernen, die Events veranstalten, werden Gesetze gedehnt, man schaut nicht so genau hin, Architekten und Investoren dürfen tun, was sie wollen, und man rollt ihnen noch einen roten Teppich über die Baustelle aus