28.02.2014

Jahrescharts VUT 2013

Ganz ohne „Ethikbeirat“ kommt der Juniorpartner von Gornys Verband, der
VUT, aus. Was dem Bundesverband der deutschen Spirituosen-Industrie, oh,
pardon, ich meinte natürlich: dem Bundesverband der Musikindustrie sein Echo
mit dem Kriterium „Alternative national“, das sind dem VUT seine „Independent-Charts“.
Und so zeigte der VUT auch bei der Veröffentlichung seiner
„Independent-Jahrescharts 2013“ („drei
Viertel der Top 20 von deutschen Acts!“, posaunte man stolz heraus –
jawoll, man spricht hier deutsch!, wird man doch wohl noch sagen dürfen...),
wie unabhängig er von der Musikindustrie ist: Auf den ersten Plätzen der
Indie-Jahrescharts deutscher Prägung finden sich hinter „Foreigner“ lauter von
der Musikindustrie sträflich vernachlässigte Bands wie Xaver Naidoo („Bei
meiner Seele“!), die Toten Hosen („Ballast der Republik“!), Kollegah &
Farid Bang („Jung, brutal, gutaussehend 2“!) und Cro – also lauter Bands, die
in den deutschen Albumcharts normalerweise keine Berücksichtigung finden
würden, wenn der VUT, der erklärte Indie-Verband, sich ihrer nicht so tapfer
annehmen würde. Respekt! Es wird sich beim VUT doch wohl auch noch eine
Südtiroler Band finden lassen?

14.02.2014

Valentinstag mit Apple

„Liebe ist so leicht“, säuseln die kalifornischen Apple-Marketingprofis.
Da kämpft man zeitlebens Sisyphos-gleich um die Liebe, mit allem auf und ab,
Sie kennen das – aber die kalifornischen Ideologen haben die Lösung, es gibt
eben einfach „zwei Wege ins Herz deines Lieblings“: Nämlich den iPad Air und
den iPad mini mit Retsina Display.Ach, wenn man das doch vor ein paar Jahrzehnten schon gewußt hätte, wie
leicht die Liebe doch in Wirklichkeit ist. Danke, Apple, danke! Und happy
Valentinstag. Lang lebe der totalitäre Konsumismus kalifornischer Prägung!

"Liebe ist so leicht!iPad Air und iPad
mini mit Retina Display. Zwei
Wege ins Herz deines Lieblings. Wenn du online bestellst, wird das iPad kostenlos zu dir nach
Hause geliefert. Oder komm in den Apple Store und lass dir von einem Specialist bei der
Auswahl des perfekten iPad helfen. Jetzt einkaufen"

14.02.2014

Griechenland, Korruption und deutsche Rüstungskonzerne

Die hiesige gängige Narration geht so: Die Griechen
verplempern „unsere“ Steuergelder, liegen auf der faulen Haut und sind von A
bis Z korrupt, wenn sie nicht gerade Sirtaki tanzen. Die Wahrheit ist eine
andere – die Griechen müssen, flapsig gesagt, hart arbeiten, um die
Bestechungsgelder zu erwirtschaften, die u.a. deutschen Rüstungskonzernen
gezahlt werden:„Plaudernde
korrupte Beamte bringen Griechenlands Politikwelt in Bedrängnis. Die Beamten
haben die Omerta gebrochen und decken die Korruption der vergangenen Jahre auf.
Es sind allerdings so viele Fälle, dass sich die peniblen Beamten beim besten
Willen nicht mehr an alle erinnern können. Kein Rüstungsdeal lief ohne
Bestechung ab. Die Lieferanten aus Deutschland, Russland, Frankreich und den
USA zahlen die Schmiergelder nicht aus eigener Tasche, sie schlugen die
Zahlungen schlicht auf die Rechnung drauf. Diese zahlten dann zunächst die
griechischen Steuerzahler. Seit der Zypern-Krise 1974 hat der griechische Staat
knapp 216 Milliarden Euro für Waffen ausgegeben. Im Vergleich zu den
Staatsschulden, die im August 2013 bei 316 Milliarden Euro lagen, ist dies eine
stolze Zahl. Das gilt vor allem dann, wenn man bedenkt dass die Käufe auf Pump
erfolgten und folglich Zins und Zinseszinsen dazu kommen. (...) Hellas zahlte
jahrzehntelang zwischen drei und sechs Prozent des Staatshaushalts für die
Rüstung. In der Regel lagen die Ausgaben für Waffenkäufe auf dem doppelten
Niveau der Bildungsausgaben. (...) Auch in der Krise scheint der Kalte Krieg
für die Hellenen noch nicht vorbei zu sein. Trotz ständiger Kürzung von Renten,
Löhnen und Sozialleistungen und immer neuen Steuern bleibt das Land an der
Außengrenze Europas hinsichtlich seiner Rüstungsausgaben unter den ersten drei
EU-Ländern. Schlimmer noch, die fanatischsten Verfechter der unsozialen
Sparmaßnahmen drängten die Griechen, weiterhin ihre Arsenale zu füllen. (...) Um
den Griechen Leopard 2 Panzer anzudrehen, wurde faktisch das komplette Ministerium
geschmiert. Unter den verdächtigen Firmen befinden sich zahlreiche alte
Bekannte, wie der bereits wegen nachgewiesener Korruption in Griechenland
abgestrafte Siemens Konzern.“ (Telepolis)

