11.11.2019

Fanta 4 go Aldi - Neues vom Ticketing

Kennen Sie die Fantastischen Vier? Diese schwäbische Rap-Schlager-Band, von den Medien gerne „Rap-Urgesteine aus Stuttgart“ genannt und von ihren Fans auch „Fanta 4“ gerufen?
Der zu früh verstorbene Berliner Musikjournalist (und frühes Ärzte-Bandmitglied) Hagen Liebing fragte sich und uns mal, eher rhetorisch: „Was war bei den Fantastischen Vier diesmal wohl zuerst da? Das Album, die Tournee-Verträge oder doch eher ein lukrativer Kampagnen-Sponsor? Es gibt wohl kaum eine Band in Deutschland, die in den letzten Jahren so viel Geschick und Eifer dabei bewiesen hat, neben der eigenen Musik auch gleich noch zahllose Konsumprodukte, Technikinnovationen und Sender zu bewerben. (...) Die Schwaben sind sich für keinen Werbedeal zu schade.“
Nun, diesmal war es wohl der Ticketing-Partner, der zuerst da war: Fanta 4 lassen jedenfalls bei ihrer 30-Jahre-Jubiläums-Stadiontournee (unter dem Titel „30 Jahre Mauerfall“... nein, Scherz...) ihre Konzerttickets exklusiv von ALDI vertreiben. Aldi? Im Ernst jetzt? Also ein Konzern, dessen Besitzerfamiien zu den reichsten Menschen hierzulande gehören? Ein Konzern, der die Rechte seiner Arbeitnehmer*innen, der Verkäufer*innen in den Filialen mit Füßen tritt, der die Wahl von Betriebsräten hintertreibt beziehungsweise versucht, sie dort, wo sie unvermeidlich sind, mit Vertreter*innen der arbeitgeberfreundlichen „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte“ zu besetzen? Wie Hagen Liebing schon sagte: „Die Schwaben sind sich für keinen Werbedeal zu schade“...

Man erzählt sich in der Branche, daß Aldi Fanta 4 eine hohe einstellige Millionensumme als Marketingbudget für die Tour zur Verfügung gestellt hat (die Rede ist von etwa 8 Millionen Euro). Für Geld tun die Schwaben eben alles... Und stellen sich sogar noch als Freunde ihrer Fans dar: Sie behaupten, mit ihrer Aldi-Aktion den Ticketmarkt zu „demokratisieren“ (der Slogan der Kampagne lautet sinnigerweise „Exklusiv für Alle“). Fanta 4-Rapper Smudo stellt fest: „ALDI ist für jedermann erreichbar. Außerdem können wir durch die Kooperation unsere Tickets ohne Gebühren und versandkostenfrei anbieten. Es gibt klare Kategorien und klare Preise, keine versteckten Zusatzgebühren.“

Mal abgesehen davon, daß eine Band wie Fanta 4 natürlich auch sonst jederzeit für „klare Kategorien“ und „klare Preise“ sorgen könnte und durchaus auch die Macht hätte, die „versteckten Zusatzgebühren“ transparent zu machen oder sogar ganz abzuschaffen, dazu bedarf es keiner Kooperation mit Aldi – aber besonders pikant ist, daß die Konzertagentur von Fanta 4, Four Artists, sich noch 2017 vom größten deutschen Konzertkonzern CTS Eventim kaufen lassen wollte, der bekanntlich auch der deutsche Ticketing-Quasi-Monopolist ist und für allerlei Zusatzgebühren berühmt ist, von „Print at home“- und Kreditkarten-Sonder- bis hin zu überhöhten Versandgebühren. Das Bundeskartellamt hat den geplanten Erwerb der Mehrheitsanteile an den Gesellschaften von Four Artists durch die CTS Eventim AG im November 2017 untersagt. Hätte das Kartellamt vor zwei Jahren nicht eingegriffen, würden die Tickets der Fanta 4-Stadiontournee heute mit allen „versteckten Zusatzgebühren“ von CTS Eventim vertrieben werden. Wes Marketingbudget ich ess, des Lied ich rap...

Daß Fanta 4 alles andere als Fan-freundlich agieren, hat sich bei der Aldi-Aktion gezeigt: In den ersten zwei Verkaufswochen mußten die Fans ausnahmslos in eine Aldi-Filiale kommen, wo es die Tickets (bis zu 4 pro Person) exklusiv zu kaufen gab – beziehungsweise einen „Ticket-Gutschein“, einen Kassenbon „mit eurem individuellen Ticket-Code“. Der mußte dann umständlich „innerhalb der nächsten 5 Tage online auf aldi-tickets.de“ eingelöst werden. Nach „erfolgreicher Einlösung“ wurde das Ticket dann zugeschickt. Warum einfach, wenns auch kompliziert geht und wenn man über das Zeitbudget der Fanta 4-Fans einfach so verfügen kann, die extra in einer Filiale Schlange stehen müssen, um einen Gutschein zu erwerben, den sie dann aufwendig im Netz einlösen, bis ihnen die Tickets endlich zugeschickt werden...
Hauptsache, es bringt extra Kohle in die Kasse der geschäftstüchtigen Schwaben-Rapper!

Und wollen wir wetten, daß demnächst weitere deutsche Superstars mit Aldi ihre Ticketing-Geschäfte machen? Es gibt einfach keinerlei Bewußtsein bei den deutschen Bands dafür, daß sie es sind, die die Macht haben, die unzumutbaren Verhältnisse im Ticketinggeschäft zu ändern. Sie werfen sich entweder hasenfüßig in die Arme der Monopolisten und lassen, wie zum Beispiel Deichkind, ihre Tickets exklusiv von CTS Eventim verdaddeln, weil sie Angst haben, daß ein Weg jenseits der Monopole sie Fans kosten könnte – oder sie dealen gleich mit einem Konzern wie Aldi, der mit Marketingbudgets nur so um sich wirft.

Und die Fans? Machen alles mit, lassen sich alles gefallen. Die ersten Stadien der Fanta 4-Tour sind bereits ausverkauft.