US-Präsidentschaftswahlen - Trump, Sanders & Co
Nun belästigen uns die bürgerlichen Medien, die Qualitätspresse, die
Rundfunk- und Fernsehanstalten und die einschlägigen Magazine wieder fast
tagtäglich mit ihrer Hofberichterstattung zu dem Spektakel, das in den USA als
„Präsidentschaftswahlkampf“ bzw. als Vorwahlkampf inszeniert wird, und es wird
noch über ein Jahr dauern. Sie wissen schon, das ist dieser Zirkus, bei dem
eine Minderheit der Bevölkerung die Wahl zwischen einem rechten und einem
Mitte-Rechts-Kandidaten haben wird, und der dem Rest der Welt als Demokratie
verkauft wird.Bisheriger Höhepunkt der hiesigen Berichterstattung war der
Feuilleton-Aufmacher im laut aktuellen Büchner-Preisträger Rainald Goetz
„Zentralorgan der Arschlochwelt“, also der „Zeit“, am 17.9.d.J. Titel: „Trumps
Welt“. Untertitel: „Der amerikanische Populist trifft auf eine Stimmungslage
voller Enttäuschung und Realitätsverweigerung. Haben wir ihn verdient?“, fragt
Hans Ulrich Gumbrecht. Auf so eine Frage muß man auch erstmal kommen, dann darf
man Aufmacher im Feuilleton der „Zeit“ schreiben: Haben „wir“ „ihn“
„verdient“?!?
Oder, andersherum gefragt: Hat Obama Pegida und Frigida verdient?Seltsame Logik.
Es wäre jedenfalls schön, wenn man die nächsten Monate von all den
wichtigtuerischen Artikeln über Herrn Trump, Frau Clinton und all die anderen
weitgehend verschont bliebe. Man könnte stattdessen ja in ähnlicher
Ausführlichkeit über transatlantische Politikkonzepte berichten und diskutieren.
Denn Trump zum Beispiel ist eine reine Projektionsfläche der kleinbürgerlichen
US-Rechten und der bürgerlichen Presse hierzulande, er wird weder US-Präsident
werden noch auch nur Präsidentschaftskandidat der Republikaner, ganz egal, ob
„wir“ ihn nun „verdient“ haben oder nicht. Man braucht nur einen kurzen Blick
auf die Analyse von Nate Silver werfen, dem amerikanischen Statistiker,
Wahlforscher und Publizisten, der bei der Präsidentschaftswahl 2008 mit einer
Ausnahme alle Ergebnisse in allen Bundesstaaten ebenso richtig vorausgesagt hat
wie die Gewinner aller Wahlen zum Senat und der von „Time“ zu den 100 weltweit
einflußreichsten Persönlichkeiten gezählt wurde (daß Wahlforscher zu so etwas
werden, kann auch nur in den USA passieren...). Dieser Nate Silver jedenfalls
hat analysiert, daß Trump bei weitem nicht so populär unter den
Republikaner-WählerInnen ist, wie allüberall getan wird. Sicher, Trump führt
die Umfragen aktuell an – wenn man aber alle Umfragen nach „favorable“ und
„unfavorable“ analysiert, woraus Silver ein Kriterium namens
„Netto-Beliebtheit“ errechnet, liegt Trump nur an 13. Stelle unter 17
Kandidaten. Denn er ist zwar bei 47% der Befragten beliebt, aber eben auch bei
43% unbeliebt. Nate Silver vergleicht Donald Trump in einem Blogbeitrag mit der
Band Nickelback: bei vielen Leuten unbeliebt, aber von ein paar die-hard-Fans
vorbehaltlos bewundert. Bei Trump ist es jedoch laut Silver ein wenig anders: er
wird weniger von passionierten Republikanern bevorzugt denn von wenig
informierten WählerInnen („low-information voters“). Und die entscheiden nun
mal nicht über die Aufstellung des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner.
Alle Aufregung, alle Leitartikel über Donald Trump sind vergebens und völlig
überflüssig, sieht man mal von den Zeilenhonoraren für ihre Autoren ab. Love’s
labor’s lost.