30.01.2014

Scarlett Johansson und Isarel

Die ohnedies quasi auf allen Ebenen verehrungswürdige Schauspielerin
Scarlett Johansson ist zudem noch eine der raren Künstlerinnen unserer Tage mit
Haltung und mit Rückgrat.Seit einiger Zeit hat die Schauspielerin einen Werbedeal mit der
israelischen Firma Sodastream. Nun geriet sie in einen dieser blöden
Shitstorms, mit denen Künstler, die mit israelischen Firmen zusammenarbeiten
oder die es gar wagen, in Israel aufzutreten, heutzutage unter Beschuß genommen
werden (siehe auch „Der Boykott-Blues“: http://www.bseliger.de/sites/default/files/Israel%20Boykott%202013%2008%...
). Zuletzt forderte auch die sogenannte „NGO“ Oxfam die Schauspielerin auf,
nicht weiter mit der israelischen Firma zusammenzuarbeiten – sounds familiar?
„Keine Geschäfte mit Juden!“...Laut „Perlentaucher“ hat Scarlett Johansson nun in der Huffington Post dargelegt, daß sie
keinen Grund dafür sieht: Die Firma, schreibt sie, „ist nicht nur dem Umweltgedanken verpflichtet, sondern will auch eine
Brücke zwischen Israel und Palästina bauen, sie unterstützt die Zusammenarbeit der Nachbarn, die
gleich bezahlt werden und gleiche Rechte haben. Das ist es, was in der Ma'ale
Adumim factory jeden Tag passiert."Im Januar-Heft der auch sonst immer sehr lesenswerten Zeitschrift
„Konkret“ konnte man übrigens einen interessanten Artikel über die Arbeit der
„angeblich uneigennützigen und hilfsbereiten NGOs in den palästinensischen
Gebieten“ lesen (Alex Feuerherdt, „Das bestgehütete Geheimnis“). Wußten sie zum
Beispiel, daß, obwohl es weitaus schlimmere Krisengebiete auf der Erde gibt, es
nirgendwo so viele „Nichtregierungsorganisationen“ gibt? Und diese NGOs agieren
durchaus nicht aus purer Menschenfreundlichkeit, sondern aus massiven
politischen Interessen. In China nennt man die NGOs übrigens GONGOs – nämlich,
was der Realität wesentlich näher kommt: Governmental
Non Governmental Organisations...

