Rock am Ring vs. Grüne Hölle
Wenn das Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie behauptet, etwas
sei „ein Thema, das die Branche weiter in
Atem hält“, kann man sicher sein, daß in Sechuan gerade ein Sack Reis
umgefallen ist. Sie ahnen es - die Rede ist vom „Festivalkrieg“, den sich nach
hiesiger Narration Marek Lieberberg und Ossy Hoppe um „Rock am Ring“ und das
ganze Drumherum liefern. Ich kenne ehrlich gesagt niemanden in der „Branche“,
der deswegen den Atem anhalten oder dem Ganzen sonstwie eine besondere
Bedeutung beimessen würde (mal jenseits der Tatsache, über die bisher gar nicht
berichtet wird, nämlich, daß die schwelende Auseinandersetzung um die eventuell
zwei Festivals dazu führt, daß etliche Festivals und Konzertreihen auf
mittlerem und kleinerem Niveau nach wie vor ohne Bestätigung ihrer Headliner
dastehen, weil die meisten Bands immer noch hoffen, von den fetten Gagen der
sich überbietenden Großfestivals etwas abzubekommen...). Denn es geht hier natürlich
einfach nur um wirtschaftliche Interessen, um Profit. „It’s the economy,
stupid!“Die CTS Eventim AG, der drittgrößte Konzertveranstalter der Welt und der
zweitgrößte Ticketingkonzern der Welt, hält 100% an Marek Lieberbergs Konzertagentur.
Der CTS Eventim-Konzern verkauft nicht nur geschätzte 80% aller Pop- und
Rock-Tickets hierzulande (und kann als Quasi-Monopolist die beträchtlichen
Zusatzgebühren, die die Tickets für die Fans so teuer machen, ungehemmt
diktieren), sondern ist auch an geschätzt 16 der 20 größten deutschen Festivals
beteiligt oder veranstaltet sie via seiner Tochterfirmen komplett selber. Ein
einträgliches Geschäft.Die DEAG (Deutsche Entertainment AG) ist ein anderer Großkonzern im
Konzertgeschäft, hauptsächlich im sogenannten „Family Entertainment“ und in der
„populären“ Klassik (von Lang Lang bis David Garrett) zugange (Geiger Garrett
hält laut Wikipedia übrigens 3% der DEAG-Aktien) und versucht nun, ins
profitträchtige Rock-Festivalgeschäft einzusteigen und auf dem Nürburgring ein
Nachfolgefestival zu Marek Lieberbergs legendärem „Rock am Ring“ (das dieser
unter diesem Namen andernorts weiterbetreiben wird) sowie dem Vernehmen nach in
München ein Großfestival auf die Beine zu stellen. Bisher (Stand 28.10.2014)
erfolglos. Während Lieberberg, der größte und bedeutendste deutsche
Konzertveranstalter, längst mit seinen Zwillingsfestivals „Rock am Ring“ und
„Rock im Park“ und einem gewohnt starken Line-Up im Vorverkauf ist, hört man von
der „Grünen Hölle“ der DEAG – nichts. Außer starken Worten ihres
Vorstandsvorsitzenden Schwenkow im Interview mit dem Vereinsblättchen der
deutschen Musikindustrie, denen bisher aber keine Taten folgen. Kein Wunder –
die attraktivsten Headliner sind längst vom Markt und spielen bei Lieberbergs
Festival, neben den einschlägigen deutschen Großbands u.a. auch der vermutlich
heißeste internationale Headliner der Festivalsaison 2015, die Foo Fighters
(das traditionsreiche belgische Rock Werchter-Festival hat sogar das erste Mal
in seiner über 30jährigen Geschichte seinen Termin kurzfristig vorverlegt, um
die Foo Fighters präsentieren zu können... die Künstler haben eben die Macht!).
Könnte sein, daß die DEAG und ihr Vasall es noch bereuen werden, die
Finanzschwierigkeiten bei Capricorn nicht zum ehrenhaften Ausstieg aus ihrem
Nürburgring-Projekt genutzt zu haben. Denn die letzten Wochen war den Medien zu
entnehmen, daß der Käufer des Nürburgrings, der Düsseldorfer Autozulieferer
Capricorn, wirtschaftlich ins Schlingern geraten sein soll und den Kauf des
Nürburgrings wohl „nur mit Mühe
bewältigen kann“ („Rhein-Zeitung“). Und das Verkaufsverfahren des
Skandalprojekts der SPD-geführten Landesregierung soll auch nicht ganz astrein
verlaufen sein – der Verkauf ist jedenfalls noch lange nicht rechtsgültig,
einige unterlegene Bieter planen laut „Rhein-Zeitung“, das Verkaufsverfahren
vor der „europäischen Gerichtsbarkeit
anzufechten“. Ein echter Wirtschaftskrimi also, in dem man viel über
deutsche Politik, Großkonzerne und das zahnlose deutsche Kartellrecht lernen
kann. Das, was das Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie darüber
berichtet, etwa die Auseinandersetzung um die Namensrechte (die natürlich, so
wie es die Gerichte auch entschieden haben, dem zugefallen sind, der die Arbeit
gemacht und das Festival seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben hat, und nicht
demjenigen, der bloß das Gelände gekauft hat) ist allerdings eben nur, daß in
Sechuan... na, Sie wissen schon.