15.09.2019

Ideologische Entkrampfung und Richard Strauss

Er hat es wieder getan: Jan Brachmann, der eingefleischte Cordhosen-Neokon im Klassik-Feuilleton der „FAZ“, betreibt Ehrenrettung für Richard Strauss: „Dank einer ideologischen Entkrampfung erfährt Strauss’ Werk eine neue Bewertung“, behauptet Brachmann. Mal jenseits der Tatsache, daß die Werke von Richard Strauss, seit ich die Szene verfolge (also seit mehr als vier Jahrzehnten) allüberall und rauf und runter gespielt werden, und die Behauptung daher eo ipso schon ein ziemlicher Schmarrn ist – aber worin soll denn nun die „ideologische Entkrampfung“ bestehen?

Richard Strauss war ein nazifreundlicher und nazinaher Komponist: Er war als Präsident der Reichsmusikkammer ein hoher Funktionär des NS-Staats, und er war seit jeher ein veritabler Antisemit und Rassist, der (im Briefwechsel mit Cosima Wagner beispielsweise) u.a. äußerte: „Bayreuth und Jerusalem (und alles, was von des letzteren Geiste durchtränkt und zerfressen ist) sind Pole, die sich wohl nie berühren werden“, oder „...die ekelhaften, dummen, albernen, faulen, schmutzigen Araber (...) Das Volk ist so widerlich...“ (weitere Äußerungen dieser Art kann man auf Seite 458 f. meines „Klassikkampf“ nachlesen).

Und in einem Brief vom Mai 1947 schreibt er aus der Schweiz über das amerikanische Konzentrationslager Deutschland“ – einmal Nazi, unbeirrt immer Nazi.

Entweder findet Bayreuth-Fan Brachmann derartige Äußerungen nicht allzu schlimm, im Sinne von „wird man ja noch sagen dürfen, daß Araber ekelhaft, dumm, faul und schmutzig sind“. Oder er will diese Äußerungen ebenso bewußt verdrängen wie die Tätigkeit von Richard Strauss als hoher Nazi-Funktionär.
Wie Brachmann sich dann allerdings in die Bresche wirft, ist selbst eines konservativen Feuilletons unwürdig: „Die Diffamierungen von Strauss traten als das zutage, was sie sind: taub, blind und dumm.“ Die Wahrheit wird zur Diffamierung. Es kann und darf eben keinesfalls sein, was ist. Richard Strauss wird dank „ideologischer Entkrampfung“ entnazifiziert und entrassisiert, und die Erde ist endlich wieder eine Scheibe: Man kann so schön drüber schauen, wenn alles flach ist.