04.10.2015

Berlin Pop.Kultur - Dercon, Volksbühne

Und das Berliner Staatspop-Pünktchen-Festival „Pop.Kultur“? Dazu ein
andermal in Ruhe etwas Grundsätzliches. Heute nur: Es hat keinem weh getan.
Seit Rot-Grün wurde Pop ja zur „Staatsräson“ ausgerufen, wie Frank Apunkt
Schneider in „Deutschpop halt’s Maul!“ schreibt. Drollig war der verzweifelte
Versuch, alles, was dort stattfand, zu einer „Weltpremiere“, „Premiere“ oder
doch zumindest „Berlin-Premiere“ auszurufen. Besonders selbstbewußt wirkte das
nicht, zumal die meisten Künstler, die aufgeboten wurden, sowieso alle naslang
in Berlin gastieren (nur üblicherweise eben von freien Veranstaltern der Szene
organisiert, die damit mühsam die Steuergelder erwirtschaften, von denen die
sogenannten Popkuratoren dann ihr Programm finanzieren – wäre gut, wenn Letztere
mal unter „Subsidiaritätsprinzip“ nachschlagen würden).

Andrerseits – sagen wir’s mal so: Wenn man Ihnen oder mir 700.000 Euro
aus Steuergeldern gegeben hätte, ich möchte wetten, Sie oder ich hätten damit
ein spannenderes, interessanteres und vielseitigeres Programm
zusammengestellt...

Doch was sind schon 700.000 Euro. Der neue Chef der Berliner Volksbühne
bekommt zusätzlich zum normalen
Volksbühnen-Etat von über 20 Millionen Euro und zusätzlich zur Erhöhung des Volksbühnen-Etats mit dem Amtsantritt
Dercons um noch einmal 3 Millionen – wohlgemerkt, bis heute liegt weder der
Öffentlichkeit noch den Berliner Abgeordneten auch nur ein Hauch von Konzept des
Herrn Dercon vor, was er an der Volksbühne überhaupt vorhat – noch einmal sage und schreibe 3
Millionen Euro zur „Vorbereitung seiner Intendanz“ – wie dürfen wir das
verstehen? Wird Dercon, wenn er 2017 aus London von seinem bisherigen Job bei
der Tate Gallery einschwebt, ein roter Teppich vom Flughafen Tegel bis zum
Rosa-Luxemburg-Platz ausgerollt?!? Allein für die Vergoldung seiner Intendanz
bekommen Dercon und die Volksbühne so viel, wie die gesamte Compagnie Sasha
Waltz im gleichen Zeitraum vom Land Berlin erhält. Im Vergleich zu all dem
Dercon-Money ist all das Geld für Popkultur oder Musicboard nur Peanuts.Diese obszöne Überfinanzierung von Dercons Eventkultur läßt jede
Relation vermissen, zumal die Freie Szene auch im neuen Haushaltsplan von
Müller, Renner und Co. jenseits von warmen Worten wenig Brauchbares findet, und
etablierte kleinere Spielorte oder Off-Theater-Truppen leer ausgehen. Aber Tim
Renner soll ja, so ist zu hören, planen, „Scouts
aus der freien Szene zu berufen, die Ausschau nach leeren Räumen halten sollen“
(„Berliner Zeitung“). Echt nachhaltige, perspektivenreiche Kulturpolitik eben.