01.01.2025

Joe Chialo: "Amateur im Blindflug"

Da die Förderung von Kultur vor allem kommunale Angelegenheit und Ländersache ist, müssen (fast, dazu später) allüberall vor Ort zum Teil dramatische Kürzungen der Kulturetats und damit der Zuwendungen konstatiert werden.
Den Vogel schießt dabei der Berliner Kultursenator Joe Chialo (Ex Grüne, jetzt CDU) ab. Ohne mit den Kulturinstitutionen und Zuwendungsempfängern das Gespräch zu suchen, ließ er zu, dass die Berliner Landesregierung den Kulturhaushalt um sage und schreibe 130 Millionen zusammenstrich. Chialo, dem nachgesagt wird, an Kulturveranstaltungen in der Regel nur dann teilzunehmen, wenn er auch ein Grußwort halten kann, befindet sich ganz offensichtlich nicht in belastbarem Kontakt mit den Häusern der Berliner Kultur. Aber innerhalb seiner Partei und des CDU-SPD-Senats scheint er auch keine Rolle zu spielen; jedenfalls lässt sich das aus den Aussagen schließen, wonach er sozusagen keine Ahnung hatte von den Haushaltskürzungen – aber er werde jetzt wie ein Löwe „für die Kultur kämpfen“… Ein Löwe, der sich wohl eher als handzahmer Bettvorleger eignet.

Galt Joe Chialo, der laut gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen sehr gut mit Friedrich Merz kann, bis vor kurzem noch als dessen Wunschkandidat für die Nachfolge von Kulturstaatsministerin Roth, hat sich das Bild nach der Vielzahl täppischer Aktionen und misslungener Statements mittlerweile wohl ziemlich gedreht:
 
„Aus gut informierten, ihm grundsätzlich gewogenen Kreisen heißt es, Joe Chialo sei ein gescheiterter Quereinsteiger, dem die politische Erfahrung und das nötige Handwerkszeug fehlten, um im Machtpoker der verschiedenen Gewerke auch nur ansatzweise mitzumischen. Andere, ihm weniger Gewogene sagen, er sei überfordert und unbelehrbar und habe mit den Inhalten seines Ressorts nichts am Hut. Für die Kultur in dieser Situation ist beides fatal.“
(Christine Lemke-Matwey, „Zeit“)
 
Wow. Die ihm Gewogenen halten Chialo demnach für gescheitert, ihm weniger Gewogene halten ihn für überfordert und sagen, er habe mit den Inhalten seines Ressorts nichts am Hut… Oder wie die „FAZ“ titelt: „Amateur im Blindflug“.
 
Nachtrag:
In ganz Deutschland werden aktuell die Ausgaben für Kultur zusammengestrichen. In ganz Deutschland? Nein. Denn eine Stadt leistet der gängigen Kulturfeindlichkeit tapfer Widerstand: Es ist Hamburg, das Kultur-Gallien der Republik. Dort sorgt der Kultursenator Carsten Brosda (SPD) dafür, dass der Kulturaushalt der Hansestadt im Jahr 2025 im zweistelligen Prozentbereich steigen wird. Und die Förderung von Clubs, der Livemusik-Szene und von Nachwuchskünstler:innen wird in Hamburg sogar fast verdreifacht.
Bravo! So geht engagierte, antizyklisch agierende Kulturpolitik!