16.04.2016

Grüner Mutlu und die Mieten

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu setzt sich offiziell seit Jahren
für „bezahlbare Mieten“ in Berlin ein. „Sozial. Gerecht. Direkt.“ So machte
Mutlu Wahlkampf. Doch jenseits seiner Sonntagsreden kümmern den Berliner
Grünen-Politiker bezahlbare Mieten wenig – vor allem dann nicht, wenn es um
Räume geht, die ihm selbst gehören.

Özcan Mutlu hat letztes Jahr ein Ladengeschäft in Prenzlauer Berg
erworben. In diesem Ladengeschäft befindet sich seit 1967 (!) ein
Kosmetikstudio, die jetzige Inhaberin übernahm den Laden 1987, also noch zu
DDR-Zeiten. Mehr als 40 junge Menschen hat sie seitdem ausgebildet, derzeit hat
sie sechs Angestellte und eine Auszubildende.Mit dem günstigen alten Mietvertrag aus DDR-Zeiten war es vorbei, als
der Grünen-Politiker aus Kreuzberg die Immobilie übernahm. Er forderte kurz
nach dem Erwerb der Immobilie eine 100-prozentige Mieterhöhung – „bezahlbare
Mieten“, „sozial, gerecht“ eben. Auf Nachfrage des „Tagesspiegel“ sagt Mutlu,
er habe eben „die Entwicklung der
Gewerbemieten in Prenzlauer Berg der letzten Jahrzehnte berücksichtigen
müssen“, es gehe um eine „Inanspruchnahme
der ortsüblichen Gewerbemiete“ – also der „ortsüblichen“ Miete, die über
Jahrzehnte von Immobilienspekulanten und Hedgefonds nach oben getrieben wurde.
Mutlu möchte sich die Gentrifizierung, gegen die er offiziell anredet, selbst zunutze
machen.Die Inhaberin des Kosmetikstudios hat mittlerweile sogar die
Verdoppelung der Miete akzeptiert, wollte vom Grünen-Politiker jedoch einen
langfristigen Mietvertrag, um für ihre Firma und ihre Angestellten eine gewisse
Planungssicherheit zu haben. Dem verweigerte sich der neue Eigentümer, er bot
nur noch einen Mietvertrag für ein Jahr an, mit einer sechsmonatigen
Kündigungsmöglichkeit. Und im Januar 2016 haben Mutlu und seine Frau der
jetzigen Mieterin gekündigt. „Rabiat und
unmenschlich“ sei das Vorgehen Mutlus, wirft die Inhaberin des
Kosmetikstudios dem Grünen-Politiker laut „Berliner Zeitung“ vor und spricht
von einem „skrupellosen“ Vorgehen
über Makler und Anwälte. „Sozial gerecht
geht es hier nicht zu. Uns wird Angst gemacht.“

Bezahlbare Mieten, so der Grünen-Bundestagsabgeordnete im „Tagesspiegel“,
seien ihm „weiterhin ein wichtiges
Anliegen“. Solange er als Eigentümer und Spekulant genug Profit mit seinen Immobilien
machen kann...

(Anmerkung, fünf Tage später: Mittlerweile hat sich Mutlu dem öffentlichen
Druck und dem Druck seiner Partei gebeugt und dem Kosmetikstudio einen
Fünfjahresvertrag angeboten – zu verdoppelter Miete...)