02.09.2016

Pop-Up-Shops, Kanye West-Klamotten und junge Kapitalisten

Groß im Kommen sind sogenannte Pop-Up-Shops. Also Läden, die nur ein paar Tage lang aufmachen, bevorzugt natürlich in den Hipster-Gegenden der beliebtesten Großstädte.

Frank Ocean beispielsweise hat sein neues Album, noch bevor es in Apples Gated Community herauskam, in einem eigenen Magazin mit dem Titel „Boys Don’t Cry“ veröffentlicht, dem die neue CD beilag und das kostenlos in Frank Ocean-Pop-Up-Shops in New York, Los Angeles, Chicago und London verteilt wurde (ein Exemplar pro Kunden, die Schlangen waren „crazy long“, klar, und aktueller Ebay-Preis $ 202 aufwärts).

Kayne West hat an einem Freitag im August weltweit 21 Pop-Up-Stores eröffnet, in denen man zwei Tage lang „limitierte“ Pullover, T-Shirts und Caps aus seiner Modelinie erwerben konnte. Einen dieser 21 Shops hat Kanye West in Berlin-Kreuzberg aufgemacht, sinnigerweise in der Kunstgalerie „032c“, was ein schönes Bild ist für die gängige Verschränkung von Kunst und Kommerz.

Kaum war die Meldung tags zuvor über Twitter rausgegangen, stürmten die Kids nach Kreuzberg und lagerten einen halben Tag und eine Nacht lang vor der Galerie, äh, also vor dem Kanye West-Shop. Wie der „Tagesspiegel“ berichtete, haben die hauptsächlich Jungs abwechselnd Schlange gestanden oder im Auto oder in Zelten geschlafen; andere haben Campingstühle mitgebracht. Dann öffnet mittags um 12 Uhr der Laden, von Sicherheitspersonal großflächig abgeschirmt, es kommen immer nur fünf Kunden gleichzeitig rein, die dann Minuten später glücklich und mit gefüllten Plastiktüten herauskommen.

Und was machen die Kids mit den Klamotten? Zu besonderen Gelegenheiten tragen? Beim nächsten Clubbing beispielsweise mit seltenen Klamotten aus der Kanye West-Kollektion auffallen? Iwo. Man dealt mit dem Zeugs. „Das ist ganz einfach nur eine Wertanlage“, erklären die Sprößlinge des Kapitalismus dem „Tagesspiegel“-Reporter, „man kaufe die Klamotten und könne sie im Internet für ein Vielfaches verkaufen“. Ein Fünfzehnjähriger hat 600 Euro mitgebracht (ich erinnere mich kurz an die Zeit, als ich fünfzehn war, und daß ich damals vielleicht mal 15 DM zur Verfügung hatte... aber wir legten damals auch Wert darauf, die ältesten Jeans und Pullover zu tragen) und investiert die Kohle, um sie später auf Ebay zu vervielfachen.

So ist das nach drei Jahrzehnten Neoliberalismus: Herausgekommen ist eine Generation, die schon als Jugendliche nur ans Geld denkt und daran, wie aus dem Geld mehr Geld werden kann. Eine Generation von Dealern und Konsumisten, die auch Freundschaft ganz neu definiert: Ein Felix Müller hat seinen gerade für 105 Euro erworbenen Pullover jemandem, der weiter hinten in der Schlange steht, für 180 Euro verkauft (also knappe 80 Prozent Gewinn, steuerfrei). Er erklärt das zur großzügigen Geste: „Im Internet hätte ich noch mehr bekommen können, aber das ist ein Freund von mir.“ Hätten wir unseren Freunden in den 1970er Jahren solche Klamotten noch zum Selbstkostenpreis mitgebracht, so bedeutet „Freundschaft“ heute ganz offensichtlich, eine Ware mit nur 80 Prozent Gewinn weiterzuverkaufen.

World gone wrong.