21.01.2014

Jack White Paramount-Box

Jack White hat auf seinem Label eine opulente Box mit Aufnahmen von
Paramount Records veröffentlicht: „The Rise and Fall of Paramount Records
1917-1932“. Was ist an dieser Veröffentlichung so degoutant, ja nachgerade
pervers?Hier wird eine Fetischisierung des Musikgeschmacks betrieben, die
ihresgleichen sucht. Alte, Urheberrechts-freie Aufnahmen werden in einer
limitierten (!) handgeschnitzten (!) Eichen(!)box mit Salbei(!)-Samt(!)-Bezug
und handgeschmiedeten (!) Intarsien auf 6 Vinyl-LPs ausgeliefert. Die LPs
wurden auf kastanien(!)farbigem Vinyl gepreßt und haben handgravierte (!)
Blattgold(!)-Etiketten mit einer aufwendigen Blindprägung; die LPs werden in
gelaserten (!) weißen Birken(!)-Hüllen verpackt. Dazu gibt es die einschlägigen
dicken Bücher und einen USB-Stick mit 800 remasterten Tracks und 200
Werbeanzeigen aus der fraglichen Zeit – der USB-Stick hat einen wahrscheinlich
handgravierten bronzeartigen Griff... Sie fragen sich zu Recht – ist das alles
nicht bescheuert? Komplett durchgeknallt? Ja, es ist. Doch ich habe nur aus der
Selbstbeschreibung zitiert, die man auf der Homepage von Jack Whites Label
finden kann. Aktueller Preis dieser Box, des selbsternannten „Wonder Cabinets“,
bei Amazon (Stand 3.1.2014): EUR 568,68.Eine perverse Selbstbefriedigung eines Musikers, hergestellt im
„Manufaktum“-Style für die Reichen, die sich ihren Distinktionsvorteil noch
etwas kosten lassen (diese Musik aber in der Regel kaum hören werden). Wenn es
Jack White um die Musik gehen würde, die auf diesen LPs und auf dem USB-Stick
zu hören ist, wenn es ihm darum gehen würde, daß diese Musik (und es ist wohl,
neben viel Mittelmaß, auch großartiges Zeug darauf, z.B. von Charley Patton,
Blind Lemon Jefferson, Son House, Ma Rainey, Ethel Waters) gehört wird, dann hätte er diese Musik zugänglich gemacht, also kostenlos im Netz veröffentlicht – wie
gesagt, wir reden von Musik aus den Jahren 1917-1932..Aber hier geht es nicht um die Musik. Hier geht es um eitle
Selbstdarstellung. Hier geht es um ein „Mausoleum
für die absterbende Kunst des Plattenhörens“, wie Simon Reynolds sagt; für
Reynolds haben Box Sets immer etwas mit „Särgen“ zu tun, und genau diese
Assoziation hat man beim Paramount-„Wonder Cabinet“ des Jack White: ein
aufwendiger Eichensarg soll hier bereitgestellt werden, den sich die Reichen
als „Coffee-Table-Box-Set“ neben den Couchtisch stellen können. Vergriffene
schwarze Musik als High End-Nischen-Kapitalismus.Ich mag Jack White. Ich war auf seinem letzten Berlin-Konzert, das viel
Spaß gemacht hat, und ich mochte die White Stripes. Und ich war in Austin,
Texas, an seinem umgebauten Bus und habe einige der von ihm
wiederveröffentlichten Platten gekauft. Ich glaube, Jack White ist ein guter
Typ. Aber er zeigt eben auch, wie rasch sich ein Musiknerd, dem es nur um
Authentizität und Verfeinerung geht, in die Sackgasse manövrieren kann. „Wild“
Billy Childish erzählt in Simon Reynolds Retromania-Buch, wie die White Stripes
über Monate hinweg in einem alten Studio versuchten, Platten aufzunehmen, die
so klingen sollten wie diejenigen, die ihre Vorbilder dort an einem Tag
aufgenommen hatten. Auf der Suche nach dem verlorenen Sound... Jemand muß Jack
White sagen, daß er auf einem Irrweg ist.(die Musik der Paramount Box ist mittlerweile übrigens laut Google auf
Pirate Bay zu finden...)

21.01.2014

Gewissensentscheidung Sterbehilfe

Ist Ihnen das auch aufgefallen, wie verschämt die Politiker der
Koalition beim Thema Sterbehilfe sich plötzlich auf die Gewissensfreiheit der
Abgeordneten berufen?„Das Thema
ist bedrängend, weil es existentielle Fragen berührt. Jeder Abgeordnete wird hier
dem eigenen Gewissen folgen“, sagte Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU)
laut „FAZ“. Beachten Sie besonders das „hier“, das die Gewissensentscheidung
der Abgeordneten, die ja laut Grundgesetz selbstverständlich ist und immer und grundsätzlich gilt, als
Ausnahme darstellt – jeder Abgeordnete wird hier, also dieses eine Mal, ausnahmsweise, seinem Gewissen folgen.Aber so ist das in unserer sogenannten Demokratie –
natürlich folgen tatsächlich die Abgeordneten längst nicht mehr ihrem Gewissen,
sondern der Fraktionsdisziplin – während das Grundgesetz festlegt, daß die
Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken, ist die Realität längst
die, daß die Parteien bestimmen, was das Volk denkt und was die Abgeordneten
abzustimmen haben – Gewissen hin, Gewissen her, Gewissen ist ein Zottelbär. 

