09.04.2020

COVID-19 und Corona. Ein Long Read mit ein paar öffentlichen Äußerungen

Ein „Long Read“ in Sachen COVID-19 und Corona:
Derzeit loben ja viele Menschen, die normalerweise mit Herrn Stoiber, Herrn Spahn oder der CDU/CSU wenig am Hut haben, die „Krisenkompetenz“ der Herren Spahn, Stoiber & Co. Das hat wahrscheinlich auch mit der unterschwelligen Sehnsucht der Deutschen zu tun, daß es in Krisenzeiten (und nicht nur dann…) starke Männer und Experten geben möge, die das Schiff sicher durch stürmische Meere steuern, „auf Sicht“. Ach, gäbe es doch den Kapitän, der…

Ich erlaube mir, an dieser Stelle Äußerungen und Verhalten von Gesundheitsminister Spahn, der Regierungsinstitution Robert-Koch-Institut und anderer Akteure aufzulisten, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit:

Am 22.1.2020, also zu der Zeit, als China die Region Wuhan komplett abgeriegelt und 5 Millionen Menschen in Quarantäne geschickt hat (und das Auswärtige Amt das Risiko für deutsche Reisende in Wuhan als „moderat“ einschätzt…), beginnt das weltweit führende US-amerikanische Epidemiologie-Institut der John Hopkins-Universität seine internationale Zählung und warnt vor den weltweiten Gefahren durch den COVID-19-Virus.
Am selben Tag, dem 22.1.2020, teilt das Robert-Koch-Institut mit, man gehe nicht davon aus, daß sich dieser Virus außerhalb Chinas verbreiten werde (!). (Quelle: Telepolis 21.3.2020)
Entsprechend halten es die deutschen Gesundheitsbehörden noch wochenlang nicht für nötig, Einreisende aus China zu untersuchen.
Und ebenfalls am selben Tag, dem 22.1.2020, äußert sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der „Tagesschau“: „Wichtig ist, daß wir das richtig einordnen. An der Grippe sterben bis zu 20.000 Patienten pro Jahr, der Verlauf bei Corona ist deutlich milder.“
29.1.2020: „Gesundheitsminister Spahn ruft nach der ersten bestätigten Infektion in Deutschland zur Gelassenheit auf. Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland durch die neue Atemwegsinfektion aus China sei nach derzeitiger Einschätzung gering. ‚Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund‘, sagte er.“ (Die Welt, 29.1.2020)

Am 30.1.2020 erklärt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Corona zum „internationalen Notfall“. Diese Info ist allerdings laut Professor Drosten „nicht so richtig durchgesickert“. (Maybrit Illner/ZDF, 19.3.2020) Jens Spahn warnt erneut vor „übertriebener Sorge“, Corona sei „nicht schlimmer als die Grippe“.

Am 5.2.2020 wendet sich Achim Theiler, Geschäftsführer des auf die Herstellung von Hygienebekleidung, Mundschutz und Atemschutzmasken für Krankenhäuser und Arztpraxen spezialisierten Buchloer Unternehmens Franz Mensch, an den Bundesgesundheitsminister und weist darauf hin, daß es „in Kürze zu bedenklichen Engpässen bei der Versorgung der Krankenhäuser mit Schutzmasken kommen“ werde.
Theiler teilt dem Bundesgesundheitsminister mit, daß seine Firma „aktuell ca. 1,5 Millionen Mundschutz und 200.000 Atemmasken für Krankenhäuser und Rettungsdienste zur Sicherung der allgemeinen Versorgung reserviert“ habe.
„Ich appelliere an Sie, unterschätzen Sie die Problematik dieses Virus nicht!“ Niemand reagiert. Der Minister schweigt. (Quelle: Der Spiegel 19.3.2020) Dazu wenige Wochen später: Gesundheitsminister Jens Spahn: „Wir sind gut vorbereitet.“ Man habe alles unter Kontrolle, und „selbst im Fall einer möglichen Epidemie gebe es ‚die Ausstattung, die wir brauchen‘.“
(Der Spiegel 19.3.2020)
Anmerkung, Stand 24.3.2020: Aktuell gibt es nicht einmal ausreichend Atemmasken für Pflegekräfte und medizinisches Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Am 14.2.2020 äußert Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der Klinik München-Schwabing: „Das Maskentragen in Deutschland, im öffentlichen Raum, das ist medizinisch nicht sinnvoll.“

Am 19.2.2020 stellt die WHO fest, daß Corona zehnmal gefährlicher als die Grippe ist. In Italien gibt es die ersten Toten, ganze Gemeinden werden abgeriegelt. Jens Spahn erläßt keine allgemeinen Reisebeschränkungen, sie seien „nicht verhältnismäßig“.

