28.10.2015

Interview Bettina Reitz

Einige Kritiker meines neuen Buches, das die Abschaffung des
gebührenfinanzierten Staatsfernsehens fordert, werfen mir vor, ich sei
wahlweise ein „Wirtschaftsliberaler“ oder sonstwie mit dem Klammerbeutel
gepudert; zwar sei meine Kritik an den Öffis, das sagen eigentlich alle
Rezensenten, völlig berechtigt, aber man müsse den Laden unbedingt reformieren,
und bloß nicht abschaffen.

Interessant ist, daß zuletzt einige prominente Fernsehleute ganz ähnlich
argumentieren – der langjährige ARD-Korrespondent Christoph Maria Fröhder
rechnete im „Spiegel“ als Insider mit den Methoden der „Tagesschau“ ab, und der
ehemalige Leiter des ZDF-Hauptstadtbüros, spätere ZDF-Talkmaster und
langjährige „Aspekte“-Redaktionsleiter und Moderator Wolfgang Herles schrieb
gar ein ganzes Buch über den „Verfall der
Fernsehkultur“ und den „Totalitarismus
der Quote“; seine Einschätzung gipfelte im Statement: „So, wie es ist, macht
sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen selbst überflüssig. Reformiert ARD und
ZDF grundlegend oder schafft die Anstalten ab!“Ach ja, interessant, ein ZDF-Insider fordert, ARD und ZDF abzuschaffen.

Den Vogel aber schießt Bettina Reitz ab. Bettina Reitz war lange Jahre
ZDF-Redakteurin, BR-Filmchefin, Geschäftsführerin der ARD-Tochter Degeto, der
berüchtigten Kitschfabrik, und von 2012 bis September 2015 war Reitz
Fernsehdirektorin des BR, bis sie zum 1.10.d.J. zur Präsidentin der Hochschule
für Film und Fernsehen München berufen wurde.Reitz gab nun der „Zeit“ ein längeres Interview mit allerlei
interessanten Aussagen, etwa:„Ich verhehle nicht, dass ich die Zukunft des Films
und der Serien innerhalb des öffentlich-rechtlichen Fernsehens skeptisch sehe.
(...) Salopp gesagt, fühlte ich mich irgendwann wie eine Art Sterbebegleiterin
des klassischen Fernsehens.“Oder: Im Bereich „Film- und Serienangebote haben wir eine
riesige Lücke hinterlassen. (...)Wo bleibt der Mut zu einer gewissen Größe für
Kinofilme und auch für gute Serien? Größe im Denken, im Erzählen, in der
Ausstattung. Das Miniland Dänemark ist mit seinen Filmen und Serien talk of the
town. Sind die Dänen künstlerisch so viel freier? Nun, sie haben einen anderen
Willen, mit ihren Filmen international Gesprächsstoff zu geben. Hierzulande
genügt es den Machern oft, in einer kleinen Nabelschau am Ende irgendwie ihr
Filmchen zu machen.“Und schließlich,
man höre und staune: „Das klassische,
lineare Fernsehen, über das wir hier reden, ist ein Auslaufmodell. Die Menschen
haben heute die Möglichkeit, ich weiß nicht wie viele Programme anzusehen und
auch selbst herzustellen.“

Die Autorin der „Zeit“ blieb, wie es heutzutage eben so ist, still und
stumm. Frau Reitz mußte sich keine einzige ordentliche Rückfrage gefallen
lassen, etwa, ob sie als langjährige Öffi-Redakteurin, Filmchefin,
Degeto-Geschäftsführerin und schließlich sogar BR-Programmdirektorin nicht
diejenige hätte sein müssen, die Antworten
gibt, statt zum Abschied von ihren Öffi-Funktionen lauter Fragen aufzuwerfen, so, als ob sie mit den Öffis nie etwas zu tun
gehabt habe.Wenn Sie wissen wollen, wie das mit einer der größten und
finanzstärksten Machtformationen im Lande genau funktioniert, darf ich Sie
freundlich auf mein neues Buch „I Have A Stream“ hinweisen, das ich an anderer
Stelle in diesem Rundbrief bereits vorgestellt habe.