04.01.2014

Kraniche, CDU und Ungarn

Und was haben die Kraniche der CDU/CSU voraus?

Während Angela Merkels Union im Europaparlament weiter eine
Fraktionsgemeinschaft mit der reaktionären ungarischen Fidesz-Partei des Westentaschen-Diktators
Orbán bildet und auch sonst hierzulande wenig Initiative gezeigt wird, die
antidemokratischen Handlungen der ungarischen Regierung zu bekämpfen, haben die
Kraniche Konsequenzen gezogen:

„Kraniche ändern
ihre Flugrouten – statt über Ungarn fliegen sie nun über Bayern nach Süden“ meldet die
„Berliner Zeitung“ am 3.Januar. Ich habe schon immer ein Faible für Kraniche
gehabt – kluge Vögel sind das!

04.01.2014

Spotify und Plattenfirmen

Während in den hiesigen Medien bevorzugt die Jammereien alternder
Popstars abgedruckt werden, die barmen, daß sie von Spotify zu wenig Geld
bekommen würden (was lediglich meint: niemand kauft mehr unsere CDs!...),
finden andernorts interessante Begebenheiten statt: In Spotifys Heimatstaat Schweden
beispielsweise sind Musiker auch wenig begeistert von den geringen
Streaming-Erträgen, sie ziehen aber die richtigen Konsequenzen und verklagen
ihre Labels (die ja das Geld von Spotify bekommen): Eine Gruppe schwedischer
Musiker, vertreten durch die Musikergewerkschaft, drohen Universal Music und
Warner Music mit Klagen, wie im „Musikmarkt“ zu lesen war. Die Musiker fordern
faire Anteile von den Streaming-Einnahmen.

Wie nur die wenigsten wissen, wenden die meisten Plattenfirmen auf die
Einnahmen von Streamingdiensten das gleiche Prinzip an wie beim Verkauf von
physischen Tonträgern. Das bedeutet letztlich, daß die Künstler lediglich
zwischen 6 und 10 Prozent der Einnahmen erhalten, der Rest bleibt bei den
Plattenfirmen – generalstabsmäßig organisierter Diebstahl an den Künstlern
sozusagen. Laut „The Guardian“ kommen von jeweils 4.500 Pfund, die eine
Plattenfirma für eine Million Streams erhält, gerade einmal 500 Pfund bei den
Künstlern an.

Weltweit fordern Künstler, daß die Einnahmen aus den Streamings nach dem
Prinzip der Lizenzierung abgerechnet werden, was den Künstlern in aller Regel
einen 50prozentigen Einnahmeanteil verschafft (und den Plattenfirmen noch genug
Profit belassen würde). US-Gerichte folgen dieser Logik, Eminem z.B. erhielt
bei seiner entsprechenden Klage gegen Universal Music Recht. Auch die
Temptations, Chuck D von Public Enemy oder die Sugarhill Gang erhielt von
Universal Music Geld zurück, das sie eingeklagt hatten, und Sony Music mußte in
den USA massive Nachzahlungen an Künstler wie die Allman Brothers oder Cheap
Trick bestreiten. Dieser Tage zahlte laut „Musikmarkt“ auch Warner Music
insgesamt 11,5 Millionen US-$ in einen Topf, aus dem die Warner-Künstler
entschädigt werden sollen, die bisher von dem Label um ihre Einnahmen geprellt
wurden. Warner Music geht es darum, die Künstler zu besänftigen, die gegen das
Label geklagt haben. Ob der Plan aufgeht, mit den Almosen die Künstler-Klagen abzuwenden,
ist noch offen.

