03.04.2016

Ai Weiwei: Der nützliche Idiot wird fallengelassen

Wie
bürgerliche Medien und überhaupt die bürgerliche Welt funktionieren, kann man
derzeit am Beispiel der „FAS“ und des Ai Weiwei studieren. War Ai lange der Lieblingsdissident
der Deutschen, der „heilige Ai“ eben, wie seinerzeit ohne jede Ironie
geschrieben wurde (in der „FR“ übrigens), so lassen die bürgerlichen Medien ihn
nun, da er sie langweilt, fallen wie eine Urne aus der Han-Dynastie.

An
zwei Sonntagen hintereinander geht die „FAS“ mit dem heiligen Ai jeweils
großflächig ins Gericht. Einmal kritisiert Friederike Haupt Ais Aktion mit den
Flüchtlingen in Idomeni und schlägt für Ai die Bezeichnung „Beknacktivist“ vor.
In der Woche drauf witzelt Johanna Adorjan auf mehr als einer halben Seite
„neue Ideen für Ai Weiwei“ zusammen und schlägt ihm hämisch Ideen für
Kunstprojekte und Aktivismus vor, zum Beispiel: „TTIP: Den Säuleneingang des
Festspielhauses in Bayreuth läßt Ai Weiwei mit knapp einer Million roter McDonald’s-Pommes-Frites-Pappschachteln
verkleiden. Titel dieser aufrüttelnden Aktion: ‚Freedom’.“ Und dann wagt sich
auch die „Berliner Zeitung“ noch aus der Deckung und schiebt am Tag nach dem
zweiten „FAS“-Artikel todesmutig tabubrechend ein „Komm zurück, Ai Weiwei, und laß die Flüchtlinge in Ruhe!“
hinterher.

Soweit
so gut. Ich habe schon vor Jahren erklärt, daß ich Ai Weiwei für einen sagen
wir mal nicht besonders interessanten und ganz sicher deutlich überschätzten Künstler und für einen höchst
fragwürdigen „Aktivisten“ halte, der von interessierten Kreisen „gemacht“ wurde,
und der als jemand, der Jahre in den USA gelebt hat, durchaus das mediale
Spiel, das mit ihm betrieben wurde, durchschaut und freudig mitgespielt hat
(siehe meinen Artikel „Die Legende vom heiligen Ai“, für „Konkret“ 6/2011,
hier). Und die Kritik an Ai und seiner Rolle, die jetzt in der „FAS“
vorgetragen wird, ist nur allzu berechtigt. Allein: diese Kritik hätte substantiell
vor Jahr und Tag vorgetragen werden müssen. Zu einer Zeit also, da Ai im
Gegenteil auch und gerade in „FAZ“, „FAS“ und „Berliner Zeitung“ und all den
anderen Medien hofiert wurde, zu Zeiten, wo jeder seiner Schritte ausführliche
und höchst unkritische Artikel in ebendiesen Zeitungen zur Folge hatte.

Das
ist das Spiel, das die bürgerlichen Medien und die bürgerliche Welt mit
Dissidenten spielen wie die Katze mit einer gefangenen Maus, ehe sie diese
verspeist: Wir schreiben dich hoch, solange du unser nützlicher Idiot bist und solange du uns
Spaß machst. Nützt du uns nicht mehr und haben wir den Spaß an dir verloren,
werden wir dich fressen. Immer.