20.05.2015

Lollapalooza; Berlin; Live Nation

Ich sag das jetzt nicht, um anzugeben, aber Sie sollen halt wissen, daß
Sie als LeserIn dieses kleinen Rundbriefes doch nicht allzu schlecht informiert
werden: Vor paar Monaten, und zuletzt in meinem in der „Jungle World“ Ende 2014
erschienenen Artikel „Wir lieben euch doch alle! Lollapalooza erstmals in
Berlin“ habe ich Ihnen erzählt, daß das US-Festival, das sich gerne als drollig
und alternativ und künstlerorientiert und ganz besonders besonders gibt, das
mit Ihnen „eine Familie gründen“ möchte, „eine lokale Community aus
Musikern und Künstlern“, wie Lollapalooza-Boß Farrell gesagt hat, daß
dieses schnuckelige Lollapalooza in Wahrheit u.a. der weltgrößten und mächtigsten
Künstleragentur WME gehört, und daß der weltgrößte Livemusik-Konzern Live
Nation eine Übernahme eines anderen Miteigners des Lollapalooza-Festivals
anstrebt. Dies ist mittlerweile vollzogen, und Live Nation gehören jetzt die
Mehrheitsanteile an C3 Presents, wie auch schon Anteile an „Festival Republic“,
dem dritten Großeigner des Lollapalooza-Festivals. Es geht ums internationale
Geschäft, und der Live Nation-Konzern benötigt einen starken Eintritt in den
bundesdeutschen Konzertmarkt, der nach wie vor von CTS Eventim, dem
drittgrößten Livemusik-Konzern der Welt, dominiert wird. It’s the economy,
stupid!

Live Nation ist übrigens aus der von der US-amerikanischen
Kartellbehörde verlangten Zerschlagung von „Clear Channel“ hervorgegangen – die
Live-Sparte und die Mediensparte des Konzerns mußten seinerzeit getrennt
werden. Wir erinnern uns: Clear Channel, das ist der Konzern, der immer auf der
Seite von George W. Bush stand und dessen Präsidentschaftskampagnen
mitfinanziert hat, der Konzern, der eine Pro-Irakkrieg-Propaganda-Tournee
namens „Rally for America“ organisierte und dessen Radiostationen unmittelbar
nach 9/11 eine „schwarze Liste“ umsetzten mit Songs, die aus „nationalen
Gründen“ als „unpassend“ galten und nicht mehr gespielt werden durften. U.a.
waren das John Lennons „Imagine“; Bob Dylans „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Hey
Joe“ von Jimi Hendrix bis hin zu Songs von Neil Diamond, Billy Joel oder den
Rolling Stones. Und die Dixie Chicks, die es gewagt hatten, sich in England
gegen Bush’s Irakkrieg auszusprechen, wurden gleich komplett aus den Clear
Channel-Radiokanälen verbannt.

Und jetzt erzählen uns die Handlanger der Nachfolger dieses Konzerns etwas
davon, daß sie mit ihrem Lollapalooza-Festival das „Bedürfnis nach Liebe“ in
Berlin befriedigen zu wollen. Mon dieu.

Aber die BerlinerInnen sind natürlich schlau. Wie zu hören ist, läuft
der örtliche Vorverkauf für das Großfestival des Großkonzerns ziemlich schlapp
(das werden sie natürlich nie zugeben, so, wie das DEAG-Festival „Grüne Hölle“
natürlich auch ganz toll lief und wie verrückt Tickets verkauft hat, und
niemand weiß, warum es dennoch nach Schalke verlegt wurde... nach außen sind
das ja immer alles die tollsten Erfolgsstories...). Kein Wunder, denn das
Line-Up des Berliner Lollapalooza darf als gehörige Enttäuschung gewertet
werden – lauter Bands, die sowieso regelmäßig in Berlin spielen. Seed. Beatsteaks. The Libertines. Tame Impala. Belle
& Sebastian. Mighty Oaks. My Morning Jacket etc. pp. So what?Retten werden die Festivalmacher wohl allein die Ticketkäufer aus dem
Ausland, die die Teilnahme an dem Festival mit einem Wochenendtrip nach Berlin
verbinden werden.

(Der neue
„offizielle Live Nation-Drink“ ist übrigens Pepsi-Cola. Der Konzern PepsiCo hat
es geschafft, den jahrelangen Live Nation-Getränkepartner Coca Cola
auszustechen. "Our partnership with Live Nation elevates our robust music platform
to new levels", teilte der PepsiCo-Vice
President Adam Harter mit. Pepsi wird unter anderem, genau: das
Lollapalooza-Festival sponsern. Sagen Sie also nicht, Sie hätten nicht gewußt,
welche braune Brause Sie da trinken müssen...Live Nation hat in
2014 übrigens weltweit die Rekordsumme von 300,3 Millionen US-$ durch
Sponsorship eingenommen. Sagte ich glaube ich schon – es scheint bei Live
Nation, Lollapalooza und Co. ein klein bißchen mehr ums Geld als um irgendetwas
anderes, und wahrscheinlich am allerwenigsten um Musik zu gehen...)