Eines zeigen all
diese Beispiele sehr anschaulich: Wer glaubt, daß Milliardär Leonard Blavatnik,
dem mittlerweile Warner Music gehört, oder der größte Musikkonzern der Welt,
Universal Music, Philanthropen sind, die aus purer Nächstenliebe und aus
kulturellem Interesse Künstler fördern, ist ein Dummkopf. Erinnern wir uns, was
der legendäre britische DJ John Peel sagte: „Die großen Plattenfirmen haben
nie so getan, als seien sie zu etwas anderem da, als möglichst viel Geld zu
verdienen, von dem sie den Musikern möglichst wenig abgeben. Sie sind
Investitionsapparate.“

04.01.2014

Madsen und Esso-Häuser

Als ich am 17.12.2013 in Hamburg war zur Lesung im Golden Pudel Club,
war dies die Titelseite der Hamburger Morgenpost:

Madsen Esso Haus

Laut „Hamburger Morgenpost“ könnte der „extreme Lärm“ der „Rockband
Madsen“ schuld daran sein, daß die Esso-Häuser bebten und daraufhin
evakuiert werden mußten. Madsen? Lärm?!? Die brave Bubi-Band soll plötzlich auf
den Pfaden von SunO))) wandeln?

Ach geh.

Aber wenn es denn nun so wäre? Wenn Madsen tatsächlich Häuser beben lassen
und zum Einsturz bringen können?!? Dann hätte ich, um eine Hacks-Anekdote zu
zitieren, mit der Band einiges Dringende zu besprechen. Dann würde ich Madsen
nämlich gerne im Sommer 2014 zu ein paar kleinen Open Air-Auftritten nach
Berlin einladen. Etwa ein Benefiz-Open Air auf dem Potsdamer Platz mit dem Ziel
der Neugestaltung desselben. Und anderntags ein kleines Open Air vor dem Alexa
vielleicht? Und ein Stadtschloß Open Air auf der Baustelle? Wir werden sehen. 

04.01.2014

Beyoncé

„Perfection
is the disease of the nation". (Beyoncé)

Und:
„Feminist - the person who believes in the social, political, and economic
equality of the sexes". (Chimamanda Ngozi Adichie, in „Flawless“,
ebenfalls von Beyoncés neuem Album)

04.01.2014

Eva Menasse über Überwachungsstaat

"Eine
vollkommen überwachte, abgehörte, ausgespähte Gesellschaft, bei der jede
Lebensäußerung daraufhin abgecheckt wird, was algorithmisch daraus folgt, ist keine
freie Gesellschaft mehr. Das ist das Ende der demokratischen Gesellschaft.
Es ist auch das Ende der Meinungsfreiheit, wenn die Maschinen unsere Gedanken
lesen können. Bürgerrechte, wie zum Beispiel die Unschuldsvermutung oder
das Briefgeheimnis, existieren heute nicht mehr. Sie sind durch den Wilden
Westen des Datenmissbrauchs außer Kraft gesetzt."

(Eva Menasse in der taz)

04.01.2014

Jahrestagsjournalismus

Nun sind die bürgerlichen Medien, die bevorzugt den
Jahrestagsjournalismus pflegen, voll von Artikeln und Feuilletons zum Ersten
Weltkrieg. Titelstories und neue Bücher, die so tun, als ob sie alles erklären
würden oder könnten.

Die Realität jedoch sieht unter anderem so aus, daß die kurzen Texte,
Aphorismen, Essays und Reden eines der klügsten Analytiker seiner Zeit, nämlich
Robert Musils, hierzulande einzig in einer gebundenen Ausgabe (von 1978!) als
Teil der Gesammelten Werke vorliegen, für sage und schreibe EUR 64.-

Darin könnte man lesen, warum es so schwierig ist, sich einen Begriff
vom Ersten Weltkrieg und von der Zeit davor und danach zu machen, und warum
Europa heute so hilflos ist wie seinerzeit auch schon: „So sieht also Weltgeschichte aus der Nähe aus; man sieht nichts.“
(in: „Das hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste“)

Zu lehrreich, als daß man es den Lesewilligen hierzulande so einfach zugänglich
machen wöllte...

