04.10.2015

Gorny, Rechtsverstöße & Lobbyismus II

Daß der Einfluß des neuen "Regierungs-Beauftragten für Kreative und Digitale Ökonomie", also des Cheflobbyisten der deutschen Musikindustrie, Dieter Gorny auf die Gesetzgebung bereits nach wenigen Monaten
eklatant ist, beweist ein Aufsatz des Direktors des Instituts für
Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster,
Thomas Hoeren, in der „FAZ“. Laut Hoeren hat die geplante Änderung des
Telemediengesetz offiziell „das Ziel, den
Ausbau öffentlicher W-Lan-Netze in den Städten voranzutreiben. Soweit
Neusprech, in Wirklichkeit geht es um eine Verschärfung der Haftung für
W-Lan-Betreiber. Hintergrund ist vermutlich eine interne Liason dex
Bundeswirtschaftsministers mit der Musikindustrie, aufgrund derer Sigmar
Gabriel im März den Vorsitzenden des Bundesverbandes Musikindustrie, Dieter Gorny,
zum Beaftragten für digitale Ökonomie ernannte. Der Musikindustrie sind offene
W-Lan-Netze jedoch ein Dorn im Auge. Dies spiegelt sich im Gesetzentwurf
wider.“

So Thomas Hoeren in der „FAZ“. Und Hoeren verweist auf eine weitere
Verschärfung des Gesetzes: „Zudem dürfen
sie den Zugang nur solchen Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, die zuvor
eingewilligt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Anders als zunächst
vorgesehen, gilt dies nun auch für private, nichtgeschäftsmäßige
W-Lan-Angebote.“ Gabriel und Gorny, G. & G., also gewissermaßen der
doppelte deutsche G-Punkt der Musikindustrie, stellen sich das also so vor:
Wenn ich mal bei Freunden zuhause bin und auf meinem Smartphone eben im
dortigen W-Lan die Adresse der Kneipe, in die wir gehen wollen, auf Google Maps
checken möchte, legen mir meine Freunde eine Erklärung vor, die sie immer
vorbereitet rumliegen haben, und in der ich an Eides statt versichere,
keineswegs Rechtsverletzungen begehen zu wollen. Eigentlich ganz einfach und
logisch, oder? So leben wir digital citizens im 21.Jahrhundert natürlich...

Daß Gabriel unter Mithilfe seines Duz-Kumpels und Lobbyisten Gorny
natürlich nicht die gängige Rechtsprechung in den Gesetzentwurf eingearbeitet
hat, wonach „die Betreiber öffentlicher
W-Lan-Netze aufgrund der europäischen E-Commerce-Richtlinie und des
Telemediengesetzes von jeglicher Haftung befreit sind“ (etliche Gerichte,
etwa in Hamburg oder Berlin, haben zuletzt entsprechend geurteilt), versteht
sich fast von selbst.Thomas Hoeren kommt zu dem eindeutigen Schluß: „Insgesamt ist die Regelung europarechtswidrig und eine einzige
Unverschämtheit. Gabriel behauptet, er tue etwas für den Ausbau öffentlicher
W-Lan-Netze. Tatsächlich praktiziert der Bundeswirtschaftsminister genau das
Gegenteil – an der Rechtsprechung vorbei, gegen europarechtliche Vorgaben und
in einer Terminologie, die mit Jura nichts mehr zu tun hat. Wer schreibt
eigentlich solch einen Unsinn? Warum die übereifrige Verbeugung von Sigmar vor
Dieter?“Gute Fragen. Wir leisten uns einen Bundeswirtschaftsminister, der uns
Bürgerinnen und Bürgern massiv schadet und damit seinen Amtseid verletzt, und
der stattdessen die Interessen der Großindustrie, deren oberstem Lobbyisten er
einen Schreibtisch im Ministerium verschafft hat, massiv vorantreibt (was sich
ansonsten auch in seinem Eintreten für TTIP und CETA zeigt). Wie lange noch?