Am 20.2.2020 wünscht sich Bundesgesundheitsminister Spahn „mehr Mut bei Debatte um Krankenhausschließungen“, auch wenn die Debatte um Krankenhausschließungen „zu einem der emotionalsten Themen in der Kommunalpolitik gehören“. (aerzteblatt.de)

Am 26.2.2020 (Aschermittwoch) erklärt Jens Spahn, „jetzt ist die Epidemie ausgebrochen“. Vorher hat man keinen Anlaß gesehen, zum Beispiel Karneval abzusagen – „Karneval hatten wir auch schon wegen Hanau nicht abgesagt, dann konnten wir ihn ja schlecht wegen Corona absagen.“ (Die Anstalt/ZDF, 24.3.2020)

Statt die Situation der Pflegekräfte und medizinischen Fachkräfte zu verbessern und ihnen endlich ein vernünftiges Gehalt für ihre gesellschaftlich wertvolle Arbeit zu bezahlen, holt das deutsche Gesundheitssystem die dringend benötigten Fachkräfte aus ärmeren Teilen Europas:
In Deutschland arbeiten u.a. 14.000 medizinische Fachkräfte aus Bosnien, 8.000 aus Serbien und über 2.700 aus dem Kosovo. „Wir luchsen dem Balkan dort dringend benötigte Pflegekräfte ab, um den Betrieb in unseren Krankenhäusern aufrechtzuerhalten.“ (Claus von Wagner, Die Anstalt/ZDF, 24.3.2020)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 1.3.2020: „Wir haben das Coronavirus vom ersten Tag an sehr ernst genommen.“ (Welt+)

„Jemanden 14 Tage zu kasernieren wegen einer Erkrankung, die verläuft wie ein Schnupfen, ist völlig unverhältnismäßig.“ (René Gottschalk, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, 2.3.2020)

Erst am 17.3.2020 erlässt der Bundesgesundheitsminister Beschränkungen für Reisende, die aus Corona-Krisengebieten kommen.

Am 18.3.2020 beschwört Bundeskanzlerin Merkel in einer Fernsehansprache „gemeinsames solidarisches Handeln“ im Kampf gegen Corona. Am selben Tag setzt die Bundesregierung die humanitäre Aufnahme von Geflüchteten aus. Solidarität, die sie meinen…
(und Grünen-MdB Konstantin von Notz erklärt: „Man kann in dieser Krise einfach nur froh sein, eine Kanzlerin wie Andrea Merkel zu haben. Und in den kommenden Monaten sollte kein Parteibuch, sondern nur politische Ernsthaftigkeit, demokratische Verantwortung und gesellschaftliche Solidarität eine Rolle spielen“, während Georg Diez fragt: „Gibt es eigentlich noch abweichende Meinungen?“)

Das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen hat dem thailändischen Monarchen Rama X. eine Ausnahmegenehmigung erteilt, damit er im Garmischer Hotel Sonnenbichl residieren kann, während alle anderen Hotels im ganzen Land geschlossen sind und keine Gäste aufnehmen dürfen. (Süddeutsche Zeitung, 24.3.2020)
„France has ordered more than one billion face masks, the vast majority from China, the country’s health minister said on Saturday, as the government scrambles to build up its supplies with the coronavirus outbreak showing no sign of easing.
Health Minister Olivier Veran said France was using 40 million face masks weekly as it battles the pandemic and currently has three weeks worth of supplies.“ (Reuters, 28.3.2020) 29.3.2020: Nach Einschätzung des Chefs des RKI, Lothar Wieler, droht in der Coronakrise auch das deutsche Gesundheitssystem an seine Grenzen zu geraten. „Wir müssen damit rechnen, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, ganz klar.“ Und: „Wir können nicht ausschließen, dass wir hierzulande wie in Italien ebenfalls mehr Patienten als Beatmungsplätze haben.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)
1.4.2020: Der SPD-Gesundheitspolitiker und studierte Epidemiologe Karl Lauterbach erklärt bei Markus Lanz (ZDF), daß das Tragen von Atemschutzmasken wegen der Tröpfcheninfektion wichtiger ist als das Händewaschen, das nur gegen das wesentlich geringere Risiko einer Schmierinfektion hilft: „Wenn wir die Masken hätten und wenn angeleitet würde, wie man sie richtig trägt, wäre die Pflicht zum Tragen dieser Masken im öffentlichen Raum, etwa in Schulen oder im Supermarkt, sinnvoll." Allerdings gebe es leider nicht genug Atemschutzmasken, deswegen gelte: „Weil wir von denen derzeit nicht genug haben, wäre eine Pflicht für diese Masken falsch. Ich würde die Masken nur dem medizinischen Personal wegnehmen."
2.4.2020: Das Robert-Koch-Institut hat in der Coronakrise seine Einschätzung für das Tragen eines Mundschutzes geändert. Wenn Menschen - auch ohne Symptome - vorsorglich eine Maske tragen, könnte dies das Risiko einer Übertragung von Viren auf andere mindern, heißt es auf der Internetseite der Bundesbehörde. „Die Bundesregierung hat es versäumt, genügend Schutzmasken zu besorgen. Auch deshalb verweigert sie sich nun einer Tragepflicht für alle Bürger - obwohl dies eine Lockerung der Kontaktsperre ermöglichen könnte.“ (Spiegel, 3.4.2020)

6.4.2020. Das Bundesgesundheitsministerium teilt mit: „Um Patienten mit Covid19 und anderen schweren Krankheiten gut versorgen zu können, brauchen wir einen genauen Überblick über belegte und freie Intensivbetten. Mit einer Verordnung macht Jens Spahn die Meldung freier Intensivbetten zur Pflicht.“