04.01.2014

Wilfried Hermann macht Weltpolitik

Wie wenn nicht Welt-, so doch grüne Bundespolitik gemacht wird, die sich
natürlich mindestens für superwichtig und weltbewegend hält, erschließt sich
aus einem kleinen Abschnitt in der „FAS“ vom 29.12.2013. Der Artikel heißt „Der
Friedensengel“ und geht über Ströbele und sein „Meisterstück“, wie von acht
Grünen, die im Jahr 2001 gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr stimmen wollten,
vier umfielen und so Schröders und Fischers „Macht“ erhielten. Darin über
Winfried Hermann, seinerzeit Bundestagsabgeordneter und heute Minister der
Landesregierung Baden-Württemberg: „Hermann
verwandte viel Zeit darauf, das (sein „Nein“, BS) der Öffentlichkeit mitzuteilen. Das genoß er. Er beschäftigte damals
eine Praktikantin. Die verfaßte ein kleines Tagebuch über jene aufregende
Novemberwoche, das in Form eines Briefes an Hermanns noch kleines Kind angelegt
ist. Überschrift: ‚Die Tage, als Dein Papa Geschichte schrieb’. Es geht darin
vor allem darum, wie die Fernsehauftritte des Abgeordneten koordiniert wurden.
Am Dienstagabend waren es gleich drei Live-Interviews. In einer ‚schwarzen
Limousine’ auf dem Weg zum Fernsehstudio mußte die Praktikantin den Abgeordneten
mit Essen und Trinken ‚aufpäppeln’. In der Maske eines Senders, wo die Gäste
vor dem Auftritt geschminkt werden, seien Hermann ‚sogar die Wimpern gebürstet’
worden, erinnert sich die Verfasserin. ‚Er ist tief beeindruckt.’ Besonders
begeistert schien der Mann vom linken Flügel der Grünen zu sein, als er im
‚heute journal’ des ZDF befragt wurde. Seine Kurzzeit-Biographin schreibt,
Hermann scheine ‚sehr stolz’ zu sein. Und sie zitiert ihn mit dem Satz: ‚Wow,
ich hab’s geschafft, wie war ich?’“

Wenn Sie wissen wollen, wie Politik gemacht wird, dann lesen Sie das
Kleingedruckte. Es geht letztlich immer um eitle Kleindarsteller, die
Gelegenheiten suchen, sich irgendwie groß oder geil finden zu können. Und die
ihren kleinen Kindern Legendenbücher darüber anlegen, wie toll ihr Papa doch
mal war. Mehr ist da nicht. Nirgends.

04.01.2014

Richard Prince über chinesische Kunst

„Wer will schon
wissen, was ich mag. Ich jedenfalls nicht.

Ich habe aber eine
Hassliste.

Und darauf steht
zurzeit...

Chinesische Kunst.
Zeitgenössische chinesische Kunst. Die gesamte zeitgenössische chinesische
Kunst. Was um alles in der Welt wollen diese Künstler? Kunst für Kunstmessen in
Miami? (Sie könnten auch einfach Ausverkaufsschilder bemalen.) Zum Beispiel der
Typ, der diese lächelnden Leute malt – die chinesische Regierung sollte ihn
verdammt noch mal wegsperren.“Richard Prince (Übersetzung Markus Schneider), zitiert lt. „Monopol“

04.01.2014

Portoerhöhung

Jetzt hat die Post wieder einmal das Porto erhöht, und sie verlangt von
uns, lächerliche Briefmarken mit Kleinstwerten zu kaufen und auf die Briefe zu
kleben, um die alten bereits gekauften Briefmarken weiter verwenden zu können.

Man versteht einfach nicht, warum die Post hierzulande immer noch so
unflexibel und kundenfeindlich agiert. In anderen Ländern, zum Beispiel den
USA, dürfen alte Briefmarken einfach aufgebraucht werden – ist ja auch logisch:
es entstehen der Post ja keineswegs Verluste, wenn ihre Kunden schon vor ein
paar Monaten Briefmarken gekauft haben, die sie jetzt weiter auf ihre Post
kleben, ganz im Gegenteil: das Geld hat die Post ja in diesen Fällen lange vor
der Beförderung kassiert und kann sich entsprechende Zinsgewinne und
Eigenkapitalsvorteile verbuchen. Aber nein, hierzulande wird von der Post nach
ihrer Privatisierung jede, aber auch jede Möglichkeit genutzt, den BürgerInnen
ins Portemonnaie zu greifen – und übrigens auch von Beförderungsunternehmen wie
der BVG.

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