16.06.2024

Europawahl und Jungwähler:innen

Bei den Nachwahlanalysen zur Europawahl und zu den Kommunalwahlen in acht Bundesländern fallen vor allem zwei Narrationen auf:
Zum einen, dass bei Parteien wie der EsPeDe oder den Grünen eine „schlechte“ oder „beschissene“ Kampagne für das schlechte Ergebnis verantwortlich sei. Wie wäre es denn, wenn die Parteien eine glaubwürdigere Politik betreiben würden, bei denen die Interessen der Menschen im Mittelpunkt stünden? Das wäre doch mal eine Kampagne…
Zum anderen wird groß lamentiert, dass die Jugend jetzt plötzlich rechts sei – ganz so, als ob sich dieser Trend nicht schon seit längerem zeigen würde. Und dass die Grünen bei den Jungwähler:innen so dramatisch verloren haben (minus 23 Prozent!), dürfte wohl vor allem damit zu tun haben, dass sie in Sachen Klimakatastrophe ihre Glaubwürdigkeit in der politischen Praxis weitgehend verloren haben und es an umgesetzten klimapolitischen Projekten in der Ampel mangelt. Insofern sind die Jungwähler:innen alles andere als „unpolitisch“, sondern im Grunde eher hochpolitisch und wach.
Und was die Jungwähler:innen angeht, die rechts und rechtsradikal gewählt haben, würde ich mir eine Ausdifferenzierung wünschen, nach Geschlecht, nach sozialem Status, nach Bildung, statt die angeblich nach rechts abwandernde Jugend in toto zu dissen, wie es derzeit Mode geworden ist.
Aber angeblich ist ja einfach nur Tiktok daran Schuld, wie die großen Vereinfacher verlautbaren lassen: 2019 kein Tiktok und AfD bei unter 25-Jährigen bei 5%. 2024 Tiktok und AfD bei unter 25-Jährigen bei 17%. Ach, wenn Politik doch so einfach wäre…
(und wer sich darüber aufregt, dass die Rechtsradikalen auf ostdeutschen Schulhöfen Propaganda-CDs mit reaktionärer Musik verteilen – wo sind denn SPD, Grüne und Linkspartei, die auf Schulhöfen ihre CDs mit progressiver Musik verteilen würden?!?)